107
sich noch zu demselben begeben wollten, zu vercheilen. Hiedurch
bekam das Heer einen außerordentlichen Zuwachs. Während nun
der größere Theil desselben den Sturm von Außen begann, drang
Camillus selbst mit einer auserlesenen Schar durch den unterir-
dischen Gang in das Innere der Stadt und öffnete den Stür-
menden die Thore. Furchtbar war jetzt der Kampf in den Stra-
ßen, in den Häusern, bis endlich der Diktator den Befehl erließ,
der Wehrlosen zu schonen. Die dem Blutbade Entronnenen wur-
den als Sklaven verkauft. Unermeßlich war die Beute, die man
in der eroberten Stadt (396) fand. Ein glänzender Triumph
verherrlichte die Rückkehr des Siegers. Der Dictator selbst fuhr
in einem mit vier weißen Rossen bespannten Wagen das Capitol
hinan. Hieran aber nahm das Volk Anstoß, weil weiße Rosse
dem Jupiter und der Sonne heilig waren.
So wurde Veji, wie einst Troja, nach zehnjähriger Bela-
gerung erobert, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß Dichtung
und Sage manche verschönernde Züge von der Belagerung und
Eroberung von Troja auf die von Veji übertragen hat. Die
Einnahme dieser schönen etruscischen Stadt mit den fruchtbaren
Fluren umher erregte bei den Plebejern den Wunsch, ja selbst
den Entschluß, sich in derselben niederzulassen. Und dieser Ent-
schluß würde auch zur Ausführung gekommen sein, hätten sich
demselben nicht der Dictator, alle Patricier und selbst zwei Volks-
tribunen auf das eifrigste widersetzt. Und in der That, wäre der
Plan zur Ausführung gekonnnen, so würde Veji die gefährlichste
Nebenbuhlerin Roms geworden sein; und vielleicht hätte Rom das-
selbe Schicksal von der Tochterstadt Veji wieder erlitten, welches
Nom selbst einst der Mutterstadt, Alba longa, bereitet hatte. Die
Plebejer gaben endlich nach und beschlossen zu bleiben. Eine reiche
Ackervertheilung im Gebiete von Veji wirkte hierauf wesentlich ein.
Camillus eroberte auch bald nachher die etruscische Stadt
F alerii. Desungeachtet sank der siegreiche Held mehr und mehr
in der Achtung und Liebe des Volkes, besonders seitdem es ihn
bei den über weitere Zugeständnisse gepflogenen Verhandlungen
als seinen Hauptgegner kennen gelernt hatte. Ja er kam sogar
in den Verdacht, einen beträchtlichen Theil der Beute von Veji
unterschlagen zu haben; und die Tribunen luden ihn vor die
Volksgemeinde. Zu stolz, um sich gegen eine solche Anklage zu
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160
37 Elephanten von Karthagena auf und überschritt den Ebro.
In kurzer Zeit, aber nur nach einem äußerst blutigen Kampfe,
unterwarf er sich das ganze zwischen diesem Flusse und dem
Pyrenäengebirge gelegene Land und ließ zur Deckung desselben
den Unterfeldherrn Hanno mit 11,000 Mann zurück. Er selbst
überstieg mit 50,000 Fußgängern und 9000 Reitern die Pyre-
näen und durchzog rasch das südliche Frankreich, über Ruscino,
das heutige Russillon, Narbonne, Nismes (Nemausus). Gegen
das Ende des Septembers kam er an die Rhone, über die er
zwischen Orange und Avignon setzte. Hier kam es zu einem
blutigen Vorpostengefechte. Der römische Cónsul Scipio, wel-
cher auf seiner Fahrt nach Spanien zu derselben Zeit bei Mar-
seille landete, und erst hier Kunde von dem Übergange seines
Gegners über die Pyrenäen erhielt, war entschlossen, ihm hier
den Weg zu verlegen und schickte eine Abtheilung Reiter aus,
Erkundigung einzuziehen. Zu demselben Zwecke hatte auch Han-
nibal eine Reiterschar abwärts geschickt, die bald mit der römi-
schen in einem zwar kleinen aber blutigen Gefechte zusammentraf,
wie zum Vorspiel der großen Kämpfe, die bald folgen sollten.
Dem römischen Cónsul wich er listig aus. Er wandte sich nörd-
lich längs der Rhone, ging dann über die Jsere (Zsara), welche
in die Rhone fließt und langte, gestärkt durch die Bündnisse gal-
lischer Fürsten, in der letzten Hälfte des Oktobers an dem Fuße
der Alpen an. Hier aber schien die Natur der Gegend seinem
Siegeszuge eine Grenze setzen zu wollen.
Zn der Mitte zwischen Italien und Gallien ragt in furcht-
barer Höhe das Alpengebirge, gleichsam als eine feste unüber-
steigbare Mauer zwischen beiden Ländern aufgethürmt. Rings-
umher starret alles von Eis und Schnee, zackige Felsenspitzen ra-
gen bis in die Wolken hin. Hier war nicht Stadt nicht Dorf;
kein gebahnter Weg führte über das entsetzliche Gebirge. Nur
wilde Thiere schweiften umher und halbwerwilderte Menschen,
die, erstarrt von Kälte, in elenden Hütten oder in Felsenschluch-
ten ihr trauriges Leben zubrachten. Hierüber sollte nun zum
erstenmal ein ganzes Heer setzen, Menschen, Pferde, Elephanten,
Wagen und Gepäck, und das gerade in der rauhen Herbstzeit,
wo Alles um so schrecklicher war, zumal für die Karthager, die
aus dem heißen Afrika kamen. Betroffen stand das Heer vor
TM Hauptwörter (50): [T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Karthagena Hanno Cónsul_Scipio Scipio
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Nismes Avignon Spanien Italien Gallien Afrika
161
den Alpen; sie zu übersteigen, schien unmöglich. Nur Hannibal
zagte nicht. Er hielt an dasselbe eine kräftig ermunternde Rede,
die allen Unmuth entfernte. Getrost begann es mit seinem ge-
liebten Führer die mühevolle Fahrt. Aber kaum war man et-
was höher gekommen, da begann erst recht das Elend. Die
Soldaten konnten auf den glatten Eismassen keinen festen Fuß
fassen; bald glitt der eine bald der andere aus und stürzte jäh-
lings den Berg hinunter. Bald meinten sie, auf festen Boden
zu treten; aber siehe, es ist nur ein wenig Schnee, oben über
eine Felsklippe zusammengefroren, unten der Abgrund, in wel-
chen die Unglücklichen stürzen. Dann fällt ein Elephant, dann
rollt ein Wagen zurück und reißt Alles hinter sich mit fort in's
Verderben. Dazu stürzen die wilden Bewohner aus den Schluch-
ten und Höhlen hervor und überfallen die müden Kletternden.
Verzweiflung sah man auf allen Gesichtern. Hannibal sprach
überall seinen müden Soldaten Muth ein: „Bald haben wir
die Spitze erreicht, bergunter wird es besser gehen!" Nach tau-
send Mühseligkeiten hatten sie endlich diese erreicht und standen
oben auf dem Cenis. Hier, in diesen luftigen Schnee- und
Eisfeldern, ließ er seine ausgehungerten und fast erstarrten Sol-
daten zwei Tage ausruhen. Von den eisigen Wolkenhöhen hin-
ab zeigte er ihnen in weiter Ferne die sonnenhellen Fluren des
schönen Italiens. Da bekam das Heer frischen Muth und fing
an hinabzusteigen. Aber die Schwierigkeiten hiebei waren fast
noch größer. Auf dem schlüpfrigen abschüssigen Boden war kein
Halt, Menschen und Thiere schossen jählings hinab. Sie kamen
an einen Felsen, wo wegen eines tiefen sich vor ihnen aufthuen-
den Abgrundes kein Schritt vorangesetzt werden konnte. Hier
unternahm Hannibal etwas, wodurch er die Nachwelt in Er-
staunen gesetzt hat. Er grub auf eine noch immer unerklärliche
Art für sein Heer und seine Elephanten einen Weg durch den
Felsen. Nach der fabelhaften Erzählung des Livius soll er ihn
mit Weinessig und Feuer gesprengt haben. Endlich, nach Ver-
lauf von fünfzehn schweren Tagen, hatten die bleichen Krieger
die Ebenen Italiens erreicht. Innerhalb fünf und einem halben
Monat war von Karthagena aus ein Weg von zweihundert
deutschen Meilen unter steten Kämpfen und Gefahren zurückge-
legt worden.
Wetter, Geschichte der Römer.
11
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220
fertige absichtlich in die Länge ziehe, nur um den Oberbefehl zu
behalten. Im stolzen Selbstgefühle seiner Kraft und seiner Ver-
dienste begab er sich ohne Urlaub nach Rom, um jetzt das Con-
sulat und die Führung des jugurthinischen Krieges für sich selbst
nachzusuchen; und wurde bei seiner Ankunft mit außerordentlicher
Gunst von dem Volke ausgenommen. Hier wiederholte er seine
Schmähungen gegen Metellus und den Adel überhaupt, dessen
Anmaßungen mit seiner Verdorbenheit wüchsen; dagegen rühmte
er sich, mit der Hälfte der Truppen in einem Feldzuge den nu-
midischen Krieg zu endigen und den Jugartha entweder todt oder
gefangen einzubringen. Das Volk war auf das günstigste ge-
stimmt für diesen Mann aus seiner eigenen Mitte: und er, der
Bauerssohn, erlangte das Consulat nebst Führung des numidi-
schen Krieges (107). Da sprach Marius das stolze Wort: er
trage das Consulat als eine Beute davon, die er der Weichlich-
keit des Adels abgenommen habe; nicht der Denkmale und Bil-
der seiner Ahnen, sondern seiner Wunden rühme er sich. Bevor
er zum Heere in Afrika abging, stellte er zur Ergänzung der
Legionen neue Werbungen an; und er, der Mann des Volkes,
nahm, jetzt zum ersten Male, auch die früher vom Kriegesdienste
ausgeschlossene, niedrigste Klasse des Volkes, die Proletarier, die
durch keinen Besitz an den Boden des Vaterlandes und sein
Geschick geknüpft waren, in die Legionen auf. Mit ihnen eilte
er zum sicheren Siege nach Afrika.
Metellus, gekränkt, daß Marius sich so schändlich auf Kosten
seiner eigenen Ehre ernporgeschwungen hatte, wartete die Ankunft
dieses Emporkömmlings nicht ab, und reifete nach Rom, um
Rechenschaft von seiner Verwaltung abzulegen. Er hatte die
vollgültigsten Beweise für sich; und zur Belohnung seiner Ver-
dienste wurde ihm nicht nur der Triumphzug, sondern auch der
Name, „Numidieus" zuerkannt.
Marius eröffnete den Feldzug mit rastloses Thätigkeit. Er
entriß dem Jugurtha eine Stadt nach der andern und bemäch-
tigte sich durch Überraschung sogar des großen,, in der Wüste
gelegenen Waffenplatzes Capsa (Gaffa). Der flüchtige Jugurtha
vereinigte sich bei Cirta (Constantien) mit seinem Schwiegervater,
und hier kam es zur Entscheidungsschlacht, in welcher die beiden
verbündeten Könige völlig geschlagen wurden. Jugurtha floh mit
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Marius Marius Marius Marius Cirta
Extrahierte Ortsnamen: Rom Weichlich- Afrika Afrika Rom Waffenplatzes_Capsa_(Gaffa
302
trieben eilte er, für dessen Größe so viele Tausende von Ta-
pfern kämpften, kleinmüthig und verzagt, seiner verräterischen
Gebieterin nach. Vier Stunden noch hielt sich die Flotte, und
erst bei einbrechender Nacht ergab sie sich. Das Landheer, ge-
treu und kampflustig, harrte sieben Tage lang der Ankunft des
Triumvirs; aber er kam nicht. Da traten die Häupter, da
traten endlich Alle, weil sie sich verlassen sahen, zu dem er-
staunten Sieger über.
Octavian folgte den Geflohenen nach Ägypten. Hier rü-
stete sich Antonius noch einmal zur Gegenwehr und stellte seine
Streitmacht vor den Thoren von Alerandria auf; aber mit
Schrecken mußte er sehen, wie eine Schar nach der andern,
wahrscheinlich auf Geheiß der Cleopatra, zum Sieger über-
ging. Auch sie, die Treulose, verließ ihn jetzt. Sie verbarg
sich in dem schwer zugänglichen Begräbnißgewölbe, das sie sich
nach der Sitte ihrer Nation hatte erbauen lassen, und ließ das
Gerücht ausstreuen, daß sie sich den Tod gegeben. Bei dieser
Nachricht stürzte sich der Unglückliche, welcher nur für sie lebte,
in sein eigenes Schwert. Aber während er in seinem Blute
zuckend dalag, kam die neue Nachricht, Cleopatra lebe noch.
Nun ließ er sich nach dem Gewölbe zu ihr hintragen und starb
nach langen Zuckungen zu ihren Füßen. Als sie seiner entledigt
war, hoffte sie, wie schon die beiden andern, so auch den dritten
Herrn der Welt sich unterwerfen zu können und bot hiezu ihre
letzten Reize auf. Allein Octavian, welcher einzig darnach
strebte, die Pracht seines Triumphes durch jene berühmte Schön-
heit zu vergrößern, blieb kalt gegen sie und ließ sie heimlich
überwachen. Da sah die enttäuschte Königin den Tod für das
geringste der Übel an, welche ihr bevorstehen konnten. Sie ließ
sich in einein Korbe, heißt es, ein Paar giftige Schlangen
bringen, die mit Früchten bedeckt waren, um die Wächter zu täu-
tchen. Diese hielt sie sonder Grauen an ihre Brust und starb an
ihren giftigen Bissen. Ägypten ward jetzt (30) römische Provinz.
Nach dem Tode des Antonius, des letzten Nebenbuhlers,
stand Octavian als Alleinherrscher des Ungeheuern römischen Rei-
ches. Dasselbe erstreckte sich über die drei damals bekannten Welt-
theile hindurch, vom atlantischen Meere bis zum Euphrat, vom
Rhein, von der Donau und dem schwarzen Meere bis an die
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Extrahierte Personennamen: Octavian Antonius Antonius Alerandria Cleopatra Octavian Antonius Octavian
16
geheimnißvolle Sagen aus dem grauen Alterthume berühmt.
Hier ist der von steilen Felsen und Wüldschluchten umschlossene
See Avernus; hier die Felsenhöhle der alten Wahrsagerin Sy-
bille. Eine benachbarte Höhle galt nach der Dichtung der Alten
für den Eingang in die Unterwelt. Hier war auch der Styr
selbst, hier die elysäischen Gefildes. Eine Pflanzstadt der Cu-
mäer war Parthenope. Als nämlich die Cumäer von den
Campanern verdrängt wurden, gründeten sie diese Kolonie, leg-
ten aber, da dieselbe für alle Flüchtlinge zu klein war, östlich
von derselben eine neue Stadt, Neapolis, an. Im Gegensätze
zu dieser Neustadt bekam nun Parthenope den Namen Altstadt,
Paläopolis, bis beide den gemeinsamen Namen Neapolis (Ne-
apel) d. i. Neustadt annahmen. In ihrer Nähe steht der feuer-
speiende Vesuv. Auf einem an der Küste sich erhebenden Felsen
lag die Stadt Misenum mit einem geräumigen Hafen, in wel-
chem seit Augustus der andere Theil der römischen Flotte lag;
unfern hievon Bajä, dessen warme Bäder häufig besucht wur-
den. Die Schönheit dieses Ortes und seiner Umgebung ist von
den römischen Dichtern besonders gefeiert worden^)- Westlich
von Neapel, ebenfalls am Meere, lag Puteoli, die als grie-
chische Kolonie den Namen Dikäarchia führte, das heutige Puz-
zuoli; bei derselben der Lucrinersee, aus welchem am 30. Sept.
1538 plötzlich mit schrecklichem Getöse ein über 200 F. hoher
Bergkegel, monte nuovo (neuer Berg), sich erhob. Hier lag auch
Cicero's Villa Puteolanum oder Academia. Die ganze Gegend
ist hier sehr vulkanisch; und das schwefelreiche Thal zwischen
Puteoli und dem Vesuv, das heutige Solfatara, wurde von den
Alten das phlegräische oder brennende (oampi Phlegraei) genannt.
Es brennt beständig im Innern; fast überall ist der Boden warm,
stellenweise glühend, und mitunter steigen mit großem Getöse
Dampfsäulen und lichte Flammen auf. Der Weg von Neapel
bis Puteoli führt durch eine fast y4 Stunde lange Berghöhle,
die im Alterthume er^pta Neapolitana, jetzt aber die Grotte von
Posilippo nach dem gleichnamigen Berge genannt wird. Am
Eingänge derselben zeigt man das von Lorbeeren umkränzte Grab
4) Virgil beschreibt diese Gegend im 6. Buche. 4 5) Nullus in orbe
sinus Bajis praelucet amoenis. Foraz.
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Extrahierte Personennamen: Augustus er^pta_Neapolitana
22
sie Meerenge von Messina. Sie ist ungefähr vier Meilen breit,
an der schmälsten Stelle aber nur l/4 Meile; und eben hier soll
nach alter Sage Italien mit Sicilien zusammengehangen haben.
Die äußersten Punkte dieses Jnseldreieckes sind drei Vorgebirge:
nordöstlich Pelörum, westlich Lilybäum, südöstlich Pach/-
»um, und zunächst von diesen drei Höhen hat sie den Namen
Trinakria erhalten'). Wegen ihrer Fruchtbarkeit und Schönheit
stand sie von jeher in dem höchsten Ansehen ?) Schon Homer
nannte sie das liebliche Eiland des Helios und machte sie zum
Schauplatze einer schönen Episode im neunten Buche der Odyssee.
Die Römer nannten sie die Kornkammer Italiens und die Amme
Roms, und die Bewohner selbst hießen vorzugsweise die Neichen
und Glücklichen. Als die Krone des Landes erscheint der Ätna
(montö Gibello), dessen Ausbrüche schon Pindar kannte. Der
Vesuv ist ein Sandhügel gegen diesen Niesen. In majestätischer
Pracht erhebt er sich mit seinen einzelnen Kuppen zu einer Höhe
von 11,000 Fuß, während der Vesuv nur 3,500 Fuß hoch ist.
Jede Stufe bildet eine Zone. Die untere prangt mit Weinber-
gen und Gärten; die zweite ist ein Waldbezirk von hundertjäh-
rigen Bäumen; die dritte hat nur Eis und Schnee; die vierte
nur Rauch und Flammen. Immer dampft es, immer sprudelt
es. Dieses Dampfen und Sprudeln aber wird Ruhe genannt,
wenn sich nicht aus seinem Feuerschlunde der Lavastrom ergießt
und meilenweit die Fluren verwüstet.
Die ältesten Bewohner des gepriesenen Eilandes waren nach
der fabelhaften Darstellung des Homer diecyclopen. Soweit
aber die geschichtliche Kunde reicht, finden sich hier zuerst Sica-
ner, die wahrscheinlich aus Jberien eingewandert waren. Zu
ihnen gesellten sich, etwa um 1200 vor Ehr., die Siculer,
welche von den Ausonen aus Italien vertrieben wurden. Sie
ließen sich zuerst in den Fruchtebenen des Ätna nieder und brei-
teten sich allmälig über die ganze Ostseite der Insel aus, wäh-
rend die Sicaner auf die Westseite eingeschränkt wurden. Nicht
lange nachher legten auf der nordwestlichen Küste der Insel auch
die Phönizier viele Kolonien an, welche später an die Karthager
') und twv Tqiüv ay.qo)v.
~) Sicilia, optima insularum omnhim, antiquitate rerum ceteras
anteeellit. — Diodor.
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15
reshier steigt die Rebe fünfzig bis sechzig Fuß hoch die
Ulmen und Papeln hinan und hängt ihre Trauben aus. Wie zu
Triumphbögen schlingt sie ihre grünen Gewinde fort und fort, von
Baum zu Baum und gibt der ganzen Landschaft ein festliches
Ansehen. Der weinreiche Massikus, ein Zweig der Apenninen,
durchzieht nordwestlich das Land. Am Fuße desselben breitet sich
das fruchtbare Falernerthal, das Tempe Italiens, aus, nach
welchem der Berg selbst auch wohl „der Falerner" genannt wird.
Um den Busen von Puteoli herum zieht sich eine steile Fels-
wand, die in das Vorgebirge Misenum ausläuft. Im Inneren
des Landes erhebt sich als einzelner Bergkegel der Vesuvius
bis zu einer Höhe von 3500 Fuß. Eine außerordentliche Frucht-
barkeit wird am Fuße dieses für die Umgegend so gefährlichen
Nachbaren gefunden. Durch einen schrecklichen Ausbruch dieses
Vulkans im Jahre 79 nach Ehr., bei welchem auch der ältere
Plinius, dieser unerschrockene Naturforscher, seinen Tod fand,
wurden die drei an seinem Fuße gelegenen Städte, Herkulanum,
Pompeji und Stabiä so gänzlich verschüttet, daß man auch ihre
Spur nicht mehr sah. Sechzehn hundert Jahre lang blieben sie
im Schooße der Erde verborgen. Erst im Jahre 1711 kam man
durch das Ausgraben eines Brunnens auf ihre Spur. Seitdem
ist bis auf unsere Zeit das Nachgraben fortgesetzt worden, und
die vielen kostbaren Überreste des Alterthums werden im Mu-
seum der Stadt Porti ei, welche über dem alten Herkulanum
erbaut ist, aufbewahrt.
Als die ältesten Bewohner des Landes werden die Hnotrer
angegeben; dann folgen die O s k e r, denen aber dieetrusker
eine Zeitlang die Herrschaft entrissen, bis die Samniter eindran-
gen und das Land eroberten. Aus der Vermischung der neuen
Eroberer mit den früheren Bewohnern ist der Name Campa-
nee hervorgegangen. Eine der ältesten Städte ist Cumä am
Meere, die von Chalciden aus Euböa schon um das Jahr 1030
vor Ehr. gegründet sein soll. Die ganze Umgegend ist sowohl
durch großartige Erscheinungen in der Natur, als auch durch
0 Omnium non modo Italia, sed toto orbe terrarum pulcerrima
Campania plaga est. Nihil mollius coelo, denique bis floribus vernat.
Nihil uberius solo; ideo Liberi Cererisque certamen dicitur. Nihil hos-
pitalius mari. Flor. I. 16.
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110
da er es mit Gewalt nicht hatte nehmen können. Während der
Belagerung durchstreiften die Gallier hordenweise plündernd und
raubend die ganze Umgegend. Einen ihrer Naubzüge überfiel
Camillus von Ardea aus mit einer Freischar, die er um sich ge-
sammelt hatte und hieb ihn gänzlich nieder. Hiedurch wurde
der gebrochene Muth der Römer wieder geweckt; und die Römer
zu Veji wählten den Sieger zum Dictator. Er glaubte indessen,
daß die höchste Gewalt nur denen zustehe, welche das Capitol
vertheidigten und hielt ihre Einwilligung für nothwendig. Da
schwamm ein junger Plebejer, der kühne Pontius Cominius, in
einer finstern Nacht die Tiber hinab zur Stadt, erstieg au einer
nicht bewachten Stelle glücklich die schroffe Felsenhöhe, und kehrte
eben so glücklich mit der Genehmigung der Wahl vom Capitol
zum Heere zurück, dessen Größe und Muth mit jedem Tage
wuchs. Jndeß bemerkten die Gallier bald die Spuren des Hin-
aufgekletterten. Jetzt wollten auch sie an derselben Stelle das
Capitol ersteigen und wählten dazu eiue mondhelle Nacht. Be-
reits hatten sie die Zinne des Felsen erstiegen, als plötzlich die
der Juno geweihten Gänse ein Geschrei erhoben, daß der Con-
sular Manlius Capitolinus -) davon erwachte. Er auf und da-
hin und stieß mit seinem Schilde den vordersten der Gallier
jählings den Felsen hinab, so daß dieser im Fallen die ganze
Kette der Nachkletternden mit sich in die Tiefe hinabriß. So
war das Capitol für den Augenblick wohl gerettet, die Gefahr
jedoch nicht vorüber; denn immer ärger wüthete der Hunger.
Aber auch die Lage der Gallier war immer bedenklicher gewor-
den. Die Gegend bot keine Nahrung mehr da und war auch
höchst unsicher durch die Streifzüge des Camillus. Hunger und
Pest wütheten unter den des Klimas nicht gewohnten Feinden:
überdies traf sie die Nachricht, daß die Venüter von der Küste
des adriatischen Meeres aus in ihr Land am Fuße der Alpen
eingefallen seien. Brennus war zum Frieden und zum Abzüge
bereit, wenn man ihm ein Lösegeld von tausend Pfund Gold
gebe. Die durch Hungersnoth gedrängte Besatzung ging auf
diesen Vertrag ein. Bei dem Abwägen des Goldes aber ge-
0 Den Beinamen Capitolinus, d. i. der Capitolier, führte Man-
lius von seiner Wohnung auf dem Capitol.
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232
hier mit den italischen Bundesgenossen zu verbinden. Unter so
verchängnißvollen Umständen söhnte der Senat die Bundesgenos-
sen durch Verleihung des römischen Bürgerrechtes mit sich aus
und erließ sofort eine Kriegeserklärung gegen Mithridates. Corn.
Sulla, ein Mann von der Partei der Adeligen, welcher zum
Siege über die Verbündeten mächtig beigetragen hatte, erhielt
nun zur Belohnung das Consulat (88) und den Oberbefehl des
gegen Mithridates bestimmten Heeres. Nach diesem Oberbefehle
trachtete aber auch der noch als siebenzigjähriger Greis rüstige
Marius; und nun kam die Eifersucht, die schon lange zwischen
den beiden großen Gegnern im Stillen geglommen hatte, zum
verheerenden Ausbruche. Voll Haß gegen das parteiische Wal-
ten der Aristokraten und begierig nach dem Lorbeer eines solchen
Kampfes suchte er den Sulla seines Oberbefehles zu berauben.
Zu dem Zwecke verbaud er sich mit dem talentvollen, aber nichts
würdigen Tribunen P. Sulpicius, und beide verstärkten ihre Par-
tei durch die Masse der ueuen Bürger, welche im Genüsse ihres
Rechtes den alten gleich gestellt sein wollten. Sulpicius, welcher
mit einer verwegenen Schar von 3000 Gladiatoren und 600
jungen Rittern, die er seinen „Gegensenat" (^ntisengtus) nannte,
auf dem Forum gebot, setzte den Antrag durch, daß die neuen
Bürger als gleich Berechtigte in die 35 alten Tribus vertheilt
würden. Zugleich bewirkte er durch die ihm dienstbare Menge,
daß dem Marius statt des Sulla der Oberbefehl im mithridati-
schen Kriege übertragen wurde. Sulla stand noch mit seinem
Heere im Lager vor Nola und wünschte dem Kampfe mit den
Samnitern ein Ende zu machen, bevor er zu dem auswärtigen
Kriege abging; als er von den Wahlumtrieben in Rom Nach-
richt erhielt. Sofort eilte er an der Spitze von sechs Legionen
von Nola nach Nom, zersprengte hier nach kurzem, aber wüthen-
dem Kampfe vor den Thoren und innerhalb der Stadt die Ge-
walthaufen seiner Gegner und stand als Herr und Gebieter in
Rom. Marius und Sulpicius nebst zehn ihrer Hauptanhänger
wurden als Feinde des Vaterlandes in die Acht erklärt und Tra-
banten ausgeschickt, die Geächteten aufzusuchen. Sulpicius wurde
aus einem Versteck hervorgezogen; man hieb ihm den Kopf ab
und stellte diesen auf einer Stange vor der Rednerbühne auf
dem Forum zur öffentlichen Schau aus. Marius floh nach Ostia,
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