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ihm eine neue Welt. Das Gewühl der Kaufleute, der Schiffer,
der Soldaten; die Schleusen, die Dämme, die Maschinen, die
Sch ffe, Alles erfüllte den jungen Czar mit freudigem Erstau-
nen. Um weniger erkannt zu werden, trug er die Kleidung
eines holländischen Schiffzimmcrmannes und war vom frühen
Morgen bis zum späten Abend beschäftigt, mit allen Merk-
würdigkeiten der Stadt sich bekannt zu machen.
Von Amsterdam setzte er nach dem nahe gelegenen Dorfe
Saardam über, dem Sitze des holländischen Schiffbaues. Hier
erschien er als gemeiner Russe in vaterländischer Tracht und
ließ sich unter dem Namen Peter Michaelow in die Liste der
Werkleute eintragcn. Er bewohnte sieben Wochen lang ein
einfaches Häuschen, bereitete sich selbst sein Lager und seine
Speise, führte den Briefwechsel mit seinen Ministern und ar-
beitete zugleich mit seinem Zimmermannsbeile an Mast und
Kiel. Noch jetzt zeigt man zu Saardam die Hütte, welche er
bewohnte. Seine Mitgesellen nannten ihn nicht anders als
Peter Baas, d. i. Meister Peter. Auch die Werkstatt -der
Schmiede, Tauschläger und Segclmacher besuchte er fleißig und
erkundigte sich nach Allem. Hierauf begab er sich nach Amster-
dam zurück und ließ ein Kriegsschiff von sechzig Kanonen unter
seiner Aufsicht bauen, das er, mit Seeleuten, Offizieren, Bau-
leuten und Künstlern versehen, nach Archangel schickte.
Im Jahre 1698 schiffte er sich nach England ein. Zu
London that sich wieder eine neue Welt vor ihm auf. Nichts
entging seiner Aufmerksamkeit; Alles ließ er sich erklären und
schickte dann einzelne Modelle in seine Heimath, sogar von
einem Sarge. Vorzüglich erregte das englische Seewesen seine
Aufmerksamkeit. Der König Wilhelm veranstaltete ihm zum
Vergnügen ein kleines Sectreffen. Ein so furchtbar schönes
Schauspiel hatte er noch nie gesehen. „Wahrlich," rief er ver-
wundert aus, „wäre ich nicht zum Czar von Rußland geboren,
so möchte ich englischer Admiral sein!" Ueber fünfhundert Eng-
länder nahm er in seine Dienste. Nach einem dreimonatlichen
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T49: [König Königin Herzog Peter Hof Elisabeth Minister Tod Graf Regierung], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Peter_Michaelow Peter_Baas Peter Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Amsterdam Dorfe
Saardam Kiel England London
216
nen, und ehrerbietiges Schweigen herrschte in der zahlreichen
Versammlung. Oben an saß der Vorstand der Gesellschaft, das
sogenannte Gemerk, dann die Merker, d. h. Richter, welche
jedem Fehler sorgfältig aufmerkten und am Schluffe des Ge-
sanges das Urtheil über die Sänger sprachen.
Wer am glättesten, d. i. am fehlerfreiesten, gesungen
hatte, der bekam den Preis. Er wurde feierlich mit einem
Kranze gekrönt, ihm auch wohl ein sogenanntes Kleinod an
einer Kette um den Hals gehängt. Ein solches Kleinod bestand
oft aus einer Schaumünze, auf welcher der König David mit
der Harfe abgebildet war. Der Sänger hieß deshalb auch
wohl König-David-Gewinner. Gekrönt und mit dem
Kleinod versehen zu werden, das war für den Gekrönten selbst,
für Gattin und Kinder, für die ganze zahlreiche Verwandtschaft
und für die Zunft selbst, welcher der gekrönte Meister angehörte,
die höchste Ehre und Freude. Die vorzüglichsten Gedichte wurden
in ein großes Buch zusammengeschrieben, und dieses sorgfältig
aufbewahrt. Das waren die Feierabend- und Feiertagsbe-
schäftiguugen, die Sonnabend- und Sonntagsverguügungen der
Handwerker der Vorzeit; das waren die Erholungen und
Freuden der alten Väter des bescheidenen Handwerkes. Jahr-
hunderte hindurch währte dieser Meistergesang. Am lebendig-
sten war er im sechzehnten Jahrhundert. Einer der merkwür-
digsten Meistcrsänger dieser Zeit war Hans Sachs, ein
ehrsamer Schuster zu Nürnberg (1491—1576), von dessen geist-
lichen und weltlichen Gedichten noch jetzt eine große Anzahl
vorhanden ist. In Ulm ist der Meistergesang sogar bis in die
neueste Zeit in Uebung geblieben. Im Jahre 1830 waren da-
selbst noch zwölf alte Singmcister übrig, die in der Herberge
zuweilen noch ihre alten Töne sangen, ohne Noten und Text-
bücher, bloß aus dem treuen Gedächtnisse, so daß es unbegreif-
lich erschien, wie sich die künstlichen Texte und noch künstlicheren
Weisen so lange Zeit durch bloße Tradition hatten erhalten
können. Im Jahre 1839 waren nur noch vier dieser alten
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T13: [Kirche Dom Zeit Bau Denkmal Kunst Tempel Bild Werk Stadt], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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21
Einst ward er vor Gericht gefordert, wo er hart aber unschul-
dig verllagt war. „Wer unter euch," sprach er, „will mit mir
gehen und für mich zeugen? Denn ich bin hart verklagt worden
und der König zürnet."
Der erste seiner Freunde entschuldigte sich sogleich, daß er nicht
mit ihm gehen könne, wegen anderer Geschäfte. Der zweite be-
gleitete ihn bis zur Thüre des Rathhauses; da wandte er sich und
gieng zurück, aus Furcht vor dem zornigen Richter. Der dritte,
auf den er am wenigsten gebaut hatte, gieng hinein, redete für ihn,
und zeugte von seiner Unschuld so freudig, daß der Richter ihn los
ließ und beschenkte.
Drei Freunde hat der Mensch in dieser Welt. Wie betragen
sie sich in der Stunde des Todes, wenn ihn Gott vor Gericht for-
dert? — Das Geld, sein bester Freund, verläßt ihn zuerst und
geht nicht mit ihm. Seine Verwandten und Freunde beglei-
ten ihn bis zur Thüre des Grabes und kehren wieder in ihre Häuser
zurück. Der dritte, den er im Leben oft am meisten vergaß, sind
— seine wohlthätigen Werke. Sie allein begleiten ihn bis
zum Throne des Richters; sie gehen voran, sprechen sür ihn und
finden Barmherzigkeit und Gnade. (Joh. Gottfr. v. Herder.)
26. Drr Glockenguß zu Breslau.
1. War einst ein Glockengiesser
Zu Breslau in der Stadt,
Ein ehrenwerther Meister,
Gewandt in Rath und That.
2. Er hatte schon gegossen
Viel Glocken, gelb und weiss,
Für Kirchen und Kapellen
Zu Gottes Lob und Preis.
3. Und seine Glocken klangen
So voll, so hell, so rein:
Er goss auch Lieb’ und Glauben
Mit in die Form hinein.
4. Doch aller Glocken Krone,
Die er gegossen hat,
Das ist die Sünderglocke
Zu Breslau in der Stadt.
5. Im Magdalenenthurme,
Da hängt das Meisterstück,
Rief schon manch starres Herze
Zu seinem Gott zurück.
6. Wie hat der gute Meister
So treu das Werk bedacht!
Wie hat er seine Hände
Gerührt bei Tag und Nacht!
7. Und als die Stund’ gekommen,
Da Alles fertig war,
Die Form ist eingemauert,
Die Speise gut und gar.
8. Da ruft er seinen Buben
Zur Feuerwacht herein:
„Ich lass’ auf kurze Weile
Beim Kessel dich allein,
9. Will mich mit einem Trünke
Noch stärken- zu dem Guss,
Das giebt der zähen Speise
Erst einen vollen Fluss.
10. Doch hüte dich und rühre
Den Hahn mir nimmer an,
Sonst wär' es um dein Leben,
Fürwitziger, gethan!“
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196
95. Vom Dienen.
Der Meister, ein Bauer im Berner Oberland, der gerne seinen Knecht Uly auf
bessere Wege geleitet hätte, sprach einst zu ihm also: Ich denke mein Lebtag daran,
wie unser Pfarrer uns das Dienen ausgelegt hat in der Unterweisung, und wie er
die Sache so deutlich gemacht hat; man hat ihm müssen glauben, und es ist Mancher
glücklich worden, der ihm geglaubt hat. Er hat gesagt: alle Menschen empfingen
von Gott zwei große Kapitale, die man zinsbar zu machen habe, nemlich Kräfte
und Zeit. Durch gute Anwendung derselben müßten wir das zeitliche und ewige
Leben gewinnen. Nun hatte Mancher Nichts, woran er seine Kräfte üben, seine Zeit
nützlich und abträglich gebrauchen könnte; er verleihe daher seine Kräfte, seine Zeit
Jemanden, der zu viel Arbeit, aber zu wenig Zeit und Kräfte habe, um einen be-
stimmten Lohn; das heiße dienen. Nun sei das eine gar unglückliche Sache, daß
die meisten Dienstboten dieses Dienen als ein Unglück betrachteten, und ihre Meister-
leute als ihre Feinde oder wenigstens als ihre Unterdrücker, daß sie cs als einen
Vortheil betrachteten, im Dienst so wenig als möglich zu machen, so viel Zeit als
möglich verklappern, verlaufen, verschlafen zu können, daß sie untreu würden; denn
sie entzögen auf diese Weise dem Meister das, was sie verliehen, verkauft hätten, die
Zeit. Wie aber jede Untreue sich selbst strafe, so führe auch diese llntreue gar
fürchterliche Folgen mit sich; denn so wie man untreu sei gegen den Meister, so sei
man auch untreu an sich. Es gebe jede Ausübung unvermerkt eine Gewohnheit,
welcher man nicht mehr los werde. Zu allen Meistern bringe so ein ungetreues
Jungfräuleiu oder Knechtlein seine böse Gewohnheit mit, und wenn es am Ende
für sich selbst sei, sich heirate, wer müsse diese Gewohnheiten, diese Trägheit,
Schläfrigkeit, Unzufriedenheit haben, als es selbst? Es müsse sie tragen und alle
ihre Folgen, Noth und Jammer bis ins Grab, durch das Grab bis vor Gottes Richter-
stuhl. Man soll doch nur sehen, wie viele tausend Menschen den Menschen zur Last seien
und Gott zum Aergerniß, und sich als widerwärtige Geschöpfe herumschleppten, den
Denkerrden als sichtbare Zeugnisse, wie die Untreue sich selbst strafe. Aber so wie
man durch sein Thun sich inwendig eine Gewohnheit bereite, so mache man sich
auswendig einen Namen. An diesem Namen, an dem Ruf der Geltung unter den
Menschen, arbeite ein Jeder von Kindsbeincn an bis zum Grab; jede kleine Aus-
übung, ja jedes einzelne Wort trage zu diesem Namen bei. Dieser Name öffnet oder
versperrt uns Herzen, macht uns werth oder unwerth, gesucht oder verstoßen. Wie
gering ein Mensch sein mag, so hat er doch einen Namen; auch ihn betrachten die
Augen seiner Mitmenschen und urtheilen, was er ihnen werth sei. So macht auch
jedes Knechtlein und jedes Jungfräulein an seinem Namen unwillkürlich, und nach
diesem Namen kriegen sie Lohn, dieser Name bricht ihnen Bahn oder verschließ: sie
ihnen. Da kaun eines lange reden und über frühere Meisterleute schimpfen, es macht
damit seinen Namen nicht gut; sein Thun hat ihn längst gemacht. Ein solcher
Name werde Stunden weit bekannt, man könne nicht begreifen wie. Es sei eine
wunderbare Sache um diesen Namen, und doch beachteten ihn die Menschen viel.
zu wenig, und namentlich die, welchen er das zweite Gut sei, mit dem sie, verbuu-
den mit der inwendigen Gewohnheit, ein drittes, ein gutes Auskommen in der Welt,
Vermögen, ein viertes» den Himmel und seine Schätze, erwerben wollten. Er frage
nun, wie ein elender Tropf einer sei, wenn er schlechte Gewohnheit habe, einen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
194
Sechste Abtheilung. Kurzer Abriß
Was ist des Deutschen Vaterland? ist's Pommerland? Westpha-
lenland? ist's, wo der Sand der Dünen*) weht? ist's, wo die Do-
nau brausend gehi? o nein! o nein! re.
Was ist des Deutschen Vaterland? ist's Thüringen? ist's Fran-
kenland? ist's, wo ernst Teli^) den Feiud bezwang? ist's, wo An-
dreas Hofer^) rang? o nein! o nein! re.
Was ist des Deutschen Vaterland? ist's Rbàtieru)? ist's Hessen-
land? ist's was des Franzen Oberhaupt von, Kaiser und vom Reich
geraubt? o nein! o nein! re.
Was ist des Deutschen Vaterland? ist's Würtemberg, ist's Bad-
nrrland? vielleicht das frohe Austrien? vielleicht das rege Schlesien?
o nein! o nein! rc
Germanien das Heldenland, von einem bis zum andern Strand;
so weit die deutsche Sprache klingt, so weit nian deutsche Lieder
singt, das neust es sein! das muß es sein! das, wackrer Deutscher!
nenne dein.
Geimanien, das Heldeuland, wo Varus seinen Hermann fand,
wo Treue aus dem Auge blitzt, und Liebe warm im Herzen sitzt;
das muß es sein! rc.
Germanien das Hcldenland, wo Eide gilt ein Druck der Hand,
wo Biedersinn und Redlichkeit Dir allerwàrts die Hände beut; das
muß es sein! rc.
§. 25. Geschichtlicher Blick auf andere Länder.
203 Rußland (N. 251. 302) ist erst durch Peter d. Gr.
(1682—1725) dem übrigen Europa näher gekommen. Kräf-
tig an Körper und Geist, erkannte er bald, wie sehr seine
Russen zurück wären; nahm Ausländer zu Hülfe, lernte aber
selbst erst von unten hinauf. Unter dem Franzosen Lefort
wurde er erst Trommelschläger, dann Soldat, Unterosficier,
Lieutenant. Er machte große Reisen, besah und erfragte Al-
les; in dem holländischen Dorfe Saardam ließ er sich unter
die Schiffszimmerleute einschreiben und lebte lind arbeitete wie
sie; in England begeisterten ihn die Kriegsschiffe. Er nahm
Künstler, Handwerker, Seeleute mit, errichtete ein großes
Kriegshcer, hob die Leibwache, die Strel'tzen, auf, die sich
immer empörten, führte englische, deutsche und französische
Kleidung ein, besserte die Sitten, schickte junge Edelleute auf
Reisen, in fremde Dienste, stellte sie aber initiier erst auf die
untersten Posten; beschränkte die Macht des Patriarchen und
der Mönche, besiegte die Türken, später auch den kriegerischen
König Karl Xii. voir Schweden. Gesetzgebung, Handel,
Wissenschaft und Schifffahrt verdanken ihm Viel. Nur sein
reich an Eisen. 4) Dünen, Sandhügel an den Meeresküsten.
S) In der Schweiz. 0) in Tyrol. 7) Graubüiidten in der Schweiz.
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Extrahierte Personennamen: Varus Hermann Peter_d Karl_Xii Karl
Extrahierte Ortsnamen: Hessen- Würtemberg Germanien Germanien Europa England Schweden Schweiz Tyrol Schweiz
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Abend da außen am Wege das Brett einer Gartenthüre fest gemacht hat?"
„Ja, der bin ich." — „Nun gut, so kommt, Nachbar Hans," sagte der
Schulze zu dem Eigenthümer des Gartens, der zufällig auch zugegen war,
„kommt und bedankt Euch bei dem wackern Fremdlinge. Er hat im Vor-
beigehen Eure zerbrochene Gartenthür wieder zurecht gemacht." —Nachbar
Hans schmunzelte, sagte seinen Dank, setzte sich neben den Schulzen traulich
zu dem Fremdling, und alle Gäste lauschten auf ihr Gespräch. Es betraf
das Handwerk, die Wanderungen und Kundschaften desselben, und in allen
erwachte der einmüthige Wunsch, ihn zum Gemeindeschmidt zu bekommen,
weil allen der Zug von gemeinnütziger Denkart gefallen hatte.
Hämmcrlcin mußte bleiben; und da er schon am folgenden Morgen
einen Beweis von seiner Geschicklichkeit in der Vieharzneikunst und im Be-
schläge gab, so war nur eine Stimme für ihn: „Dieser und kein anderer
soll Gcmcindeschmidt werden." Man schloß den Vertrag mit ihm d, und
Meister Hämmerlein war unvermuthet Schmicdemeister eines großen Dorfes,
das er wenige Stunden zuvor auch nicht einmal dem Namen nach gekannt
hatte. Sage mir nun noch einer: „Wer ungebeten zur Arbeit geht,
geht ungedankt davon."
Zu seiner Besoldung gehörte unter andern ein Grundstück, das er all-
jährlich mit Kartoffeln oder andern Gemüspflanzen bestellte. Da er den
Acker zum ersten Male in Augenschein nahm, bemerkte er auf dem Fahrwege
verschiedene Löcher, in welche die Wagen bald rechts bald links schlugen.
— „Warum füllt ihr doch die Löcher nicht mit Steinen aus?" fragte
Meister Hämmcrlein die Nachbarn, welche den Acker ihm zeigten. — „Je",
sagten diese, „man kann immer vor anderen Arbeiten nicht dazu kommen."
— Was that aber Meister Hämmerlein? — So oft er von seinem Acker
ging, las er von ferne schon Steine zusammen undschleppte deren oft beide
Arme voll bis zu den Löchern. Die Bauern lachten, daß er, der selbst kein
Gespann hielt, für andere den Weg besserte; aber ohne sich stören zu lassen,
fuhr Meister Hämmerlein fort, jedes Mal wenigstens ein paar Steine auf
dem Hin- und Herwege in die Löcher zu werfen, und in etlichen Jahren
waren sie ausgefüllt. — „Seht ihr's?" sagte er nun. „Hätte jeder von
euch, der leer die Straße fuhr, auf dem Wege die Steine zusammengelesen,
auf den Wagen geladen und in die Löcher geworfen, so wäre der Weg mit
leichter Mühe in einem Vicrteljährchen eben geworden."
140. Mittwoch Nachmittag.
Fridericus Rex, der große Held,
kam siegreich aus dem Kriegesfeld;
und wenn er durch die Straßen ritt,
so liefen alle Kinder mit.
Sie stellten sich wohl auf die Zeh'n,
den lieben Vater Fritz zu seh'n;
sie faßten ihn an Pferd und Rock,
doch Vater Fritz erhob den Stock
und sagte lächelnd: „Habet Acht,
daß ihr mein Pferd nicht böse macht!"
Doch einst ein wilder Knabenschwarm
den Kopf ihm machte gar zu warm;
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Extrahierte Personennamen: Hans," Hans Hämmerlein Meister_Hämmcrlein Hämmerlein Meister_Hämmerlein Fritz Fritz
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Haut den Feinden des Vaterlandes verkauft hatten. Noch 1544 vor der
unglücklichen Schlacht bei Cerisola, als die Kriegskunst schon manche
Aenderung erlitten, sah man vor der gevierten Ordnung der Landsknechte
Zweikämpfe so gefährlicher Art. Der verwegene Hildebrand von Madruzzi,
Bruder des Cardinals von Trident, aus dem welschen Tirol, trat vor
das erste Glied seiner Knechte und forderte den Capitain la Molle,
der sich in stattlicher Rüstung vor den Gascognern zeigte, zum besondern
Kampfe. War gleich der Knechte Stimmung etwas gedrückt, ihr Anrücken
langsam, und bemerkte man an andern Hauptleuten, zumal den Brü-
dern della Scala aus Verona, ungewöhnliche Blässe und spitze Nasen:
der Franzos lehnte den Antrag nicht ab, worauf beide so hitzig in ein-
ander rannten, daß sie sich die Angesichter durchbohrten und beide für
todt nach der Schlacht unter den Leichen gefunden wurden.
Wollen wir uns ein recht lebendiges Bild dieser abenteuerlichen
Gesellen entwerfen, so betrachten wir die ergötzlichen, buntgefärbten Holz-
schnitte, mit welchen Melchior Pfinzing, Kapellan zu St. Sebald in
Nürnberg, im Jahre 1517 seinen Theuerdank kunstreich verzieren ließ.
Wie wir sie da auf vielen Tafeln erblicken, jeder anders nach seiner
Laune oder nach seinen Umständen gekleidet und bewehrt, der eine mit
der Pickelhaube, der andere mit geschlossenem Helm, der mit dem Hute,
der mit dem Federbaret, im Brustharnisch, in Halskragen, Krebs; andere
mit gefälteltem Wams, bald mit ausgenützten, bald mit bunt und kraus
aufgeschlitzten Aermeln; andere im Koller; dann wieder im mannigfaltig-
sten komischen Schnitt der Hosen, von der Pracht der vielfach gebauschten
Pluderhose bis zur eng anschließenden, an die Ferse sich herabschmiegen-
den Reiterhose; wiederum ein jeder gegürtet an Hüfte und Knieen und
beschuht, ganz wie es ihm gemach war und schön dünkte; dabei nun
die verschiedenartigste Tracht des Bartes und der Haare; endlich Waffen,
wie jeder sie in seiner Werkstatt aus Väterzeit aufgehängt fand oder den
Feinden abnahm: Federspieße, lange Lanzen, Schafte mit mannigfach
geformter Spitze, Hellebarten, Partisanen, Morgensterne, Fausthammer,
Schlachtschwerter, oder den kurzen, breiten Landsknechtsdegen, der,
Bequemlichkeit halber, quer über die Sitzung oder den Magen gegürtet
wurde; andere mit unförmlichen Hakenbüchsen, die Pulverflasche an der
Hüfte, wie die Schließer ihr Schlüsselbund oder die alten Schreiber ihr
Schreibzeug. Denken wir uns nun 10 bis 15,000 so grillenhaft und
phantastisch ausstasfirter und aufgestutzter, in alle gleißenden Farben des
Regenbogens gekleideter, verwegener Gesellen, angethan mit allen Weh-
ren', die seit einem Jahrtausend in Bauernkriegen und Zunftgeschellen *
Brauch waren: voran einen hohen Kriegsmann zu Roß, vom Kopf bis
zu Fuß geharnischt, von seinen Trabanten in noch wunderlicherer Tracht
der Wämser und Wehren, so wie von seinen Hunden umsprungen; dann
die Fähndriche mit den thurmhohen Fahnen, sie selbst mit Gnadenketten
behängen und Hose und Wams auf das Pomphafteste ausgespreizt;
dann die Trommler mit ihrer Trommel, groß wie Weinfässer, daß sie
sie kaum erschleppen können; hinterdrein der regellos, in willkürlichem
Behagen, singend und fluchend dahergehende helle Haufen; die ernst-
hafte, fast geistliche Gestalt des Schultheißen mit seinen Schreibern und 1
1) Die Zünfte hatten ihr besonderes Geläut (Geschell), das bei Auffuhr, Bela-
gerungen u. s. w. die Kämpfer zusammenrief.
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt]]
13
war von trefflichen Anlagen. Als er neun Winter alt war, wollte ihn
Wade irgend ein Handwerk erlernen lassen; da hatte er von einem Schmied
in Hennenland gehört, der hieß Mimer und war der kunstreichste aller
Schmiede: dahin fuhr Riese Wade mit seinem Sohn Wieland und über-
gab ihn Mimern, daß er ihn sollte Eisen schmieden lehren. Darnach
kehrte Riese Wade wieder heim nach Seeland in seine Wohnung.
Zu der Zeit war bei Minier auch Siegfried der Schnelle und that
seinen Schmiedegesellen manches Böse, schlug und prügelte sie. Alsrieje
Wade vernahm, daß auch sein Sohn Wieland von Siegfrieden oft
geschlagen und gemißhandelt wurde, kam er wieder und nahm ihn mit
sich heiin nach Seeland. Nun war Wieland drei Jahr in Heunenland
gewesen, und zwölf Winter alt, und blieb nun zwölf Monden heim bei
seinem Vater: er war bei Jedermann angesehen, und war auch der
kunstreichste aller Männer.
Riese Wade vernahm nun in Seeland, wie zwei Zwerge in einem
Berge wohnten, welcher Kallova hieß. Diese Zwerge verstunden zu
schmieden, als kein Anderer, weder Zwerge noch Menschen; trefflich
verstunden sie allerhand Eisenarbeitzumachen, als: Schwerter, Harnische
und Helme; auch von Gold und Silber konnten sie allerhand Kleinodien
machen; und aus allen Erzen, die man nur schmieden mag, konnten sie
Alles verfertigen, was sie wollten.
Da nahm Riese Wade seinen Sohn Wieland und fuhr dahin.
Und unterwegs kam er an einen Sund, der hieß Gränasund; da war
aber kein Schiff ihn über den Sund zu setzen, und er wartete dort
einige Zeit. Als er nun lange gewartet hatte und kein Fahrzeug erschien,
da nahm er den Knaben, setzte ihn sich auf die Achsel und watete durch
den Sund; derselbe war aber neun Ellen tief. Mehr wird nicht gesagt
von ihrer Fahrt, bis sie zu dem Berge kamen.
Riese Wade ging zu dcu Zwergen und redete mit ihnen und sagte,
er habe hier seinen Sohn Wieland und wolle, daß sie den Burschen auf
zwölf Monden zu sich nähmen und ihn allerhand Schmiedearbeit lehrten;
dafür wolle er ihnen so viel Goldes geben, als sie verdingten. Da
sagten die Zwerge, daß sie den Burschen annehmen und ihn allerhand
Kunstwerk lehren wollten, wenn Riese Wade ihnen eine Mark Goldes
gäbe. Da bestimmten sie einen Tag, nach zwölf Monden Frist, an
welchem er wieder nach seinem Sohne kommen sollte; und so war der
Handel beiderseits geschlossen.
Riese Wade fuhr nun wieder heim nach Seeland. Wieland aber
blieb zurück und lernte schmieden, und so gelehrig war er, daß er Jeg-
liches nach schmiedete, was sie ihm vormachten. Und so gut diente er
den Zwergen, daß, als Riese Wade, sein Vater, zur bestimmten Zeit
nach ihm kam, sie ihn nicht fahren lassen wollten. Und sie baten nun
den Riesen Wade, daß der Bursche noch zwölf andere Monden dableiben
möchte; und ehe daß Wieland von ihnen ziehen sollte, so wollten sie lieber
die Mark Goldes wieder zurückgeben, welche sie für ihn genommen; auch
wollten sie ihn noch einmal so viel Künste lehren, als er schon gelernt
hätte. Diesen Vorschlag nahm Riese Wade an und bestimmte nun mit
ihnen den Tag der Rückkehr. Die Zwerge aber gereute, daß sie seinen
Dienst so theuer kaufen sollten; sie redeten deshalb mit dem Riesen
Wade und verlangten, daß, wenn er nicht an dem bestimmten Tage nach
seinem Sohn käme, es ihnen erlaubt sein sollte, btcfem den Kops abzu-
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
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18
nimm dein Wort nicht zurück, sondern halte was du hier sagest." Da
sprach Amilias: „Ich will Bürgen stellen, daß mein Wort, das ich hier
gebe, nicht von mir gebrochen werden soll." Und dazu erboten sich zwei
der wackersten Ritter am Hofe des Königs. die des Amilias Geschicklich-
keit kannten. Amilias sprach darauf zu ^Wieland: „Wo sind aber deine
Bürgen?" Wieland antwortete: „Nicht weiß ich, wer für mich
bürgen soll, da Niemand weiß, was ich leisten kann, und ich allen
Leuten unbekannt bin in diesem Lande." Da sprach der König selber:
„Gut ist Alles, was er hier geschmiedet hat." Auch erinnerte er sieb,
wie der Baumstamm an's Land gekommen, und wie so künstlich und
wundersam derselbe mit großer Geschicklichkeit zubereitet gewesen, und er
sagte, ehe daß es ihm an einem Bürgen fehlen sollte, so wollte er sel-
der für ihn bürgen. Und auf diese Weise festeten sie ihre Wette, daß
der König für Wieland, und die zwei Ritter für Amilias Bürgschaft lei-
sten sollten.
Und noch denselben Tag ging Amilias zu seiner Schmiede, samt
allen seinen Gesellen, und begann zu schmieden, und fuhr so fort einen
Tag nach dem andern, alle zwölf Monden hindurch. Wieland dagegen
diente jeden Tag an des Königs Tische, wie zuvor, und that, als wenn
er nicht das Geringste davon gehört hätte; und auf diese Weise verging
das eine halbe Jahr.
Nun geschah es eines Tages, daß der König fragte, welchermaßen
Wieland seine Wette lösen wolle, oder wann er anfangen wolle zu schmie-
den? Wieland antwortete: „Herr, weil Ihr mich daran mahnet, so
will ich es angreifen; ich wünsche aber, König, daß Ihr mir ein
Schmiedehaus bauen ließet, worin ich schmieden kann." Und es geschah,
was er verlangte. Als nun die Schmiede gebaut war, da ging Wieland
dahin, wo er den Baumstamm vergraben hatte; aber dieser war auf-
gebrochen und all sein Werkzeug und Gut weggenommen. Solches
gefiel ihm gar übel, und er erinnerte sich, daß ein Mann gesehen hatte,
wo er sein Werkzeug verbarg, und er wußte wohl, daß derselbe es müßte
genommen haben, wußte aber nicht seinen Namen.
Da ging Wieland zu dem König und sagte ihm den ganzen Vor-
gang. Dem König gefiel solches auch übel, und er hieß ihm nach-
spüren, wer dieser Mann sein möchte, und fragte, ob Wieland den
Mann erkennen würde oder nicht. Er antwortete: „Ja, Herr, erkennen
will ich ihn wohl, aber nicht weiß ich seinen Namen." Da ließ der
der König eine Versammlung berufen und entbot, daß alle Männer
seines Reichs herkommen und seine Befehle vernehmen sollten. Und
dies Gebot fmn zu Jedermann in Jütland, und Alle dünkte diese
Zusammenbernfung verwunderlich, und Keiner wußte, was es zu bedeu-
ten habe.
Als nun Alle beisammen waren, da ging Wieland zu Jedem in
der Versammlung und betrachtete ihn, um den Mann zu erkennen, der
ihm sein Werkzeug samt andern Kostbarkeiten genommen hatte. Wie-
land fand aber nicht diesen Mann, auch keinen ihm ähnlichen und
sagte solches dem Könige. Der König nahm dies übel auf und
sprach zu Wieland: „Viel geringer ist dein Verstandals ich dachte;
und es gebührte dir, daß schwere Fesseln an deinen Füßen lägen, so
arg hast'du meiner gespottet; deinetwegen berief ich eine Versiimm-
lung, und sind alle Männer meines Reichs hieher gekommen, und somit
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22
I. Erzählungen.
und Unglücklichen, die ihm ihre Noth
klagten und auch Hilfe verlangten. Unter
den Bittenden befand sich auch ein in
den schweren Kriegszeiten zurückgekom-
mener Sattler aus der Fretagasse.
„Was begehrst du, mein Lieber?"
fragte Kosciuszko mit der freundlichsten
Miene den Eintretenden. „Ich siehe um
Hilfe, Herr!" entgegnete der Bittende
und neigte sich tief ihm zu Füßen. „Ver-
beuge dich nicht so, mein Freund! vor
mir; ich bin nichts mehr als dein Bru-
der; aber erzähle mir dreist deine Noth!"
„Ich bin ein armer Sattler, habe zu
Hause einen alten Vater, ein krankes
Weib, viel hungrige Kinder und nicht
die mindeste Arbeit. Ich bin bei den
Nachbarn in Schulden gerathen und so
werden wir bei der anhaltenden Theue-
rung der Lebensmittel noch Hungers
sterben müssen!"
„Arme Leute!" rief der Held und
Patriot gerührt; „ach warum bin ich
nicht reich! Hier nimm wenigstens, was
ich bei mir trage, diese zwanzig Gulden;
kaufe davon das Nöthigste für Vater,
Frau und Kinder! — mehr kann ich dir
nicht geben." Er sann bei diesen Worten
betrübt nach; plötzlich aber erheiterte sich
sein Antlitz. „Weißt du was, Freund!
wenn auch nicht mit Geld, so vermag
ich vielleicht auf eine andere Weise dir
zu helfen. Wo wohnst du?" Nachdem
der Sattler die Gasse und den Platz
seines Hauses dem Feldherrn genau an-
gegeben hatte, fuhr dieser fort: „Gut,
verfertige auf das schnellste einige
Dutzend kurzer Reitpeitschen; morgen
früh werde ich dort anreiten. Vergiß
es ja nicht! Leb' wohl, Gott helfe dir!
Laß das Danken, hast keine Ursache!"
Der Sattler ging, entzückt über das
Geschenk und die gütigen Worte des
Wohlthäters, aber verwundert über dessen
seltsamen Auftrag. Schnell hatte er sich
Nahrung für die Seinen gekauft, ihnen
den Vorgang seines Glückes erzählt und
schritt nun eilig an die bestellte Arbeit.
Er nahm ein paar Gesellen an und
hatte für den folgenden Tag eine gute
Anzahl kurzer Reitpeitschen. Frühe schon
stellte er sich mit seinem alten Vater an >
den Laden. Die Kinder, mitwissend von
Kosciuszko's Versprechen, liefen ungedul- !
dig hin und her; sogar die kranke Frau
verließ heute das Bett und setzte sich an's
Fenster, um ihren Retter auch zu sehen.
Und sie brauchten nicht lange zu
warten. Bei allen seinen vielen Sorgen
vergaß Kosciuszko nie des Unglücklichen,
dem er je Hilfe zugesagt. Indem er
nach der Festung ritt, wählte er absicht-
lich den Weg durch die Fretagasse.
Bald sah man den alten Feldherrn um-
geben von zahlreichem Gefolge, nament-
lich aus dem höchsten Adel; denn die
Blüthe polnischer Jugend drängte sich
mit solcher Liebe und Begeisterung unter
seine Fahne, wie an die Seite ihres
Vaters. Kosciuszko erkannte den Sattler
schon von der Ferne und hielt vor sei-
nem Laden an. „Hier wohnt ein Satt-
ler, der gute Reitpeitschen, wie ich weiß,
verfertigt. Ich möchte mir eine kaufen."
Darauf befahl er, man solle ihm einige
zur Auswahl herbringen. Der entzückte
Handwerker brachte deren ein ganzes
Bündel und überreichte es ehrerbietigst.
„Bedeck' dein Haupt," fuhr Kosciuszko
fort, „dann wollen wir Handels eins wer-
den. Was willst du für solch eine Peitsche?"
setzte er hinzu, indem er eine in die
Hand nahm und durch die Luft schwang.
„Es hängt ganz von Ew. Excellenz
Gnade ab!" entgegnete der Bestürzte.
„Ich habe keine Zeit zum Dingen," er-
wiederte der Feldherr. „Hier, nimm das,
Bruder!" — und er reichte ihm ein
Achtgulden stück. Der Sattler wollte
Geld herausgeben, der Feldherr ließ es
aber nicht zu, sondern sprach, indem er
sich zu seinen Begleitern wandte: „Auf
mein Wort, ihr Herren, die Peitsche ist
gut!" und er versetzte hierauf seinem
Pferde einen leichten Hieb damit und
ritt langsam weiter.
Alle, die mit ihm waren, ließen sich
nun gleichfalls solche Peitschen geben;
und diejenigen, welche keine mehr be-
kamen, bestellten solche aus den folgenden
Tag. Keiner zahlte unter acht Gulden
und mancher gab noch mehr. Der Satt-
ler blieb wie versteinert stehen. In kurzer
Zeit war seine Schublade im Laden mit
Gold und Silber angefüllt. Alles ge-
rieth in Erstaunen.
„Das sieht dem Kosciuszko ähn-
lich!" rief endlich eine Stimme. „Auf
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