99
denbefehl ergehen, ihn zu verhaften. Allein durch die Freunde
des Virginius wurde das Schreiben aufgefangen, und der Vater
von der ganzen Sache benachrichtigt. Voll Bestürzung eilte die-
ser nach Rom und erschien am andern Tage mit seiner Tochter
in Trauerkleidern vor dem Richterstuhle des Appius. Dieser
hörte nicht auf die Einrede des Vaters, er sprach sie seinem
Clienten zu und gab den Lictoren Befehl, sie ihm zu überliefern.
Da bat der verzweifelnde Vater um die einzige Erlaubniß, von
seiner Tochter den letzten Abschied zu nehmen. Er schloß sie in
seine Arme, trocknete ihre Thränen, ergriff von einer nahen
Bude ein Messer und stieß es ihr in die Brust, mit den Wor-
ten: „Gehe zu deinen Vätern, Virginia, noch rein und frei;
der einzige Weg deiner Ehre!" Dann hielt er, wie einst Bru-
tus, das von Blut rauchende Messer empor und rief: „Durch
dieses Blut der Unschuld weihe ich deinen Kopf, Appius, den
Göttern der Unterwelt!" Sogleich gab Appius den Lictoren
Befehl, ihn zu verhaften. Sie aber wurden von der Menge
zurückgeworfen, und Virginius stürmte, zur Rache aufrufend,
mitten durch das Volk fort, hin nach dem Thore, hinaus zum
Lager, und Tausende strömten ihm nach. Hier erregte er eine
noch größere Bewegung, als er in der Stadt zurückgelassen hatte.
Das empörte Heer brach sogleich nach Rom auf und lagerte sich
auf dem Aventinus; die von der sabinischen Grenze zurückkeh-
renden Legionen vereinigten sich mit ihm. Da kamen Abgeord-
nete des Senates und warfen ihnen ihr Vergehen vor; verspra-
chen aber Verzeihung, wenn sie ruhig auseinander gingen. Die-
sen aber wurde kurz erwiedert: nur wenn das Decemvirat ab-
geschafft würde, könne von Unterhandlung die Rede sein. Als
der Senat schwankte, zogen die Heere und mit ihnen der größte
Theil des Volkes abermals auf den heiligen Berg, wo die Frei-
heit der Plebejer begründet worden war. Nun erst gaben die
Patricier nach. Die Senatoren Valerius und Horatius,
zwei Volksfreunde, wurden nach dem Berge geschickt, mit den
Ausgewanderten zu unterhandeln. Diese verlangten: Herstellung
des Tribunats und der Provokation, Amnestie für Alle, die zu dem
Aufstande mitgewirkt hatten, endlich Auslieferung der Decemvirn,
die lebendig verbrannt werden sollten. Die Gesandten bewillig-
ten Alles; nur die Auslieferung der Decemvirn baten sie zu
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191
„Einst wird kommen der Tag, wo das heilige Jlium hinsinkt,
Priamus selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs -)!"
Nach der mörderischen Vertheidigung waren von den 700,000
Einwohnern kaum noch 50,000 übrig, die als Sklaven verkauft
wurden. Die Überreste der Stadt wurden dem Erdboden gleich
gemacht, und der Wiederaufbau unter Strafe des göttlichen Flu-
ches verfehmt. Das karthagische Gebiet, so weit es nicht
zu Numidien gehörte, ward römische Provinz unter dem Namen
Afrika, mit der Hauptstadt Utika (146); das Lehenreich Nu-
midien endlich drei Söhnen des Masinissa übergeben und mittelst
der Zersplitterung einstweilen unschädlich gemacht.
So sank Karthago, die Handelskönigin der Welt, in Schutt
und Asche. Auf der Stätte, wo sie siebenhundert Jahre lang im
regsten Kunsteifer stand und blühete, hauseten seitdem bis zu den
neuesten Zeiten hinauf wilde Thiere und barbarische Völker; und
das Meer, das einst ihre segensreiche Handelsflotte trug, war seit-
dem eben so lange mit den Raubschiffen barbarischer Völker bedeckt.
§. 46. Die letzten Kriege mit Macedonien und Griechenland.
148-146.
Die Freiheit, welche die Römer damals den Macedoniern
gelassen hatten, war nur Blendwerk. Durch die Zerstückelung
des Landes in vier von einander unabhängige Bezirke waren sie
gegen äußere Feinde schwach; die römischen Gesandten führten
die eigentliche Regierung, das Land verarmte unter dem Drucke
der Abgaben, und allgemein war der Unwille über die neue
Ordnung der Dinge. Diese herrschende Mißstimmung im Lande
benutzte ein Abenteuerer, Namens Andriscus, der sich für
Philippus, den Bruder und Adoptivsohn des Perseus ausgab,
(daher gewöhnlich Pseudo-Philippus genannt), um die macedo--
nische Monarchie wieder herzustellen. Er fand einen großen An-
hang nicht nur in Macedonien selbst, sondern auch in einigen
Nachbarstaaten. Mit Hülfe einer Schar tapferer Thracier un-
terwarf er sich in kurzer Zeit ganz Macedonien, schlug einen
2) ” Eootzai rj/uaq, bzav noz’ oxwxzj vihog iqrj,
Kat n^ia/uog xai Xaog tvti/.itxio) Tlnm/toto.
Ii. Iv. 164 165
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Extrahierte Personennamen: Namens_Andriscus
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Karthago Griechenland Macedonien Macedonien
279
tes. Die meisten Senatoren und Ritter ergaben sich des Sie-
gers Großmuth.
Dieser eine Tag bei Pharsalus zerstörte des Pompejus
lange bewährten Ruf und den Wahn seiner Unbesiegbarkeit.
Seit vierunddreißig Jahren Sieger in allen Schlachten, ver-
zweifelte er jetzt bei dem ersten Unfälle und floh mit wenigen
Getreuen nach Ägypten zu dem jungen Könige Ptolemäus Dio-
nysus, dessen Vater dem Pompejus den Thron verdankte. Allein
hier, wo er am sichersten Schutz und Beistand zu finden hoffte,
fand er den Tod durch Mörderhand. Die Räthe des Königs
glaubten nämlich, dem siegreichen Cäsar ihre Freundschaft nicht
besser bezeigen zu können, als wenn sie den überwundenen und
verfolgten Feind desselben vollends vernichteten. In einem Na-
chen abgeholt, wurde er, als er eben an's Land steigen wollte,
verrätherisch überfallen und ermordet. Die Schiffer plünderten
den Leichnam und warfen ihn dann an den Strand hin. So
kläglich endete der große Mann, der einst die Welt mit dem
Ruhme seines Namens erfüllte, dreimal Consul war und drei-
mal über die drei bekannten Theile der Erde triumphirte. Jn-
deß brachte auch den Mördern ihr Bubenstück keinen Segen.
Als Cäsar drei Tage später landete und die königlichen Blut-
diener, in der Hoffnung einer großen Belohnung, das abge-
hauene Haupt des Pompejus ihm entgegenbrachten, wandte er
sich mit Abscheu von diesen Elenden und vergoß Thränen der
Rührung über das Schicksal seines ehemaligen Freundes und
des Gemahles seiner Tochter.
In Ägypten fand Cäsar Thronstreitigkeiten zwischen Pto-
lemäus Dionysus und dessen Schwester Cleopatra vor. Nach
dem Testamente ihres Vaters sollten sie sich mit einander ver-
mählen und unter Obhut des römischen Volkes gemeinschaftlich
regieren. Allein Cleopatra ward vertrieben und sprach nun den
Cäsar um Hülfe an. Als dieser, von den Reizen der jungen
Königin gefesselt, den Thronstreit zu ihren Gunsten entschied,
brach der alerandrinische Krieg aus. (48—47).
Der königliche Feldherr Achillas zog mit 20,000 Mann
vor Alerandria. Der größte Theil der Bevölkerung trat auf
dessen Seite; und nun wurde Cäsar in dem Stadtviertel, in
welchem er sich verschanzt hatte, zu Wasser und zu Lande auf
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299
alle zu ihm über. Da warf sich Lepidus voll Bestürzung und
Schrecken dem Antonius zu Füßen und bat um Gnade für sein
Leben. Octavian schenkte seinem schwachen, gedemüthigten Geg-
ner dasselbe, gebot ihm aber, fortan als Privatmann zu Circeji
zu leben, und ließ ihm nur die Würde eines Pontifer marimus.
So war nun das Triumvirat in ein Duumvirat verwan-
delt, und die römische Welt theilte sich zwischen Antonius und
Octavian. Letzterer sah sich jetzt im Besitze einer bedeutenden
Macht. Sein Landheer zählte 45 Legionen; seine Seemacht
bestand aus 600 Kriegesschiffen und hatte an Agrippa den aus-
gezeichnetsten Befehlshaber. Außer Sicilien nahm Octavian ohne
Schwertstreich auch die alte und neue Provinz Afrika in Besitz,
welche Lepidus verwaltet hatte, und kehrte dann nach Rom zu-
rück, wo ihn während seiner Abwesenheit sein Freund C. Cil-
nius Mäcenas vertreten hatte. Hier wurde er mit den
rauschendsten Freudenbezeugungen empfangen und mit Würden
und Ehren überhäuft, die er in kluger Mäßigung zum Theil ab-
lehnte. Er selbst that Alles, um die Bürger noch mehr zu ge-
winnen und an sich zu fesseln. Abgaben wurden erlassen, manche
Lasten erleichtert und die öffentliche Sicherheit durch zweckmäßige
Vorkehrungen wiederhergestellt, so daß Rom und Italien sich
glücklich fühlten unter seiner umsichtigen Verwaltung. Um das
Volk noch mehr in Ruhe einzuwiegen, versprach er sogar die
Wiederherstellung der Republik, sobald Antonius aus seinem
Kriege mit oen Parthern zurückgekehrt sei.
Um sein Heer zu beschäftigen und seine Kriegeskasse zu
füllen, unternahm Octavian in den Jahren 35 und 34 mehre
Feldzüge gegen die noch nicht völlig unterworfenen Völker in
den jnlischen Alpen und an der illprischen Küste. Er unterwarf
die Japyden, Pannonier und Dalmatier und verschönerte mit
der Beute aus dem letzten Kriege die Stadt Rom. Seine
Freunde, insbesondere Mäcenas und Agrippa, standen ihm hiebei
zur Seite. Während der erstere mit regem Eifer vorzüglich
für den Aufschwung der Künste und Wissenschaften sorgte, ver-
schönerte Agrippa als Ädil (33) die Stadt mit den herrlichsten
Anlagen und Gebäuden, gab die glänzendsten Feste und Spiele
und gewann das Volk durch seine außerordentliche Freigebigkeit 8).
8) Er spendete dem Volke Öl und Salz, eröffnete unentgeldliche Bade-
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Extrahierte Personennamen: Antonius Octavian Antonius Octavian Agrippa Octavian C._Cil- Antonius Octavian Agrippa Agrippa
Extrahierte Ortsnamen: Sicilien Afrika Rom Rom Italien Rom
286
thäter, weil er in ihm den Vernichter der republikanischen Frei-
heit fürchtete.
Cäsar, welcher sich gegen alle Nachstellungen gesichert glaubte,
war mit großartigen Entwürfen beschäftigt. Karthago und Ko-
rinth sollten wieder aufgebaut, der Isthmus durchstochen, die
pomptinischen Sümpfe ausgetrocknet, bei Ostia ein großer Hafen
angelegt, der See Fucinus abgeleitet, in der Stadt Tempel und
Theater erbaut, Bibliotheken angelegt und ein neues Gesetzbuch
entworfen werden. Zunächst jedoch beschäftigte ihn der Plan,
die Parther zu bekriegen, und bereits war ein großes Heer zu
diesem Feldzuge gerüstet. Nach Besiegung der Parther wollte
er durch die Länder am kaspischen und schwarzen Meere durch
Germanien und Gallien nach Rom zurückkehren. Die sibplliui-
schen Bücher weissagten aber, die Parther könnten nur von ei-
nem Könige überwunden werden^). Cäsar hatte auf den 15.
März (44) eine Senatsversammlung in der Halle des Pompe-
jus angesetzt, und es hieß, in dieser würden ihn seine Freunde
feierlich zum Könige über die römischen Länder außerhalb Ita-
lien erklären. Diesen Tag bestimmten seine Feinde zum Tage
seines Todes. Cäsar war gewarnt und hatte schon auf instän-
diges Bitten seiner Gemahlin, welche wegen der furchtbaren
Träume, die sie gehabt, großes Unglück ahndete, beschlossen, an
diesem Tage nicht in der Versammlung zu erscheinen. Als ihn
aber am Morgen ein Vetter des Brutus besilchte und ihm vor-
stellte, wie sehr er den Senat beleidigen würde, wenn er ihn
unverrichteter Sache auseinandergehen ließe, machte er sich auf
den Weg. Auf der Straße steckte ihm ein warnender Freund
einen Brief zu, in dem die ganze Verschwörung aufgedeckt war;
allein Cäsar, voll hoher Gedanken, gab ihn ungelesen seinem
Schreiber in Verwahr. Sobald er in den Senat gekommen
war und auf seinem goldenen Sessel Platz genommen hatte,
drängten sich sogleich die Verschworenen um ihn herum. Voran
stand Tullius Cimber und bat um die Begnadigung seines ver-
bannten Bruders; und die übrigen unterstützten dieses Gesuch.
Nun ergriff Cimber Cäsar's Toga und riß sie ihm gewaltsam 5
5j Valida fama percrebuit, — proximo senatu L. Cottam senten-
tiam dicturum, ut quoniam libris fatalibus contineretur, Parthos, nisi a
rege, non posse vinci, Caesar rex appellaretur. Suet. Caes. c. 79.
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312
römischen Provinz ergriff, war die Anlegung vieler festen
Schlösser längs den Ufern des Rheins. Er starb auf seinem
vierten Zuge in Deutschland an den Folgen eines Sturzes wom
Pferde. Er erhielt wegen seiner Siege in Germanien den
Namen „Germanicus", der auch auf seine Nachkommen über-
ging. Nach ihm setzte sein Bruder Tiberius und andere Feld-
Herrn diese Streifzüge fort, jedoch ohne weiter vorzudringen,
sondern nur, um den Besitz der errungenen Oberherrschaft zu
behaupten. Nebst der Gewalt gebrauchten sie auch Lift. Sie
brachten mehre Volkshäupter auf ihre Seite und streueten sorg-
fältig den Samen des Mißtrauens und der Zwietracht unter
die einzelnen Völker, um ihre Gesammtkraft zu trennen. Dann
suchten sie dieselben durch Einführung römischer Sitten und
Sprache und durch andere schleichende Künste nach und nach
an das römische Wesen zu gewöhnen, um sie auf solche Weise
sicherer in's Verderben zu führen,. Aber der letzte Versuch
scheiterte unter dem Consul Q u in c ti li u s V a r u s auf eine
schreckliche Weise.
Als dieser aus der Provinz Syrien, die er rein ausge-
plündert hatte y), im Jahre 9 nach Ehr. nach Deutschland kam
und hier den Oberbefehl führte; fand er zu seiner Verwunde-
rung Alles ruhig und glaubte daher, die Deutschen wie ein
völlig unterworfenes Volk behandeln zu können. Darum ver-
fuhr er ganz nach Willkür, drückte das gold- und silberarme
Volk durch harte Auflagen und empörte es durch übermüthige
Behandlung. Schon führte er das römische Gerichtswesen ein
und ließ durch einen Schwarm beredter Sachwalter die Strei-
tigkeiten der Deutschen nach römischer Weise entscheiden. Er
selbst saß, voll alten Römerstolzes, mitten in den ehemals freien
Wäldern zu Gericht.
Seine Lictoren trugen ihm Beile und Ruthen vor, als
Zeichen seines Rechts, körperliche Strafen, selbst den Tod zu
verhängen, wozu aber nach den Begriffen der Deutschen nur
die unsterblichen Götter ein Recht hatten. Mit innerer Erbitte-
rung sahen die Deutschen solche Neuerungen, mit jedem Tage
') Quam (Syriam) pauper divitem ingressus, dives pauperem re-
liquit. Vellej. Ii 117.
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Extrahierte Personennamen: Tiberius
Extrahierte Ortsnamen: Rheins Deutschland Germanien Syrien Deutschland
saß der Schreiber, beide gleich gekleidet, aber Alle wendeten sich
an den Schreiber. Da meinte Mucius, dieser müsse wohl der
König sein; und weil er sich durch Nachfragen nicht verrathen
durfte, so erstach er diesen statt des Königs. Ergriffen, ent-
waffnet sollte er bekennen, wer er wäre und was ihn zu dieser
That vermögt hätte. „Ein römischer Bürger bin ich, — war
die Antwort — Mucius ist mein Name. Als Feind wollte ich
den Feind tödten und scheue den eigenen Tod nicht; denn herz-
haft handeln und herzhaft leiden ist Römer Sitte5). Und wisse,
nicht ich allein, eine große Zahl Jünglinge hat sich wider dein
Leben verschworen; in jeder Stunde wird ein Mörder dich um-
lauern!" Über solche Tollkühnheit ward der König höchst ent-
rüstet. Er drohete, ihn lebendig zu verbrennen, wenn er ihm
nicht auf der Stelle die Verschwörung näher entdecke. „Sieh'
her und lerne, — rief Mucius trotzig — wie wenig denen das
Leben gilt, die hohen Ruhm vor Augen haben!" -- und streckte
seine rechte Hand in die lodernde Flamme des nahen Opferheer-
des. Ein Grausen ergiff Alle. Der König sprang gerührt von
seinem Sitze, riß ihn vom Feuer weg und schenkte ihm groß-
müthig Leben und Freiheit. Da sprach der listige Mucius, als
wollte er für diese Großmuth erkenntlich sein: „So wisse denn
nun, unser dreihundert haben sich verschworen, auf diese Art dir
beizukommen. Mein Loos war das erste. Die übrigen werden,
so wie es sie trifft, jeder zu seiner Zeit, sich einstellen!" —
'Von Hunger und Feinden bedrängt, mußte sich endlich Rom er-
geben und einen harten Frieden annehmen. Sie mußte die Waf-
fen abliefern und fast den dritten Theil ihrer Feldmark abtreten,
so daß nur noch zwanzig Tribus übrig blieben. Man huldigte
dem Sieger durch Übersenduug der Königlichen Insignien und
stellte zehn Jünglinge und eben so viele Jungfrauen als Geißel.
Unter diesen befand sich auch die kühne Clölia. Sie überlisteje
in einer Nacht die Wachen, schwamm, ihren übrigen Gefähr-
tinnen voran, durch die Tiber und brachte sie alle wohlbehalten
nach Rom zu ihren Eltern. Jedoch die Römer sandten die küh-
nen Mädchen sogleich zum Porsenna zurück. Dieser lobte und
bewunderte die Clölia und schenkte ihr die Freiheit, mit der Er-
5) Fortia agere et pati Romanum est. Liv.
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165
nieder. Durch diesen kleinen Vortheil empfahl er sich den Rö-
mern, so daß sie ihm, gegen alle hergebrachte Gewohnheit, gleiche
Macht mit dem Diktator selbst verliehen. Fabius fügte sich in
diesen Beschluß, wollte sich aber bei seiner Rückkunft zum Heere
nicht zu der wechselnden Führung des Oberbefehles verstehen,
sondern verglich sich dahin, daß Jedem ein besonderer Heerestheil
untergegeben sein sollte. Voll Freude eilte nun Minucius mit
seinem Heere den Berg hinunter, um den Hannibal anzugreifen
und zu schlagen. Dieser freuete sich nicht weniger und zog sich
zurück. Das hielt Minucius für Flucht und hastig war er hin-
ter ihm her. Aber ehe er es sich versah, war er zwischen Ber-
gen eingeschlossen. Da jammerte er und sah betrübt nach dem
Berge hin und sehnte sich zum Fabius zurück. Denn er wäre hier
gewiß mit seinem ganzen Heere umgekommen, wenn ihm nicht
der alte Fabius, der die Gefahr von den Höhen her bemerkt
hatte, eiligst zu Hülfe gekommen wäre. Sobald Hannibal diesen
herankommen sah, zog er sich zurück und sprach: „Endlich hat
doch die Wolke, die immer drohend auf dem Berge lag, ein Un-
gewitter gebracht *)." Der Erlösete erkannte nun beschämt des
Letzteren größere Besonnenheit an,, begrüßte ihn als Vater und
Erretter und begab sich des ihm eingeräumten Mitbefehles. All
gemein wurde nun das Verfahren des Fabius gerühmt, und der
frühere Schimpfname Cunctator war fortan sein Ehrenname-).
Für das folgende Jahr 216 wurden Ämilius Paulus
und Terentius Varro zu Consuln ernannt und unter ihren
Oberbefehl eine Heeresmacht von 80,000 Mann zu Fuße und
6000 zu Pferde gestellt, mit dem Aufträge, im günstigen Augen-
blicke eine entscheidende Schlacht zu wagen. Die Anführer dieser
außerordentlichen Heeresmacht waren einander sehr ungleich: Ämi-
lius Paulus kriegeskundig und besonnen, wie Fabius; Terentius
Varro aber übermüthig und verwegen wie Minucius. Voll un-
gestümen Kriegesmuthes verlangte er rasche Entscheidung, und 1 2
1) Hannibalem quoque ex acie redeuntem dixisse ferunt: lan-
dein ea in nubem, quae sedere in jugis niontium solita sit,
cum procella imbrem dedisse. Idv. Xxii, 30.
2) Von ihm sang daher der alte Dichter Enniuö: Unus homo uo-
bis cunclando reslituit rem; Non hie ponebat rumores ante salutem.
Ergo postqne rnagisque viri nunc gloria clarct. Cie. de off. I. 24.
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198
mung des Emms der Aufstand endigte (132). Bei dieser Ge-
legenheit ordnete Rnpilius mit zehn vom Senate gesandter! Com-
missarien von Neuem die Verhältnisse der Provinz Sicilien.
Fast um dieselbe Zeit, im Jahre 133, hatten die Römer
eine wichtige Erwerbung in Asien gemacht. Attalus, der letzte
König von Pergamus, war kinderlos gestorben und hatte in sei-
nem Testamente die Römer zu Erben seines Reiches eingesetzt ^).
Der Senat zögerte keinen Augenblick, diese reiche Erbschaft ge-
mäß jenem wahrscheinlich erschlichenen Testamente anzutreten.
Umsonst versuchte Aristonicus, ein angeblicher Sohn des Eu-
menes, den Römern das Reich streitig zu machen; es wurde
unter dem Namen Asia propria, römische Provinz. — Bereits
hatte Nom seine Macht und seine Herrschaft so weit ausgedehnt,
daß Scipio, ergriffen von bangen Ahnungen, als Censor nicht
mehr, wie früher, für die Vergrößerung, sondern für die Er-
haltung des römischen Reiches bei der Musterung beten ließ.
§. 49. Nom s Innenvcrhältnisie; die Provinzen und ihre
Stellung zu Nom.
Gegen Ende dieses Zeitabschnittes hatten sich manche nicht
unwesentliche Veränderungen in den inneren Verhältnissen des
römischen Staates herausgestellt. Der alte Ständeunterschied
zwischen Patriciern und Plebejern, welcher durch das ogulnische
Gesetz vom Jahre 300 seinen letzten Stützpunkt verlor '), hatte
jetzt ganz aufgehört, und die Rechtsgleichheit aller Bür-
ger war hergestellt. Schon seit dem Jahre 172 waren oft beide
Consuln Plebejer, und der Name kopulus umfaßte nunmehr
das ganze Volk, die Plebs mit eingeschlossen. Dagegen kam eine
Art von Amtsadel auf, dessen Mittelpunkt der Senat war;
und es bildete sich ein Unterschied zwischen Nobiles und Ignobi-
les. Zu den Ersteren wurden diejenigen gerechnet, deren Vor-
fahren mehre Generationen hindurch die curulischen Ämter
Ädilität, Prätur, Consulat — verwaltet hatten. Wer ein solches
Amt verwaltete, bekam hiedurch das Recht, sein Brustbild in
Wachs im Atrium des Hauses aufstellen zu lassen (jus imagi-
4) Bekannt sind die Opes Attalicae aus Horaz. Od. Ii 18. 5.
9 Siehe Seite 133.
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal]]
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244
Unmittelbar nach dem Tode des Sulla, dessen despotisches
Auftreten schon als Vorbote des baldigen Überganges der Re-
publik zur Monarchie gelten kann, trat eine demokratische Reac-
tion ein, und Rom wurde in neue Unruhen versetzt. Der ehr-
geizige Cónsul M. Ämilius Lepidus, der schon das feierliche
Begräbniß des Sulla zu verhindern gesucht hatte, beantragte die
Aufhebung der Sullanischen Gesetze. Diesem Anträge aber trat
sein Amtsgenosse, der als Bürger und Staatsmann gleich geach-
tete Lutatius Catulus, mit Festigkeit entgegen; und alle Aristo-
kraten, Pompejus an der Spitze, ergriffen seine Partei. Um
die Erneuerung blutiger Scenen zu verhüten, ließ der Senat
beide Consuln schwören, nichts Feindseliges gegen einander zu
unternehmen. Diese Vorsicht wirkte, so lange ihr Cousulatjahr
dauerte. Als aber, nach Ablauf desselben, Lepidus als Procónsul
zur Verwaltung seiner Provinz Gallien abgcgangen war, hielt dieser
sich auch seines Eides entbunden und fing die Feindseligkeiten an.
Er sammelte, besonders in Etrurien, wo die Bürger der zer-
störten Städte, von Roth und Verzweiflung getrieben, sich gern
der Empörung anschlossen, ein Heer und führte dasselbe bis unter
die Mauern Roms. Hier aber wurde er von Catulus geschla-
gen. Nach einer zweiten Niederlage in Etrurien floh Lepidus
nach Sardinien, wo er bald darauf starb. Die Trümmer des>
zersprengten Heeres führte sein Legat Per per na nach Spanien
zum Sertorius. Um die Anhänger des Lepidus von allen fer-
neren Versuchen abzuhalten und durch Milde zu versöhnen, wurde
ihnen auf Antrag des jungen C. Julius Cäsar vom Senate
Amnestie gewährt.
Der Versuch des Lepidus war zwar gescheitert, blieb jedoch
nicht ohne Folgen. Die in ihren Rechten verletzte Volkspartei
hatte wieder eine bestimmte Richtung erhalten und hegte neue
Hoffnungen für die Wiedergewinnung derselben. Jeder, der ihr
hiezu behülflich war, konnte der Gunst und der Unterstützung
derselben versichert sein. In Folge der steigenden Volksgährung
erhielten die Tribunen im Jahre 75 das Recht der Bewerbung
um höhere Staatsämter zurück; und fünf Jahre später (70)
setzte die lex tribunicia des Pompejus, wodurch er sich die zu
seiner Erhebung nöthige Volksgunst verschaffte, die Tribunen
wieder in ihre volle Gewalt ein. Zu gleicher Zeit wurde unter
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Extrahierte Personennamen: Sulla Ämilius_Lepidus Sulla Lutatius_Catulus Lepidus Roth Julius_Cäsar Cäsar
Extrahierte Ortsnamen: Rom Gallien Etrurien Etrurien Sardinien Spanien