§. 9, 2. Hinrichtung Karls I.
131
Kriege gegen Spanien und Östreich nicht bewilligte. Karl löste es auf. Das neue Parlament des folgenden Jahres glaubte der König durch Verhaftung zweier seiner Mitglieder schrecken zu können; aber er mußte dieselben wieder frei geben und verfügte daher abermalige Auflösung. Er schrieb nun ohne Bewilligung eine Steuer aus, allein niemand entrichtete sie, so daß er nachgeben und das dritte Parlament einberufen mußte. Dieses reichte die sogenannte „Bitte um Recht" ein und erklärte sich für Gewährung der geforderten Steuern, wenn der König 1) die persönliche Freiheit jedes Engländers durch strenge Festsetzung der zu einer Verhaftung erforderlichen Bedingungen, 2) ein schnelles und strenges Rechtsverfahren und 3) die Unmöglichkeit einer Steuererhebung ohne die Einwilligung des Parlaments zugestehen wolle. Karl sagte diese Forderungen zu, sprach aber die Vertagung aus. Bisher hatten die Könige Englands ohne Zustimmung der Volksvertretung von Kaufleuten und Schiffern eine Steuer erhoben, welche man „das Pfund- oder Tonnengeld" nannte. Damals hatte man ihm die Erhebung desselben auf ein Jahr, nicht aber auf die Dauer feiner Regierung bewilligt. Als das Parlament 1629 wieder zusammentrat, bestritt es dem Könige das Recht, das Psund-oder Tonnengeld zu erheben. Der verhaßte Minister Buckingham ward aus Privatrache ermordet; an seine Stelle trat der Gras Strafford, ein kluger und entschlossener Mann, welcher dem Parlament keinen Finger breit nachgeben wollte und dasselbe in elf Jahren nicht einberief. Um weiterer Geldbewilligungen nicht mehr Zu bedürfen, schloß er schnell mit Spanien und Frankreich Frieden und gab die Sache der Hugenotten und des unglücklichen Pfalzgrafen Friedrich völlig auf, ließ aber die bisherigen Steuern nebst neuen ohne Genehmigung der Landesvertreter erheben. Die Aufregung wuchs von Tag zu Tag, das Benehmen des Königs und seines Ministers steigerte sie noch mehr.
Um die Hochkirche fester zu begründen und zu verbreiten, wählte Karl den Bifchof Laud zu feinem Ratgeber, welcher die Pu-ritaner (Presbyterianer) ganz zu unterdrücken suchte. Darüber kam es in Schottland zu bedenklichem Auf rühr. 1638 war nämlich eine königliche Verordnung erschienen, wonach die Liturgie der anglikanischen Kirche auch in Schottland eingeführt werden sollte. Man betrachtete diese Verordnung als den ersten Schritt zur Wiederherstellung der katholischen Religion. Als daher am Ostersonntag 1638 feer Geistliche im bischöflichen Ornate in die Hauptkirche zu Edinburgh trat, entstand ein furchtbares Geschrei: „Der Papst! der Papst! der
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Extrahierte Ortsnamen: Spanien Englands Spanien Frankreich Schottland Schottland Edinburgh
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Zweite Periode der Neuzeit.
Antichrist! steiniget ihn!" und die Geistlichkeit mußte, von den wütenden Frauen verfolgt, in die Sakristei flüchten. Die Schotten errichteten darauf zum Schutz ihrer Religion ein Bündnis, den Covenant.
Karl sah sich daher genötigt, ein Heer ins Feld zu stellen, und berief, um die nötigen Gelder zu erhalten, das vierte Parlament. Allein dies zeigte eine so entschiedene Abneigung gegen die königlichen Forderungen, daß es sofort aufgelöst wurde. Sobald die Schotten die Schwäche des Königs merkten, fielen sie in England ein und zwangen ihn, da er von allen Hilfsmitteln entblößt war, zur Einberufung des fünften Parlaments, welches von 1640— 1648 saß und unter dem Namen des langen Parlaments bekannt ist. Auch dies bewilligte die verlangten Gelder nicht, versetzte Karls Räte Strafford und Laud in Anklagezustand und befahl ihre Verhaftung. Mit des Königs Bewilligung ward Strafford sogleich hingerichtet; Laud blieb noch drei Jahre im Tower und wurde dann auch enthauptet. In seiner ratlosen Lage bildete der König endlich ein Ministerium aus Straffords Gegnern. Unglücklicher Weise ermordeten damals die katholischen Irländer die protestantischen Kolonisten; der Volkshaß beutete dies Ereignis aus, und man verbreitete das Gerücht, jener Mord sei aus Befehl des Königs und insbesondere der Königin geschehen. Karls Beteuerungen seiner Unschuld verhallten im Wind. Das Parlament forderte nun vor allem, daß die Bischöfe wegen ihrer papistischen Grundsätze nicht mehr Sitz und Stimme in ihm haben und das Heer unter ihm, nicht mehr unter dem Könige stehen solle.
Jetzt beschloß Karl I. den Krieg. In Nottingham versammelten sich die Tories, die Feinde der Puritaner; da sie größtenteils Adelige waren, so nannte man sie auch Kavaliere. Das Heer des Parlaments, welches aus eifrigen Puritanern bestand, erhielt wegen des kurz abgeschnittenen Haares derselben den Namen Rund-kopse. Der greuelvolle Bürgerkrieg lief anfangs für den König glücklich aus, bis die Feldherrn des Parlaments, der talentvolle Fairfax und der puritanische Religionseiserer Oliver Cromwell, aus ihren Anhängern die entschlossene Reiterschar „der Eisenseiten" bildeten, welche überall siegreich auftraten. Nach zwei unglücklichen Schlachten, bei Marstenmoor westlich von Iork 1644 und Naseby bei Northampton 1645, bat der König, welcher sich in Oxford eingeschlossen hatte, um Frieden. Man traute ihm nicht. Als Oliver Cromwell sich anschickte, Oxford zu belagern, entfloh Karl in der Kleidung eines Reitknechtes nach Schottland und hoffte, seine Landsleute würden ihn retten. Da er aber ihre unbe-
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§• 9, 4. Karl Ii. und die letzten Stuarts.
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Der Gefragte entgegnete: „Es ist nicht möglich!" „Nun so bin ich sicher — rief Cromwell aus — denn ich weiß gewiß, daß ich einmal in der Gnade gewesen bin." Er betete dann mit großer Andacht und starb am Morgen des 3. September 1658, am Jahrestag der Schlachten von Dunbar und Worcefter, im 59. Jahre seines Lebens.
4. Karl Ii. und die letzten Stuarts.
Cromwells Sohn Richard war der Würde eines Protektors, welche er nach dem Tode seines Vaters bekleidete, nicht gewachsen. General Monk und das Heer beherrschten das Land und das Parlament. Überall war Zwist, Uneinigkeit und Unzufriedenheit. So bildete sich in nicht langer Zeit der geheime Wunsch nach der Rückkehr des Königs aus, und das aus Puritanern und Royalisten bestehende Parlament beschloß, Karl ü. auf den väterlichen Thron zurückzuberufen. Unter unermeßlichem Jubel hielt derselbe seinen Einzug in London. Karl Ii. (1660—1685) hatte die Schule des Leidens durchgemacht und berechtigte dadurch zu der Hoffnung, er werde die religiösen und politischen Rechte des Landes achten und die Liebe seiner Unterthanen zu verdienen sich bemühen. Allein Karl hatte in seinem Unglücke nichts gelernt. Er hatte zwar Amnestie und Gewissensfreiheit verheißen, ließ aber über alle, welche bei dem Prozesse seines Vaters zu Gericht gesessen hatten, die Todesstrafe aussprechen und an elf Personen vollziehen und 2000 presbyterianische Geistliche ihres Amtes entsetzen. Die Leiche Cromwells, des Mannes, der England überall Achtung verschafft hatte, ward an den Galgen gehängt und die verheißene Glaubensfreiheit nicht gewährt. Dadurch stieg die Erbitterung des Volkes gegen den König aufs höchste, und hätten nicht zwei gewaltige Unglückssälle, eine Seuche, welche im Sommer 1665 an 100 000 Menschen hinwegraffte, und eine Feuersbrunst, welche ein Jahr daraus 13 000 Häuser und 89 Kirchen in Asche legte, die Gemüter der Londoner Bürgerschaft so gar tief darnieder gebeugt, so wäre vielleicht schon damals eine neue Revolution ausgebrochen. Karl war gegen seine Freunde höchst undankbar; die Einkünfte des Staates vergeudete er an Schwelger und Buhlerinnen. In semer Verblendung wählte er fünf der verhaßtesten Männer, Clifford, Ashley, Buckingham, Arlington und Lauderdale zu feinen Ministern*),
*) Aus .den Anfangsbuchstaben ihrer Namen bildete man das Wort
Cabal-Ministerium. Von ihm hat seitdem das Wort Kabale die
Bedeutung von Ränke und Intrigue erhalten.
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Extrahierte Ortsnamen: Cromwells London Cromwells England
§. 9, 4. Karl Ii. und die letzten Stuarts.
139
seine Gemahlin mit dem Prinzen nach Frankreich, warf das Staatssiegel in die Themse und lebte fortan in St. Germain von Ludwigs Unterstützung.
Die katholische Linie der Familie Stuart ward durch eine Nationalkonvention für immer von dem englischen Throne ausgeschlossen und die Regierung dem hochgefeierten Statthalter Wilhelm von Oranien (1689 —1702) und seiner Gemahlin Maria übertragen. England und Schottland erkannten den neuen König sofort an; Irland, von Frankreich unterstützt, mußte durch den Sieg an der Boy ne 1690 dazu gezwungen werden. Die Anhänger Jakobs Ii. daselbst verloren ihre Güter, und viele wanderten aus. Die ganze Insel ward als ein erobertes Land betrachtet und verlor alle ihre Rechte. Wilhelm bestätigte 1689 den Engländern alles, was ihm bei einer Erklärung der Rechte (bill of rights) des englischen Volkes vorgetragen worden war: Berufung häusiger Parlamente, ohne Genehmigung keine Auflage neuer Steuern und kein stehendes Heer, Freiheit der Parlamentswahlen, Verantwortlichkeit der Parlamentsmitglieder für ihre Reden nur vor dem Parlament rc. Diese große Umgestaltung des englischen Staates durch Wilhelm von Oranien nennen die Engländer die glorreiche Revolution.
Wilhelm Iii. hat sich um England und ganz Europa noch sehr bedeutende Verdienste dadurch erworben, daß er die angesehensten Fürsten Europas zu einem Bunde gegen Ludwig Xiv. von Frankreich einigte und sich in seiner Politik stets als dessen entschiedenen Gegner bewährte. Als er 1702 kinderlos starb, folgte ihm Jakobs jüngere Tochter Anna (1702 — 1714), welche am spanischen Erbfolgekrieg (§. 10, 6) teilnahm. Mit ihr erlosch das Haus Stuart auf dem englischen Throne, welchen seitdem das Haus Hannover einnimmt. Der letzte Stuart war der Kardinal von Aork, welcher 1807 in Frascati starb. Georg Iii. ließ ihm in der St. Peterskirche von Eanova ein Denkmal setzen.
§. 10. Die äegimuiß Ümmigs Xiv. non Imnftteicli 1643-1715.
1. Frankreichs Lage unter Ludwig Xiii.
Noch unter der Regentschaft Marias von Medieis, der Witwe Heinrichs Iv., war der Kardinal Richelieu in den Staatsrat getreten und behauptete sich 18 Jahre lang als unumschränkter Gebieter, obwohl der König ihm abgeneigt war und der Adel fortwährend an seinem Sturze arbeitete. Sein Haupt streben ging.
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich England Schottland Irland Frankreich England Europa Europas Frankreich Haus_Stuart Haus_Hannover Frascati
§. 22. Napoleon wird Kaiser.
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hatte, entwickelte er im Innern Frankreichs eine rastlose Thätigkeit, um die durch Revolution und Kriege dem Lande geschlagenen Wunden wieder zu heilen. In Gemeinschaft mit Papst Pius Vii. ordnete er durch ein Konkordat die kirchlichen Angelegenheiten und führte die Feier des öffentlichen Gottesdienstes wieder ein. Ein neues Gesetzbuch, der „Code Napoleon" wurde abgefaßt, Schulen wurden errichtet, zur Beförderung des Verkehrs Straßen und Kanäle angelegt und in die ganze Verwaltung Einheit und Ordnung gebracht. Für diese Verdienste ernannte ihn der Senat zum Konsul auf Lebenszeit und ließ die Ernennung durch Volksabstimmung (2. Aug. 1802) gut heißen. Eine Verschwörung gegen das Leben des Ersten Konsuls, deren Teilnehmer Moreau, Pichegrii, Eadoudal u. a. waren, zog schwere Folgen nach sich. Pichegrü kam im Gefängnis um, Moreau wurde nach Amerika verbannt und Eadoudal guillotiniert. Der Herzog von Enghien, der letzte bourbonische Prinz aus der Condeschen Linie, ward der Mitverschwörung beschuldigt, deshalb unter Verletzung des deutschen Reichsgebiets (15. März 1804) nachts in Ettenheim im Großherzogtum Baden überfallen, nach Frankreich geschleppt und ohne Beweis der Schuld zu Vincennes erschossen.
Napoleon wird 1804 Kaiser der Franzosen. Die Verschwörung gab dem Konsul Bonaparte die Mittel in die Hand, den letzten Schritt zur Alleinherrschaft zu thun. Seine Freunde wußten dem Volke begreiflich zu machen, daß die Ruhe nur dadurch gesichert werde, daß Napoleon das große fränkische Reich Karls des Großen wieder herstelle. Ein solcher Vorschlag mußte der Eitelkeit des französischen Volkes schmeicheln, und der gehorsame Senat übernahm es, dem Ersten Konsul die Kaiserkrone anzubieten. Als man ihm am 18. Mai 1804 den Senatsbeschluß überbrachte, wußte er die Rolle des Augustus meisterhaft zu spielen und entgegnete den Abgesandten des Senates: „Meine Herren! Ich nehme den Titel an, weil der Senat für den Ruhm der Nation ihn zuträglich hält; ich hoffe, daß Frankreich die Ehre, mit welcher es meine Familie umgiebt, nie bereuen werde." Eine allgemeine Volksabstimmung billigte den Beschluß. Am 2. Dezember 1804 wurde er als Napoleon I. von Papst Pius Vii. in der Kirche von Notre Dame gekrönt, wobei er sich selbst die Krone aufsetzte und nach deren Einsegnung auch die Kaiserin Josephine krönte.
Große Festlichkeiten sollten das Volk über das Ende seines Freiheitstraumes hinweg führen. Durch Glanz und Pracht sollte der neu errichtete Kaiserhof alle europäischen Fürstenhöfe überstrahlen: daher die Einführung eines großartigen Hofstaates, deshalb die Er-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon Karls Augustus Napoleon_I. Josephine
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Eadoudal Amerika Ettenheim Baden Frankreich Frankreich
§. 26. Napoleons Krieg mit Rußland 1812.
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Heeres verstärken, Preußen ein Hilfscorps von 20000 Mann stellen, das dem linken Flügel unter Macdonald zugeteilt wurde. Sachsen, Bayern, Württemberger, Badener, Westfalen, Hessen, Holländer, Italiener, Polen, Spanier und Portugiesen mußten französischen Fahnen und Befehlen folgen. Nachdem Napoleon mit seiner Gemahlin im Mai 1812 noch einmal die Fürsten des Rheinbundes, den König von Preußen und den Kaiser von Östreich in Dresden um sich gesehen, überschritt er Ende Juni den Niemen. Der linke Flügel zog der Ostsee entlang, der rechte am unteren Bug ostwärts; mit dem Hauptheer, das die tüchtigsten Generale zu seinen Führern zählte, nahm Napoleon seinen Weg direkt auf Moskau, um Alexander im Herzen seines Reiches zu treffen. Die russischen Feldherren Barclay de Tolly und Bagration zogen ihre Truppen vor dem andringenden Feinde tiefer in ihr Land zurück, um ihn ins Verderben zu locken. Bei Smolensk kam es (17. Aug.) 1812 zu einer mörderischen Schlacht, und die Franzosen erstürmten die Stadt. Nun erhielt der alte General Kutusosf, welcher eben aus dem beendigten Türkenkriege siegreich zurückgekehrt war, den Oberbefehl über die Russen. Auch er zog sich zurück und brannte hinter sich alle Städte und Dörfer nieder, um dem Feinde eine Wüste zu überlassen. Am Flüßchen Moskwa, 30 Stunden von der alten Zarenstadt, machte er endlich halt. Am 7. Sept. wurde hier bei dem Dorfe Borodino eine äußerst blutige Schlacht geliefert; 25000 Mann fielen auf jeder Seite. Ney war der Held des Tages und erhielt den Titel Fürst von der Moskwa. Die Russen traten den Rückzug an, marschierten mit zusammengerollten Fahnen und ohne Spiel durch die Hauptstadt und nahmen den größten Teil der Einwohner unter der Leitung des Gouverneurs Grafen Ro stop sch in mit sich.
Eine unheimliche Stille herrschte in der alten Zarenstadt, als sich Napoleon am 14. September ihr näherte. Niemand erschien, um ihm die Schlüssel der Stadt zu überreichen, keine neugierige Menge drängte sich heran, ihn anzustaunen. Als die Truppen in die Stadt einzogen, herrschte Grabesstille in allen Straßen. Die Thüren waren verriegelt, die Fenster geschlossen, die Gewölbe gesperrt. Napoleon bezog den alten Zarenpalast, den Kreml. Aber alsbald entstand in mehreren Stadtteilen ein furchtbarer Brand, und ein Sturm erhob sich, welcher das Feuer rasch über die ganze Stadt trug. Gras Rostopschin hatte alle Löschwerkzeuge fortgeführt, überall brennbare Stoffe aufgehäuft und die Gefangenen zum Zwecke der
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Dritte Periode der Neuzeit.
zweiten sich die Reichs stände untereinander: Adel und Geistlichkeit forderten, daß jeder Stand für sich berate, um die Bürgerlichen überstimmen zu können. Auf den Antrag des talentvollen aber sittlich verdorbenen Grafen Mirabeau, welcher sich seiner Standesvorrechte begeben und einen Tuchladen gekauft hatte, um als Glied des dritten Standes für den Reichstag gewählt werden zu können, ersuchten jedoch die Abgeordneten des Bürger- und Bauernstandes die Geistlichkeit, im Interesse des Friedens gemeinschaftliche Sache mit ihnen zu machen. Nach einigen Wochen traten mehrere Mitglieder der niederen Geistlichkeit in die Versammlung des dritten Standes ein. Diese erklärte sich am 17. Juni auf den Antrag des Abbe Sieyes zur Nationalversammlung und beschloß, daß sämtliche bisherigen Steuern nur bis zum Tage der Auflösung der Nationalversammlung entrichtet werden sollten, aber länger nicht. Der Adel riet dem Könige, den Sitzungssaal zu schließen; doch das half wenig. Aus den Antrag des Pariser Arztes G u i l l o t i n begab sich die Nationalversammlung, als sie die Thüren ihres Lokals verschlossen fand, unter ihrem Präsidenten B a i l l y in das B a l l h au s und verpflichtete sich eidlich, nicht eher aus einander zu gehen, als bis eine neue Verfassung gegeben sei. Der König verlangte zwar noch einmal, daß jeder Stand für sich zusammentreten und beraten solle, allein die Nationalversammlung, welche sich durch den Übertritt von 149 Geistlichen und 47 Adeligen gehoben fühlte, fügte sich auf Mirabeaus Antrag dem königlichen Gebote nicht mehr. Ja, als Ludwigs Xvi. Hofzeremonienmeister, der Marquis von Breze, die Nationalversammlung an den Befehl des Königs erinnerte, erhob sich Graf Mirabeau und rief mit donnernder Stimme: „Sagen Sie Ihrem Herrn, daß
wir durch die Gewalt des Volkes hier sind, und daß man uns von hier nicht anders fortbringt, als durch die Gewalt der Bajonette." Jetzt gab der König nach und befahl, daß die Kammern des Adels und der Geistlichkeit sich mit dem dritten Stande vereinigen möchten. Am folgenden Tage erschienen alle Adeligen in der Nationalver-
sammlung.
Erstürmung der 23et stille. Allein das öffentliche Vertrauen
war bereits gewichen; das Volk glaubte böswilligen Verleumdungen, welche des Königs eigener Vetter und größter Feind, der Herzog von Orleans, über dessen Absichten ausgestreut hatte, und beging jetzt mancherlei Unfug in den Straßen von Paris. Das Einrücken einiger Regimenter und die Entlassung Neckers benutzte der
Advokat Camille Desmoulins, das Volk zur Empörung zu
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246
Dritte Periode der Neuzeit.
brach der wilde Zug doch am Nachmittag des 5. Oktober unter lautem Geschrei nach Versailles auf. Dort angelangt, drang er in die Nationalversammlung und zwang den Präsidenten, einige der Weiber zum Könige zu führen. Ein junger Mann, Namens Maillard, welcher sich schon bei dem Sturme auf die Bastille hervorgethan und auch diesen Zug angeregt hatte, geleitete sie zu dem Könige, und dieser versprach, dem Brotmangel abzuhelfen. Aber schon wurden auch Stimmen laut, welche den Kopf der Königin verlangten. Die ganze übrige Schar lagerte inzwischen aus dem Paradeplatze, zündete Feuer an, lärmte, tobte, jubelte, aß und trank. Gegen Mitternacht langte Lafapette mit der Nationalgarde an, um die königliche Familie zu schützen. Eine Botschaft des Pariser Gemeinderates erschien ebenfalls und bat den König, er möge dem französischen Volke einen Beweis seiner Liebe dadurch geben, daß er seine Residenz in der Hauptstadt des Landes aufschlage. Ludwig Xvi. war nicht abgeneigt, dem Gesuche zu entsprechen. Früh morgens 6 Uhr drangen Weiber und Männer in das königliche Schloß, töteten die königlichen Leibwächter und eilten zu den Gemächern der Königin. Mit Mühe rettete sich Marie Antoinette zu ihrem Gemahle, der sofort auf dem Balkon erschien und für seine Garde um Gnade bat. Als ihm in diesem Augenblicke der tausendstimmige Ruf „nach Paris" entgegenscholl, erwiderte der König: „Ja, aber nicht anders als in Begleitung meiner Frau und meiner Kinder." Mittags 2 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Voran trug man die blutigen Häupter der gemordeten Leibgardisten auf Stangen als Siegeszeichen, die noch lebenden wurden gefangen weggeführt. Hierauf folgte der Wagen der königlichen Familie, welche durch die Drohungen und Verwünschungen der rohen Weiber in fortwährender Angst schwebte. Gegen 9 Uhr langte der entsetzliche Zug in Paris an, wo der König mit seiner Familie den Palast der Tuilerien bezog und sich unter den Schutz der Nationalgarde stellte. Da man den Herzog von Orleans als Urheber dieser beklagenswerten Ereignisse ansah, so wurde er zu einer diplomatischen Sendung nach England verwandt und aus Paris entfernt.
Die Klubs. Die Nationalversammlung verlegte ihren Sitz ebenfalls nach Paris. Aber viele Mitglieder schieden infolge der eingetretenen Ereignisse aus; die übrigen fetzten ihre Beratungen in einer Reitbahn der Tuilerien fort, wurden jedoch von der Volksmenge beherrscht. Die Abgeordneten, welche sich in einem alten Jakobinerkloster zu Beratungen versammelten und darum Jakobiner hießen, be-
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