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Der bedeutendste Baumeister dieser Zeit war Andreas Schlüter
aus Hamburg (1662— 1714). Er wurde mit dem Umbau und der
Verschönerung des Sckloffes in Berlin beauftragt. Von ausgezeichne-
ter Schönheit sind die Portale und Treppen des berliner Schloffes und
von mächtiger Wirkung ist die Stirnseite.
Bei dem Bau von Sommer-Residenzen und Lustschlössern wurde
es Ausgabe der Architektur, Gartenanlagen zu machen, die mit jenen
in genauester Verbindung standen. Dem architektonischen Gefühl ge-
nügte der bloße Bau nicht, und der Gedanke bedurfte zu seiner vollen
Entwickelung Plätze und Wege, Brunnen und Bassins, Blumen und
Bäume, einen möglichst großen umgebenden Raum, in welchem die
Kunst, indem sie ihn zum Garten umschuf, die architektonischen Linien
und Formen des Gebäudes weiterführte. Eine der schönsten Anlagen
dieser Art ist die zu Potsdam. Um ein weites Bassin mit hohem
Wasserstrahl stehen weiße Marmorstatuen vor Gebüschen und Bäumen,
in deren kühlen Schatten ebene Wege führen. In Terrassen erhebt sich
ein breiter offener Hügel, mit einer Orangenpflanzung besetzt; zu beiden
Seiten führen mächtige Treppen empor zu dem Schloß auf der Höhe,
dem der königliche Bauherr den Namen 8an8 souci gegeben hat. Die
Ausführung deß Ganzen ist das Werk des Freiberrn von Knobels-
dorf. In barocken Formen und prunkhaften Ausschweifungen überbie-
tet der dresdner Zwinger die Anlagen in Potsdam. Zierlicher
sind die fast abenteuerlichen Anlagen zu Bairerrth, der Sonnen-
tempel mit den Wasserkünsten. Das Imposanteste aber, was in dieser
Richtung hervorgebracht worden ist, ist die Wilhelmshöhe bei Kassel
mit ihren Springbrunnen und Wasserfällen, Terrassen, Grotten, Tem-
peln, dem Riesenschloß mit dem Koloß des Hercules, der Löwenburg,
dem chinesischen Dörfchen und den mannigfaltigsten, von einer schönen
Natur begünstigten Parkanlagen.
Die Sculptur oder Bildnerei diente im 17. und 18. Jahr- Diesculptur.
hundert hauptsächlich ornamentistischen Zwecken, indem sie an Fayaden
und auf Attiken, an Giebeln und Portalen von Kirchen, Palästen und
andern öffentlichen Gebäuden ihre Figuren, Gruppen, Trophäen und
dergleichen anbrachte, Gartenanlagen, Grotten und kunstreiche Wasser-
werke mit Meer- und Landgöttern und Ungeheuern ausschmückte und
im Innern der Gebäude Wände und Decken mit einer Unmasse von
Stuccaturen überkleidete. Dazu kamen die Grabmäler hoher und fürst-
licher Personen in Stein und Erz, im Innern der Kirchen, und mit
ihnen abwechselnd oder verbunden Altäre einzelner Heiligen, reicher und
prächtiger als je zuvor mit bemaltem und vergoldetem Holzschnitzwerk
ausgestattet, so daß in größeren Kirchen fast kein Pfeiler frei gelassen
wurde. Auch fing man an, Ehrendenkmale ausgezeichneter Personen
auf öffentlichen Plätzen zu errichten. Es steigerte sich die Lust an
Prachtgeräthen bis ins Ueberschwängliche; Elfenbeinschnitzwerke, Reliefs
und Figuren in Silber und Gold, Bernstein, Speckstein und andern
Stoffen in Verbindung mit Geräthschaften, oder auch als bloße Schau-
stücke wurden in Masse gefertigt, und selbst Spielereien und Krmststücke
stellten sich neben einer porzellanenen Schäferwelt mit in die Reihe der
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
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Extrahierte Personennamen: Andreas_Schlüter
Extrahierte Ortsnamen: Hamburg Berlin Potsdam Potsdam Kassel Löwenburg Bernstein
639
theile bevorzugter Familien und Personell. Die durch Ausdehnung deß
Adels auf die jüngeren Söhne entstandene Menge güterloser Ade.
ligen machte diese Vorrechte noch lästiger. Friedrich Ii. gab den
Stalldesunterschieden, im Widersprüche mit den philosophischen Grund-
sätzen seiner Schriften, in seiner Gesetzgebung noch stärkere Geltung, als
sie in älteren Zeiten gehabt hatten. Der ganze Mittelstand war daher
von Abneigung gegen den Adel erfüllt.
Am stärksten war die Erbitterung in Frankreich, wo eine mehr
ausgebildete Geselligkeit den Bücgerstand mit den höheren Klaffen ver-
mischte, diese aber ihre Vorrechte zu Zeiten sehr empfindlich für das ge-
sellige Gleichheitsgefühl geltend machten. Vornehmlich that dieses der
Theil des Adels, der sich an den Hof angeschlossen und fast alle höhe-
ren Stellen in der Verwaltung und in der Armee in Besitz genommen
hatte. Der Hofadel sah selbst auf den Laildadel mit Verachtung
herab, sowie auf den Dienstadel, der sich durch den beinahe erblich
gewordenen Besitz der Parlamentsstellen gebildet hatte.
Durch die vom Könige abhängige Vergebung der hohen geist-
lichen Stellen waren dieselben größtentheils an Glieder des Hof-
adels gekommen, welche am Hose um Gunst und um die ersten Staats-
ämter buhlten und ihre reichen Pfründen in weltlicher Lebensweise und
in weltlichen Geschäften verzehrten. Unter den in ihren Sprengeln le-
benden Bischöfen gab es treffliche Männer; aber das Urtheil der Haupt-
stadt, und das war gleichbedeutend mit der öffentlichen Meinung von
Frankreich, bildete sich nach den sogenannten politischen Bischöfen. Die
niedere Geistlichkeit lebte in Armuth und blickte mit Neid zu den
hoch bepfründeten Prälaten hinauf. Aber auch die würdigeren Männer
dieses Standes waren unvermögend, der Geringachtung kirchlicher
Dinge, die sich von den höheren Ständen aus über die ganze Nation
verbreitete, Einhalt zu thun. Seit dem gewaltigen Einflüsse, den Vol-
taire und die Encyklopädisten geübt hatten, war Verachtung und
Verspottung der Religion Ton der guten Gesellschaft geworden. Die dem
Autoritätsglauben feindliche Richtung griff aber nicht bloß die Lehren
und Formen der Kirche an, sondern auch die Einrichtungen des Staates.
Voltaire und die Encyklopädisten hatten nur vereinzelte und versteckte
Angriffe gegen das bestehende Staatswesen gemacht. Dage-gen erklärte
Rousseau den Grundverhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft offen
den Krieg, indem er einen ursprünglichen Zustand der Gleichheit und
Glückseligkeit schilderte, welcher durch die Entstehung des Eigenthums
und durch die von den Eigenthümern bewerkstelligte Einsetzung der Obrig-
keilen zerstört worden sei, und dies als einen Act der Täuschung, als
einen an der Menschheit verübten Frevel darstellte. Die Theilnahme,
welche Rousseau bei allen Klassen der Gesellschaft erregte, verschaffte sei-
nen Ideen um so schnellere Verbreitung, als dieselben eigentlich nur die
offen ausgesprochenen Folgerungen aus den herrschenden Grundsätzen
waren. So bildete sich gerade in den unterrichtetsten Klassen der Nation
eine politische Ueberzeugung, welche mit dem Interesse dieser Klassen wie
mit dem Wesen der monarchischen Verfassung im Widersprüche stand.
Für die Staatscegierung war der in der Nation gegen sie hervor-
gerufene Widerwille um so gefährlicher, als die schrankenlose Macht,
welche ihr von ganz Europa beigelegt und die in Frankreich als Tyrannei
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Europa Frankreich
620
In vertrauten Kreisen erschien Katharina mild und liebenswürdig,
den Gesandten fremder Höfe und den Dienern ihrer Macht zeigte sie
sich als Herrin. Mitten unter der Größe und den Genüssen orientali-
scher Machtfülle wünschte sie auch als eine Freundin der Philosophie
und der Freiheit gepriesen zu werden. Sie entwarf eine Instruction zu
einem Gesetzbuch, in welchem die Gedanken und Ansichten der da-
mals gefeierten Schriftsteller mit Wärme dargestellt waren. Zur Bera-
thung des Gesetzbuches berief sie (1767) aus dem weiten Umfange ihres
Reiches Abgeordnete nach Moskau. Adel und Städte, Freibauern
und Reichsbauern, alle Völkerschaften des Reiches, Getaufte und Unge-
taufte, sandten Stellvertreter, die ein buntes Gemisch bildeten. Die
Sitzungen wurden mit großer Feierlichkeit eröffnet; aber es zeigte sich
bald, daß durch eine Vereinigung ganz verschiedenartiger, unvorbereiteter
und höchstens der Angelegenheiten ihres Bezirks kundiger Menschen kein
für das Gesammtwohl des großen Reiches ersprießliches Ergebniß zu ge-
winnen war. Katharina beschloß daher, eine von ihr allein ausgehende
Gesetzgebung zu entwerfen und that dieses mit den Erfahrungen ihres
praktischen Verstandes. Zunächst war sie auf Einrichtung einer geordne-
ten Verwaltung bedacht und erreichte durch eine neue Einrichtung
der Statthalterschaften eine bessere Gliederung des Reiches. Die
Gerichte wurden verbessert und Bedrückungen möglichst verhütet. Es
entstanden neue Städte, in welchen, als den Sitzen der Behörden,
sich Verkehr, Reichthum und Thätigkeit steigerte. Katharina ertheilte
zwar dem Adel durch einen kaiserlichen Freibrief eine neue Bestätigung
seiner Vorrechte, aber sie machte auch eine neue Städte-Ordnung
bekannt. Durch diese sollte ein Mittelstand mit staatsbürgerlichem Leben
und bestimmter Stellung in der Gesellschaft gegründet werden. Auch
die vielen neuen Ansiedler, welche Katharina ins Reich rief, ver-
mehrten auf dem Lande und in den Städten die Zahl der freien Leute.
Viele wohlthätige Anstalten, z. B. das große Findelhaus in Mos-
kau, wurden gegründet.
Die Erziehung und Bildung ihres Volkes machte Katha-
rina zu einem vorzüglichen Gegenstände ihrer Sorge. Peter I. hatte
durch Anstalten für die kriegerische Bildung gesorgt, und Katharina ver-
vollkommnete, was vorhanden war, und errichtere neue Anstalten. Aber
sie faßte die Aufgabe von einem allgemeineren Gesichtspunkte; sie errich-
tete eine Erziehungs-Commission, welche Unterrichtsweisen ange-
den, Anstalten zur Bildung von Lehrern und vorzüglich Normalschulen
anlegen sollte. Die Bearbeitung der russischen Sprache vertraute Katha-
rina, dem Beispiele Frankreichs folgend, einer Akademie, die ein Wör-
terbuch herausgab. Um die geistigen Erzeugniffe des Auslandes und des
Alterthums den Russen zugänglich zu machen, machte sie selbst Ueber-
setz ungen derselben und ordnete eine Uebersetzungs-Com Mission
an. Sie beförderte die Versuche der einheimischen Literatur und schrieb
selbst in russischer Sprache für die russische Bühne Schauspiele. Der
Akademie der Wissenschaften, deren Mitglieder meistens Auslän-
der waren, gab sie eine Beziehung auf ihr Reich, indem sie viele Mit-
glieder derselben in die Provinzen schickte, um die Schätze der Natur, oder
die Spuren alter Zeiten, oder die Sitten und die Bildung der verschie-
denen Völkerschaften zu erforschen. Die Akademie der Künste wurde
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TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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629
stand, der sich auch auf andere Grenzstädte längs der kirgischen Steppe
erstreckte.
Katharina legte den Grund der russichen Handelsgröße nach Süden
zu, nach welcher Peter gleichfalls gestrebt, die er aber nicht mit dem
Erfolg erreicht hatte, wie nach Norden zu. Erst Katharina Ii. gelang
es, die großen Entwürfe ihres Vorfahren zu verwirklichen. Durch den
Frieden zu Kutschuck-Kainardge (1774) wurde der Handel und die Schiff,
fahrt der Russen auf allen türkischen Gewässern und in allen türkischen
Ländern frei, Rnßland erhielt die freie Durchfahrt durch die Dardanellen,
den Besitz von Asow, Kertsch, Taganrog und einigen anderen Häfen
und rückte seili Gebiet biß an die Küste vor. Jetzt wurde den Produk-
ten der südlichen Provinzen, die bisher keinen Abfluß hatten oder den
weiten Umweg nach der Ostsee mächen mußten, die Verbindung mit der
Außenwelt geöffnet und die Möglichkeit geschaffen, daß sich die südlichen
Länder Europa's mit diesen Produkten auf dem nächsten Wege und ohne
Dazwischenkunft der nordwestlichen Handelsstaaten versorgen konnten.
Allein der Benutzung dieser Verbindung standen noch gewaltige Hindernisse
entgegen. Daß Katharina die Halbinsel der Krimin dem russischen Reiche
einverleibte (1783), war für den Handel von unschätzbarem Werthe.
Die russische .Seemacht erhielt jetzt einen festen gesicherten Stützpunkt
und einen ansehnlichen Zuwachs von Häsen, wie Eupatvria, Theodvsia
und Sebastopvl. Die russischen Häfen am schwarzen und asowschen
Meere wurden allen Nationen geöffnet und zum Handel frei gegeben.
Allein ein unübersteigliches Hinderniß legte die Pforte in den Weg, in-
dem sie den Durchgang vom mittelländischen in das schwarze Meer nach
wie vor gesperrt hielt. Nur den Ragusanern war es unter türkischer Flagge
erlaubt, ihn zu passiren, jetzt wurde der Durchgang auch Oestreich zu-
gestanden. So blieben die Russen und Griechen, trotz der aller Welt
geöffneten Häfen, fast die einzigen aktiven Handelsleute auf dem schwar-
zen Meere.
Polen führte unter Wladißlaus Iv. (1632 — 1648) nur einen Tode'sme"
Krieg mit Rußland; aber 1648 brach ein Ausstand der Ko sacken ° ky's. ' ”
aus. Dieses aus der Mischung von Russen, Polen und Tataren in den
Grenzlanden erwachsene Volk stand seit dem 15. Jahrhundert unter dem
Schutze von Polen und führte beständige Raubkriege gegen das von der
Pforte abhängige Tatarenreich und gegen die Pforte selbst. Die Kosacken
waren aufgebracht, daß der polnische Reichstag ihnen, als Anhängern
der griechischen Kirche, die freie Ausübung des Gottesdienstes beschränkte
und ihnen das Recht irehmen wollte, ihre eigenen Fürsten oder Hetmans
zu wählen. An Bogdan Ehmielnizki fanden die Kosacken einen
entschlossenen Anführer. Zu der Noth des Bürgerkrieges kam noch der
Tod des Königs, welcher die Republik mit den Verwirrungen der Kö»
nigswahl bedrohte. Denn zu den Wahltagen des Herrschers versammel-
ten sich auf der Eberre von Wola alle polnischen Adligen, so viele
ein Pferd auftreiben und nach Warschau reiten konnten. Trotz der na.
henden Schaaren Bogdans stritt der Adel fünf Wochen lang über den
künftigen Herrscher, bis endlich Johann Casimir (1648 — 1668),
der jüngere Bruder Wladislavs, zum König ausgerufen wurde.
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TM Hauptwörter (100): [T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
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Extrahierte Personennamen: Katharina Peter Katharina_Ii Katharina Eupatvria Oestreich Bogdan_Ehmielnizki Wola Johann_Casimir_( Johann
676
Die Vertheidiger der Tuilerien sind nun ohne Anführer; denn Mandat
hat in der Meinung, sogleich wieder zu kommen, keinem Osfieier daß
Commando übergeben. Dennoch schallt dem Könige, als er um fünf
Uhr, von einigen Stabsofficieren begleitet, die Posten vor dem Schlöffe
besucht, von den meisten Bataillons mit dem Trommelgruß ein lauter
Zuruf entgegen; nur ein einziges Bataillon und die Kanoniere rufen der
Nation Lebehoch. Als die Sturmglocken ertönen und die Aufrührer an-
rücken, öffnet das zweideutig gesinnte Bataillon einem Haufen den Durch-
gang. Die übrigen Vertheidiger wissen nicht, ob sie dem weiteren An-
dränge Gewalt entgegensetzen sollen, und um acht Uhr ist der Carrousel-
platz vor dem Schlosse ganz mit Pöbel angefüllt, die Verwirrung, das
Geschrei fürchterlich, die Pöbelmasse bereit, jeden Augenblick in das Schloß
einzudringen.
Der König befand sich mit seiner Familie, von ein Paar hundert
Edelleuten und Nationalgardeu umgeben in einem Saale des Schlosses.
In diesen trat der Procureur-Syndie Röder er und erklärte: „Die Ge-
fahr sei aufs höchste gestiegen; der König mit seiner Familie könne nur
dadurch dem gewissen Tode entgehen, daß er sich in die National-
versammlung flüchte." Anfangs widersetzte sich Marie An toi-
nette, weil sie die Absicht des Vorschlags durchschaute, den König ganz
in die Hände der Versammlung zu liefern; endlich erklärte sie sich bereit,
auch dieses letzte Opfer zu bringen. Von Schweizern und Nationalgac-
den geleitet, gelangte die unglückliche königliche Familie bis zum Ein-
gänge des Saals der Nationalversammlung. Hier aber verweigerte der
Pöbel den Durchgang, unter den gröbsten Schimpfreden und Drohun-
gen, bis einige Beamte es dahin brachten, daß der König mit seiner
Familie in den Saal eintreten durften. „Ich bin gekommen, sprach
Ludwig Xvi. zum Präsidenten Vergniaud, um ein großes Ver-
brechen zu verhüten; in der Mitte der Vertreter des Volks werde ich
mich sicher fühlen; hier will ich bleiben, bis die öffentliche Ruhe wieder
hergestellt ist." „Sire, entgegnete Vergniaud, die Nationalversamm-
lung kennt ihre Pflichten, zu denen vor allen Dingen die Erhaltung
der verfassungsmäßigen Regierung gehört." Der König setzte sich nun
zur Linken deß Präsidenten, auf den Lehnstuhl, den er sonst einzunehmen
pflegte; aber Chabot, ein ehemaliger Kapuziner, stellte den Antrag,
daß sich der König in den Saal eines der Ausschüsse begeben möge,
weil man in seiner Gegenwart mit der Berathung nicht fortfahren könne.
Die Girondisten vermutheten, daß Chabot dadurch dem Pöbel den Weg
zum Morde bahnen wolle, und erreichten es, daß der König die kleine,
mit eisernen Gittern versehene Loge eines Zeitungsschreibers einnehmen
solle. In diesen engen Raum begab sich die königliche Familie mit zwei
Ministern und einigen Anhängern.
Plötzlich wurde Kanonendonner und Kleingewehrfeuer vernommen.
Der König hatte es bei seinem Weggange aus dem Schlosse versäumt,
den Vertheidigern desselben den Befehl zum Abzüge zu ertheilen. Die
Nationalgarde und die meisten Royalisten hatten sich entfernt;
aber die Schweizer, als Soldaten an strenge Dienstordnung gewöhnt,
warteten auf Verhaltungßbefehle. Da fällt ein Haufe Pikenmänner das
Commando am Fuße der großen Treppe an, reißt mit Feuerhaken fünf
Mann aus den Reihen und schlägt sie mit Keulen und Flintenkolben
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Extrahierte Personennamen: Marie Ludwig_Xvi Ludwig
730
Stiftung Gleichzeitig mit dem Papstthum ward auch die Eidgenossen-
emer^clveti- bet Schweizer zertrümmert. In den Freistaaten der Schweiz
Republik, hatten sich mancherlei Verfaffungsformen gebildet, die alle einander darin
ähnlich waren, daß die obrigkeitliche Gewalt nicht der lasse aller ein-
zelnen Bewohner zustand, sondern nur einer bald größeren, bald gerin-
geren Zahl von erblich angesessenen Bürgern. Selbst die kleineren Kan-
tone, die für wahre Demokratien galten, weil alle ins Bürgerrecht auf-
genommene Haukväter zur Landsgemeinde gerufen wurden, hatten doch
auch Schutzverwandte und Dienstleute, die das Bürgerrecht nicht besaßen,
sowie unterthänige Ortschaften und Landvogteien, über welche die Ge-
meinde Herrschaftsrechte ausübte. In den größeren Kantonen gemischter
oder ganz aristokratischer Verfassung trat die oligarchische Richtung noch
mehr hervor. In Bern, dem größten der verbündeten Kantone, waren
die sämmtlichen Einwohner deß Landgebietes Unterthanen der Haupt-
stadt, aber unter den Bürgern der letzteren hatten nur etwa drittehalb
hundert Familien das Recht, in den Rath erwählt werden zu können;
die Zahl derer aber, auf welche sich die Wahl zu beschränken pflegte,
belief sich 1785 auf neun und sechzig Familien. Das Stadtadelsregi-
ment bot manche schöne Seiten dar, und die väterliche Regierung der
gnädigen Herrn von Bern konnte für musterhaft gelten. Doch machten
sich auch manche Gebrechen bemerkbar, wie in der regimentßfähigen
Bürgerschaft ein dein Adelstölze ähnlicher Dünkel und dagegen in den
von der Regierung ausgeschlossenen Klassen ein Geist der Unzufriedenheit
und des Mißmuths, der in dem bestehenden Verhältnisse der Regierenden
und der Regierten die entschiedenste Ungerechtigkeit sah. Am ungünstig-
sten war die Stimmung in dem wälschen Theile des becner Gebiets, in
der 1536 dem Herzoge von Savoien entrissenen Landschaft Waat. Die
Bewohner, den Franzosen durch Sprache und Denkweise verwandt, be-
gannen zu Anfange der Revolution ihre Ausschließung vom Staats-
regiment als einen Zustand arger Unterdrückung zu betrachten, und wur-
den revolutionären Entwürfen und Grundsätzen geneigt. Die Patrioten
des Waatlandes richteten Vorstellungen an den Senat zu Bern und
baten, der Provinz die Rechte zu gewähren, die ihr bei dem Regierungs-
wechsel zugesichert worden waren. Die Weigerung veranlaßte Unruhen,
in deren Folge mehrere der Bittsteller auswanderten und über einige die
Acht ausgesprochen ward. Ausgewanderte Waatländer wandten sich an
daß Direktorium, und dieses nahm das Hülfegesuch freundlich auf. So-
bald ein kleines französisches Heer an der Grenze erschien, stand das
Waatland auf und sagte sich von dem Rathe zu Bern los. Der regie-
rende Rath wurde durch Furcht gelähmt und meinte durch Unterhand-
lungen das Vaterland retten zu können. Der Anführer der bernischen
im Waatlande stehenden Kriegsmacht, Oberst Weiß, wurde auf ein un-
bedingt friedliches Verhalten angewiesen. Ebenso herrschte Unentschlos-
senheit auf der Tagsatzung, welche nach Aarau ausgeschrieben war, um
über die von der Gesammtheit zu stellende Hülfe zu rathschlagen. Zu
dem Mangel kräftiger Einheit, der den erschlafften Bund der Eidgenos-
sen 'zum Widerstande gegen einen auswärtigen Feind ungeschickt machte,
kam noch die in den Kantonen herrschende politische Gehrung, die von
dem französischen Geschäftsträger zu Basel, Mengaud, durch alle
Künste des Jakobinismus genährt wurde. Ueberall gab es Schweizer,
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Extrahierte Personennamen: Mengaud
Extrahierte Ortsnamen: Schweiz
Republik Bern Bern Basel
46
Die Bürsten
und das Ge-
folge.
Volkes zuerst auf die Edlen, die berufen schienen, in solchen Fällen
an der Spitze des Volkes zu stehen.
Von dem Adel ganz verschieden waren die Fürsten (princi-
pes). Das Amt und die Stellung der Fürsten steht in keinem Zu-
sammenhang mit dem Adel. Die Fürsten sind in der Versammlung
der Gemeinde gewählte Obrigkeiten. Tacitus unterscheidet nun zwi-
schen den kleineren Gemeinden der Hundertschaften und den größe-
ren Vereinigungen ganzer Völkerschaften. In jeder von diesen
mußte es Vorsteher, Richter oder, wie Tacitus sagt, Principes,
Fürsten, geben. Der Vorsteher der Hundertschaft war der Cenie-
narius, der des Gaus oder der Völkerschaft wird später Graf
(grafio) genannt. Es ist unbekannt, ob der letztere Name schon
den ältesten Deutschen bekannt war. Tacitus nennt beide Arten
von Vorstehern, die der Hundertschaften und die der Gaue, mit
demselben Namen; beide waren vom Volke gewählte Fürsten. Die
wichtigsten Angelegenheiten sind in den Händen der Fürsten. Von
ihnen werden geringere Angelegenheiten entschieden, bedeutendere be-
rathen und der Versammlung vorgetragen; die Fürsten werden ne-
den dem König als diejenigen genannt, die zuerst in der Versamm-
lung reden; sie sind es mitunter, die den Jüngling wehrhaft ma-
chen. In den Staaten, wo sich keine Könige finden, verrichten die
Fürsten die Geschäfte, die sonst jenen zukommen. Die Sachsen
z. B. hatten keine Könige, sondern eine größere Anzahl Fürsten.
So wenig wir aber unterscheiden können zwischen dem, was der
Versammlung des Gaus zustand, und den Befugnissen, welche die
Versammlung der Hundertschaft auszuüben berechtigt war, so we-
nig können wir die Amtsthätigkeit der höheren und niederen Beam-
ten — denn das waren die Fürsten — aus einander halten. Alle
hatten gleiche Pflichten und ziemlich dieselben Geschäfte, ursprüng-
lich wenigstens waren sie sich einander nicht untergeordnet, alle
gleichmäßig vom Volke gewählt; der Vorsteher der Hundertschaft
handelte im kleineren Kreise, in seiner Gemeinde, wie der Fürst
des Gaus in der größeren Vereinigung; nur daß bei der Gauver-
sammlung auch die Vorsteher der Hundertschaften zusammenkamen
und hier, und wahrscheinlich auch zu anderen Zeiten, vereinigt be-
riethen, auch manches entschieden, was nicht vor das Volk gebracht
zu werden brauchte. In der Versammlung trugen die Fürsten vor
und leiteten auch die Verhandlung, die Entscheidung aber hatte das
Volk. Das Volk fand auch das Recht, sprach das Urtheil. Es ist
römische Auffassung der Verhältnisse, wenn Tacitus von den Für-
sten sagt, sie sprechen Recht. Die Aufgabe der Fürsten war das
Gericht zu leiten, die Gemeinde selbst, mitunter vielleicht auser-
wählte Urtheiler aus derselben, entschieden was Recht sei. Und
hiervon vielleicht spricht Tacitus, wenn er hundert Begleiter des
richtenden Fürsten erwähnt. Es ist wahrscheinlich, daß die hundert
Grundbesitzer, welche die Hundertschaft ausmachten, gemeint find.
Sie waren es, die in der Versammlung erschienen und die Urtheile
fanden. Der Name der Hundert erhielt sich, als lange die Hun-
dertzahl überschritten und in Vergessenheit gerathen war. Die
Volksversammlung wurde mit Opfern eröffnet, das Gericht war
I
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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48
dienst der Väter sie empfahl. Endlich verpflichteten sich alle zur
unbedingten Treue. Es galt für eine Ehre im Gefolge zu sein,
dem Fürsten zu dienen. Edle und Freie waren hier verbunden, zu
gleicher Treue, zu gleicher Pflicht. Unter ihnen herrschte Wetteifer
der erste zu sein; es gab Stufen im Gefolge, die man durch aus-
dauernden treuen Dienst der Reihe nach ersteigen konnte; vom Ur-
theil des Fürsten aber hing es ab, wer des höheren Platzes würdig
erschien. Die Fürsten strebten darnach, die zahlreichsten und eifrig-
sten Gefährten zu haben; im Frieden gab das Gefolge Ehre und
Ruhm, im Kriege diente es zum Schutze, es umgab die Person
des Fürsten. Die Gefährten wetteiferten mit dem Fürsten an Tapfer-
keit und Muth; die Fürsten stritten für den Sieg, die Gefährten
für den Fürsten. Sie mußten ihn vertheidigen, selbst mit ihrem
Leben; fand er seinen Tod im Kampfe, so galt es für schimpflich
ihn zu überleben. Die Gefährten erhielten Waffen und Rosse und
einen Antheil von der Kriegsbeute; auch kamen ihnen die Geschenke
zu Gute, die dem Fürsten dargebracht wurden. Fürsten, welche ein
großes Gefolge hatten, standen auch bei den benachbarten Stäm-
men in Ansehn; sie wurden durch Gesandtschaften geehrt, mit rei-
chen Gaben beschenkt, um Hülfe gebeten. Oft leisteten sie dieselbe,
oft reichte ihr Name hin den Krieg zu entscheiden.
Im Frieden lebte das Gefolge müßig; ein Theil der Zeit wurde
der Jagd, ein größerer dem Schmausen und Schlafen gewidmet.
War es gar zu lange ruhig im eigenen Volke, so suchte wohl ein
Theil des Gefolges kriegerische Beschäftigung in der Ferne. Wo
es Kampf und Krieg giebt, da ziehen die edlen Jünglinge hin, sie
suchen den Herrn, der ihrer Hülfe bedarf. Denn der Fürst, der
im Frieden lebt, ist nicht rm Stande ein großes Gefolge zu ernäh-
ren. Es traten Zeiten ein, wo Fürsten mit Gefolge und Volk
auszogen, um nicht bloß Beute, um neue Sitze zu gewinnen. Als
es allgemeiner geschah, als die Bewegung fast alle Stämme ergriff,
da änderte sich der ganze Zustand des germanischen Volkes.
Die Könige. Zu Tacitus Zeit bestand nur bei einigen Stämmen das Kö-
nigthum. Bei einigen ist der Anfang desselben historisch nachzuwei-
sen; die skandinavischen Germanen aber und die Gothen sind der
Königsherrschaft unterworfen gewesen, soweit wir in der Geschichte
zurückgehen können. Hier treten uns alte Königsgeschlechter entge-
gen, die ihren Ursprung an die Götter knüpften und deren Recht
in dunkler Urzeit zu wurzeln schien. Demohngeachtet ist es nicht
wahrscheinlich, daß das Königthum die ursprüngliche Staatseinrich-
tung der Germanen gewesen ist, sondern vielmehr diejenige Form
des Staates, in welcher alle Gewalt und Herrschaft bei der Ge-
meinde war oder doch aus ihr hervorging. Auf eine unbekannte
Weise hat sich bei einigen Stämmen die Königsherrschaft gebildet
und ist festgewurzelt. Und was hier bestand, wurde dann Vorbild
für die anderen Völkerschaften; nur wenige haben sich von der Kö-
nigsherrschaft frei erhalten. Fast bei allen Stämmen kömmt sie
ohne Kämpfe und heftige Bewegungen zur Geltung. Die Vereini-
gung mehrerer Völkerschaften, Wanderungen, das Einnehmen neuer
Wohnsitze oder andere Begebenheiten, die die bisherigen Lebensver-
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und daran nahmen die Römer wie die Germanen Antheil. Für
die Römer bestanden aber noch eine Zeitlang einige ihrer städtischen
Einrichtungen fort, die Curie mit dem Defensor zur Aufnahme und
Eintragung von Testamenten, Schenkungen und ähnlichen Acten.
Dagegen findet sich keine Spur von einer besonderen Gerichtsbar-
keit dieser Magistrate, von einer eigenen von dem Staate aner-
kannten Gemeindeverbindung der Stadtbewohner, überhaupt von
einer selbständigen Stellung der Städte innerhalb des Reiches.
Mehrere Stadtgebiete oder Gaue waren zu einer Landschaft ®ie
oder Provinz vereinigt und über diese ein Herzog gesetzt, zunächst
zum Oberbefehl über das Kriegswesen der Landschaft und alles was
mit der Landesvertheidigung zusammenhing, dann aber auch zur Auf-
sicht über die bürgerliche Verwaltung und die Rechtspstege. Dem
Herzoge waren die Grafen untergeordnet. Wo die Einsetzung der
Herzöge zur Regel geworden war, blieb dem Grafen die Leitung
der Gerichte, wenn auch dem Herzoge eine gerichtliche Gewalt nicht
fehlen konnte. Der Herzog hatte theils eine allgemein aufsehende,
für die Interessen des Landes sorgende, den Einzelnen schützende
für wichtigere Geschäfte bestimmte höhere Gewalt, theils die beson-
dere Stellung als oberster Befehlshaber. Die letzte überwog fort-
während, und sie gab am Ende auch den Anlaß, daß regelmäßig
in allen Provinzen des Reichs Herzöge eingesetzt wurden. Der Um-
fang ihres Gebietes war sehr verschieden, bald drei bis vier Gaue,
bald mehrere bis zu zwölf. Dabei wurde häufig auf landschaftliche
Verbindungen Rücksicht genommen, die sich aus früherer Zeit er-
halten oder erst gebildet hatten. Auf deutschem Boden waren es
die Landschaften der einzelnen größeren Stämme, welche der Ge-
walt eines Herzogs untergeordnet wurden. Aber eben hier hat das
Amt der Herzöge bald den Charakter einer mehr selbständigen Herr-
schergewalt angenommen. Sie wurden dem fränkischen Könige ge-
genüber die Vertreter der einzelnen Stämme, die Repräsentanten
ihrer volksthümlichen Verschiedenheit innerhalb der Einheit des Rei-
ches; sie gewannen nach unten an Macht und Einfluß, nach oben
an Unabhängigkeit, und wurden so die Träger einer Entwickelung,
bte für den späteren Zustand des fränkischen Reiches und seiner
Verfassung höchst bedeutungsvoll werden sollte.
Die Stätte für die eigene Bewegung des Volkes war die Ver- Dasgcnchts-
sammlung der Hundertschaft. Außerdem kamen gewiß auch die irf,en
Dorfgenossen zusammen und beriethen in ihren Angelegenheiten; von
Dorfgerichten ist aber nicht die Rede. Die grundbesitzenden Ge-
meindeglieder bildeten die Versammlung der Hundertschaft; sie wa-
ren die Urtheiler, welche das Recht nach alter Gewohnheit wiesen.
Den Vorsitz im Gericht hatte der Centenar, später der Graf
oder auch dessen Stellvertreter, welchen beiden letzteren aber der
Centenar unter dem Namen eines Judex zur Seite stand, damit
er dem Urtheile des Volkes durch Untersuchung der Verhältnisse und
durch Nachweis der gesetzlichen Bestimmungen zu Hülfe komme. In
der Gerichtsversammluug pflegte ein Theil des Volkes zu stehen,
ein anderer im engeren Kreise zu sitzen, an erhöhtem Platze, wie
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daß die Könige nur ihnen ergebene Männer zu Bischöfen haben
wollten und daher nicht nur der kirchlichen Ordnung entgegen de-
ren Ernennung ganz au sich zogen, sondern auch wegen der mit
dem Amte verbundenen Regalien sie investirten. Zur Investitur
gebrauchten die Könige unpassender Weise Ring und Stab, so daß
es schien, als ob die Bischöfe das geistliche Amt selbst aus der Hand
des Königs empfingen.
In gleicher Weise entwickelten sich die Verhältnisse der Ab-
teien. Sie erhielten ebenfalls Bestätigungen ihrer Immunität und
Gerichtsbarkeit über ihre Grundholden, zuweilen mit ausdrücklicher
Erwähnung des Blutbannes, endlich selbst volle Grafschaften und
dazu noch die anderen Regalien, Marktrecht, Zölle, Münze, Wege,
Brücken, Forste und Fischereien. Da sie nun auch in geistlicher
Hinsicht von der Gerichtsbarkeit der Bischöfe eximirt wurden, so
wurden sie den Bisthümern ganz ähnlich. Die Wahl des Abtes
sollte nach der canonischen Regel durch die Kongregation geschehen;
allein die Könige zogen auch hier die Ernennung und die Investi-
tur mit dem Stabe in ihre Hand; ja sie behandelten die Abteien
wie ihr Eigenthum und übten gegen sie die größte Willkür aus.
Die Klöster, welche kraft der Immunität unmittelbar unter
dem Kaiser und Reiche standen, waren entweder vom Könige selbst
gestiftet oder von Anderen, die selbst die Immunität für ihre Gü-
ter besaßen und mit diesen unter königlicher Bestätigung an das
Kloster übertragen hatten. Es gab aber auch mittelbare Klöster,
welche unter dem Schutze des Stifters oder unter einem Bischöfe
oder Herzoge standen. Auch solche mittelbare Klöster konnten die
eigene Gerichtsbarkeit über ihre Grundholden, ja selbst vom Könige
den Blutbann haben.
Wie groß aber auch die Macht der Geistlichkeit war, so reichte
sie doch nicht hin, die Geistlichen vor dem gewaltthätigen Sinn
der Zeit zu schützen. Mächtige Nachbarn rissen Stücke des Kirchen-
gebietes au sich und drangen beim Tode der Vorsteher in Klöster
und Stifte und hausten hier, bis alle Vorräthe aufgezehrt waren.
Noch oft kommen Mißhandlungen und Ermordungen von Geistlichen
vor. Häufig begaben sich deshalb Kirchen und Klöster unter die
Schirmvogtei des Königs oder weltlicher Großen, wurden aber
dann gewöhnlich von diesen selbst bedrückt und beraubt. Der Schirm-
herr setzte den Kirchenvogt ein. Hatten aber die geistlichen Anstal-
ten sich das Recht bewahrt, sich selbst ihren Vogt zu bestellen, so
suchte dieser sein Amt zu einem erblichen Beneficium zu machen.
Durch Wiederbelehnungen an Untervögte wurden die Verhältnisse
noch verwickelter. Die Vogteien wurden vertauscht, verpfändet,
mit Gewalt genommen, und verschiedene Bewerber führten oft lange
Kämpfe um diese Stellen. Gewöhnlich war das Ende solcher Strei-
tigkeiten, daß fast jedes Dorf seinen Vogt erhielt.
Zu den Päpsten stand die deutsche Kirche noch in einem
freieren Verhältniß. Einmischungen des kirchlichen Oberhauptes in
die Regierung der Diöcesen wurden nicht gestattet. Als es Sitte
geworden war, aus Rom Ablaß zu holen, beschlossen die Bischöfe
des Mainzer Erzsprengels 1022, daß niemanden eine solche Abso-
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