Iv
stillen bescheidenen Veilchen — mehr will dies Büchlein nicht —
ein Plätzchen gönnen, wo es im Verborgenen blüht!
Das Lesebuch hat aber anch eine gemüthliche Aufgabe.
Es würde zu langweilig und ermüdend für die Kinder sein, wenn
es sich nur mit trocknen Abrissen an ihren Verstand und ihr Ge-
dächtniß wenden wollte; auch das Herz und Gemüth wollen ihr
Recht haben. Deshalb muß das Lesebuch klare, volle, abgerundete
Darstellungen, Lebens - oder Charakterbilder, enthalten, Prosa
mit Poesie wechseln lassen rc. —
Daß verschiedenartige Lettern zur äußern Darstellung
gewählt werden mußten, um die Lesefertigkeit zu fördern, bedarf
wohl kaum der Erwähnung. Daß außerdem durch die Wahl der
Schriftart der einzelnen Stücke in Absch. 2., 3. und 4. stets ein
besonderer pädagogischer Zweck verfolgt wird, leuchtet dem kundigen
Lehrerauge von selbst ein.
Das vorliegende Lesebuch soll nun zunächst eilt Schullesebnch
sein, indem es entweder bei etwaiger Einführung unmittelbar als
Grundlage des Unterrichts dient oder aber auch dem Lehrer solcher
Schulen, die kein Lesebuch besitzen, einen Leitfaden für seinen Unter-
richt bietet. Und indem auch wohl im häuslichen Kreise der Land-
bewohner daraus vorgelesen wird oder indem das eine oder das
andere Kind es cuicl) noch nach seiner Schulzeit einmal wieder zur
Hand nimmt, würde es zugleich die Aufgabe eines Haus- und
Volksbuchs erfüllen. Wenn endlich selbstredend ein Lesebuch kein
Buch für die Kirche ist, so soll es sich doch in den Dienst der
Kirche stellen, zumal ja die Schule auch eine Kinderkkche ist.
Es wird nun noch nöthig sein, über den Plan und Gang
dieses Büchleins etwas zu sagen. Es ist entworfen mit steter Rück-
sicht auf die in der Bekanntmachung des Königl. Consistorii vom
31. März 1856 für den Vvlköschnlunterricht aufgestellten Grund-
sätze und soll deshalb, wie schon gesagt, die ganze Volksschulbildung
soweit sie nicht durch Bibel, Gesangbuch, Katechismus und Rechnen-
buch erzielt wird, zum Vorwurf nehmen.
Der erste Abschnitt enthält, den eigentlichen Lesestoff:
Erzählungen rc. Die erste Abtheilung enthält eine Sammlung von
Erzählungen rc. zu Luthers Katechismus. Der bibl. Ge-
schichtsunterricht soll die Entwickelung des Reiches Gottes zeigen,
der Katechismnönnterricht die christlichen Heilswahrheiten in geord-
neter Darstellung den Kindern zuführen und das Gesangbuch mit
seinen Liederschätzen und das Bibellcsen als Schöpfen aus der
Quelle selbst bei dieser christlichen Ausbildung mithelfen. Das
Lesebuch hat nun aber zu zeigen, wie die in das Herz
hinein gepflanzte christliche Wahrheit im Leben Frucht
bringt und Gestalt gewinnt. Das soll eben durch diese Ge-
schichten rc. geschehen. Daß beim 3. Gebot das Kirchenjahr, > bei
der 2., Bitte die Bibelgesellschaft, die Mission, die Gustav-Adolfs-
Stiftung und die innere Mission vorgeführt wird, wird man hosfent-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
lich ebenso in der Ordnung finden, als daß beim 1. Artikel die
Hauptkräfte unsrer Seele, so weit sie zum Verständniß der Heils-
wahrheiten im Katechismnsuntcrrichte nöthig sind, abgehandelt wer-
den. Eine nähere Bezeichnung der einzelnen Theile des kl. Kat.,
wozn diese Erzählungen re. gehören, ist wohl zur Genüge durch die
Ueberschriften und durch die Trennung der einzelnen Abtheilungen
durch Striche gegeben, und hielt ich Bezeichmckigen, wie z. B. „Er-
zählungen zum' 1. Gebot" für überflüssig. — Daß aber der Gang
der 5 Hauptstücke und kein anderer genommen ist, bedarf hoffentlich
der Entschuldignng nicht. Ebenso ist wohl keine Andeutung darüber
nöthig, wie diese Geschichten beim Katechisiercn verwendet werden
können *).
Die vermischten Lesestücke wollen außer der Lesefertigkeit'
auch die Klugheit des Lebens durch Warnung, Belehrung rc.
befördern. Die k l e i n en Er z äh lu n g e n u nd F a b e ln sind haupt-
sächlich auf kleinere, die größeren auf größere Kinder be-
rechnet; die poetischen Erzählungen sollen zum A usw endig-
le rneu, die Gesangtexte (unter denen sich auch einige Kern-
lieder finden, die in unsern Gesangbüchern leider vermißt'werden)
zum Singe lì und die Sprichwörter zur Ergänzung des Vo-
rigen dienen.
Der zweite Abschnitt, die Weltkllnde, ist auf folgenden
Gang berechnet. Während wir im Sommer geril ins Freie, in
die offen daliegende Natur hinaus eilen, sitzen wir in den langen
Winterabenden gern ini trautem Zimmer und lalischen der Erzäh-
luilg von fremden Ländern rc. So, meinte Langrehr, solle auch
während des Sommers in der Schllle Natilrknnde uiib wäh-
rend des Winters Geographie und Geschichte getrieben wer-
den. Darauf ist allch dieser Abschnitt berechnet. Der Passus
„Die drei Naturreiche" beschäftigt sich mit der heimatlichen
Natur lllld giebt neben dem Populär-Systematischen eine
Reihe von Einzelbildern, all denen das Kind lernen soll, mit
ästhetischem **) und christlihem ***) Sinne die Natur zll be-
trachten, weshalb hier von den Giftpflallzcn rc. ans guten Grün-
den keine Rede ist; wohl aber ist auf das Praktische Rücksicht
genommen f). — Der folgende Theil: „Natnrkräfte lllld Na-
turerscheinungen" giebt das ans der Naturlebre für jedermann
Nöthige; der folgende, voni Menschen, beschäftigt sich hauptsäch-
lich mit unserm Körper, worauf wir ja allch schon durch die Erkl.
des 1. Art. hingewiesen werden. Der Theil: „Gesundheit,
Krankheit, Tod" war seiner praktischen Wichtigkeit wegen nicht
zu entbehren. Hier war zugleich der passende Ort zur Beschreibung
der Giftpflanzen. So weit der Sommcrcnrsuö!
*) Dieses wird in meinen demnächst im Verlage dieses Büchleins erscheinen-
den "Katechismus tabelle»" näher dargelegt werden.
°") S. z. B. Nr. 31. **") S. z. B. N. 4». f) Z. B. in Nr. 32. 33.
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TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
vrt
und das Weltgebäude vorgeführt, woran sich manches Andere,
z. B. vom Kalender anschließt.
Der dritte Abschnitt, Bibelknnde, will die im Consistorial-
ausschrciben vom 3l.märz 1856 geforderte übersichtliche Kennt-
niß der' heil. Schrift und ihre Bücher vermitteln und somit
gewissermaßen ein Wegweiser durch das Gesammtgebiet der
Bibel sein uiib den bibl. Geschichtsunterricht abschließen. Der Theil
„Land und Volk d er Offenbarnn g" giebt das für Volksschu-
len Nöthige ans der bibl. Geographie und Alterthums-
tünde. /
Der vierte Abschnitt wendet sich einem Gegenstände zu, über
den die pädagogischen Acten noch längst nicht geschlossen sind, der N
Sprachlehre. Das erwähnte Ausschreiben fordert neben den
allgemeinen Uebungen des Ab- und Aufschreibens rc., des
Buchstabiereuö ans dem Kopfe und des Dictierens, daß
sich der Sprachunterricht ans Lesebuch schließen und mit dem
Schreiben verbunden werden solle. Ich glaube, es ist entschieden
nicht die Absicht jenes Ausschreiben, zu einem regellosen Um-
herschweifen oder zum unästethischen Zerzausen der schön-
sten literarischen Produkte zu ermuntern: nein, der Unterricht soll
nur nicht todter Schematismus sein, sondern Leben mtb Gestalt
gewinnen. Am leichtesten wird sich der Unterricht ans Lesebuch
schließen können, wenn dieses selbst dazu die Hand bietet. Die
Verbindung mit dem Schreiben wird am leichtesten durch Auf-
gaben erzielt. So glaube ich im Sinne der erwähnten Verord-
mlng gehandelt zu haben, wenn hier eine geordnete Aufgaben-
sammlmng ans dem Gebiete der Nedetheile, der Satz-
lehre, der Rechtschreibung und der Geschäfts aussähe
gegeben wird, welche cö ermöglicht, den Sprachunterricht Hand in
Hand mit dem Schreiben gehen zu lassen. Ist dieser Gang ordent-
lich durchgearbeitet, dann mag man zur Wiederholung zum
Constrnieren prosaischer Stücke schreiten, nie aber gemüth-
liche Sachen zerzausen. — Daß neben den hier gegebenen speciellen
Sprachübungen das oben erwähnte allgemeine Arbeitsfeld des Ab-
schreibend rc. nicht vernachlässigt werden darf, ist wohl selbstver-
ständlich.
Der Anhang (einen Reim über die Länder Deutschlands, die
Zeittafel, die Uebersicht Per deutschen Bundesstaaten und einige Ge-
bete enthaltend) wird manchem gewiß willkommen sein.
Die Lesestücke selbst sind ans den mannigfachsten Büchern ent-
nommen; viele von ihnen haben in unsrer Volksschnlliteratnr längst
Lichte der deutsche» Geschichte für das Kind klar lw'rd. Wie kann man z. B.
in der Schule die Rcformationsgeschichte unsers engern Vaterlandes dnrchnchme»,
ehe das Kind die Reformation überhaupt kennt? — '2. Die Ki rch en g e schi ch te
(mit Ausnahme einzelner Stücke im 3. Absetzn.), den» ist nicht die deutsche Ge-
schichte mit der Kirchengeschichte eben so eng verwachsen, wie Deutschland mit
dem Christenthume?
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Ortsnamen: Consistorial- Deutschlands Deutschland
2
sprach: Wenn du mich an einen Ort hinführen kannst, wo es nie-
mand sieht, so will ich mitgehen. Nun, sagte Jakob, so komm mit
in die Milchkammer; dort wo,llen wir eine Schüssel voll süßen
Rahm verzehren. Anna sprach: Dort sieht cs der Nachbar, der
auf der Straße Holz spaltet. So komm mit mir in die Küche,
sagte Jakob, in dem Küchenschranke steht ein Topf voll Honig, in
diesen wollen wir unser Brot eintunken. Anna sprach: Dort kann
die Nachbarin hineinsehen, die am Fenster sitzt und spinnt. So
wollen wir unten im Keller Aepfel essen, dort ist cs so dunkel, daß
es gewiß niemand sieht. Anna sprach: O, mein lieber Jakob,
meinst du denn wirklich, daß uns dort niemand sieht? Weißt du
nichts von jenem Auge dort oben, das die Mauern dnrchdringt
und ins Dunkle sieht? Jakob erschrak imb sagte: Du hast Recht,
liebe Schwester, Gott sieht uns auch da, wo kein Menschenauge
uns sehen kann; wir wollen daher nirgends Böses thun. Anna
freute sich, daß Jakob ihre Worte zu Herzen nahm und schenkte
ihm ein schönes Bild, darauf war das Auge Gottes mit Strahlen
umgeben und darunter stand:
Gieb Gott, daß ich dein heilig Ange scheu '
Und rein vor dir von jeder Sünde sei..
3. Gott wird geben einem jeglichen nach seinen Werken.
Als ein Prophet eines Tages ans einem Berge zu Gott nm
höhere Kenntniß flehte, ward ihm der Befehl, er sollte von den
Höhen, worauf er stand, in die Ebene blicken. Hier floß eine klare
Quelle. Ein reisender Soldat stieg bei derselben von seinem Pferde
und trank. Kaum war der Reiter fort, so lief ein Knabe von der
Heerde-nach einem Trunk an diesen Ort. Er fand den Geldsack
bei der Quelle, der jenem hier entfiel; er nahm ihn und entwich,
worauf nach eben dieser Stelle ein Greis gebückt am Stabe schlich.
Er trank und setzte sich, um auszuruhen, nieder; sein schweres Haupt
sank zitternd in das Gras, bis er im Schlaf des Alters Last ver-
gaß. Indessen kam der Reiter wieder, bedrohte diesen Greis mit
wildem Ungestüm und forderte sein Geld von ihm. Der Alte
schwört, er habe nichts gesunden, der Alte fleht und weint, der Rei-
ter flucht und droht und sticht zuletzt, mit vielen Wunden, den ar-
men Alten wüthend todt. Als dieses der Prophet sah, fiel er be-
trübt zur Erden, doch eine Stimme rief: „Hier kannst du inne
werden, wie in der Welt sich alles billig fügt, denn wisse, cs hat
der Greis, der jetzt im Blute liegt, des Knaben Vater einst erschla-
gen, der den verlornen Raub zuvor davon getragen."
4. Die schlitzende Hand Gottes.
Zwei kleine Mädchen von 11 bis 12 Jahren wollten an einem
Wintertage ihre Verwandtin und Gevatterin besuchen. Diese wohnte
in einem Nachbardorfe im Gebirge. Die Kinder nehmen den Spinn-
rocken in die Hand und gehen aus ihrem Dörflcin nach dem Walde
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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TM Hauptwörter (200): [T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Jakob Anna Jakob Jakob Jakob
4
Gott schickt", sprach er, „das ist gut" und schlief ein im Finstern.
Da schlich ein Löwe daher und zerriß den Esel; den schlafenden
Mann aber sah er nicht wegen der Dunkelheit. „Ich wußte es,"
sagte dieser, als er ciujmdjtc, „was Gott schickt, das ist gut!" und
ging auf das Stadtthor zu. Es war nun offen; als er aber hin-
einkam, war die ganze Stadt leer; Räuber waren in der Nacht
hineingefallen, hatten die Einwohner weggeführt oder getödtet; er
war allein glücklich der Gefahr entronnen. „Nun wahrlich!" sprach
er, „es ist alles, alles gut, was Gott schickt, und wo wir etwas
davon am Abend nicht begreifen, dürfen wir nur geduldig den
Morgen abwarten, der wird alles hell machen!" — Welcher Mor-
gen, mein Kind?
Wunderbarlich führt Gott in die Welt, durch die Welt und
aus der Welt.
Mein Vater, führ mich immerdar
Nur selig, wenn auch wunderbar.
ti. Herr Gott, du bist Misere Zuflucht für und für!
Es war ein Sonntag-Morgen. Die Sonne schien hell und
warm in die Stube; linde, erquickende Lüfte zogen durch die offnen
Fenster, im Freien unter dem blauen Himmel jubilierten die Vögel,
und die ganze Landschaft, in Grün gekleidet und mit Blumen ge-
schmückt, stand da im Sonutagsgcwande. Aber während nun drau-
ßen überall Freude herrschte, brütete im Hause, in jener Stiche nur
Trübsal und Trailer. Selbst die Hausfrau, die sonst immer hei-
tern und guten Muthes war, saß heute mit iimwölbtem Antlitze
und mit iliedcrgeschlagenem Blicke da beim Morgenimbiß, und sic
erhob sich zuletzt, ohne etwas zil essen, vom Sitze, ltitb eine Thräne
aus dem Auge wischend, eilte sie gegen die Thür zu. Es schien
aber auch in der That, als wciin der Fluch auf diesem Hause la-
stete. Es war Theuruug im Lande; das Gewerbe ging schlecht;
die Ausgaben wiirden immer drückender; das Hauswesen verfiel
von Jahr zu Jahr mehr, und es war am Ende'nichts zu erwar-
ten als Armut und Schande. Das hatte den Mann, der sonst
ein fleißiger und ordentlicher Bürger war, schon seit langer Zeit
trübsinnig gemacht, dergestalt, daß er an seinem fernern Fortkom-
men verzweifelte und manchmal sogar äußerte, er wolle sich ein Leid
anthun und seinem clcnben trostlosen Leben ein Ende machen. Da
half denn auch kein Zureden von Seiten der Frau, die sonst immer
aufgeräumten Sinnes war, und alle Trostgründe seiner Freunde,
geistliche und weltliche, verschlugen nichts und machten ihn nur
schweigsamer und trübseliger. Da ists beult kein Wunder gewesen,
daß zuletzt auch die Frau all ihren Muth und ihre Freude verloren
hat. Es hatte aber mit ihrer Traurigkeit eine ganz eigene Be-
wandtnis;, wie wir bald hören werden. Als der Mann sah, daß
auch sein Weib trauerte und nun forteilte, hielt er sie an und
sprach: Ich laß dich nicht aus der Stube, bis du mir sagst, was
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
6
8. So der Herr will.
Ein Bauer ging über Feld auf einen Markt. Untcrwcgcs be-
gegnete ihm ein Bekannter und fragte, wohin er gehe. Der Bauer
antwortete: „Ich gehe auf den Markt und kaufe mir ein Paar
Ochsen." „So der Herr will!" setzte jener wohlmeinend hinzu.
Der Bauer erwiderte dreist: „Das habe ich nickt nöthig; ich habe
mein Geld für die Ochsen in der Tasche." Es war schon ziemlich
spät und des Tages über tiefer Schnee gefallen. Der Bauer ver-
fehlte den Weg, wurde von einem Unbekannten noch weiter irre ge-
führt und endlich gar seiner Barschaft beraubt. — Nach einigen
Tagen kehrte der Bekannte im Bauernhöfe ein und fragte nach ds^n
neuen Ochsen. Der Bauer antwortete ganz kleinlaut: „Freund,
du hattest Recht; ich muß gvttesfürchtiger werden."
Jac. 4, 15. Ihr solltet sagen: So der Herr will und wir
leben, wollen wir dies oder das thun.
!). Alle Welt fürchte den Herrn; denu wer unter Gottes Hand
sich nicht biegen will, muß drunter brechen.
Ein Dachdecker arbeitete hoch oben auf der Spitze eines Kirch-
turmes. Da riß das Seil, mit beut er sich am Knopfe befestigt
hatte und er fiel vom Turme herab auf das Kirchdach. Hier wollte
er sich halten; aber er rollte vom Dache hinab auf den Linden-
baum, der an der Kirche stand. Hier wollte er sich wieder halten;
aber die Aefte brachen und er siel von Ast zu Ast und endlich her-
ab auf das Pflaster. Die Leute hatten mit einem Geschrei des Ent-
setzens ihn fallen sehen, rannten herbei und meinten ihn zerschmet-
tert zu finden; aber der Dachdecker lebte und war ganz unversehrt
und rieb sich die Augen; denn er wusste gar nicht, wie ihm gesche-
hen war.
Mittlerweile mehrte sich der Menschenhaufe um ihn, und jeder
ließ sich die Geschichte erzählen und endlich rief ein Wirt: „Daö
ist doch zu wunderbar! Der Tag muß gefeiert werden; kommt mit
in mein Hans, der Mann muß sichs heute einmal wohl sein las-
sen!" Gesagt, gethan! Zwei nahmen den Dachdecker in die Mitte,
die andern folgten, und im Triumph gings ins Wirtshaus, wo
gezecht, gelärmt tmd Vivat gerufen wurde bis iu die späte Nacht.
Der Dachdecker wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen,
auf fremde Kosten sich gütlich zu thun, aß ltub trank und hörte
dabei nicht auf, immer wieder voit neuem die Geschichte seines wnu-
derbaren Sturzes ju erzählen. Des lieben Gottes, der scineit En-
geln über ihm Befehl gethan, gedachte er babei mit keiner Silbe;
vielmehr erzählte er den Hergang also, als sei das tlicht Gottes
Beschirmung, sondern eine besondere Geschicklichkeit und Besonnen-
heit von ihm selber gewesen, zuerst auf das Dach, dann auf den
Liudenbaum und dann ganz allmählich von Ast ztl Ast bis herun-
ter auf das Pflaster zu fallen, und zuletzt vermaß er sich sogar,
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TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
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3
noch mehr gearbeitet als sonst, weil die Mutter um der Kinder
willen diesen Nachmittag nicht gearbeitet hatte und er nun für die
Mutter mitarbeiten wollte. Sie erzählte ihm, daß cs ihr auf dem
Markte so traurig zu Muthe gewesen sei. Er aber ist gar nicht
traurig und sagt: „Wir haben wohl nichts zu essen als schwar-
zes Brot und Kartoffeln; aber wir sind dabei sammt unsern Kin-
dern gesund, und an Kleidung hat Gott es uns auch noch nicht
fehlen lassen. Und das Beste haben wir umsonst, nämlich Gottes
Wort, und wenn wir beten und in den Wegen Gottes wandeln,
so haben wir allezeit einen gnädigen Gott." Da wurde die Mut-
ter fröhlich, und als Eltern und Kinder sich zum Abendbrot nie-
dergesetzt und das Tischgebet gesprochen hatten, da schmeckte ihnen
das Schwarzbrot zu der Milch von ihren beiden Ziegen eben so
schön, als wäre es Honigkuchen und Semmel.
11. Wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.
Ein reicher Herr ans der Nähe von Stockholm ging ans sei-
nen Gütern spazieren und traf einen armen Tagelöhner aus dem
Gebirge an. Er ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein und fragte
ihn: „Weißt du, wem das Gut dort am See gehört?"— „Nein,"
sagte der Tagelöhner. „Es gehört mir. Und jenes dort am Walde
und das Schloß auf dem Berge, weißt du, wes sie sind?" „Nein."
,,Die sind auch mein. Ja alles, was bu hier ringsum sehen kannst,
{ft mein."
Der Arme stand einen Augenblick still, drückte den Spaten
in die Erde, nahm die Mütze ab, zeigte geil Himmel und sprach:
„Ist der da oben auch dein?"
12. Werfet euer Vertrauen nicht weg!
Karl war zwölf Jahre alt, da seine Mutter starb, die als
eine arme Witwe bei der Thcurnng sich und ihr Kind kümmerlich
ernährt hatte. Als sic starb, bezahlte die Herrschaft den Sarg und
Predigers Küster und Gemeinde begruben sie umsonst. In der er-
sten Zeit nach ihrem Tode ging Karl bei guten Leuten im Dorfe
umher und bat um Brot und bot sich einem jeden, der ihm was
gab, zu fleißigen Diensten an, wenn ihn nur jemand haben wollte.
Dabei verließ er sich auf Gott, der ihm das Leben gegeben habe
und es ihm anch gewiß gnädig erhalten werde; denn er war von
seiner Mutter fromm und christlich erzogen worden. Endlich lenkte
Gott das Herz des Herrn im Dorfe; er erbarmte sich seiner und
machte ihn zum Diener seines Sohnes. Er erhielt die Erlaubniß,
denn Unterrichte, den derselbe erhielt, beiwohnen zu dürfen, und weil
er aufmerksam und fleißig war, lernte er was Tüchtiges. Als er
und sein junger Herr nun größer wurden, rettete Karl diesem durch
seine Treue und Tapferkeit einst das Leben, wofür ihn dieser spä-
ter als Administrator über seine Güter setzte. Er verwaltete diese
Stelle mit Umsicht und Treue.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl
10
dürftig bin, denn unsre beiden Söhne sind eben vor meinen Augen
ertrunken!" Die Heldin fühlte wohl ihre Schwachheit, denn'sie
fiel in eine schwere Ohnmacht; darnach aber sprach sie: „Der Herr
hats gegeben, der Herr hats genommen, der Name des Herrn sei
' gelobt."
15. Befiehl dem Herrn deine Wege.
Paul Gerhard, einer der vorzüglichsten Liederdichter der Deut-
schen, weigerte sich, als Gehülfsprediger an der Nicolaikirche zu
Berlin, einige das Christenthum betreffende, aber der heiligen Schrift
nicht ganz gemäße Befehle des damaligen Kurfürsten Friedrich Wil-
helm zu vollziehen und wurde daher seines Amtes entsetzt iiub des
Landes verwiesen. In dieser traurigen Lage entschloß er sich, nach
Sachsen zu reisen, wo sein betrübendes Schicksal bereits bekannt
geworden war. Als er unterwegs mit seiner Familie in einem
Gasthause übernachtete und seine Gattin sich über das Unglück ih-
res Mannes sehr grämte, suchte dieser sie zu beruhigen und erin-
nerte sie unter andern auch au die Worte des 37. Psalmes: „Be-
fiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wirds wohl
machen." Er selbst war sehr gerührt durch diesen Spruch des
frommen Davids, ging in den Garten, der bei dem Wirtshanse
war und dichtete das herrliche Lied: „Befiehl du dein'e Wege —".
Als er fertig' war, lad er es seiner Frau vor und sie wurde ruhi-
ger. Am späten Abend traten zwei Fremde in die Gaststube und
erzählten unserm Gerhard, welchen sie aber nicht kannten, daß sie
als Abgeordnete des Herzogs Christian von Sachsen. kämen, um
einen iu Berlin abgesetzten Prediger Namens Gerhard gu suchen.
Gerhard sagte ihnen, daß er derjenige sei, den sie aufsuchen sollten,
worauf sie ihm sogleich ein Schreiben des Herzogs überreichten,
»-der,, bekannt mit dein traurigen Schicksale des Dichters, ihn: wie-
der eine Versorgung anbot. Gerhard wandte sich, vor Freuden
weinend, nachdem er das Schreiben gelesen hatte, zu seiner Gattin,
indem er ausrief: Sieh, wie Gott sorgt. Sagte ich dir nicht: Be-
fiehl dem Herrn deine Wege —! Als das' Lied später gedruckt
auch in Friedrich Wilhelms Hände kam, bereuete er fein hartes
Urtheil. ____________
16. Aus einem Munde geht Loben und Fluchen; cs sollte nicht
also sein.
Klausens Kinder sahen und hörten von ihren Eltern nichts
Gutes. Die Mutter war zanksüchtig und unwirtschaftlich, der Va-
ter aber oft betrunken. Dabei trieb er Handel mit gestohlenen
Waren oder schmuggelte, wobei seine arglistigen Anstalten, wovon
seine Kinder oft Zeugen waren, es machten, daß er niemals ertappt
wutde. Ein Gebet kam nie über seine Lippen, wohl aber war sein
drittes Wort immer ein Fluch, und eine ganze Reihe greulicher
Verwünschungen führte er immer im Munde. Da mochten denn
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
Extrahierte Personennamen: Gerhard Friedrich_Wil- Friedrich Psalmes Davids Christian Namens_Gerhard Gerhard Gerhard Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Klausens
Extrahierte Ortsnamen: Deut- Berlin Sachsen Davids Sachsen Berlin
12
nein Menschen Vertrauen, zu keinem Dinge Kraft, zu keinem Un-
^ .ckernchmen fröhlichen Muth zìi haben. Er verfiel auf Trunk und
< Spiel. Seine Wirtschaft kam dadurch zurück, und ciu Unglück
«, nach dem andern. Von Gott und seinem Wort kam er
gänzlich zurück. Sein Antlitz ward bleich, sein Blick unstätt; sein
Körper fiel zusammen und er wandelte wie ein Todtengerippe.
Endlich wurde er aufs Krankenlager geworfen; lange und furcht-
bar kämpfte er mit dem Tode und konnte nicht eher sterben, bis
er seinen Frevel bekannt hatte. Man sprach nicht gut an seinem
' Grabe. Keine Thräne wurde ihm nachgeweint.
19. Der gewissenlose Witwer.
Ein Witwer hatte zwei Kinder und wollte wieder heiraten,
aber keine andere als eine reiche Braut. Endlich fand er eine, die
ihn mit der Bedingung nehmen wollte, wenn er hundert Thaler
bares Geld hätte. Er für sich hatte nun nicht so viel, sondern
um so viel zu erlangen, beschloß er, seine Kinder um einen Theil
ihres Mutterguts zu betrügen. Das that er und vergrub mit
Hülfe seiner Braut des Abends vorher, als er bei bcu Gerichten
Nichtigkeit mit seinen Kinderic machen und bcu Nachlaß seiner ver-
storbenen Frau beschwören sollte, einen Beutel mit hundert Tha-
lern. Denn er glaubte thörichter Weise, nun könne er sicher schwö-
ren, daß er nicht mehr hätte, als was er angäbe, da er doch nichts
mehr im Hanse habe. Als er geschworen hatte und nun sein Geld
wieder holen und Verlöbnis; halten wollte, da war das Geld fort,
denn ein im Backofen liegender Bettler hatte durch die Thür zuge-
sehen und war des Nachts mit dem Gelde davon gegangen. Er
lief eiligst zu seiner Braut und glaubte, sie habe'es im Scherz
weggenommen; als sie eö aber ln Abrede stellte, ward er unwillig
und sie gcriethcn in den heftigsten Streit, der mit großer Erbitte-
rung endigte. Sie wollte ihn mm nicht heiraten, sondern verklagte
ihn, weil er sie eine Diebin gescholten lind hart geschlagen hatte,
und er ward, als die That ans Licht kam, als Meineidiger und
Betrüger, und sie als Theilnehmerin am Betrttge scharf gestraft.
20. Die brave Stiefmutter.
Minna heiratete einen Witwer mit drei kleinen Kindern. Au
ihrem Hochzeitstage betete sie'zu Gott: „Ach Herr, mein Gott! das
Schicksal aller Menschen kömmt auf deinen Willen an. Ich soll
die Gehülfin dieses Mannes werden, indem ich an die Stelle der
verstorbenen Frau trete, also auch ihre Pflichten übernehmen und
die Mutter dieser armen verlassenen Kinder werden soll. Es mag
dies aber wohl eine schwere Sache sein; doch ich gelobe es dir, all-
wissender Gott, wie ich cs auch an deinem heiligen Altare ja be-
schwöre, meine Pflicht treu zu erfüllen. Alle Tage will ich mich
an meinen Schwur mimmi. Hilf mir, o treuer Gott, durch dei-
nen heiligen Geist. Amen!" Als sie aufstand, nahm sie ein ro-
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schwer; als wären es Pfundsteine, fielen sie auf die dürren
Schindeln.
„Jetzt, Mutter," sagte Johannes, in die Stube tretend mit
seinen Leuten, „jetzt istö unter Dach, Mutter, und alles ist. gut ge-
gangen; mag cs jetzt stürmen, wie cs will, und morgen schönes
oder böses Wetter sein, ich Habs unter meinem Dach." — „Johan-
nes, aber über deinem Dach ist des Herrn Dach." sagte die Mut-
ter feierlich; und als sie das sagte, ward cs hell in der Stube,
daß man die Fliegen sah an der Wand, und einjdonner schmet-
terte'über dem Hause, als ob dasselbe mit einem Streiche in Mil-
lionen Splitter zerschlagen würde. „Herr Gott, es hat eingeschla-
gen!" rief der erste, der konnte; alles stürzte zur Thür hinaus.
Das Haus stand in vollen Flammen; ans dem Dache heraus
brannten bereits die eingeführten Garben. Wie stürzte alles durch
einander! Die alte Mutter allein behielt die Besinnung; sie griff
nach ihren beiden Krücken, sonst nach nichts, suchte die Thür und
einen sichern Platz und betete: „Was hülfs dem Menschen, wenn
er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner
Seele! dein und nicht mein Wille geschehe, o Pater!"
Das Haus brannte ab bis auf den Boden; gerettet wurde
nichts. Auf der Brandstätte stand der Bauer und sprach: „Ich
Habs unter meinem Dache! Aber über deinem Dache ist des Herrn
Dach. hat die Mutter gesagt!" Und seit dieser Stunde spricht er
nichts mehr, als: „Ich Habs unter meinem Dache! Aber über
deinem Dache ist des Herrn Dach, hat die Mutter gesagt!"
26. Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.
An Sonn- und Festtagen pflegte Wilhelm eine halbe Stunde
vorher, che die Predigt anging, sich von allen Geschäften zu entfer-
nen-und die Epistel oder das Evangelium dnrchznlesen und darüber
nachzndcnken. Wenn er zur Kirche ging, dann vermied er allerlei
Geschwätz von Neuigkeiten vor der Kirchthür, und ging deswegen
nicht eher als bis cb eben Zeit war, aber auch nicht so spät, daß
er etwa das Anfaugslied versäumt hätte. Sein Gemüth war vor-
bereitet, und er war begierig, was über die Worte, deren Inhalt
er nach dem Maße seiner Einsichten sich schon selbst ausgelegt hatte,
der Prediger ihm noch für bessere Erkenntniß verschaffen würde.
In der Predigt schlief er nicht oder hatte etwa fremde Gedanken,
sondern er war beständig bemüht, mit dem Prediger fortzudenken
und den Gang der Rede zu verfolgen. Und daher kam es nun,
daß er so viel aus der Predigt behalten hatte und nachher sie mit
seinen Kindern wiederholen konnte. Davon hatte aber nicht allein
er selbst, sondern auch sein ganzes Haus wahren Vortheil, denn
jeine Kinder behielten Gott ihr Lebelang vor Augen und im Her-
zen, und sein Gesinde wurde treu und gewissenhaft.
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TM Hauptwörter (200): [T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]