Asien.
127
regiert, heißt „der Sohn des Himmels". Die Be-
amten (Mandarinen) haben große Vorrechte und
üben eine tyrannische Macht und Willkührherrschaft
über das Volk aus. Es herrscht übrigens große
Entsittlichung und die Masse des Volkes befindet
sich im Zustande tiefsten Elends, das durch schreck-
liche Bürgerkriege noch erhöht wird. — Die Schrift-
sprache der Chinesen ist eine eigenthümliche. Für
jedes Wort haben sie ein besonderes Zeichen und
die Schriftsprache ist daher sehr schwierig zu erlernen.
o) Die Chinesen sind nicht nur eins der ältesten,
sondern auch der merkwürdigsten Culturvölker der
Erde. Sie sind fleißig, klug, gewerbthätig, erfind-
sam, unternehmende Handelsleute, dabei aber listig,
heuchlerisch, auf ihre eingebildeten Vorzüge kindisch
stolz, gegen Fremde hochmüthig und mißtrauisch.
Viele Erfindungen, z. B. die des Schießpulvers, haben
sie früher als die Europäer gekannt, sie verachten
aber jeden Fortschritt und stehen daher genau auf
derselben Stufe der Bildung, auf welcher sie vor
Jahrtausenden standen, auch ist es ihnen gar nicht
erlaubt, von dem Herkommen und der alten Sitte
abzuweichen. — Früher wurde die strengste Ab-
schließung gegen alle Fremde (Barbaren) beobachtet
und dadurch der Handelsverkehr erschwert; Europäer
durften damals nur nach dem Hafen von Canton
kommen. Doch wird China jetzt seit dem letzten
Kriege mit den Franzosen und Engländern, zum
Theil durch Zwang, dem Handelsverkehr mit Europa
mehr erschlossen.
Von großer Bedeutung ist außer dem Ackerbau
die Industrie. Die Fabrication von Poreellan,
von Seiden- und Baumwollenwaaren (Nan-
king), von Elfenbein- und Schildpattarbeiten,
von lackirten Maaren, von feinem, festen Papier
und vielen andern Dingen ist zur größten Vollkom-
menheit gelangt. Von besonderer Bedeutung ist der
a
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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44
Europa.
Düffeldorf, hübsche Stadt am Rhein, hat leb-
haften Handel, Industrie und Dampfschifffahrt.
45.000 E.
Wrset, Festung am Rhein. 19,000 E.
Crefeld, schöne und sehr gewerbfleißiqe Stadt.
55.000 E.
Kolingen, Fabriken für Eisen- und Stahlwaaren.
12.000 E.
Elberfeld, an dem kleinen Flusse Wupper, eine
der wichtigsten Fabrikstädte Preußens (Bänder, Zwirn,
Seiden- und Vaumwollenwaaren sind die Haupt-
erzeugnisse der Industrie Elberfelds). 63,000 E.
Barmen, an der Wupper, hängt fast mit Elber-
feld zusammen und erzeugt im Ganzen dieselben
Fabrikate. 60,000 E.
Cöln, Fabrik- und Handelsstadt am linken Ufer
des Rheins (unter den Haupterzeugnissen der
Industrie nennen wir das bekannte Lau de Cologne).
An der Vollendung der (1248 begonnenen) großen
und prächtigen Domkirche wird jetzt wieder rüstig
gearbeitet. 124,000 E.
Schon 37 v. Ehr. errichteten die Römer hier ein Stand-
lager, woraus sich später eine Stadt bildete, die zu Ehren
der Gemahlin des Kaisers Claudius Colonia Agrippina
genannt wurde. Im Mittelalter hatte C. wahrscheinlich über
300.000 E. und war ein mächtiges Mitglied der Hansa.
Bonn am Rhein. Universität. 23,000 E.
Coblenz, starke Festung am Einfluß der Mosel
in den Rhein. Die am rechten Ufer des Rheins
gegenüber liegende Festung Ehrenbreitstein bildet
gleichsam einen Theil der Befestigungen Coblenz's.
30.000 E.
Trier, alte Stadt an der Mosel mit vielen Ueber-
resten (Bädern, einem Amphitheater u. M.) aus der
Römerherrschast. Alter Dom mit vielen Reliquien
(darunter der berühmte ungenähte heilige Rock).
22.000 E.
TM Hauptwörter (50): [T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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Europa.
69
Zu Frankreich gehört die italienische Insel Corsica
im mittelländischen Meere. Sie ist gebirgig und
waldreich.
Der Boden ist im Ganzen fruchtbar, aber sehr schlecht
benutzt; die Bewohner (200,000) sind sehr roh; sie leben
von der Viehzucht und der Fischerei. Hier ist die Stadt
Äjacrio (Ajadschio), wo Napoleon Bonaparte geboren wurde.
Außerhalb Europa's besitzt Frankreich:
In Astru: Einige Distrikte in Vorderindien und einen
Theil von Cochinchina.
In Afrika: Algerien (siehe Afrika); einige Distrikte
in Senegambien, in Guinea und in Abessinien; verschiedene
Inseln.
In Amerika: Einige Inseln in Westindien; einen Theil
von Guyana.
In Australien: Viele Inseln.
Im Ganzen c. 12,000 ^>M. mit gegen 3 Mill. E.
Das Königreich Belgien.
1. Belgien gränzt gegen N. und O. an die
Niederlande und Deutschland, gegen S. an Frank-
reich, gegen W. an die Nordsee. Flächeninhalt
540 cm
2. Das Land bildet einen Theil der mittel-
europäischen Tiefebene, nur im Südosten sind Zweige
der Ardennen, auf welchen die Schelde entspringt.
Die Niederungen sind von vielen Flußarmen und
zahlreichen künstlichen Wasseradern netzförmig durch-
schnitten. — Den östlichen Theil durchströmt die
Maas.
3. Die Einwohnerzahl beträgt 5 Mill. Das
Volk spricht verschiedene Dialekte (flämisch, wallonisch),
aber die gewöhnliche Schriftsprache und die Sprache
der Gebildeten ist die französische. Die meisten Ein-
wohner sind Katholiken. Die Staatsverfasiung
ist beschränkt monarchisch. Der Boden ist sehr frucht-
bar, von Kornarten hat man besonders Weizen.
Wegen der starken Bevölkerung ist das ganze Land
gartenmäßig angebaut. Außerdem hat das Land
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Extrahierte Personennamen: Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Europa Frankreich Frankreich Astru Cochinchina Afrika Algerien Afrika Guinea Abessinien Amerika Westindien Guyana Australien Belgien Niederlande Deutschland Nordsee
445
Gebirgsland überschaut, so erscheinet beides doch wie aus einem Gusse
entstanden und ein für die Ewigkeit gebautes Denkmal der Grosze und
Allmacht des Schöpfers zu sein! Gar bald bemerken wir aber an den
herabgerollten Felsen, an den Schutthalden, welche längs der Seiten des
Berges herablaufen, dasz auch sie dem Gesetze des Werdens und Ver-
gehens unterworfen sind. Wir kurzlebenden Menschen können freilich
mit leiblichen Augen nur einen kleinen Kreis dieser immer fortgehen-
den Veränderungen überschauen. Wir haben aber das Vermögen,
unseren Gesichtskreis dermaszen zu erweitern, dasz an unserem Geiste
vorüberzieht, was vorjahrtausenden in Natur und Menschenleben vor
sich gegangen ist.
Unser geistiges Auge reicht unendlich weit über die sichtbare Welt
hinaus und umfaszt Vergangenheit und Zukunft, wodurch der Mensch
seine höhere übersinnliche Natur bekundet.
Man hat die Schichten, aus welchen unsere Erde besteht, den Blättern
eines groszen Buches verglichen. Auf jedem Blatte ist die Geschichte
einer anderen Vorwelt durch ihre eigenen Ueberbleibsel niedergeschrieben,
und die Blätter liegen genau in derselben Reihenfolge, wie die Zeiten
nach einander kamen. Aber um diese Blätter zu verstehen, musz man
die Sprache erlernen, in der sie geschrieben sind, und dazu ist ein groszer
Aufwand von Gelehrsamkeit erforderlich.
Der Dr. Seherzer, der eine Reise um die Welt gemacht, erzählt, dasz
er auf der Insel St. Paul in einer Hütte eine ganze Bibliothek, von einem
gestrandeten Schiffe stammend, gefunden habe, aber kein Mensch auf der
Insel konnte in diesen Büchern lesen und hatte eine Ahnung davon, welch’
reichen Schatz zur Belehrung und Unterhaltung jene vereinsamte Hütte
barg. So lagen auch die Erdschichten vor allen Menschen aufgeschlagen,
aber niemand konnte sie lesen, die deutschen Gelehrten Abraham Gottlob
Werner und Leopold von Buch und der grosze Franzose George
Cu vier und nach ihnen hundert andere haben die geheime Schrift er-
gründet und uns Nachricht von den Wundern aller Vorzeiten gegeben,
welche diese Erdkugel bereits gesehen hat.
140, Die Steinkohle.
Wenn im Herbste die Blätter von den Bäumen fallen und die kleinen
Pflanzen in Feld und Wald absterben, so verwesen sie, und es bleibt nur
wenig Staub von ihnen, der den schwarz färbenden Theil der oberflächlichen
Erde in Garten, Feld, Wiese und Wald ausmacht. Fallen einzelne Blätter
in's Waffer, so begräbt sie unten der Schlamm, und man findet sie nach
Jahren, nach Jahrzehnten, nach Jahrhunderten noch wieder im Thon,
Thonstein, Schiefer oder Sandstein, welchen der Schlamm gebildet hat.
Die Umrisse, die Rippenzeichnung des Blattes, ja die Hauptmasse ist dann
erhalten und nur schwarz gefärbt. Die Erhaltung verdanken sie dem Um-
stande, daß der Zutritt der Luft, mit ihrem verzehrenden Sauerstoff, abge-
halten wurde. Was den Blättern geschieht, geschieht auch den ganzen
Baumstämmen, welche vor der Besiedelung Deutschlands im tiefen Bette
der Elbe versenkt wurden, wie noch gegenwärtig im Mississippistrom Nord-
amerika s. Wo nun aber gar Psianzen im See oder Sumpfe wachsen
und alle ihre Ueberreste unter Wasser fallen lassen, da bleibt, so zu sagen,
die Ernte eines jeden Jahres unter Wasser aufbewahrt und häuft sich zu
490
alle katholischen Gebrauche in unserem Lande verschwanden. Noch bis in
die Mitte des 17. Jahrhunderts war die lateinische Sprache beim Altar-
dienste in Gebrauch; ja in Flensburg wurde erst im Jahre 1725 diese
Unsitte abgestellt und in einzelnen Theilen Holsteins gar erst 1746.
4. Vio Bedeutung der Nclornration für unser Land,
insbesondere für Schleswig.
So war es denn wieder eine religiöse Bewegung, die wie im Anfang
unser Land an Deutschland knüpfte. Von da an hat es schlimme Tage
kommen gesehen und mit seinen Glaubensgenossen ertragen. Mit Gut und
Blut haben die Bewohner dieser Lande ihren Glauben vertheidigen müssen
und ihr gesegnetes Land in langem Kriege verwüstet gesehen. Aber sie
haben auch theilgenommen in vollem Maße an den Segnungen der neuen
gereinigten Lehre, ja in noch höherem Grade, als andere deutsche Länder.
Ueberall in den Städten, in den Flecken und Kirchdörfern, bald auch in
den einzelnen Dörfern, entstanden Schulen zum Unterrichte des Volkes,
und es waren deutsche Männer, die in den Kirchen den Erwachsenen predig-
ten, und Deutsche, die die Jugend in den Schulen unterrichteten. Und
doch war die Bevölkerung in vielen Gegenden des Landes der hochdeutschen
Sprache nicht kundig. Die niederdeutsche oder plattdeutsche Mundart war
damals fast die alleinige Volkssprache, in ihr wurden die Verhandlungen
des Landtages geführt und die Gesetze erlassen; neben derselben wurde in
den friesischen Gegenden nur friesisch, in Angeln eine dem Dänischen sich
nähernde und in Nordschleswig nur eine dänische Mundart gesprochen.
Durch Luther's Bibelübersetzung wurde die oberdeutsche Mundart in Deutsch-
land zur vorherrschenden Schriftsprache, breitete sich schnell aus' und ward
bald auch in unseren Gegenden bekannter. Schon Christian Iii. war für
die Verbreitung der hochdeutschen Sprache thätig und fing an sich ihrer den
Ständen gegenüber zu bedienen.
So führte die Reformation weiter, was in den vergangenen Jahr-
hunderten erst begonnen war, und sie ward Träger der deutschen Sprache
und Sitte im Herzogthum Schleswig. Selbst als die eigentliche Bewegung
derselben schon vorüber war, ward das vordringende Deutschthum nicht
gehemmt, denn andere günstige Umstände traten hinzu. Die Theologie,
die erste und fast einzige Wissenschaft jener Zeiten, wurde vorzugsweise an
den Universitäten Deutschlands gepflegt. Wer sich eine höhere Bildung
erwerben wollte, ging südwärts nach Leipzig, Wittenberg, Jena und Rostock.
Alle kehrten später heim durchdrungen von deutschem Wesen, und mit ihnen
zog die hochdeutsche Sprache gen Norden. Sie ward die Sprache der
Religion und der damit verbundenen höheren Bildung auch in unserem
Lande. Südwärts nach dem großen deutschen Vaterlande waren von da
aller Blicke gerichtet.
Wohl haben die deutschen Kaiser am Ufer der Elbe, der Eider, der
Königsau um die Nordmarken gerungen und ihnen das Christenthum
gebracht, wohl haben die Schauenburger Grasen die Selbständigkeit der
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43
ein Herz, geht zum Meister in's Haus und sagt: „Meister, ich kann ohne
Gottes Wort nicht länger bestehen, und wenn ich mich den Sonntag in der
Werkstatt abarbeite, bin ich die Woche nur ein halber Mensch; darum seid
so gut und gebt mir den Sonntag meine Freiheit." Der Meister sagt:
„Nein, das geht nicht an; denn du hast die Aufsicht in der Werkstatt, und
außerdem, wenn einer fortginge, könnten sie alle fortgehen, und dann stände
das Geschäft still." — „Aber ohne Gottes Wort verkomm' ich", sagte der
Gesell, „und cs geht einmal nicht mehr. Ihr wißt, faul bin ich nicht, und
euren Schaden will ich auch nicht; aber was nicht geht, das geht nicht.
Und wofür bin ich ein Christ, wenn ich keinen Sonntag habe?"
Dem Meister kam das wunderlich vor, und er hatte schon ein Wort
von Narrenpossen und dergleichen auf der Zunge. Wie er aber dem ehr-
lichen Gesellen in's Gesicht sah, besann er sich und sagte: „Nun meinet-
halben geh' in die Kirche, so viel du willst. Aber eins beding' ich mir aus:
wenn viel zu thun ist, mußt du auch am Sonntage auf dem Platze fein."
— Wer war froher, als unser Gesell! Am nächsten Sonntag zieht er
seinen blauen Rock au, nimmt das Gesangbuch unter den Arm und geht in
die Kirche. Solch' einen schönen Tag hat er lange nicht gehabt; ihn hat
die Predigt und der Gesang ganz aufgeweckt, und unser Grobschmidt war
so munter wie ein Vogel. Nun vergeht die Woche; und wie der Sonntag
kommt, sagt der Meister: „Gesell, es ist viel zu thun; heute mußt du in
der Werkstatt sein." — „Gut", sagt der Gesell, „wenn's nicht anders sein
kann." — Den nächsten Sonntag sagt der Meister wiederum: „Es ist
viel zu thun", und so auch den dritten.
Als^ aber nach dem dritten Sonntag der Gesell den Wochenlohn
bekam, fünfthaler und fünfundzwanzig Silbergroschen, wie es ihm zukam,
da spricht er: „Das ist zu viel!" und schiebt die fünfundzwanzig Silber-
groschen zurück. „Warum?" sagt der Meister, „es ist für die sieben Tage."
— Aber der Gesell spricht: „Nein, ich hab's mir bedacht, und für den
Sonntag nehme ich kein Geld mehr; denn der Sonntag ist nicht zum
Geldverdienen, und wenn ich am Sonntag arbeite, so geschieht's euch zu
Liebe, und Geld will ich nicht." Da sah der Meister den Gesellen groß
an; und seit dem Tage war die Schmiede jeden Sonntag verschlossen, und
kein Hammer, noch Blasebalg mehr zu hören.
Merke: Man soll unserm Herrgott nicht sein drittes Gebot stehlen;
und wer in die Kirche will, der findet den Weg schon.
82. Der Kirchthurm.
1. Kirchthurm, was stehst du nur immer
so da
und zeigest so ernsthaft nach oben?
Immer und immer, so oft ich dich
sah,
haft du auch den Finger erhoben.
2. Lieb'kindlein, ich stehe als Wegweiser
hier
und zeige den Menschen hienieden
die sicherste Straße, o glaube es
mir,
die einstens sie führet zum Frieden.
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219
der Pabst Leo am Weihnachtsabend eine herrliche Krone auf's Haupt und
begrüßte ihn als ersten römisch-deutschen Kaiser. Sein Reich
aber hieß fortan das h e i l i g e römische Reich deutscher Nation:
der Pabst sollte darin das geistliche, der Kaiser das weltliche Oberhaupt
sein; nach und nach sollte es alle Völker der Erde in einem Glauben
friedlich umfassen.
Doch über diesen gewaltigen Plänen versäumte Karl nicht, sein Volk
auch zu bilden. Neben der Kirche sollten Schulen dazu mitwirken. An
seinem Hofe versammelte er die gelehrtesten und weisesten Männer seiner
Zeit, darunter den Angelsachsen Ale uin. Mit diesen unterhielt er sich,
wenn er von seinen Feldzügen ausruhte, über gelehrte Dinge, und uner-
müdlich war er, sich zu unterrichten und seine mangelhafte Jugendbildung
zu vermehren. Außer dem Deutschen sprach er das Lateinische recht gut;
das Lesen aber ward ihm schwer. Rechnen lernte er erst im höheren Man-
nesalter ; auch das Schreiben versuchte er und gab sich große Mühe dabei,
aber die Finger, die das Schwert zu führen gewohnt waren, fügten sich
nicht mehr dem Zwange, Buchstaben zu malen. Desto eifriger war er
darauf bedacht, im Volke und besonders unter der Geistlichkeit die nöthigsten
Kenntnisse zu verbreiten ; er gründete viele Klosterschulen, und die Knaben-
schule an seinem Hofe stand unter seiner eigenen Aufsicht, er ließ sich die
Arbeiten der Schüler vorlegen und belohnte den Fleiß und strafte die
Faulheit. Auch beim Chorgesang in seiner Kapelle spähte er scharf nach
Priestern und Sängern, er wußte genau, was jeder vermochte, und ward
sehr ungnädig, wenn ein Fehler vorfiel.
Für Ackerbau, Gewerbe und Handel that er, im Verhältniß seiner
Zeit, sehr viel. Er ließ den Kalender verbessern und ertheilte die genauesten
Vorschriften für alle Stände. So wenig die Deutschen damals zum Handel
geneigt waren, so machte doch Karl einen Anfang. Er munterte die Kauf-
leute auf und gab ihnen bedeutende Vorrechte. Die Juden, die nach der
Zerstörung von Jerusalem durch die Römer als Sklaven fortgeschleppt und
in alle Länder zerstreut worden waren, beschäftigten sich, seit sie mit den
Römern unter die Herrschaft der Deutschen gekommen waren, ausschließlich
mit dem Handel. Karl achtete ihren Eifer und ihr Geschick für diesen Er-
werbszweig und gab ihnen trotz der Vorurtheile der Christen so viele Rechte,
als die Menschlichkeit gebot und der Vortheil des Staats verlangte. Straßen
wurden angelegt, durch strenge Gesetze die Reisen der Kaufleute gesichert.
Mit den slavischen Handelsstätten an der Ostsee, mit den Griechen ward
Verbindung angeknüpft. Jene lieferten Sklaven und Pelze, diese Edel-
steine, Zeuge, Früchte. Im Innern des Reichs wurden neue Marktplätze
errichtet und fremde Handelsleute dabei zugelassen, so zu Bardewvk, Magde-
burg, Erfurt, Forchheim, Regensburg, Lorch.
Für Ackerbau und Handwerke war Karl ebenso besorgt, als er sich
darauf verstand. Seine Pfalzen oder kaiserlichen Aufenthaltsörter, vor-
züglich Aachen, Heristal, Nimwegen, Andernach, Ingelheim, Worms, Pader-
born, Salzburg rc., wo er Gärten, Accker, Weinberge, Wiesen und Wälder
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Leo Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl
242
ging die Vollendung der gothischen Baukunst hervor. Jede größerestadt
wollte ihren Dom haben. Da schien die schwere Masse leicht und frei
emporzusteigen; da wuchsen die Pfeiler wie Bäume hervor und schlossen sich
oben in spitzen Bögen ab, über dem Dache aber wurden sie durch spitze, in
die Wolken ragende Thürme fortgesetzt; die Fenster waren von ungeheurer
Größe, aber das hereinfallende Licht ward gemildert durch kunstreiche Glas-
gemälde ; die Erhabenheit des Ganzen endlich barg sich in die reichsten und
lieblichsten Verzierungen der Steinhauerarbeit, sodaß die Masse sich aus
unermeßlich vielen, gleichsam lebendigen Steingewächsen aufzubauen schien.
Es waren riesige Werke, berechnet aufdie frommen Beiträge vieler nach einan-
der folgenden Geschlechter ; der Baumeister, welcher den Plan entworfen hatte,
sah wohl nie die Vollendung, ja, mit solcher Uneigennützigkeit übergab er
die Fortsetzung des Werkes seinen Nachfolgern, daß wir nur in wenigen
Fällen den Namen des ersten Urhebers kennen. Das größte dieser Wunder-
werke der Kunst ist der Dom von Köln, an welchem noch heute fortgebaut
wird. Ihm zunächst kommt der Straßburger Münster, an welchem
vier Jahrhunderte lang gearbeitet worden ist.
Dabei ärgerte es den deutschen Bürger nicht, wenn zwischen Dom und
Rathhaus sich vielleicht eine Wasserpfütze mit schwimmenden Enten befand
und daneben die alte Linde, die noch an eine Zeit erinnerte, wo die Stadt
nicht war und wo die Walbvöglein in ihren Zweigen sangen.
14. Die Hansa.
Die norddeutschen Städte, soweit die nieder-oder plattdeutsche Sprache
reichte, hatten schon früh ihre Kraft aus den Seehandel gerichtet und da-
durch sich unermeßliche Reichthümer erworben. Wie sich aber alles im
Mittelalter zu Genossenschaften zusammenschloß, so gingen auch sie, nicht
wie die rheinischen Städte zur augenblicklichen Vertheidigung gegen über-
müthige Raubritter, sondern zur dauernden Verfolgung ihrer Handelsvor-
theile einen Bund ein, der nach damaligem Sprachgebrauch Hansa,
d. h. Innung, genannt ward. Die ersten Mitglieder waren Hamburg,
Lübeck und Bremen, aber dieser Hansabund erweiterte sich im dreizehnten
und vierzehnten Jahrhundert so, daß er zuweilen über 70 Städte umfaßte,
mit seinen Flotten die nordischen Meere beherrschte, ganze Länder eroberte,
mächtige Könige beugte. Doch war die Verbindung der Städte nur locker,
oft getheilt, oft eingeschlafen, und nur selten trat ihre ganze furchtbare Kraft
zum Verderben ihrer Feinde hervor, wenn sie sich einmal entschlossen, einig
zu handeln. Dieser Bund konnte des ganzen deutschen Nordens Herr wer-
den, wenn er wollte; allein es wurde nicht einmal der Versuch dazu gemacht.
Die Bürger fühlten sich nur als Kaufleute, die zufrieden waren, wenn man
ihnen in der Fremde nur ihren umhegten Platz ließ, auf dem sie nach hei-
matlicher Sitte und heimischem Recht ihren Handel betrieben.
Die Größe und Macht der Hansa beruhte, obwohl ihre Schiffe auch
bis in die innersten Buchten des Mittelmeeres gingen, zumeist aufdem Handel
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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254
ihm davoneilten. Im nahen Walde legten sie ihm Ritterkleider an, setzten
ihn auf ein Pferd und brachten ihn auf ein einsames Bergschloß, die
Wartburg.
Alle Welt meinte nun, Luther wäre todt. Seine Feinde sagten:
„Den hat der Teufel geholt!" Aber es ging ihm auf der Wartburg ganz
wohl. Er hieß dort Junker Jörg, trug einen ritterlichen Waffenrock, ließ
sich den Bart wachsen und streifte durch den Wald am Schloßberge. Doch
war er seines Berufes stets eingedenk. „Ich wollte", schrieb er, „für die
Ehre des göttlichen Wortes lieber auf glühenden Kohlen brennen, als hier
in der Einsamkeit leben und verfaulen." Indeß benutzte er diese Einsam-
keit treulich, sein Werk zu fördern. Er studierte Tag und Nacht und ließ
manche kräftige Schrift ausgehen, worin er das Pabstthum angriff und
seine Widersacher widerlegte. Da merkte denn die Welt wohl, daß der
Gottesmann noch am Leben sei; aber den Ort konnte niemand erfahren.
Das Allerwichtigste aber, was Luther auf der Wartburg arbeitete, war seine
Uebersetzung der Bibel in die deutsche Sprache. Er wußte wohl, daß
solche Uebersetzung das beste Mittel sein würde, um das Volk zur Erkennt-
niß zu bringen, wie weit die katholische Kirche von ihrer ursprünglichen
Einfachheit und Reinheit abgewichen sei. Muthig wagte er sich daher an die
schwierige Aufgabe, zu welcher es ihm ganz an Hülfsmitteln fehlte. Denn
freilich gab es schon damals mehrere deutsche Bibelübersetzungen, aber sie
waren nicht aus der Grundsprache, sondern erst aus der lateinischen Ueber-
setzung übertragen und deshalb sehr unrichtig und oft unverständlich.
Luther vollendete auf der Wartburg in kurzer Zeit die herrliche Uebersetzung
des Neuen Testamentes, welche ein wahres Kleinod der evangelischen Kirche,
wie der deutschen Sprache geworden ist. Denn sie erst begründete die neu-
hochdeutsche Schriftsprache.
Nachdem er 1ü Monate auf der Wartburg gewesen war, hörte er
von Unruhen, die unter seinen Anhängern in Wittenberg ausgebrochen
seien. Nun ließ er -sich durch keine Rücksicht auf Gefahr mehr aufhalten,
sondern eilte ohne Erlaubniß des Kurfürsten nach Wittenberg, brachte hier
alles in Ordnung und setzte nun das Werk der Bibelübersetzung mit einigen
seiner Freunde, welche die nöthigen gelehrten Kenntnisse hatten, eifrig fort.
Im Jahre 1534 erschien die ganze deutsche Bibel. Der ausgezeichnetste
unter seinen Mitarbeitern war Philipp Melanchthon, ein gelehrter
und frommer Mann, der durch seine Milde und Sanftmuth den feurigen
Eifer Luther's in den rechten Grenzen hielt.
20. Luther im „Schwarzen Bären" vor Jena.
Derselbe Luther, der in göttlichen Dingen einen so heiligen Ernst
zeigte, war im menschlichen Verkehr oft von der liebenswürdigsten Heiter-
keit. Als er von der Wartburg heimlich nach Wittenberg ritt, nahm er
unterwegs in dem „Schwarzen Bären" vor Jena Herberge, ohne sich je-
mandem zu erkennen zu geben. Er nannte sich nur Martinus. Dort
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Philipp_Melanchthon Philipp Ernst
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für Spott und ging wieder in die Stube, setzte mich und raunte meinem
Gesellen zu: „Der Wirth hat mir gesagt, der sei der Luther." Er wollte
es auch, wie ich, nicht recht glauben und sprach : „er hat vielleicht gesagt,
es sei der Hutten, und hast ihn nicht recht verstanden." Dieweil mich nun
die Reuterkleidung mehr an den Hutten, denn an den Mönch Luther, ge-
mahnte, so ließ ich mich bereden, der Wirth hätte gesprochen, es seihutten;
denn der Anfang beider Namen klang fast zusammen. Derhalben, was ich
nun redete, sprach ich, als ob ich mit Herrn Ulrich von Hutten spräche.
Mittlerweile kamen zwei Kausteute, die auch da übernachten wollten,
und nachdem sie sich entlediget, legte einer neben sich ein ungebunden Büch-
lein. Fragte Martin, was cs für ein Buch wäre. Sprach er: „es ist
Dr. Luther's Auslegung' etlicher Evangelien und Episteln, erst neugedruckt;
habt ihr sie nie gesehen?" Sprach Martin: „sie sollen mir auch bald
werden." Da rief der Wirth: „nun füget euch zu Tische, wir wollen
essen." Wir aber baten den Wirth, er möge uns etwas besonders geben;
denn wir fürchteten die Zeche. Da das Martinus hörte, sprach er: „kom-
met herzu, ich will die Zehrung mit dem Wirth wohl abtragen."
Unter dem Essen that Martinus viel gottselige, freundliche Reben,
daß die Kaufleute und wir mehr seiner Worte, denn aller Speisen wahr-
nahmen ; er sei der Hoffnung, sagte er, daß die evangelische Wahrheit
mehr bei unsern Kindern und Nachkommen Frucht bringen werde, als an
den Eltern, in welchen die Irrthümer eingewurzelt seien, daß sie nicht leicht
ailsgereutet werden.
Darnach sprach der ältere von den Kaufleuten: „ich bin ein ein-
fältiger Laie und versteh' mich auf die Händel nicht besonders. Das aber
sag ich : wie mich die Sach' ansieht, so muß der Luther entweder ein Engel
vom Himmel sein oder ein Teufel aus der Hölle. Ich möcht' ihm wohl
beichten; denn ich glaub', er könnte mein Gewissen wohl unterrichten."
Da kam der Wirth neben uns. „Habt nicht Sorge für die Zehrung",
sagte er heimlich, „Martinus hat das Nachtmahl für euch ausgerichtet."
Dies freute uns sehr, nicht des Geldes und Genusses wegen, sondern daß
er uns gastfrei gehalten, dieser Mann. Nach dem Mahl stunden die Kauf-
leute auf und gingen in den Stall, für ihre Pferde zu sorgen. Martinus
blieb allein bei uns in der Stube; wir dankten ihm für seine Zehrung und
ließen uns dabei merken, daß wir ihn für Ulrich von Hutten hielten. Er
aber sprach: „ich bin es nicht." Gerade trat der Wirth herein. Sprach
Marnnus: „ich bin diese Nacht zu einem Edelmann worden, denn diese
Schweizer halten mich für Ulrich von Hutten." Sprach der Wirth: „ihr
seid es nicht, aber ihr seid Martinus Luther." Da lachte er mit solchem
Scherz: „die halten mich für den Hutten, ihr für den Luther; am Ende
werd' ich bald Martinus Marcolfus heißen." Und nach solchem Gespräch
nahm er ein hohes Bierglas und sprach nach des Landes Brauch : „Schweizer,
trinket mir noch einen freundlichen Trunk zum Segen." Und wie ich da-
Glas annehmen wollte, bot er mir dafür einen Krug mit Wein, sprechend:
„das Bier ist für euch ungewohnt, trinket den Wein."
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern]]
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Extrahierte Personennamen: Wirth Mönch_Luther Wirth Ulrich_von_Hutten Martin Martin Wirth Wirth Wirth Ulrich_von_Hutten Marnnus Ulrich_von_Hutten Wirth Martinus_Luther Martinus_Marcolfus