1. Geistesleben der Griechen. 39
fürsten zu fein; wahrscheinlich war er ein Ionier ans Smyrna, von wo aus sich die länger seiner Schule auf Chios niederließen. Seine beiden in epischer, d. i. erzählender, Form geschriebenen Dichterwerke, die „Ilias" und die „Odyssee", gelten mit Recht wegen ihrer ruhigen Klarheit und einfachen Rahmtet)-feit als die vollkommensten Heldengedichte aller Zeiten und haben als allgemeines Bolksbnch tief aus die Bildung der gefammten hellenischen Welt eingewirkt. Lange Zeit hindurch wurden sie von den Sängern, Rbapfoden genannt, in einzelnen Theilen oder „Rhapsodien" den'bewundernden Zuhörern vorgetragen und ,so von Mund zu Mund fortgepflanzt. Erst auf Anregung des Pisi-stratns sammelte ein Kreis gelehrter Männer die getrennten Gesänge und brachte sie in ihre spätere Gestalt und Ordnung. Allmählich machte die epische Dichtung mit ihrem beschaulichen Wesen'und ihrem ruhigen, breiten Fluß der Rede der lyrischen Platz, in welcher die Dichter die mannichfaltigen Stimmungen einer lebhaft bewegten Seele zum Ausdruck brachten. In dieser Gattung von Poesie zeichneten sich besonders aus Archilochus vou Paros, Arion von Korinth, die Dichterin Sappho von Lesbos, Simonides von Ceos, Pindar von Theben und der
Fabeldichter Aesop.
Mit der Ausbildung der Dichtkunst ging die Tonkunst -Hand in Hand. Als Schöpfer derselben gilt Terpander von Lesbos, der die vorhandenen Sangesweisen zuerst nach Kunst-regeln ordnete. Vou ihm rührt auch die Festsetzung der ältesten
Tonarten her. ' .
Schon längst war es Sitte geworden, die #cstc der Götter, vor allen die des Weingottes Dionysius, mit feierlichen Chorgesängen, Tänzen und musikalischen Wettkämpfen zu verherrlichen. Mit der Zeit begann man die Schicksale des Gottes, feine Verfolgungen und seine Siege, durch Rede und Handlung zu veranschaulichen. Dies geschah zuerst durch Thespis in Attika. Bald ersetzte man die Schicksale des Dionysius durch Gegenstände aus der 'Sagenwelt, sowie aus der Geschichte des Volkes. So entwickelte sich das Drama, in dem Alles, was die Meister an Wohllaut, Glanz und Kraft des poetischen Ausdrucks, iu Gesang und Tanz erfunden hatten, vereinigt war, belebt durch die Kunst des Geberdenspiels.
Am frühesten gelangte das ernste Drama, die Tragödie, zur Ausbildung, und zwar zuerst durch Aeschhlus. Durch die Erzeugnisse seiner schöpferischen Phantasie trug er wesentlich zu jener Kunstblüte bei, durch welche Athen die Lehrmeisterin der Schönheit und des Geschmacks bei der Mit- und Nachwelt geworden ist. In seinen Dramen behandelt er unter Anderem die Sagen vom Danaus, Agamemnon, den Sieben gegen Theben und die Geschickte der Perserkriege. Durch Sophokles gelangte die dra-
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4. Die Nachfolger des Augustus. 111
größerer Thätigkeit. Die Ueberzahl an junger Mannschaft, für welche Deutschland zu klein wurde, und das Bewußtsein ihrer überlegenen Kraft veranlaßte die an der Donaugrenze wohnenden Völkerschaften zu Angriffen auf die römischen Provinzen. Unter Führung der Markomannen orangen sie über die Donau vor, überzogen alles [i66—: Land bis in die Gegend von Aquileja mit Raub und Verwüftuug und führten die Bewohner zu Hunderttausenden in die Gefangenschaft. Mehrmals zurückgeschlagen, begannen sie den Krieg immer wieder von Neuem, und Marc Anrel mußte sogar seine Kleinodien und Kunstschätze veräußern, um die gelichteten Reihen der Legionen zu ergänzen. Noch war die Ruhe nicht wieder hergestellt, als der Kaiser zu Vindobona (Wien) aus dem Leben schied. Sein Sohn Commodus, begierig nach den Lüsten und Reizen der Hauptstadt, beendigte den lästigen Krieg durch schnelle Friedensschlüsse.
Seit dem Tode Marc Anrel's eilte das Römerreich unaufhaltsam seinem Untergange entgegen. Durch Abfall und Treulosigkeit wurden die Herrscher auf den Thron gehoben, durch Abfall und Treulosigkeit von demselben herunter und ins Grab gestürzt. Von 36 Kaisern, welche in der Zeit von 180—300, also in 120 Jahren regierten, wurden 27 ermordet, 3 sielen im Kriege und nur 6 starben eines natürlichen Todes. Anfänglich war es nur die kaiserliche Leibgarde, die Prätorianer, welche ihre Günstlinge auf den Thron holx Später stellten auch die Legionen in den Provinzen ihre Kaiser auf, die sich dann gegenseitig bekämpften, bis die Herrschaft dem Stärksten oder Glücklichsten zufiel, der sie im günstigsten Falle doch nur auf wenige Jahre zu behaupten vermochte.
Während Rom entnervte, erstarkte das Germanenthum und erschütterte das Weltreich durch immer häufiger werdende, immer nachhaltigere Angriffe. Die Franken durchzogen raubend und verheerend das gallische Land, überstiegen die Pyrenäen und wagten sich sogar auf Schiffen nach dem nördlichen Afrika. Die Alamannen drangen tu Helvetieu und Norditalien ein und trugen den Schrecken ihrer Waffen in die reichen Fluren am Po. Die Gothen unternahmen kühne Raubfahrten nach den Küstenländern des schwarzen Meeres, überfielen die Landschaften Kleinasiens und schleppten aus den reichen Städten Beute und Gefangene fort; sie fuhren in den Piräus ein, durchzogen Griechenland und ließen den prachtvollen, säulengeschmückten Tempel der Artemis zu Ephesus in flammen aufgehen. Wohl blieben die Römer fast immer siegreich; aber die Wiederholung solcher Einfälle konnten sie trotzdem nicht verhindern, und auch eine Befestigungslinie, aus Mauern, Gräben und Thürmen bestehend, die sich von Regensburg nach dem ^aunns zog, vermochte den deutscheu Einfällen keinen dauernden Widerstand zu leisten.
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Extrahierte Personennamen: Augustus Marc_Anrel Marc_Anrel's
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Donau Wien Rom Afrika Norditalien Kleinasiens Griechenland Ephesus
158 Iii. Die sächsischen Kaiser.
gänzlicher, und das Christenthum gewann immer mehr 23oben 30 Kirchen und Klöster erstanden währenb der Missionsthätigkeit be» Bonifaeiuv in ^Düringen und Kraulen, und vier- Bisthümer Würzburg, Buraburg (bei Fritzlar), Erfurt und Eichstäbt' würden gegründet. Die berühmteste Stiftung, mit welcher bcr Name 744 des britischen Senbboten verknüpft ist, war das Kloster zu Fulda. Emer seiner Schüler, Sturm, erhielt beu Auftrag, im Hessen-lanbe eine Stätte anszuwählen, wo Bonisaeins den Abend seines Lebens in ruhiger Beschaulichkeit verbringen könnte. Sturm fand eine solche in einer einsamen walbigen Gegenb, und unter Psalmengesang und Gebet nahm er mit seinen Genossen bavon Besitz. Der Bau würde begonnen, und 6alb war das Kloster fertig, das im Mittelalter ein Sitz gelehrter Bilbnng war. Bonifaeius weilte oft und gern baselbst und bestimmte, ihm einst den Ort als Ruhestätte zu geben.
Beim römischen Stuhle, dem er sich stets treu ergeben zeigte, staub Bonifaeius in hohem Anfehn. Er würde zum Erzbischof von Mainz ernannt, mit dem Aufträge, die kirchlichen Verhältnisse Ostfrankens zu orbnen und zu überwachen. In dieser Stellung gelang es ihm nickt nur, die sübbentschen Bischöfe zur enb-lichen Anerkennung des Papstes als des Oberhauptes bcr Kirche zu bringen; er war auch mit Erfolg bemüht, Reinheit des Glaubens und Wanbels zu begrünben und die kirchliche Zucht bunregelmäßige Zusammenkünfte zu beleben und aufrecht zu erhalten.
Obgleich Bonifaeius bei seinem hohen Alter wohl hätte bcr Ruhe pflegen können, trieb ihn boch sein Eifer für die Sache des Glaubens noch einmal nach Friesland. Dort fand er mit seinem Gefolge durch eine bewaffnete Rotte, die in ihm den Feind 755 ihrer Götter und ihrer Landessitte erblickte, ein gewaltsames Enbc. Er hatte die Neugetanften auf einen offenen Platz beschiebeu, um die Konfirmation an thuen zu vollziehen, als er plötzlich überfallen wurde. Seine Begleiter wollten sich wehren, er aber rief ihnen zu: „Kiuber, streitet nicht; bcr Tag, den ich lange erwartet, ist gekommen. Hoffet auf Gott, der wirb eure Seele erretten!" Das Evangelienbuch über dem Haupte Haltenb, empfing er den Todesstreich. Seine Leiche wurde seinem Wunsche gemäß nach Fulda gebracht und dort begraben.
Iii. Die sächsischen Kaiser.
1. Heinrich der Finkler.
Nach dem Tode des letzten Karolingers in Deutschland traten zum ersten Male die deutschen Fürsten zusammen, um einen König
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Extrahierte Personennamen: Bisthümer_Würzburg Bonifaeius Bonifaeius Heinrich_der_Finkler Heinrich
5. Gründung und Ausbreitung bcr christlichen Kirche.
117
Justin „bcr Märtyrer", der Sohn eines heibnischen Vaters zu Sichem tu Samaria, hatte in seiner Jugenb eine ausgezeichnete Bilbuug erhalten, bic er dann auf weiten Reisen noch vervollständigte. Aber alles Wissen ließ sein Herz leer und kalt, und vergebens suchte er in den Philosophenschulen die Ruhe seiner Seele, nach bcr ihn sehnlichst verlangte. Da lernte er das Christenthum kennen, auf das ihn bei einer einsamen Wanbernng am Meeresstranbe ein ehrwürbiger Greis hinwies, und würde nun ein treuer Jünger Jesu, der seine ganze reiche Erkenntniß zur Vertheibiguug bcr so falsch beurtheilten Religion und ihrer ver-leumbeten Bekenner anwandte. Er übergab beu Kaisern Antoninns Pius nnb Marcus Anrelins zwei noch jetzt vorhanbene „Schutz-schriften", in beiten er bic Wahrheit Hub Göttlichkeit der Christenlehre barthut und bte wiber feilte Glanbcnsbrübcr erhobenen Vorwürfe nnb Verdächtigungen zurückweist, indem er sich auf ihr frommes nnb sittliches Leben, auf ihre Tngenb und Menschenliebe, auf ihren Gehorsam gegen Gesetz und Obrigkeit beruft. Doch eben btese hervorragende Thätigkeit zog ihm den besonderen Haß bcr Widersacher zu. Er wurde mit mehreren anberen Christen ins661 Gefängniß geworfen, und ba sie alle sühn nnb frei ihren Glauben bekannten, erst gegeißelt und dann enthauptet.
Polykarpus — wahrscheinlich derselbe, der in der Offenbarung „bcr Engel bcr Gemeinde zu Smyrna" genannt wird — hatte noch mit bert Aposteln vertrauten Umgang gehabt und war bereits 90 Jahre alt, als der Sturm der Verfolgung zum Ausbruch kam. Er zog sich zuerst in ein nahe gelegenes Dorf zurück; als ihn aber auch hier bte Feinde aussuchten, wollte er nicht weiter fliehen, fonbern überlieferte sich freiwillig ihren Hänben.
Der Statthalter wünschte beit ehrwürdigen Greis zu retten ttnb rief ihm zu: „Schone beiues Alters, schwöre bei den Göttern nnb fluche Christo!" Doch Polykarpns erwiberte: „Sechsunbachtzig Jahre habe ich ihm gebient, und er hat mir nie Etwas zu Leibe gethan; wie sollte ich meinen König lästern, der mich selig gemacht!"
Der Statthalter wurde unwillig und drohte mit wilden Thieren, mit Martern und Feuersqual; Polykarpns aber blieb unerschütterlich. „Du brechest", sprach er, „mit einem Feuer, das nur einen Augenblick brennt und bald verlischt; aber du weißt nichts von dem ewigen Feuer des Gerichts, welches den Gottlosen aufbehalten ist." Da verkündigte eilt Herolb beut versammelten Volke: „Polykarpns hat betonet, daß er eilt Christ sei!" und tausend Stimmen antworteten: „Das ist der Vater der Christen, der so Viele gelehrt hat, nicht mehr zu opfern und anzubeten!" Er wurde verurtheilt, lebeubig verbrannt zu werben, und Jnben nnb Heiden waren geschäftig, dett_ Scheiterhaufen zu errichten, den der Märtyrer besteigen mußte. Unter Lobpreisungen erwartete er den Tod. Doch die Flamme wehte abwärts, als scheue sie sich, beit Heiligen zu 169
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2. Otto der Große. 163
Lothringen und erhob die Waffen wider den Vater. Doch vermochten Beide nichts auszurichten. Sie unterwarfen sich daher, erhielten Verzeihung, mußten aber ihre Herzogtümer zurückgeben. Schwaben bekam der Schwiegersohn Heinrichs von Baiern, Burkhard, Lothringen wurde in zwei Herzogtümer, Oberund Nieder-Lothringen, getheilt und dem Erzbischof Bruno von Köln, Otto's Bruder, untergeordnet.
Um Heinrich von Baiern, welcher stets treu zum Könige hielt, Verlegenheit zu bereiten, hatte Ludolf die immer unruhigen Magyaren zu einem Einfall in Süddeutschland bewogen. In dichten Schaaren ergossen sie sich über Baiern und Schwaben und belagerten Augsburg, das von dem Bischof Ulrich mannhaft vertheidigt wurde.
Da bot Otto den Heerbann des ganzen Reichs auf und stellte [10. sw
sich dem Feinde auf dem Lechfelde unweit Augsburg entgegen. An955
der Spitze einer auserwählten Schaar, unter dem Banner des
Erzengels Michael, das schon seinen Vater bei Riade zum Siege geführt, sprengte er hoch zu Roß in den dichtesten Haufen der Feinde. Sein Beispiel feuerte das gauze Heer an, und in Kurzem waren die Magyaren auf allen Punkten geschlagen. Furchtbar wüthete das deutsche Racheschwert unter der verwirrten und flüchtigen Menge- Hunderttausend Ungarn sollen in dem schrecklichen Kampfe gefallen sein, eine große Anzahl fand den Tod in den Flutheu des Lech, Viele wurden ans der Flucht niedergemacht. Aber auch in den Reihen der Deutschen bezahlte mancher tapfere Mann die Rettung des Vaterlandes mit dem Leben, unter ihnen der edle Konrad, der, um seine alte Schuld zu sühnen, an diesem Tage Wunder der Tapferkeit gethan. Die verheerenden Einfälle der Ungarn hörten seit dieser Zeit auf. Mit dem deutschen Schwerte drang auch »das Evangelium in die Niederungen an der Donau und schuf mildere Sitten und friedfertigeren Sinn.
Während dieser Vorgänge hatte sich Berengar, dem Otto seine Länder unter der Oberhoheit seines Reiches belassen, empört.
Der König sandte seinen Sohn Ludolf nach Italien, der einige Erfolge gewann, aber bald darauf starb. Da erhob sich Berengar von Neuem, und nun zog Otto selbst nach Italien. Er entsetzte96i den ehrgeizigen Fürsten seiner Würde und begab sich darauf nach Rom, wohin ihn Papst Johann Xii. eingeladen hatte. Mit großen Ehren wurde er vou den Edlen und Bürgern der Weltstadt empfangen und in feierlichem Zuge nach der Peterskirche geleitet. Nachdem er sein Gebet am Grabe des Apostels verrichtet, wurde er vom Papste gesalbt und empfing dann unter dem lauten Jubel der Anwesenden Krone und Schwert eines römischen Kaisers. Auch 962 Adelheid wurde gesalbt und gekrönt. Seit dieser Zeit blieb die Kaiserwürde bei den deutschen Königen; aber dem Reiche brachte sie wenig Segen. Tausende von deutschen Kriegern haben in Italien das Leben lassen müssen, um dieses Land ihrem Herrscher zu
li*
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Extrahierte Personennamen: Otto Heinrichs_von_Baiern Heinrichs Burkhard Bruno_von_Köln Heinrich_von_Baiern Heinrich Ludolf Ulrich Otto Michael Konrad Konrad Berengar Otto Ludolf Berengar Otto Otto Johann_Xii Johann Apostels
1. Heinrich Iv. und Gregor Vit. 167
seine alten Pläne zur Knechtung des verhaßten Volkes wieder aufnehmen zu können. Die Häupter des Aufstandes wurden gefangen gehalten, die Burgen wieder hergestellt, und die Willkürherrschaft begann von Neuem. Da wandten sich die Sachsen an den Papst, der begierig die Gelegenheit ergriff, sich als obersten Richter der Welt zu zeigen. _
Auf dem römischen Stuhle saß zu dieser Zeit Gregor All. Sohn eines Zimmermanns in Siena, Namens Hildebrand, hatte er sich vom Mönch zur höchsten geistlichen Würde emporgeschwungen. Er war ehr Mann von sittenstrengem Wandel und unbeugsamem Herrscherwillen, der sich berufen hielt, die Kirche zu reinigen, ihr aber auch höhere Macht zu erwerben. Schon unter den vorigen Päpsten, auf die er den größten Einfluß ausübte, machte er den Anfang zur Verwirklichung seiner Pläne. — Die höchsten geistlichen Aemter befanden sich damals in den Händen unwürdiger und unwissender Männer, die durch Geld oder durch den Einfluß mächtiger Verwandten in den Besitz derselben gelangt waren und kein Herz für das Wohl der Christenheit mitgebracht hatten. Um diesen Uebelständen abzuhelfen, verschärfte Papst Leo Ix., dessen Rathgeber Hildebrand war, das Verbot der „Simonie" — so nannte man den Handel mit geistlichen Stellen — und bedrohte Jeden, der sich als Käufer oder Verkäufer derselben schuldig mache, mit dem Banne. — Bisher war der Papst von dem Adel, der Geistlichkeit und dem Volke Roms gewählt worden und dem Kaiser die Bestätigung der Wahl vorbehalten geblieben. Gregor veranlaßte unter Papst Nicolaus Ii. einen Beschluß, durch welchen die Papstwahl einer Anzahl hoher Geistlichen, den Cardinälen, übertragen wurde. — Der Hochstrebende Mann ging noch einen Schritt weiter und verbot auch die Investitur der Bischöfe (die Belehnung derselben mit Ring und Stab, den Abzeichen ihrer geistlichen Würde) durch weltliche Herrscher. Da aber die Bischöfe nicht nur geistliche Aemter bekleideten, sondern auch ansehnliche weltliche Güter, oft ganze Grafschaften und Fürstentümer besaßen, über welche die Lehushoheit offenbar dem Kaiser oder Könige zukam, so war jenes Jnvestiturverbvt ein tiefer Eingriff in die Rechte des Staats und hatte darum einen langen erbitterten Streit zur Folge. — Um endlich die Geistlichen aller weltlichen Sorgen und Rücksichten zu entheben und sie desto fester an die Kirche zu fesseln, drang Gregor auf strenge Durchführung des Cölibats, d. i. der Ehelosigkeit der Geistlichen. — Doch das Streben des herrschsüchtigen Papstes war auf ein uoch höheres Ziel gerichtet als auf die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche; er wollte diese auch über alle weltliche Macht entheben. Der Papst, sagte er, ist als Stellvertreter Gottes der Herr der Welt und das Oberhaupt aller Völker; er ist die Sonne, der Kaiser der Mond, und wie der Mond sein Licht von der Sonne empfängt, so haben
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2. Friedrich Barbarossa. 175
Rückkunft seinen Beistand nicht länger versagen und schloß sich mit einer nicht unbedeutenden Truppenmacht dem Kaiser auf dessen fünftem Zuge über die Alpen an.
Papst und Lombarden hatten während der Zeit die größte Thätigkeit entwickelt. Aller Orten waren die kaiserlichen Podesta's vertrieben worden, Mailand hatte sich aus den Trümmern erhoben, uno an den Ufern des Tanaro war eine neue feste Stadt erstanden, die dem Papste zu Ehren den Namen Alessandria erhalten hatte. Mit der Belagerung der letzteren eröffnete der Kaiser den Krieg. Aber trotz aller Tapferkeit vermochte er sie nicht einzunehmen, und schon rückte ein zahlreiches Heer zum Entsatz heran. Doch kam es vorläufig zu keiner Schlacht, da die Lombarden die Hand zum Frieden, boten. Die Verhandlungen zerschlugen sich indessen, und Friedrich ries die Fürsten, die während des Waffenstillstandes nach Deutschland zurückgekehrt waren, zur Hülfe herbei. Alle kamen, nur der uicht, auf dessen mächtigenbeistand er am meisten gerechnet hatte: Heinrich der Löwe. Vergeblich bat, beschwor ihn der Kaiser, ihn nur jetzt nicht im Stiche zu lassen, vergeblich warf er sich ihm bei einer Zusammenkunft zu Chiaveuna unweit des Comersee's sogar zu Füßen; der trotzige Löwe blieb bei seiner Weigerung. So stand denn Friedrich an dem blutigen Tage von Lcgnano einer gewaltigen [1176 Uebermacht gegenüber. Mit gewohnter Tapferkeit kämpfte das kleine deutsche Heer, der Kaiser selbst stürzte sich in das dichteste Schlachtgewühl. Schon hatte er sich an der Spitze eines Haufens auf das Carroceio (den Fahnenwagen mit dem mailändischen Stadtbanner) gestürzt, als die „Schaar des Todes", 900 edle mailändische Jünglinge, welche geschworen hatten, das Heiligthum mit ihrem Leben zu schützen, herbeieilte und den Sieg der Deutschen in eine Niederlage verwandelte. Nur wie durch ein Wunder rettete sich Friedrich aus dem Getümmel.
Nach einem so harten Schlage blieb dem Kaiser nichts übrig als Frieden zu schließen. Im folgenden Jahre begab er sich mit ememzahlreichen und glänzenden Gefolge nach Venedig. Alexander [1177 erwartete ihn in geistlichem Schmucke auf den Stufen der Marcuskirche. Als ihn Friedrich erblickte, warf er den Mantel ab, ging ihm entgegen und küßte ihm die Füße; der Papst richtete ihn auf, gab ihm den Friedenskuß und ertheilte ihm seinen Segen. Ein aufrichtiger Friede kam zwischen den beiden Häuptern der Christenheit zu Stande. Mit den Lombard en wurde ein 6jähriaer Waffenstillstand abgeschlossen.
Nun kehrte Friedrich nach Deutschland zurück, um Gericht über Heinrich den Löwen zu halten. Er forderte ihn vor den Reichstag, und als der übermüthige Vasall auch nach viermaliger Vorladung nicht^ erschien, wurde er durch eiumüthigeu Beschluß der Fürsten in die Reichsacht gethan nnb aller seiner Lehen verlustig erklärt. Nach dreijähriger tapferer Gegenwehr sah stchnso
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Extrahierte Ortsnamen: Mailand Alessandria Deutschland Venedig Deutschland
190 V. Die Kreuzzüge.
Das Volk verehrte ihn als Heiligen und sammelte sogar die Haare, die seinem Maulthiere entfielen.
Mit Wohlgefallen sah Papst Urban Ii. die Wirkung, welche Peters Predigten überall hervorbrachten. Nachdem schon auf einer zahlreich besuchten Kirchenversammlung zu Piaceuza Viele das Gelübde abgelegt hatten, an dem beabsichtigten Zuge theilzn-nehmen, berief Urban für den Herbst desselben Jahres eine zweite 1095] Versammlung nach Clermont in Südfrankreich. Die weite Ebene, auf der sie abgehalten wurde, war mit einer zahllosen Menge höherer und niederer Geistlichen, Fürsten, Rittern und Männern aus dem Volke bedeckt. Noch einmal schilderte hier der Papst in einer von Thränen und Seufzern unterbrochenen und doch auch wieder feurigen Rede die Drangsale der Christen im Morgenlande und verhieß denen, welche an dem Zuge theilnehmen würden, Ablaß und ewigen Lohn im Himmel. Je länger er sprach, desto höher stieg die Begeisterung. Zuletzt blieb kein Auge trocken und keine Wange kalt, und vieltausendstimmig ertönte der Ruf: „Gott will es! Gott will es!" Bischof Adhemar von Puy, der schon einmal das heilige Land besucht, kniete zuerst vor dem Papste nieder und bat um die Erlaubniß, sich dem Zuge anschließen zu dürfen, und um den Segen des heiligen Vaters. Seinem Beispiele folgten viele der anwesenden Geistlichen und die Mehrzahl der Laien. Alle hefteten nach alter Pilgersitte und zum Zeichen des gemeinsamen heiligen Unternehmens ein rothes Kreuz auf ihre rechte Schulter.
Die Kunde von dem in Clermont gefaßten Beschlusse rief eine allgemeine Bewegung unter den Völkern hervor. Kein Stand, kein Alter wollte zurückbleiben. „Hinüber! hinüber!" tönte es von Aller Lippen. Der Landmann eilte vom Pfluge weg, der Hirt verließ seine Heerde, Ehegatten trennten sich, Eltern entzogen sich ihren Kindern, Mönche und Nonnen entliefen ihren Zellen, um in die Reiben der Gottesstreiter einzutreten. Wo die Begeisterung nicht half, da halfen andere Beweggründe. War ja doch den Kreuzfahrern völlige Vergebung der Sünden verheißen worden; auch sollte jede Zinszahlung ruhn und für die Hinterbliebenen väterlich gesorgt werden. Alles Geld und Gut aber, das die Ausziehenden zurückließen, versprach die Kirche in treue Obhut zu nehmen. _ Viele trieb auch die Lust zu Kampf und Abenteuern, die Aussicht auf Reichthümer, Schätze und Lebensgenüsse, auf Kronen und Herrschaften.
Zu Clermont war festgesetzt worden, daß nach vollbrachter Ernte des kommenden Jahres der Zug aufbrechen sollte. Aber einige beutelustige Schaareu konnten den bestimmten Zeitpunkt nicht erwarten und traten schon im Frühjahre den Marsch durch Deutschland und Ungarn nach Konstantinopel an. Da sie indeß auf dem Wege die größten Räubereien und Grausamkeiten verübten, so
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150 Ii. Die Karolinger im Frankenreiche.
herrschen. Aber schon nach drei Jahren starb der Letztere, und
nun verewigte Karl die Herrschaft des gesammten Frankenreiches tn„ feiner starken Hand. Er war ein Mann von hoher Gestalt kräftigem Körperbau, mit freier Stirn und feurigen Auaeu. Begabt mit großer leiblicher und geistiger Kraft, mit rastloser Thätia-keü, tiefer Einsicht und festem Willen, war er vor Allem berufen dem Abendlande Gesetze zu geben, es aber auch aus eine höhere Stufe der Bildung und Wohlfahrt zu erheben.
Unter den vielen Kriegen, die Karl während feiner 46jahriaen , ^.cntug zu führen hatte, war der mit den Sachsen der lana-772wtmglte und blutigste. Im Jahre 772 unternahm er feinen ersten Aug gegen die stets unruhigen Nachbarn. Bei Worms fetzten die Franken über den Rhein und zogen dann nordwärts nach jenen an Sumpfen und Wäldern reichen Gegenden, wo einst Varns seinen Untergang gefunden. Sie erstürmten die Er es bürg (an der Diemel, einem linken Zufluß der Weser) und zerstörten das in der Nahe befindliche alte Heiligthum des Volkes, die Jrmiuful. -;te Sachsen beugten sich der Uebermacht, schwuren Karl Treue und versprachen, die christlichen Missionare an ihrem Bekehrungswerke nicht zu hindern. Karl ließ Besatzungen in dem eroberten Lande zurück und zog zu neuen Kämpfen nach Italien.
Karl man ns Wittwe Gerberga war zu den Langobarden
geflohen und hatte deren König Desiderius bewogen, die Ansprüche .ihrer Sohne ans den fränkischen Thron zu unterstützen. Da über-774 stieg Karl mit einem Heere den Mont Cenis, schlug die Lougo-barden imd belagerte ihre feste Hauptstadt Pavia. Dann begabter sich zur Feier des Osterfestes nach Rom, wo ihm Papst Hadrian I. eme glänzende Aufnahme bereitete, die Karl durch Bestätigung der Pipmfchen Schenkung vergalt. Bald darauf mußte sich Pavia, erschöpft tmrch Hunger und Krankheiten, dem Belageruugsheer ergeben. Desiderius wurde gefangen genommen, und Karl ließ sich die lombardische Krone auffetzen. Kaum aber hatte er den Rücken gewandt, als sich auch die Großen des Landes gegen die neue Herrschaft empörten. Doch mit wunderbarer Schnelligkeit eilte Karl herbei, unterdrückte den Aufstand und vereinigte nun Norditalien vollständig mit dem Frankenreiche.
Unterdessen hatten auch die Sachsen neuen Muth geschöpft. Sie erhoben sich unter ihrem kühnen und streitbaren Herzog Wittu-kind, gewannen die Eresburg zurück, verjagten die fränkischen Besatzungen und trugen Brand und Verwüstung Über die Grenzen. Da erschien Karl, eroberte die Siegburg am Zusammenfluß der Ruhr und Lenne, nahm die Eresburg wieder ein und drang über die Weser bis an die Oker vor. Als er aber wieder gegen die Longobarden ziehen mußte, erneuerten die Sachsen ihr altes Spiel, belagerten und ^eroberten die Burgen und vertrieben die Besatzungen. Von Neuem führte Karl feine Heerhaufen nach der Weser, und so
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl_Treue Karl Karl_ließ Karl Karl_man_ns Wittwe_Gerberga Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl
198 V. Die Kreuzzüge.
aus der ihn nur die Zurückgabe aller Eroberungen und die Zahlung eines bedeutenden Lösegeldes befreite. Zwanzig Jahre später unter-1270] nahm er den (siebenten) Krenzzng nach Tunis, um die Macht der Saracenen in Nordafrika zu brechen. Da raffte eine Seuche ihn selbst und einen großen Theil seines Heeres hinweg, und der Rest kehrte unverrichteter Dinge in die Heirnath zurück. Non jetzt ab gaben die Fürsten des Abendlandes die Züge nach dem Osten auf, und bald ging mit dem Falle von Ptolemais auch die letzte 1291] christliche Besitzung im heiligen Land verloren.
So waren denn alle die gewaltigen Anstrengungen, alle die ungeheuren Opfer — man berechnet, daß die Kreuzzüge 5—8 Millionen Menschen gekostet haben — scheinbar vergeblich gewesen; aber doch eben nur scheinbar. Der ursprüngliche Zweck derselben, Gründung einer christlichen Herrschaft im Morgenlande, war zwar für die Dauer nicht erreicht worden, aber ohne segensreiche Wirkung blieben die Kreuzzüge doch nicht. Mußte ja schon der Gedanke, zur Ehre Gottes und für die Ausbreitung der heiligen Kirche das Schwert zu führen, veredelnd auf die Gemüther'einwirken. Und die ganze große Bewegung, sie war nicht Eigenthum eines einzelnen Volkes, sondern des gesammten Abendlandes. Ein Band der Zusammengehörigkeit umschlang alle christlichen Nationen, zu einem hohen Streben reichten sie sich die Hand. Die Herzen der Einzelnen und der Völker wurden abgezogen von selbstsüchtigen Zwecken und auf das Allgemeine gerichtet. Das Ritterthum kam zum Bewußtsein seiner edlen Ausgabe, die Schwachen zu schützen und_ den Bedrängten seinen Arm zu leihen. Die Möglichkeit, durch Theilnahme an den Kreuzfahrten harter Dienstbarkeit zu entgehen, machte in dem Bürger- und Bauernstande die Sehnsucht nach größerer Freiheit rege. Die Künste und Wissenschaften des Morgenlandes, Astronomie, Naturkunde und Arzneiwissenschaft, wurden nach Europa verpflanzt. Die Verbindung mit dem Osten erzeugte einen lebhaften Handel und vermehrte den Wohlstand der Städte. Neue Bedürfnisse und Gewohnheiten riefen ein regeres gewerbliches Leben hervor und spornten zu größerer geistiger Thätigkeit an. Freilich fand auch die Ueppigkeit und Verweichlichung des Morgenlandes im Westen Eingang, und die erwachte Thatenlust artete in der Heimat!) in Raubritterthum und Fehdewesen aus.
3. Der deutsche Ritterorden in Preußen.
Die geistlichen Ritterorden gaben auch nach dem Verluste des heiligen Landes ihren Hauptzweck, die Bekämpfung der Ungläubigen, nicht auf. Die Johauuiter verlegten ihren Sitz zuerst nach Eypern, von da nach Rhodns und zuletzt nach Malta, von dem sie auch den Namen Malteserritter führten. Hier gründeten sie das für unüberwindlich gehaltene La Valette und
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Extrahierte Ortsnamen: Tunis Nordafrika Heirnath Gottes Bürger- Europa Raubritterthum Rhodns Malta La_Valette