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Unter den Insektenlarven sind solche, die eine scharfe Flüssig-
keit auf eine ziemliche Entfernung zu schleudern vermögen. Bei
uns tut das namentlich die dicke fleischfarbige, oben braune Raupe
des Weidenbohrers; sie spritzt in der Bedrängnis einen grünlichen
Saft etwa zwei Fuß weit ans dem Maul. Dieser ist stark ätzend
und von so eigentümlich scharfem Geruch, daß eine geübte Nase das
Tier mehrere Meter weit wahrnimmt, selbst dann, wenn es ruhig
im Holze nagt.
Die Ameisen beißen und stechen nicht bloß, sondern sie spritzen
auch ihre Säure aufs Geratewohl dem Feinde entgegen. Stört
man einen Haufen der gewöhnlichen braunen Waldameisen, schlägt
etwa ein paarmal mit der Hand aus ihn und halt dann die Hand
in 1h Fuß Höhe über den Haufen, so kann man sehen, wie die
laufenden Tierchen anhalten und ihren Hinterleib aufwärts krünm
men. Betrachtet man dann die Sache von der Seite, in der Art.
daß man über den Haufen weg gegen das Helle blickt, so sieht man
Hunderte von feinen Flüssigkeitsstrahlen emporschießen, die etwa
zwei Dezimeter hoch reichen; das ist die Abwehr der Ameisen.
Manche Seetiere schießen dein, der sie aus dem Meere her-
vorhebt, einen kräftigen Wasserstrahl entgegen. In diesem wie in
andern Füllen ist die ausgespritzte Flüssigkeit nicht gerade schädlich,
aber das Plötzliche des Schusses genügt, um einen zaghafteren Feind
zu schrecken, und damit ist sein Zweck erfüllt. Selbst der Mensch
läßt sich, wenn er nicht vorbereitet ist, durch derartige Mittel sehr
leicht zum Loslassen bewegen.
Es mag unter den kleinen und verborgenen Tieren, deren
Lebensweise wenig genau bekannt ist, noch manche ähnliche Ein-
richtung geben, von der wir nichts wissen. Im Pflanzenreich sind
die Schleudervorrichtungen gleichfalls weit verbreitet, und dort sind
sie noch auffallender als im Tierreich. Denn das Tier benutzt seine
Muskeln, regelrechte Bewegungsorgane, zum Auswerfen des Ge-
schosses; die Pflanze aber hat keine Muskeln, und demgemäß müssen
ihre Wurforgane jedesmal besondere Einrichtungen sein. Diese die-
nen durchweg ein und demselben Hauptzweck, der Samenverbreitung,
und sie beruhen auch durchgängig auf ein und demselben Prinzip:
durch das Wachstum werden in einzelnen Fruchtteilen elastische
Spannungen hergestellt, die schließlich zu einem jähen Platzen führen.
Schon bei sehr niedrig stehenden Gewächsen, wie Pilzen und
Flechten, findet man in den Fruchthältern eigene Schleuderorgane,
meist in Form von Spiralzellen aus stark elastischem Zellstoff. Zur
Zeit der Reife sind diese Spiralen gespannt wie elastisch zusammen-
gedrückte Sprungfedern; es kommt ein Augenblick, wo die umliegen-
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
581
den Gewebe nicht mehr stark genug sind, um sie zurückzuhalten, die
Feder schnellt los, streckt sich gewaltsam gerade, fliegt aus ihrem
Behältnis heraus, reißt dabei die benachbarten Keimkörner mit sich
und verstreut sie über die Umgebung der Mutterpflanze.
Von den höhern, blühenden Gewächsen besitzen viele Kapseln,
die zur Zeit der Reife elastisch gespannt sind, mit einer gewissen
Gewalt aufspringen und ihre Samenkörner kräftig umherschleudern.
Setzt man sich an wannen Sommertagen an den Rand eines Ge-
treidefeldes, so hört man oft bei einiger Aufmerksamkeit ringsum
eiu feiues Knisteru und Rasseln; das sind die Samenkapseln der
llnkränter, welche in der Sonnenhitze zerspringen und ihren Inhalt
über den Boden verstreuen.
Eine bei uns sehr bekannte Pflanze hat diese Schleuder-
fähigkeit zu besonderer Vollkommenheit ausgebildet, das ist das
„Kräutchen rühr mich nicht an", die gelbblühende wilde Balsamine,
welche in ganz Deutschland an feuchten Standorten häufig zu finden
ist. Sie gehört sicherlich zu den Gewächsen, die zuerst die Aufmerk-
samkeit der Menscheu auf die Wuuder der Botauik geleukt haben;
denn man kann annehmen, daß schon seit Jahrtausenden die Hälfte
aller spielenden Kinder sich gelegentlich mit dem Abfeuern der
Balsaminenfrüchte unterhalten hat. Diese sind aus fünf Lüngs-
streifen zusammengewachsen; jeder einzelne Streifen besitzt noch eine
innere Verstärkungsleiste, und zur Zeit der Reife sind diese stark
elastisch gespannt, so daß sie das Bestreben haben, sich aufzurollen.
Solange die Pflanze in Ruhe bleibt, kanu die Spannung einen
ziemlich hohen Grad erreichen, ohne daß die Frucht zerreißt; wenn
aber der leiseste Druck den Zusammenhang der Fasern irgendwie
lockert, gewinnen die elastischen Kräfte die Oberhand, die ganze
Frucht springt der Länge nach auf, die Streifen rollen sich mit
äußerster Plötzlichkeit gegen die Spitze hin zusammen, und die
Samenkörner werden heftig abgeschleudert; sie spritzen oft zwei
Meter weit. Auch das Veilchen kann dieses Kunststück. Es klemmt
seine harten glatten Samen zwischen die vertrocknenden Fruchtklappen
und knipst sie dann weg, ähnlich wie ein mutwilliger Junge einen
Kirschkern zwischen beu Fingern wegqiletscht.
Noch besser aber verstehen einige ausländische Vettern die
Schießknnst.
Berühmt ist namentlich ein südamerikanischer Baum, der deu
Namen Sandbüchsenbanin führt. Die abgefallenen Früchte trocknen
ein und zerspringen dann mit lautem Knall. Dabei schleudern sie
den Samen weit umher, manchmal 15 m weit. Ein englischer Ge-
lehrter hatte ein Exemplar der Frucht mit nach England gebracht
582
und in einem Kästchen verwahrt. Eines Tages zersprang dieses
mit einem pistolenschußähnlichen Knall, und es fanden sich nachher
nicht bloß die Stücke der Frucht, sondern auch Trümmer des Käst-
chen im Zimmer verstreut.
268. Blumen und Insekten. B°» K°°isch,
^sie Pflanze sitzt im Boden fest. Da sie aber für das Wichtigste
^ in ihrem Leben, die Fruchtbildung, in vielen Fällen der Mit-
wirkung anderer Pflanzen nicht entraten kann, so ist sie ans fremde
Hilfe angewiesen. Als solche werden außer dem Wind in der Regel
die Insekten in Anspruch genomnlen, aber auch Schnecken und
Wirbeltiere (Vögel) haben gelegentlich als Spediteure des Pollen-
staubes zu dienen.
Nim liefert freilich kein Tier diesen Dienst ohne entsprechende
Gegenleistung, und diese Gegenleistung muß von der Psianze in
auffälliger Weise dargeboten werden, um Zugkraft für das Tier
zu haben.
Das beliebteste Mittel der Pflanze zur Anlockung des ge-
waltigen Heeres der Kerbtiere besteht in der Verabreichung bevor-
zugter Nahrungsstoffe. Die Pflanze bietet den Insekten Honig an
und sucht sich ihnen durch Ausstreuung süßer Düfte, manchmal auch
dkirch glänzende Farben auf weite Strecken hin bemerkbar zu
machen.
Viele der honigsuchenden Insekten sind recht bequeme Herren,
die sich nur dort niederlassen, wo das Absitzen ohne Unannehmlich-
keit geschehen kann. Deshalb haben viele Pflanzen besondere Flug-
bretter ausgebildet, Sitzbänkchen sozusagen, die sie vors Haus
stellen als Einladung an Madame Hummel, daß sie gütigst ein
wenig Platz nehmen und sehen möge, wie herrlich man eingerichtet
sei. Zu diesen Pflanzen gehören die Knabenkräuter und die meisten
Lippenblütler, und ihre Unterlippe ist der besagte Stuhl. Weil es
aber auch ungebetene Gäste gibt, mit denen die Pflanze um alles
in der Welt nichts zu schaffen haben mag, so setzt sie diesen schon
von vornherein dadurch den Stuhl vor die Tür, daß sie ihre
Kronenröhre, die ja der Eingang zum Honigkeller ist, mit beson-
deren Haardickichten, Vorsprüngen kind Leisten oder kleinen Dörn-
chen auskleidet, die dem Zudringlichen jeden Eintritt umnöglich
machen, geradeso wie ein Stacheldrahtzaun.
Indessen der Besuch allein tut es noch nicht, und damit, daß
Madame Hummel oder Biene ihren Rüssel in die Kronenröhre steckt
und den Honig so schmackhaft findet, daß sie bereit ist, bald wieder-
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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584
schmalen Plättchen verbinden, an dessen Fuß ein Honigtröglein
steht. Das aus dem Flugbrett sitzende Insekt, das seinen Rüssel in
die Tiefe versenkt, kann aber nicht zu diesem Tröglein gelangen,
ohne dabei jenes kleine federnde Plättchen zu berühren, auf dem
die beiden Staubgefäße festgemacht sind. - Da nun schon der leiseste
Druck auf das Plättchen genügt, um es nach unten zu bewegen,
so klappen dadurch die schlagbaumartigen Staubgefäße, die auf ihm
sitzen, notwendig — etwa wie zwei Klavierhämmerchen beim Be-
rühren der Taste — nach unten und klopfen ihren Pollenstaub dem
ahnungslosen Insekt auf den Rücken. In dem Augenblick jedoch,
wo sich der Rüssel zurückzieht, schnellen auch sie wieder zurück und
verstecken sich wie vorher in der Helmhaube.
Von den Knabenkräutern kann man gar sagen, daß sie den
Insekten wahrhaftige Hörner aufsetzen. Die Pollenkörnchen jedes
Stanbbentelfaches werden durch einen besonderen Klebstoff zu einem
soliden, keulenförmigen Klumpen verbunden, der oft so handfest ist,
daß man mit ihm in dieser kleinen Welt wohl Fenster einwerfen
könnte, wenn es Fenster gäbe. Diese Blütenstaubklumpen bleiben
zunächst in den Staubbeuteln verborgen, sitzen aber mit einem
feinen Stielchen ans einer Klebscheibe auf, die in der Blüte stets so
angebracht ist, daß jedes Insekt, das auf die Honiglippe fliegt und
seinen Rüssel in die Röhre steckt, unfehlbar mit seinem Kopf an die
Klebscheibe rennt. Diese heftet sich sofort in den Stirnhaaren des
Sechsbeiners fest, und wenn das Insekt die Blüte verläßt, hat es
auf der Stirne zwei Hörner sitzen, weil es, ohne daß es wollte,
beim Zurückweichen die Pollenklumpen aus den Staubbeutelfächern
herausgezogen hat. Alles Putzen und Wischen hilft nichts. Die
H örner sitzen fest.
Durch alle diese Vorrichtungen wird indessen nur erreicht, daß
das honigsuchende Tier in dem Augenblick, in dem es sich zur Tafel
setzt, mit Pollenstaub beladen wird. Damit ist aber der Pflanze
noch nicht gedient; ein fast noch größeres Interesse muß sie ja dar-
an haben, daß der entnommene Blütenstaub nun auch wirklich aus
eine andere Blüte derselben Art gelangt. Nur in diesem Fall er-
füllt ja der Pollen seine Bestimmung.
Auch dafür wird durch die allerverschiedensten Mittel gesorgt.
Zuvörderst werden Vorkehrungen dafür getroffen, daß dieselbe Kör
perstelle, an der der Pollen befestigt wurde, in der Blüte, die das
Insekt später besucht, mit den aufnahmefähigen Narbenflächen iu
Berührung kommt. Beim Stiefmütterchen z. B. ist das dadurch
erreicht, daß der noch unbestäubte Griffel sich dein eindringenden
Insekt tu den Weg stellt, so daß es unbedingt mit seinen Rüssel-
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
585
haaren über die Narbe Hinstreifen muß. Hat das Insekt nun zu-
fällig Pollen mitgebracht, und ist von diesen beim Eintauchen des
Rüssels ein Teil an der Narbe abgestreift worden, so wird diese
sofort durch eine Klappe, die am Griffelkopf angebracht ist und
bisher offen stand, geschlossen; der Griffel biegt sich zur Seite, und
nun erst kann das Insekt zu dem in der Tiefe sitzenden Honigtrög-
chen und den das Tröglein umgebenden Staubgefäßen gelangen,
wo es sich ungewollt mit neuen Pollen belädt.
Besonders merkwürdig sind diejenigen Fälle, in denen von der
Pflanze ein Teil der sich ausbildenden Samen geopfert wird, um
die Bestäubung zu erreichen. Ein Beispiel dafür liefern manche
unserer einheimischen Nelkenarten, indem die kleinen Eulen-Schmet-
terlinge, von denen sie besucht werden, nicht nur den Honig san-
gen, sondern auch vermittels einer langen, an ihrem Hinterleib
angebrachten Legeröhre ihre Eier ins Innere der Blüte versenken.
Die jungen auskriechenden Larven fressen dann einen Teil des
Samens auf, während die übrigbleibenden Früchtchen den Fortbe-
stand der Pflanze zu sichern haben. Die Pflanze gibt also ein
Stück ihrer eigenen Zukunft hin, um den Spediteur des Pollens
an sich zu fesseln! Ist das nicht verblüffend?
Das sind nur wenige Beispiele aus dein merkwürdigen Zu-
sammenleben zwischen Blumen und Insekten. Welch tiefe Weisheit
spricht sich in diesem Zusammenhang aus! Keines dieser Lebewesen
weiß voneinander, jedes denkt und sorgt nur für sich, und doch
kann keins für sich sorgen, ohne dem andern zu helfen.
260. Hlls Ö61ti Idalöe. von dmanuel von Deibel.
Itfit dem alten Förster heut
Bin ich durch den Wald gegangen,
Während hell im Festgeläut
Kus dem Vors die Glocken klangen.
2. Golden floß ins Laub der Tag,
väglein sangen Gottes Ehre,
Fast als ob's der ganze lfag
Wüßte, daß es Zonntag wäre.
3. Und wir kamen ins Uevier,
Wo, umrauscht von alten Bäumen,
Junge Ztämmlein sonder Zier
Lproßten aus besonnten Bäumen.
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
545
Wie oft habe ich inein Vergnügen an den Hausrotschwänzchen
gehabt, wenn sie in ihrem Gebiete einer herumschleichenden Katze
gewahr wurden! Sie verfolgen sie — versteht sich in der gehörigen
Entfernung — und verlieren sie nicht aus den Augen. „Whiest,
tetetete! Whiest, tetetete!" schallt es über und neben dem Katzentier
von Ästen und Zweigen. Der Katze ist das sehr unangenehm, sie
blinzelt ärgerlich nach den kleinen, unermüdlichen Aufpassern, sie
kann ihnen aber nicht zu Leibe. Ihre Schliche sind erkannt, sie
zieht, es für diesmal vor, das Feld zu räumen.
Genau so wie das Hausrotschwünzchen verfahren viele andere
Vögel: die Amseln gegen Katze und Hund und die Schwalben gegen
die Raubvögel. Besonders hübsch ist der Anblick, wenn ein win-
ziger Zaunkönig, der ja überhaupt viel Drolliges in seinem Wesen
hat, gegen eine Katze zankt und räsonniert, „haßt" nennt es der
Weidmann. Bekannt ist auch, daß Eulen arges Ungemach zu er-
dulden haben, wenn sie sich einmal bei Tage zeigen. Es dauert
keine fünf Minuten, so haben sie das ganze gefiederte Korps eines
Bezirkes hinter sich her. Es ist sehr komisch, wie sich so ein groß-
ßer Waldkauz vor den kleinen Schwalben fürchtet. Wenn sie ihn
im Freien, während er fliegt, überraschen, so ist sein erstes, einen
dichten Baum aufzusuchen, in dessen Geäst er sich so nahe als nur
irgend möglich an den Stamm drückt. Eine Pfote mit geöffneten
Krallen streckt er zur Abwehr in die Luft, knappt mit dein Schna-
bel und verdreht den Kopf auf eine greuliche, unnatürliche Weise.
Dann faucht er und gibt alle Zeichen großer Aufregung üon sich.
Endlich fängt die Sache an, die kleinen Vögel zu langweilen.
Einer verzieht sich nach dem andern. Aber wehe dem Kauz, wenn
er es wagen wollte, zu vertrauensselig seinen Schlupfwinkel aufzu-
geben und sich wieder ins Freie zu machen! Sofort hätte er aber-
mals das ganze lästige Gefolge hinter sich her, das ein wachsames
Auge auf ihn behalten hatte.
Vortreffliche Aufpasser sind die Eichelhäher. Geht ein ge-
wöhnlicher Sterblicher durch den Wald, so nehmen sie nicht die ge-
ringste Notiz von ihm, sobald sich aber nur von fern und ver-
stohlen ein Jäger mit Gewehr und Hund zeigt, gleich ist, wie man
zu sagen pflegt, der Teufel los. Sie verfolgen ihn mit einer ganz
besonderen Art Geschrei, das nicht bloß ihresgleichen und andere
Vögel, sondern auch jede Art von Wild versteht. Der verständige
Jäger aber schüttelt den Kopf, ärgert sich und ist klug genug, für
heute den Pirschgang aufzugeben. Die Eichelhäher haben bei die-
sem Manöver noch zwei Niederträchtigkeiten an sich: erstens kennen
sie genau die Tragweite des Gewehres und richten sich danach,
Lesebuch für Mittelschulen. Band 3 A. 35
609
Dörfer lassen jedes Jahr Millionen der wohlschmeckendsten und nahr-
haftesten Pilze in ihrer unmittelbaren Nähe, oft an den täglich be-
tretenen Wegen, in den Waldungen, auf den Triften, Heiden und
Wiesen verderben, und zwar nicht einmal aus Furcht vor möglicher
Verwechslung mit giftigen Pilzen, sondern nur aus Geringschätzung
oder vollständiger Unkenntnis.
Nutzen haben vorzüglich die vielen eßbaren Schwämme, beson-
ders in Gebirgsgegenden. In der Lausitz in Sachsen werden jähr-
lich etwa 20 000 Kilogramm getrocknete Pilze, meist Steinpilze, im
Wert von 28 000 Mark verkauft, in Spremberg allein etwa 5000
Kilogramm. Der wirtschaftliche Wert der Pilze wird erst dann aus-
genutzt werden, wenn man sie noch inehr kennen lind schätzen lernt.
Eßbare Pilze zu ziehen, gelingt mit Sicherheit bei einer geringen
Anzahl von Pilzen, wie dem Champignon und Stockschwamm. Das
beste Beispiel für den Erfolg solcher Bemühungen bietet der Cham-
pignon, der sich als angenehmer Begleiter eines zartgebratenen Filets
und gebackener Kalbsmilch, als Zutat zu Frikassees, Ragouts, Sanceni
und auch als Pilzgericht für sich allein einer berechtigten Wertschätzung
erfreut. Früher nur wildwachsend, wird er seit Jahrzehnten in Frank-
reich, England und Rußland gewerbsmäßig im großen gezüchtet.
Auch in Deutschland, wo man seiner Kultur bis vor kurzem nur
wenig Beachtung schenkte, beginnen sich großartige Champignon-
züchtereien aufzutun, die das ganze Jahr hindurch Tag für Tag
große Ernten von vielen Zentnern abwerfen. Welche Summen
damit verdient werden können, das läßt sich am besten an Frankreich
erkennen, wo man diese Erträgnisse für den Großhandel aus 20
Millionen, für den Kleinhandel aber auf 35—40 Millionen Franken
schätzt. Dazu kommen noch für 25 Millionen Franken Trüffeln, die
jährlich dort gesammelt werden.
Der Nährwert der Pilze ist früher wegen ihres Gehalts an
Stickstoffverbindungen überschätzt und dem Nährwerte des Fleisches
nahezu gleich erachtet worden. Dies ist indes ein Irrtum, da nur
ein geringer Teil ihrer Stickstoffsubstanz aus Eiweiß besteht und sie
überdies nur unvollkommen im menschlichen Darm ausgenützt wer-
den. Man darf deshalb die Pilze in ihrem Nahrungswert nur den
Gemüsen gleichstellen. Die Pilze sind neben ihrem Eiweißgehalt
auch durch eine beträchtliche Menge von Nährsalzen ausgezeichnet.
Abgesehen von dem Nährwert, den die eßbaren Pilze doch
tatsächlich besitzen, dürfte ihr größter Wert in dem feinen Geschmack
liegen, der für sie im allgemeinen kennzeichnend ist.
Lesebuch für Mittelschulen. Band 3 A.
39
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Spremberg Sanceni Frank- England Deutschland Frankreich
610
Immerhin ist der Hauptgrund, warum in so vielen Gegenden
der Pilzgenuß gemieden wird, in der teilweisen Schwierigkeit zu
suchen, die ungenießbaren von den genießbaren unterscheiden zu
können.
2. Woran man die Pilze erkennt.
Zu allen Zeiten sind zahlreiche Unglücksfälle durch den Genuß
wildwachsender Schwämme hervorgerufen wurden, und es ist ganz
richtig, daß man Leib und Leben aufs Spiel setzt, wenn inan ohne
Erfahrung einsammelt. Vor zwei Hauptfehlern kann man nicht
genug warnen: Man soll vor allen Dingen nicht auf einmal alle
genießbaren Pilze sammeln, sondern bescheide sich mit den leicht
erkennbaren und gewöhne sich ein für allemal ab, an alberne Volks-
mittel zu glauben, nach denen man mit Leichtigkeit die giftigen von
den eßbaren unterscheiden könne.
Die angeblichen Erkennungszeichen giftiger Pilze: die lebhafte
Farbe und die klebrige Oberfläche, der weiße oder farbige Milch-
saft mancher Arten, die blaue Färbung beim Zerschneiden, das Bräu-
nen eines in kochende Pilze getauchten silbernen Löffels, das
Schwärzen einer mitgekochten Zwiebel, das Gelbwerden von Salz,
haben sich als trügerisch erwiesen. Das sicherste Schutzmittel ist
immer, die Merkmale der wenig verschiedenen giftigen Schwämme
kennen zu lernen; denn es gibt giftige Pilze, bei denen ein hinzu-
gebrachter silberner Löffel sich nicht färbt. Dazu gehört z. B. der
Fliegenpilz. Nun nehme man ältere und einige Tage liegen ge-
bliebene Champignons zum Kochen, füge jetzt wieder einen reinen
silbernen Löffel bei und — der Löffel läuft diesmal an. Man
würde also die Champignons als giftig wegschütten und die Flie-
genpilze zur Mahlzeit wählen. Aber welches Unheil würde man
damit anrichten!
Verdächtig oder ungenießbar sind im allgemeinen alle Pilze
von ekelhaftem, fauligem Geruch und scharfem, zusammenziehendem
Geschmack. Aber der Knollenblätterschwamm z. B. hat keineswegs
einen unangenehmen Geruch und einen milden, nußkernähnlichen
Geschmack und ist doch der giftigste der deutschen Hutpilze.
Auch die Farbe ist trügerisch. Es gibt eßbare und giftige
Pilze von allen Farben, und Pilze, die beim Zerbrechen ihre
weiße Farbe in Blau verändern, sind nur teilweise zu verwerfen.
Daß die eßbaren vorzugsweise an freigelegenen Stellen, die
schädlichen an dunkeln Plätzen, im feuchten, dichten Gehölze auftre-
ten, ist ebenfalls nicht stichhaltig. Mit einem Worte, die allgemei-
611
neu Kennzeichen der Giftigkeit der Pilze sind samt und sonders un-
zuverlässig.
Man muß die Pilze an ihren eigentümlichen Merkmalen un-
terscheiden lernen, wenn man sich nicht der größten Gefahr aussetzen
will; Kenntnis ist das beste Mittel. Deshalb beschränke man vor-
erst den Pilzgenuß auf enge Grenzen und wähle aus der großen
Masse nur die leicht bestimmbaren heraus.
3. Wie man Pilze sammelt.
Man sammelt die Pilze am besten im Spätsommer und Herbst,
einige auch im Frühjahr, wie es eben die Wachstumszeit mit sich
bringt. Im Walddickicht oder ans modrig riechendem Boden suche
man keine Pilze. Am besten sind junge Pilze, die in Nadelwäldern
auf sandigem, mit niedrigem Moos überzogenem Boden oder auf
Wiesen und Triften stehen. Übelriechende oder durch Maden ganz
zerfressene sowie durch anhaltenden Regen erweichte sind auf jeder:
Fall schädlich. Man lasse die eingesammelten Exemplare nicht etwa
bis zum nächsten Tage ungereinigt stehen, sondern putze sie unver-
züglich beim Nachhausekommen.
Der Pilzkenner lernt die bevorzugten Plätze der Pilze rasch
kennen. Er weiß, daß sie an den Südseiten der Berge, wo Wärme
und Feuchtigkeit vorherrschen, häufiger zu finden sind als an andern
Stellen, wo das Faulen von Holz und Laub den Boden nicht be-
fähigt für das Gedeihen guter Pilze. Man findet den Eierpilz ans
kahlen, aber schattigen Waldplätzen, aber auch in dichtem Heidekraut.
Man sucht den Steinpilz in lichten, aber grasigen Laubwäldern,
besonders in Eichenwaldungen; im Nadelholz ist er weniger zu fin-
den. Die Standorte des Champignons entdeckt das geübte Auge
des Pilzsuchers sowohl im Laubwald als auch in den Parkanlagen,
auf Wiesen, Triften und Waldrändern. Vorzügliche Ernte in Cham-
pignons gibt es auf Triften, wo Pferde und Kühe geweidet haben-
Zum Sammeln selbst ist ein Beutel oder Sack keineswegs
empfehlenswert, weil darin die Pilze zu sehr gedrückt werden. Viel
besser eignet sich ein Korb oder ein fester sogenannter Pilzkoffer aus
Pappe zur Aufnahme der gesammelten Exemplare; auch lege man
die Pilze mit dem Stiel nach oben.
Nachdem nun die sorgsam gesammelten Pilze der Küche zuge-
führt sind, richte man sie baldigst an, damit keine Zersetzungen
eintreten können. Alle alten, wässerigen und fauligen Exemplare
39*
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau]]
596
Zwiebel. Die meisten dieser Pflanzen sind aus fremden Ländern zu
unz gekommen, und zwar aus den heißen Steppenländern West-
asiens. In diesen Gegenden folgt jahrein, jahraus auf eine kurze
Regenzeit eine 7—8 Monate währende Dürre. Dann vertrocknen
alle saftigen Gewächse, und der Boden wird zu steinharten heißen
Krusten. Nur diejenigen Pflanzen, die sich durch besondere Mittel
gegen die verzehrende Wärme geschützt haben, können es in dieser
Zeit über der Erde aushalten. Alle andern Gewächse sind entweder
einjährige Pflanzen, die mit Beginn der Regenzeit aus Samen her-
vorgehen, möglichst schnell ihre Blüten und Früchte treiben und mit
Eintritt der Dürre absterben, oder es sind sogenannte Stauden, die
sich vor den sengenden Strahlen der Sommersvnne gleichsam in den
Boden flüchten. Die Teile über der Erde sterben ab, während die
unter der Erde — das sind Wurzelstöcke, Knollen oder Zwiebeln —
am Leben bleiben. Da liegen sie dann, Mann an Mann, wohl-
geborgen und hoffnungsfroh, während der weiße Tod über die
Steppe hinschreitet, und warten auf bessere Zeiten. Wenn dann
endlich nach vielen Wochen die erwartete Regenzeit beginnt und die
Wasser in stäubenden Schauern auf die hungrige Steppe hernieder-
rauschen, da springt alles aus dem Bett. Die Blätter schießen
durch den schlammweichen Boden, die Wurzeln tragen Wasser herzu,
und an die schwanken Stengel hängt sich hastig Glocke um Glocke.
Die weiten Ebenen erstrahlen in leuchtenden Blüten, und wer nun
nicht vorgesorgt hat und nmcht, daß er fertig wird in der kurzen
Zeit, der hat's Nachsehen. Aber damit hat's keine Not, denn die
„Sparkassen" drunten sind wohlgefüllt, und wenn abermals die
Trockenzeit beginnt und die Sonne mit gierigem Munde das Herz-
blut der sterbenden Erde trinkt, da sind die meisten fertig mit
Blüte rind Frucht, und drunten im Schoße der Allmutter Erde ruht
in neuer Wiege das neue Blumenkind. So ist also die Zwiebel auch
hier, gleich dem Wurzelstocke und der Knolle, ein Mittel, die Pflanzen
über die Ungunst der Jahreszeit hinüber zu retten.
274. Nur ein Noggenhalm. von Cornelius Schmin.
ty\as ist nicht schon alles über den Triumph der „Ingenieurkunst",
über den Eiffelturm, geschrieben worden und über den schiefen
Turm zu pisa! Gewiß — man steht und staunt und hält es für
nahezu wunderbar, daß Menschenhand diese Bauwerke errichtet ha-
den kann. Und doch sind diese Wunder der Technik klein und un-
scheinbar, sobald man sie mit den Wunderbauten der Uatur vergleicht.
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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