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lezten Monat Mai sei er zum Könige gerufen worden, und
habe mit diesem in den Tuilerien gearbeitet. Sie hatten
einen Wandschrank mit eiserner Türe gefertigt, und ihn
geschikt in die Mauer eines Zimmers eingefügt, so daß er
sich da noch verborgen finden müße. Sofort ward Gamain
in die Tuilerien gefürt, gab den Plaz an, wo der eiserne
Schrank sich hinter der Tapete finde; und er fand sich,
und in demselben eine Menge geheimer Papire. Da fand
sich die ganze Correspondenz zwischen Barnave und der Kö-
nigin, alle der freundliche Rat, den der Feuillant seiner
Herrin erteilt hatte, um sie nach der Flucht zu retten, und
das Königtum auf einen gewissen Grad hin herzustellen; —
und Barnave lag unglüklicherweise in Graswalde (Grenoble),
wo er nach den Septembertagen in Paris seine Empörung
nicht hatte verhelen können, im Gefängnis. Auch Talley-
rands Correspondenz mit dem Hofe; Mirabeaus Correspon-
denz mit der Königin ward da gefunden — und Mirabeaus
Freiheitsverrat, wie man die Sache ansah, wirkte so, daß
man seine Büste im Convente mit einem Trauerflor über-
zog; — in der Mutterloge warf man sie herab, und schlug
sie in Stücken.
Dieser Wandschrank, obgleich er nichts enthielt, als
was natürlich war — nur die Beweise, daß der Hof sich
durch einflußreiche Männer zu halten gesucht, ihrem Rate
gemäß seine Handlungen eingerichtet hatte, verdarb doch
nun des Königs Sache ganz bei dem Volke, was ihn als
unverbeßerlichen, treulosen Jntriguant ansah. Aber er ver-
darb auch die Sache der Girondins; denn waren sie jezt
nicht in änlicher Stellung zu der revolutionären Bewegung
im Lande wie einst Mirabeau und Barnave? — wolten
sie nicht, wie man deutlich sah, beschränken und im To-
deslaufe anhalten? Was war also natürlicher, als daß
man annam, sie stünden in änlicher, nur noch geheimer
Sympathie mit der verräterischen Königsfamilie? — und
alles was sie für den König taten, ward von der insur-
rectionellen Partei schleunigst benuzt als neuer Beweis ihres
Volksverrates, so daß sich zum Teil die Furie der Feig-
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22
heit auch in ihre Herzen kralte, und sie bewog, wider mehr
gegen den König zu sein.
So kam man in gegenseitigen Bekämpfungen und un-
sicheren Zuständen bis zum Ilten December, an welchem
Tage des Königes erstes Verhör stat finden solté. Pötion
war nach den Zusammentreten des Conventes vom neuem
zum Maire ernant worden. Er hatte dies Amt ausgeschla-
gen, um seine Zeit ganz den Geschäften des Conventes wid-
men zu können. Der Arzt Chambón war nun Maire, und
Chambons grüne Kutsche erschin vor dem Tempel und fürte
den König durch dichte Volkshaufen nach dem Conventssale.
Chambón saß mit in dem Wagen nebst dem nunmehrigen
Procnreur de la Commune Chaumette. Die Escorte machte
Santerre mit Kavallerie und Kanonen, und so bewegte
sich der Wagen durch eine doppelte Reihe von National-
gardeninfanterie. Es war nach 2 Uhr nach Mittag als der
König in das Sitzungslocal trat. Er sah sich ruhig um,
bis der Präsident, es war eben Barrere, zu ihm sagte:
Louis, asseyez vous! Ruhig sezte er sich, und hörte zu.
Man legte ihm 57 Fragen vor, deren Sin im Ganzen sich
darauf reduciren läßt: Hast du, ehemaliger König, nicht,
wie das durch Tat und Schrift bewisen vorligt. Alles auf-
geboten, um König in Frankreich zu bleiben?— Der Kö-
nig antwortete größtenteils verneinend: er erkenne das und
das vorgelegte Document nicht an — er habe das und das
nicht getan *). Als alle Fragen beantwortet waren, for-
derte Barröre den König auf, sich zurükzuziehen; und nach-
dem der König einen rechtlichen Beistand verlangt, zog er
sich von den Beamteten der Municipalität umgeben und
bewacht nach einem benachbarten Zimmer, was zu Comite-
sitzungen gebraucht ward, zurük. Gegen seine Gewonheit
lente er Erfrischungen ab, als man sie ihm bot — ohnge-
achtet es 5 Uhr war, und er diesmal nur wenig gefrüstnkt
hatte. Als sie aber wider in den Wagen stigen, sah er,
*) In Bezichung auf die Ablcugnung der im Wandschranke gefunde-
nen Documente sagt Thiers mit Rccht: „Cette dénégation pro-
duisit un ehet défavorable, et elle était impoli tique} car le
fait était démontré.'4
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98
In den Tagen, wo Frankreich zu dieser Höhe der
Aufregung sich erst hinaufarbeitete, am 2ten August, hatte
man auch die Königin aus dem Temple in die Concier-
gerie gebracht, von ihren Kindern getrent, wie eine ge-
meine Verbreckerin in eine kleine Zelle eingespert. Und
Montag den Uten October stelle man sie vor das Revo-
lutionstribunal. Was lag für eine Zeit zwischen jener,
wo sie jung, über alle Herzen gebietend in Frankreich als
Dauphine auftrat und durch ihren edlen Stolz gegen die
Dubarry die Achtung der ganzen Nation gewan, und der
jetzigen, wo sie als Königin, vor ihren Jahren gealtert,
in ärmlicher Erscheinung mit gebleichtem Haar, mit ein-
gefallenen Wangen, mit verweinten Augen vor Foucguier-
Tinville stund ■— vor dem Revolutionstribunal, was sei-
nen Siz hatte im alten Palais de Just,ice, im früheren
Parlamentsgebäude ■— sie selbst gespensterhaft vor diesen
gespensterhaften blutigen Menschen! Und auch Alles, was
jene Zeit noch abbildet, trägt ein solches gespenstiges Ge-
präge an sich! — Da kam damals ein fortgehender Be-
richt heraus über die Tätigkeit des Revolutionstribunals,
ein bullet,in du tribunal revolutionäre, und nun die Num-
mern desselben, welche enthalten: das Verhör der
Witwe Capet! — Schon die Ueberschrift lautet wie
aus der Unterwelt. Unter den Zeugen wurden vorgefürt:
der ehemalige Graf d'estaing und Bailly. Sie solten die
Königin recognosciren; wagten aber nicht zu sagen: Ja!
ich kenne sie; es ist die Königin! — sondern machten tiefe
Büklinge, die ihr einigen Respect ausdrücken solten, und
antworteten: ,, Ah oui! je comíais Madame!“ — Haben
sie etwa ihr Leben erkauft mit dieser Feigheit? Daneben
wurden Glider der ehemaligen aristokratischen Partei vor-
gefürt als Zeugen, die wenn es auch sonst unbedeutende
Persönlichkeiten waren, doch eine Vorstellung davon hatten,
daß das Recht des Thrones nicht durch Decrete eines sol-
chen zusammengewürfelten Haufens, wie der Convent war,
aufhöre, und dies Recht respectirten und die Königin als
Königin auch hier vor Gericht ehrten, so weit sie konten,
obwol sie wüsten daß sie sich dadurch den Untergang nur
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Extrahierte Personennamen: August Bailly
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Concier- Frankreich
den König und seine Verteidiger, wie auf den Convent.
Im Convent verbanden sich mit diesem Processe zwei In-
teressen, wovon die Girondins nur das eine teilten. Dies
leztere war, die Processformen so zu bestimmen, daß das
Versaren gegen den König den Anschein einer Rechtsübung,
nicht einer Gewalttat hätte — wobei sie freilich ganz ver-
gaßen, daß die Gewalttat schon dadurch volständig vorhan-
den war, daß sie den König für Handlungen verantwort-
lich machten, für welche er, als er sie ausfürte, dem Ge-
setze noch nicht verantwortlich gewesen war. Das andere
Interesse, was nur die Bergpartei und ihr weiterer An-
hang hatte, war, daß troz aller rechtlichen Formen, die
man belieben möchte, der König auf jeden Fal hingerichtet
würde. Man verhandelte über diese Angelegenheit nun im
Convente tagtäglich, und fast die ganze Zeit der Sitzungen.
Die Girondins suchten noch des Königs Person durch
Schwierigkeiten, die sie erhoben, durch Rechtsformen, die
sie verlangten, so sicher zu stellen, die Entscheidung soweit
hinauszuschieben, als es ihnen nur möglich war; — sie
erreichten damit aber nur, daß die Bergpartei, wilder und
wilder gereizt, endlich auf das ungestümste eine Beendigung
dieser Angelegenheit forderte. Zulezt bestimte man, am
zweiten Weihnachtstage, den 26tcn Dec. also 1792, solle
das Plaidoyer des Königes stat finden. Die Verteidiger
mochten gegen den zu kurz anberaumten Termin anfüren,
was sie wolten, es blib dabei; und frü acht Uhr schon, es
war noch dunkel in der Stadt, war der Convent für diese
Angelegenheit am 26ten Dec. versammelt. Berg und Gi-
ronde waren bald in heftigstem Streite, der noch dauerte,
als gegen neun Uhr der König mit seinen drei Advocaten
unter gewaltiger Escorte Santerres ankam. Deseze hielt
das Plaidoyer, hielt es vortreflich — über drei Stunden
dauerte seine rechtliche Darlegung der Sache, obwol er nur
vier und zwanzig Stunden zu deren Ausarbeitung gehabt.
Es war eine Rede vol Mut und sanfter rürender Bered-
samkeit, die den König selbst so ergrif, daß er nachher,
als sie allein waren, Desöze mit Thränen um den Hals
siel und ihm dankte. Der König hatte der Rede seines
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100
geschloßen waren, hatte die Beratung des Gerichtes stat.
Mitwoch den 16ten October früh 4 Uhr erfolgte das
Todesurteil. Als es erfolgt war, fragte man sie, ob
sie noch etwas anzubringen habe. Sie schüttelte mit dem
Kopfe. Schweigend zog sie sich zurük. Wenige Minu-
ten später wirbelte der Generalmarsch durch die Stra-
ßen — mit Tagesanbruch war die ganze Nationalgarde
unter den Waffen. Es waren nun freilich nicht mehr,
wie ein halbes Jahr früher, 80,000 Man; denn alles
was irgend disponibel war, war zu den Armeen geschikt;
aber 30,000 waren doch noch in der Stadt, und in Be-
wegung um die Hinrichtung des schwachen Weibes zu
schützen. Alle Brücken und Plätze und Kreuzstraßen vom
Justizpalaste bis zum Revolutionsplatze waren mit Artil-
lerie besezt. Um 11 Uhr ward Marie Antoinette aus
dem Justizpalaste gebracht; — sie war in einem Haus-
kleide von weißem Piqué, und ward, auf offenem Kar-
ren festgebunden, wie eine gemeine Verbrecherin zum Tode
gefürt. Ihr. Ansehen war gleichgiltig, ohne Hochmut,
ohne Nidergeschlagenheit. Sie sprach nur wenig mit ih-
rem Beichtvater, die Rufe, welche sie auf ihrem ganzen
Wege hörte: Vive la république! à das les tyrans! schin
sie gar nicht zu beachten. Sie schaute nach den Trico-
lorewimpeln auf den Häusersirsten; nach den großen ge-
drukten Zetteln mit dem republikanischen Glaubensbekent-
nis an den Häusern. Als sie auf dem Revolutionsplatze
angekommen war, schaute sie sich nach den Tuilerien um,
und dieser Anblik schin sie zu ergreifen. Mutig bestig
sie das Schaffot, und zwei Minuten später war ihr Haupt
gefallen — das greise Haupt einer 38jährigen. Der Hen-
ker zeigte es dem Volke, und in tobendem Geschrei brülte
dies: vive la république!
Der nächste Process, der vor dem Rcvolutionstribu-
nal vorkam nach dem Marie Antoinettens war der der
ein solches Schwein in dieser Art Herr sein konte, ist cin^Zcug-
nis über den bestialischen Zustand des ganzen damaligen Frank-
reichs, wenn man ein solches Zeugnis neben den im Monic ur
abgedruklen Protokollen der Iakobinerloge noch bedürfte.
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gegen den König nicht so groß war, Höfte sie auf diese
Weise eine Freisprechung von der Todesstrafe zu erreichen.
Aber der Berg behandelte auch diesen Vorschlag der Giron-
dins als einen, der eine verräterische Absicht enthalte, be-
nuzte ihn, um die Girondins weiter als geheime Feinde der
Republik darzustellen, und drang zulezt mit seiner Ansicht,
daß der Convent richten mäße, doch durch. Daß auch das
übrige Europa seine Teilname am Processi des Königes
zeigte, war nun ganz unnüz; untr die Girondins selbst hat-
ten wesentlich dazu beigetragcn, alle Verhältnisse zwischen
Frankreich und dem übrigen Europa zu zerreißen, denn
einer der ihrigen, der Depulirte und Maire von Paris Cham-
von, hatte am 19ten Nov. ein Decret vorgeschlagen und
durchgefürt, daß jedes fremde Volk, welches das Tyran-
nenjoch abschüttele, und sich von seinem Fürsten befreie,
Frankreichs Verbündeter sein solle *). Dadurch hatte sich
der Krieg mit Oestreich, Preussen und Heßen in einen
Kriegszustand gegen alle monarchischen Staten Europas ver-
wandelt, wenn auch der Krieg noch nicht von allen Seiten
erklärt war. Aber nicht bloß mit dem monarchischen Europa
hatte man gebrochen, sondern zugleich mit der ganzen Chri-
stenheit. Ein Jakobiner Jacques Dupont, der im Convente
saß, hatte hier in einer Debatte erklärt, unverholen sage
er es, er sei kein Christ, er sei ein Atheist. In Frankreich
fand dies so gut als keinen Widerspruch; aber eben daß es
betrachtet ward als etwas sich von selbst verstehendes, war
dem Auslande ein Zeichen gewesen, daß die neue Republik
überhaupt atheistischer Fazwn sei, und mit Empörung hat-
ten sich Überat die beßeren von dem Frevel abgewendet. Als
nun jezt fremde Mächte gern noch eine Intercession zu Gun-
sten des Lebens des Königes versucht hätten, waren schon
alle Mittel der Verständigung abgebrochen. Also die Teil-
name des Auslandes war in dem Processe zu gar nichts,
*J ,, La convention nationale déclare qu’elle accordera secours
et fraternité à- tous les peuples qui voudront recouvrer leur
liberté, et elle charge le pouvoir exécutive de donner dés-
ordres aux generaux des années françaises pour secourir
les citoyens qui auraient été ou qui seraient vexes pour la
cause de la liberté."
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und die Teilname des Inlandes, die sich in tausend und
abertausend Petitionen bewis, welche alle verlangten, der
Etat der Gerechtigkeit, die Republik Frankreich, dürfe keine
Ungerechtigkeit gegen den König auf sich lasten, machte nur
die Bergpartei leidenschaftlicher, und entschloßener gegen
den Vorschlag der Girondins, die Entscheidung des Pro-
testes dem Volke zu überlaßen. Um diese Petitionen auf-
zuwiegen in ihrer Wirkung ließ die Bergpartei tausende
von wirklichen oder angeblichen Verwandten der bei dem
Sturme der Tuilerien gefallenen auftreten, und in Petitio-
nen um Gerechtigkeit schreien gegen den König, der Schuld
sei an dem Tode ihrer Angehörigen. Auch an Comödien
ließ man es nicht felen; so ward unter anderem einer der
am loten August verwundeten, der angeblich noch nicht ge-
heilt war, in seinem Bette hereingetragcn in den Convent,
und verlangte als elender Krüppel Gerechtigkeit gegen den
König, dessen Volksverrat ihn zum Krüppel gemacht. Der-
gleichen wirkte natürlich auf die Nerven der rohen Masse,
die eine so breite Schar im Convente bildete; und mehr
noch wirkte die wachsende Aufregung in der Stadt, wo nun
wider St. Huruge seine Stimme in Volkshaufen hören ließ
und dessen Genvßen; und zwischen das Geschrei des Pöbels,
welches den Tod des Königes verlangte, tönte immer wider
jenes andere andauernde Geschrei nach Brode herein. Ein
Schauspil, ein armseliges Dichtwerk, welches den Titel
fürte: 1’anii des lois, und auf dem ll-eatre de la natiou
aufgefürt werden solle, weil es Anspilungen auf dwhaupt-
frage des Tages enthielt, gab Veranlaßung zu einer hefti-
gen Prügelei zwischen den Männern der verschidenen Ansicht
unter den Zuschauern. Der Maire Chambon eilte herbei,
und erreichte wenigstens dies, daß er selbst geprügelt ward.
Auch Dumouriez gieng in diesen Bewegungen einen
Schrit weiter seinem Falle entgegen, denn er verließ in die-
sen Tagen seine Armee, wie nach dem Loten Juni Lafayette
getan hatte, und kam nach Paris; freilich angeblich, um
gegen die Schurkereien im Kriegsministerium Klage zu fü-
ren; aber man sah ihn doch fast nur mit seinen alten
Freunden, die zu der Gironde hielten. Den Jakobinern,
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Extrahierte Personennamen: August Chambon Dumouriez
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den *). Die Anzal der Anwesenden war aber überhaupt etwas
verdünt, denn wenn auch von der Bergpartei alle, und auch
die decidirten Anhänger der Gironde alle auf dem Platze
waren, von den anderen unentschideneren selten manche;
denn als sie fürchteten, daß die Mehrzal doch für herbe
Entschlüße sein werde, wolten sie ihre Namen bei der Ab-
stimmung lieber nicht beteiligen laßen, um nicht, wenn sie
für den König stimten, von der Bergpartei verfolgt, wenn
sie gegen ihn stimten, später einmal bei Aenderungen, die
sich nickt vorhersehen ließen, als Königsmörder bestraft zu
werden. Wer es möglich machen konte von diesen Leuten,
ward krank; wer eine auswärtige Commission vom Conven-
te erhalten hatte, reiste schnel ab; wer schon in Commission
abwesend war, verzögerte die Nükker. Es selten so circa
30 Mitglider, die wenn sie gekommen wären, und zu Gun-
sten des Königes gestimt hätten, gerade die Entscheidung
für ihn herbeigefürt haben würden.
Am 16ten Januar solte nun die Abstimmung begin-
nen über die dritte und entscheidende Frage, und schon am
frühen Morgen war der patriotische Pöbel in dichten Massen
um das Versamlungslocal gedrängt. Aber die Girondins
wüsten (nachdem man erst schon den größten Teil des Ta-
ges mit Verhandlungen über Sicherheitsmaßregeln gegen
die Aufregung der Stadt zugebracht hatte) einen neuen Auf-
schub zu bringen, wodurch sie diesen Pöbel, der den gan-
zen Tag in Hunger und Kälte auf die Entscheidung harte,
vollends wütend machten. Sie (nämlich der Deputirte Le-
hardy) schlugen vor, nicht die absolute Majorität solle diese
lezte Frage entscheiden, sondern zwei Dritteile müsten sich
wenigstens zusammenstimmend finden, wenn die Abstim-
mung gelten solte. Dieser Vorschlag veranlaßte eine lange
Debatte, und erst Dantons (der eben aus den Niderlanden
zurükgekert war) gewaltige Stimme drang durch, und er-
reichte, daß die absolute Mehrheit auch über diese Frage
*) 5m Protoêol hei§t cê; ,,Sur 717 membres présens, 10 ont
refusé de voter; 424 ont voté contre l’appel au peuple; 283
ont voté pour. — La majorité étant de 359, elle excède
de 141 voix.“
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entscheiden solle. Ja! er sezte nun, von der Ungeduld der
Masse getragen, durch, daß diese Sitzung permanent sein
solle, bis die Abstimmung zu Ende gefürt sei. Und so be-
gan sie endlich diese lezte Abstimmung um 8 Uhr des Abends
am 16ten Januar. Jedes Mitglid des Conventes ward ein-
zeln aufgerufen, und muste sich erklären über die Strafe,
die der König haben solle. Der Huissier rief Departement
nach Departement auf utib forderte dessen Deputirte na-
mentlich einen nach dem andern auf, laut und vernemlich
auf der Tribüne seine Sentenz zu Protokol zu geben —
und diese Abstimmung dauerte mit ihren Förmlichkeiten,
und weil selten ein Deputirter sich rund und einfach erklärte,
fast jeder feiner Sentenz noch Clauseln anhieng oder anhän-
gen wolte und endlich weil auf die Abstimmung influirende
Mitteilungen noch vom spanischen Gesandten und von des
Königs rechtlichen Beiständen versucht wurden, vom 16ten
Januar Abends bis zum 17ten spät Abends ohne daß man
auseinander gieng Nacht und Tag. Nur einzelne, wenn
die Reihe noch lange nicht an ihnen war, oder wenn sie
schon an ihnen gewesen war, giengen, unr eine Stunde zu
schlafen, um einen Wißen zu eßen. Zweimal wechselten
Tag und Nacht mit einander wärend ein Deputirter nach
dem anderen zur Tribüne emporstig, und hier in Heller
Beleuchtung wenn nicht des Tages, doch des Kerzenlichtes
von allen gesehen seine Sentenz gab, unr dann wider in
der schattigeren tieferen Masse der Bänke unterzutauchen.
Da hört man bald den Tod verlangen, bald Verbannung,
bald nur Einsperrung bis zum Friden — die Entscheidung
scheint lange ungewiss, und unruhiger wird der wütende
Pöbel vor dem Gebäude, dessen Haufe nicht abläßt, und
wenn er teilweise schmilzt, auch teilweise wider sich ergänzt
und immer brült und drot. Dies Gebrul des Pöbels wirkte
einschüchternd sogar auf manche der ausgezeichneteren Glider
der Girondepartei. Vergniaud z. B. stimte für den Tod *).
Tliiers: ,,Vergniaud, qui avait paru profondément touche
du sort de Louis Xvi. et qui avait déclaré à des amis que
jamais il ne pourrait condamner ce malheureux prince,
Vergniaud, à l’aspect de cette scène desordonnée, croit
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105
lotte Corday's Anblik schier verrükt machte. Er hatte,
als sie zur Hinrichtung gefürt ward, geschrien, sie sei
größer als Brutus, er wolle mit ihr sterben. — Nie-
mand hatte sich darum gekümmert. Er aber erließ eine
Broschüre in demselben Sinne — so kam er vor das Re-
volutionstribunal, kam auf die Guillotine und war froh das
elende, kümmerliche Leben, was er flirte, los zu werden.
Er sprang am Ende noch wie ein Narre auf das Schaffot,
und jubelte: er fteue sich, für Charlotte Corday zu sterben.
Nachdem dann auch Egalitös Verhöre kurz abgemacht
waren, ward er verurteilt wegen Noyalismus, weil er
selbst nach der Krone gestrebt; und so ward ihm na-
mentlich zum Vorwurfe gemacht, daß er für Ludwigs
Xv!. Tod gestirnt, denn er habe es getan, um selbst
den Thron zu besteigen. Als ihm am ñten Nov. früh
das Todesurteil angekündigt ward, verlangte er Cotelet-
ten, Austern und Wein, und tafelte mit großem Appe-
tite. Dann unterhielt er sich noch über allerhand Fra-
gen, die ihm von Seiten eines Abgeordneten des Con-
ventes über frühere Vorfälle vorgelegt wurden, mit an-
scheinend großer Ruhe. Er schrit aufrecht und stolz aus
der Conciergerie, wo er eingespert gewesen, auf den Hen-
kerkarren. Aus Hohn hatte das Revolutionstribunal zu
gleicher Zeit drei Lumpenkerle aus dem Pöbel verurteilt,
mit ihm guillotinirt zu werden. Als sie aus dem Ge-
fängnisse kamen und den Herzog von Orleans auf dem
Karren sahen, protestirten sie. Sie seien zum Tode ver-
urteilt, aber die Schmach dieser Gesellschaft möge man
ihnen ersparen. Sie werten sich, bis man sie fest band
und auf den Karren warf. So für Egalitö zum Tode.
Er hatte sich sorgfältig und elegant angezogen, und saß
nun ganz indifferent auf dem Karren. In seinem We-
sen machte sich die mit ihm verwachsene Vornemheit gel-
tend. Man für ihn langsam unter den Verwünschun-
gen des Volkes durch die Straßen; an seinem ehemali-
gen Palaste, am Palais royal oder, wie es damals hieß,
am Palais national vorüber. Er tonte die neue große In-
schrift lesen: Eigentum des Volkes. Einen Augenblik
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