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Mauern an; aber die Saracenen schleuderten Steine, Balken,
brennenden Schwefel und siedendes Oel auf ihre Köpfe herab,
und kaum konnte man die hölzernen Thürme vor ihren Vrandpfei-
len schützen. So kanr der Abend heran; ermattet mußten sich die
Christen zurückziehen; alles Blut, aller Schweiß war vergebens
verronnen, und nur ein Umstand tröstete sie, daß den Feinden
nicht gelungen war, ein heiliges Kreuz zu verletzen, welches man
auf Gottfrieds Thurm aufgepflanzt hatte.
Am andern Morgen wird mit dem Frühsten der Sturm
erneuert, und mit noch größerem Grimme suchen die Pilger die
Mauern zu ersteigen. Aber alle Anstrengung ist vergeblich.
Schon liegen Tausende niedergeschmettert da, Gottfried's Thurm
geräth in Flammen, und kann kaum nur mit größter Mühe
durch Essig gelöscht werden; sieben Stunden schon hat der Kampf
gewahrt; der Schweiß rinnt in Strömen herab, den Ermatteten
sinken die Knie zusammen, und ein dumpfes Gemurmel durch-
läuft die Reihen der Christen, daß hier alle Anstrengung ver-
gebens sey. Da erscheint plötzlich auf der Höhe des Oelbergs
ein herrlicher gewappneter Ritter, im Glanze der Sonne, und
streckt seinen strahlenden Schild über die unter ihm tosende
Stadt aus. Gottfried und Raimund erblicken ihn zuerst, und
rufen laut: „dort! dort! seht den heiligen Georg und seine
Hülfe!" Alles starrt hin nach der wunderbaren Erscheinung,
und frischer Muth kehrt in die verdrossenen Herzen zurück.
Die Pilger raffen die letzte Kraft zusammen, der himmlischen
Hülfe nun gewiß, stürmen die Leitern hinan, erklimmen die
Mauern, und werfen alles vor sich nieder; auch Gottfrieds
Thurm bewegt sich in diesem Augenblick gegen die Mauer,
die Fallbrücke fallt, Gottfried und sein Bruder Eustach sind die
ersten auf der Zinne, und hinter ihnen her dringt ein Wald
von Lanzen vor. Hurah! die Stadt ist gewonnen, die Thore
werden eingeschlagen, und ein dichter Strom von Kreuzfahrern
walzt sich durch die Straßen. Aber wer beschreibt das Ge-
metzel, welches nun entstand. Die langverhaltene Wuth bricht
nun los, und sucht sich durch Mord zu stillen. „Gott will es
haben! Gott will es haben!" tönt durch alle Straßen. Ueberall
bildeten sich Lcichenhügel; denn die Sense des Schnitters kann
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Extrahierte Personennamen: Gottfrieds_Thurm Gottfried Raimund Georg Muth Gottfrieds Gottfried
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ergebenen Kaisern regiert wird, von denen einer dem andern
den Thron zu entreißen sucht.
Außer ihren europäischen Besitzungen — der jetzigen Tür-
kei — besaßen die Kaiser früherhin auch Klein-Asien und die zu-
nächst dahinter liegenden asiatischen Lander. Aber erst hatten die
Araber ihnen einige derselben entrissen. Dann kamen die Seld-
schucken, ein türkischer Stamm, aus den Gegenden hinter dem
Aralsee, und unterwarfen sich ganz Vorder-Asien. Ein Theil von
ihnen stiftete in Klein-Asien das Reich von Iconium, und
diese Seldschucken waren es, die den Kreuzfahrern bei ihren
Durchzügen so viel zu schaffen machten. So wie aber für jeden
Eroberer zu seiner Zeit ein Mächtigerer kommt, und ihn bezwingt,
so drangen in der Mitte des 13ten Jahrhunderts die Mongo-
le n, die in den Steppen von Mittel - Asien ihre Heerden weiden,
bis Klein-Asien vor, und machten dem Reiche von Iconium um
das Jahr 1300 ein Ende. Mehrere türkische Emirs hatten sich
in die Gebirge geflüchtet. Um den Glücklichsten sammelten sich
die Meisten. Dies war Osman, welcher den nordwestlichen
Theil von Klein-Asien eroberte, und der Stifter des os mani-
schen oder — wie wir es jetzt nennen — türkischen Reichs
wurde. Die Hauptstadt dieses neuen Reiches war Prusa. Die
Osmanen waren tapfre, kriegerische Leute, die alles ihrem
Schwerte verdanken wollten. Os man errichtete aus seinen Fuß-
soldaten das Corps der I a n i t sch a r e n, und aus seinen Reitern
das Corps derspahis, und ihrem wilden Andrange vermochte
lange keine Macht zu widerstehen.
Nicht lange, so setzten die Türken über die Meerenge, und
fielen ins griechische Kaiserthum ein. Die elenden, in innere
Streitigkeiten verwickelten Griechen waren viel zu schwach, sie zu-
rückzuwerfen, und mußten zusehen, wie ihnen die Türken die schön-
sten Provinzen Wegnahmen, und der Sultan Murad 1. gar
in Adrianopel seinen Sitz aufschlug. Mit Besorgniß sahen die
Fürsten des Abendlandes auf diesen keck vordringenden Feind
hin; aber lange konnten sie sich nicht entschließen, dem bedräng-
ten griechischen Kaiser Beistand zu leisten. Siegismund,
damals König von Ungarn — derselbe, der nachher deutscher
Kaiser wurde, machte sich endlich auf, und zog mit einem un-
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256
„Bist du Cokigni?" schrie Böhm, ein junger Offizier. „Ich
bin es!" war die Antwort, „achte meine grauen Haare!"
Mein Böhm stieß ihm den Degen tief in den Leib, zog ihn
rauchend wieder heraus, und hieb ihm so lange in's Gesicht,
bis er todt zu Boden sank. Sodann rief Böhm zum Fenster
hinaus: „es ist vorbei!" Guise aber rief hinauf: „der Herzog
von Angouleme will es nicht glauben, bis er ihn zu seinen Fü-
ßen liegen sieht." Man stürzte die Leiche hinab; Angouleme
wischte ihm das Blut aus dem Gesichte, um ihn zu erkennen,
und trat ihn dann mit dem Fuße.
Dies geschah im Hause des Admirals. Aber auch in den
Quartieren der andern Hugenotten hatte gleich nach dem Ge-
läute der Glocke der Mord begonnen. Die dazu angestifteten
Katholiken stürzten mit Mordgeheul von allen Seiten herbei.
Die Unglücklichen hatten sich meist schon zu Bette gelegt.
Schlaftrunken, halb angekleidet, kamen sie hervor, um zu sehen,
was es gäbe, und wurden sogleich niedergestochen. Einige woll-
ten sich nach der Wohnung Coligni's retten, wurden aber an
der Thnre mit der Pike- ermordet. Andere flüchteten sich nach
dem Louvre, um bei dem Könige Schutz zu suchen, wurden
aber von der Wache zuruckgetrieben, und sielen nun auf dem
Rückwege den Soldaten Guise's oder den Bürgerwachen in die
Hände, die fürchterlich unter ihnen metzelten. Nachdem alle,
welche sich auf der Straße hatten sehen lassen, ermordet waren,
schlugen die Mörder die Hausthüren ein, und drangen in die
Wohnungen. Wer beschreibt die Scenen des Jammers, die
sich nun überall darboten! Vater und Mütter wurden vor den
Augen der kreischenden Kinder, diese in den Armen ihrer El-
tern niedergehauen; überall hörte man das Schreien der Ver-
folgten, das Acchzen und Wimmern der Sterbenden und das
Mordgeheul ihrer Verfolger. So dauerte es bis zum Morgen.
Die aufgehende Sonne beleuchtete ein entsetzliches Schauspiel.
Ueberall lagen die Leichen auf den Straßen umher; aus den
Fenstern wurden die Getödteten hinauögeftürzt, während andere
durch die Straße nach der Seine hin geschleift wurden. Guise
und Andere vom Hofe schritten umher, und ermunterten die
Bürger, den versteckten Hugenotten nachzuspüren und sie zu
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235
rieten Personen, und schleppten sie ins Gefängniß. Die Richter
mußten schon am folgenden Tage das Urtheil über sie sprechen,
und es wurden schleunig die nöthigen Anstalten zur Hinrichtung
getroffen. Die Thore wurden geschlossen, unter Trompetenschall
den Bürgern verboten, die Wohnungen zu verlassen, oder nur
Fenster und Thüren zu öffnen. Jetzt gingen die Thore des
Pallastes auf, und die Verurtheilten, 94 an der Zahl, die An-
gesehensten des Königreichs, denen man nicht einmal das Abend-
mahl vorher zu genießen gestattet hatte, wurden in ihren Prunk-
kleidern, in denen sie vor zwei Tagen in froher Hoffnung er-
schienen waren, hinausgeführt auf den zur Hinrichtung bestimm-
ten Platz. Die ersten Reichsbeamten, die Reichsrathe, zwei
Bischöfe, die Vornehmsten des Adels, und der ganze Magistrat
von Stockholm, von Henkern geführt, schritten Paar und Paar
langsam vor. Christian selbst schaute aus einem Fenster des
Rathhauses herab. Einer der Bischöfe trat vor, und rief laut,
der König handle als ein Verräther an den Schweden; er
rief das Volk, welches ungeachtet des Verbots die Straßen
füllte, zur Hülfe auf, und sichte den Himmel um Rache an.
Dasselbe thaten mehrere Andere; das Volk wehklagte laut,
war aber wehrlos, und Viele darunter wurden von den däni-
schen Soldaten niedergehauen. Jetzt begannen die Hinrichtun-
gen. Alle starben gefaßt. Unter ihnen war auch Erichsons
Vater. Das Blut floß im eigentlichsten Verstände in Bachen
vom Markte nach den anstoßenden Gassen, und mit Recht wer-
den daher jene Ermordungen das Stockholmer Blutbad
genannt. Christi na, Sten Sture's Wittwe, sollte wählen,
ob sie wollte verbrannt, ertrankt oder lebendig begraben wer-
den. Endlich wurde ihr das Leben geschenkt, und sie zu ewiger
Gefangenschaft in Ketten verurtheilt. Die Leichname der Ge-
richteten wurden auf dem großen Markte in drei Haufen ge-
worfen, die Geistlichen, die Edelleute und die Bürgerlichen be-
sonders. So blieben sie, ein grauenvoller Anblick, drei Tage
lang liegen, und der häufig fallende Regen vermehrte noch das
Schreckliche der Scene. Unter den Verurtheilten waren auch
zwei kleine Knaben, von 6 und von 9 Jahren, deren Vater
dem Könige verhaßt war. Um sie recht zu martern, sollte der
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346
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der Kinder erstochen, Frauen kn den Armen ihrer Männer er-
würgt, und Kinder an der Wand zerschmettert. Nicht einmal
die schwachen Mädchen werden verschont. Manche, von ihnen
stürzen sich vor Angst von den Fenstern der oberen Stockwerke
hinunter, oder suchen in den Wellen der Elbe Rettung. Kroaten
machen sich ein Vergnügen daraus, Kinder, die auf den Gassen
herumirren und nach ihren Müttern schreien, bei den Beinen zu
ergreifen, und in die brennende Glut zu schleudern, oder sic zu
spießen, und langsam zu braten; Wallonen sah man, welche
Säuglinge an der Brust ihrer Mütter aufspießtcn, und mit höl-
lischem Gelächter umhertrugcn. In einer Kirche wurden 53
Frauen, die sich dorthin gcftüchtet hatten, die Hände auf den
Rücken gebunden, und dann die Köpfe abgeschlagen. Einige
Offiziere der Liga, von diesen Schändlichkcitcn empört, eilten zu
Tilly, der vor dem Thore auf seinem kleinen Grauschimmel hielt,
und baten ihn, dem Blukbade ein Ende zu machen. „Kommt
in einer Stunde wieder," antwortete er kalt; „ich werde dann
sehen, was ich thun werde. Der Soldat muß für seine Arbeit
auch etwas haben." Gleich anfangs war auf der einen Seite
der Stadt durch die Kaiserlichen Feuer angelegt worden, um die
Verwirrung zu vermehren; dasselbe hatten die Bürger in einem
andern Theile selbst gethan, um die Feinde abzuhalten. Jetzt
erhob sich ein Sturmwind, und peitschte die Flamme bald zu ei-
nem großen Feuermeere, und während unten das Mordgeheul er-
tönte, prasselten oben in der kochenden Luft die gen Himmel
schlagenden Flammen. Welch ein Tag! Die Flammen flogen
schnell von Straße zu Straße, und binnen zehn Stunden war
von einer der schönsten und wohlhabendsten Städte Deutschlands
nichts anders übrig, als die Domkirche, das Liebe - Fraucnklostcr
und eine Reihe elender Fischerhütten längs der Elbe. Alles Ue-
brige lag in Asche und Graus. Als nun ganze Straßen in Flam-
men standen, und die Luft glühte, mußten sich die Würger eiligst
zurückziehen.
Von diesem Tage an ist von Tilly alles Glück gewichen!
Bis dahin rühmte er sich, keine Schlacht verloren zu haben; von
nun an aber war der Segen des Himmels von ihm genommen,
und er fand bald feinen Tod. Wer könnte hierin wohl die gerechte
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527
Endlich trat auch Spanien gegen England auf, und auf den eu-
ropäischen Meeren wurde mit Erbitterung für und gegen Amc-
rika's Unabhängigkeit gekämpft. Unter den Kriegsthaten in Eu-
ropa ist keine berühmter geworden, als die Belagerung von
Gibraltar 1782.
Wir wissen, daß diese Felsenfcstung seit dem spanischen Erb-
folgekricge in den Händen der Engländer war. Sobald die Spa-
nier den Krieg den Engländern erklärt hatten, unternahmen sie
mit den Franzosen vereint, die schwierige Belagerung. Anfangs
versuchten sie es zu Lande; aber hier war der Angriff ganz un-
nütz, so lange die See offen blieb. Also wurde eine große Flotte
gegen den Felsen abgeschickt, und um ihn von dieser Seite zu be-
schießen, hatten die Franzosen eine besondere Art von Fahrzeugen
erfunden, die sie schwimmende Batterien nannten. Es
waren kleine runde, überall ganz bedeckte Schiffe von sehr star-
kem Holze und doppeltem Boden und Decke. Zwischen der äu-
ßern und innern Wand war Sand geschüttet, um die Gewalt
der feindlichen Kugeln zu lähmen, und oben waren sie außerdem
noch mit elastischem Korbgeflechte überzogen, damit die Kugeln
abprellen möchten. Zur Vorsicht waren sie noch mit einem künst-
lichen Nöhrenwerk versehen, durch welches beständig Wasser durch
die Wände getrieben wurde. Als endlich alle Nustungen fertig
waren, begann das fürchterliche Feuer. Aus 400 Kanonen und
Mörsern wurde so anhaltend geschossen, daß die Erde rings am
Ufer erbebte, und weithin Thürcn und Fenster zersprangen. Nur
Elliot, der englische Eommandant, erbebte nicht. An seinem
Felsen prallten alle Kugeln ab, und nun eröffncte er seinerseits
ein nicht minder heftiges Feuer. Auf glühenden Rosten ließ er
Kugeln erglühen, und schoß einen Hagel von Bomben und
Brandkugcln herab, daß die Schiffe der Spanier und Franzosen
hier und da, trotz aller Vorsichtsmaßregeln, vom Feuer ergriffen
wurden. Welche fürchterliche Scene zeigte sich nun! Die un-
glücklichen Seesoldaten sahen sich plötzlich vom Wasser, vom
Feuer und von den feindlichen Schüssen zugleich angegriffen; ein
dreifacher Tod schien sich um ihr Leben zu streiten. Da erbarm-
ten sich die Feinde selbst der Hartbedrängten. Sie stellten schnell
ihr Feuer ein, und eilten der Mannschaft mit edelm Eifer zu
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machen. Einige. Male prallten Kugeln gegen den Wagen, und
jeden Augenblick mußte die erhabene Familie erwarten, von
dem wilden Pöbel ermordet zu werden. Eudlich langte der
Wagen bei dem Stadthause in Paris an. Als der König
ausftieg, hörte man mehrere Stimmen rufen: „an die Laterne!
an die Laterne mit ihm!" Er entfärbte sich, siieg aber festen
Schritts die Stufen hinan, wo ihn der Maire empfing, und
den schönen Tag pries, welcher den König in die Mitte sei-
ner treuen Pariser führte. Der König crwiederte, er sey
mit Vergnügen gekommen, und die Königin äußerte, sie trete
mit Vertrauen in diese gute Stadt. So suchte man sich ge-
genseitig durch schöne Worte zu betrügen. Darauf wurde der
königlichen Familie das Schloß der Tuilerien zur Wohnung
angewiesen; aber hier war man so wenig darauf eingerichtet,
daß sie in der ersten Nacht auf geborgten Betten schlafen
mußten.
Von der Zeit an war der König ein Gefangener seiner
Hauptstadt, und hatte keinen Willen mehr. Die Nationalver-
sammlung verlegte nun auch ihren Sitz nach Paris; aber mehr
als 300 Deputirte, gerade die gemäßigsten, verließen die Ver-
sammlung, weil sie wohl sahen, daß sie künftig nicht mehr
mit Freiheit würden berathschlagen können. Das war aber den
Freunden der Unordnung gerade recht; nun hatten sie desto
freiere Hand. Der Ort der Versammlung war eine Reitbahn,
die im Garten der Tuilerien lag, und in der Geschwindigkeit
mit rundlaufenden Bänken in Form eines Amphitheaters, und
oben mit einer Gallerie für die Zuschauer versehen wurde. In
der Mitte des Saals stand der Stuhl des Präsidenten. Die
Freunde der Revolution hatten sich auf die linke Seite gesetzt;
die Gemäßigteren nahmen die rechte Seite ein. Auf den höch-
sten Bänken der linken saßen die wüthcndstcn Verfechter der
Volksparthei, und führten daher späterhin den Namen „der
Berg." Die Gallerie wurde von solchen Leuten eingenommen,
welche sich über die sichtliche Zunahme der Unordnung freuten.
Sie klatschten den heftigsten Volksrednern Beifall zu, und
zischten dagegen die Reden der Vernünftigeren aus. Dafür
wurden sie von den Revolutionsfreunden reichlich^mit Speise
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707
So war also abermals so vieles Menschenblut vergebens
geflossen, um Europa von den Anmaßungen Napoleons zu be-
freien, und wohl konnte man es den Gutgesinnten nicht ver-
argen, wenn sie an der Hoffnung verzweifelten, bessere Zeiten
zu erleben. Aber so pflegt cs die göttliche Vorsehung zu ma-
chen: will sie die Menschen in einen glücklichern Zustand füh-
ren, so läßt sie es erst recht arg werden, damit sie das Glück
der bürgerlichen Ruhe recht erkennen, sich mit vollem Verteauen
an Gott halten, und die schlummernden Kräfte Hervorrufen
und üben. Dann kommt sie mit ihrer Hülfe, ehe wir es den-
ken, wenn es die rechte Zeit dazu ist; vorher aber scheitern
alle menschlichen Entwürfe. Gerade so war es auch bei der
Deformation; Wiklefs, Huß's und anderer wacftrn Männer
Bemühungen scheiterten, bis es Luther, Melanchthon, Zwingli
und Calvin gelang, weil es da der Wille der Vorsehung war.
Baiern'." Eben will er aus der Hinterthüre entspringen, als er
schon das Geräusch von Flintenkolben hört, welche die Soldaten
vor der Thüre auf die Erde setzen- Er fliegt nach der Vorder-
thüre; aber hier sieht er eben 7 Manu von dem Berge herab
ihm eutgegenkomnien. .Doch die Geistesgegenwart verlaßt ihn
nicht. Er ergreift einen kleinen Schlitten, der an der Schwelle
liegt, wirft ihn, als wäre er ein Knecht des Hauses, auf die
Schultern, und geht damit den Soldaten, als wolle er Holz aus
dem Walde holen, getrost entgegen. Die Baiern rufen ihm zu,
ihnen aus dem Wege zu gehen; er aber erwiedert ihnen keck,
das sey ihre Pflicht; er habe noch drei Lasten Holz nach Hause
zu fahren, und so entkommt er in den Wald. — Nachmals lebte
er in einer Höhle, ganz mit Schnee bedeckt, unter den größten
Entbehrungen. Hier verrenkte er sich einst die Hüfte; mit Mühe
kroch er nach seiner Wohnung, wo ihm der treue Knecht unter
den Dielen des Stalles ein Lager bereitete, in welchem er, mit
Mist und Stroh bedeckt, kaum athmen konnte. Hier lag er fast
7 Wochen verscharrt; nur der Knecht kannte seinen Aufenthalt,
und speiste ihn täglich. Oft gingen Baiern, ihn suchend, über
ihn hinweg. Als seine Frau nun hörte, wo er so lange gewesen,
weinte sie überlaut. Nachdem er sich etwas erholt hatte, floh
er über die Gebirge, ohne Rast, weil ihn die Kalte nicht lange
ruhen ließ, bis er endlich Oestreich erreichte.
45 *
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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718
mußte sich Fürst Schwarzenberg, der die Oestreicher und
Sachsen befehligte, mit dem russischen Heere, welches von der
Türkei kam, herumschlagcn. Wir können hier nur Napoleon
selbst auf seinem Zuge begleiten.
So wie er vorrückte,, zogen sich die Nüssen unter Bar-
>clay de Tolly's Oberbefehl zurück, weil sie zum Wider-
stande zu schwach waren, und brannten ihre Magazine ab.
Erst bei Smolensk machten sie Halt. Diese Stadt gilt
den Nüssen für heilig, theils wegen ihres Alters, theils weil
sie ein wunderthatigcs Marienbild enthalt. Schon murrten
sie über das Zurückweichen ihres Feldherrn; hatte er die hei-
lige Stadt nicht vertheidigt, so wäre es um sein Ansehen
ganz geschehen gewesen. Hier stellte er seine Russen auf; jen-
seits rückten am 16ten August die Franzosen stürmend gegen
die Stadt heran. Die Nacht brach über dem Gefechte ein.
Es war eine fürchterliche Schlacht, die am Morgen des 17tm
begann. Die Nüssen vcrtheidiglen die Stadt mit Heldenmuth,
und wie auch die Frauzofen heranstürmten, und mit einem
Hagel von Kanonenkugeln Menschen und Mauern niederstürz-
lcn, doch wankten jene nicht. Am Abend endlich ließ Napo-
leon Granaten in die Stadt werfen; dicke schwarze Rauch-
wolken stiegen auf, endlich walzten sich ungeheure Flammen-
siröme gen Himmel, und verzehrten die Stadt größtentheils.
Der Kaiser betrachtete, vor seinem Zelte sitzend, das entsetzliche
Schauspiel in tiefem Schweigen. Wahrend der Nacht zogen
die bluffen ab, und am andern Morgen rückten die Franzosen
in die mit Schutt, Asche und gräßlich zerfleischten Leichen er-
füllte Stadt ein. Schweigend und in sich gekehrt, durchritt
Napoleon die öden Gaffen, durch welche sich die französischen
Verwundeten schleppten, und sein Blick verweilte auf den rau-
chenden Aschenhaufen, auf welchem einige ausgedörrte und vom
Feuer geschwärzte Menschcngerippe lagen.
Rasch folgte Napoleon den zurückgehenden Russen. Diese
aber murrten laut über Barclay de Tolly, daß er keine ent-
scheidende Schlacht wagen wollte, und ließen den Muth sin-
ken. Um ihn neu zu beleben, schien dem Kaiser nöthig, ihnen
einen andern Feldherrn zu geben. Kutusow, ein Wassen-
M
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Fürst_Schwarzenberg Napoleon August Napoleon Napoleon Barclay_de_Tolly Muth
722
gcnden Gefahr bringen. Nasch schritt er vor unter dem Sau-,
sen der Flammen, dem Knistern der Lohe, und vor, hinter
und neben ihm krachten Gewölbe zusammen, und brennende
Balken stürzten nieder. Die Hitze war kaum zu ertragen, und
der Nauch zum Ersticken. Schon stockte der Kaiser; zu seinem
Glück erkannten ihn plündernde Soldaten, stürzten herbei, und
rissen ihn mit halbverbrannten Kleidern aus den rauchenden
Trümmern. Er bezog ein Schloß in der Nahe Moskau's.
Wahrend des beispiellosen Brandes drangen die Soldaten
plündernd durch die Straßen, schlugen Hausthüren ein, begin-
gen jede Unthat, eilten mit Schätzen beladen davon, und viele
von ihnen verbrannten elendiglich, weil sie aus dem brennen-
den Chaos keinen Ausweg mehr fanden. Denn am löten
September hatte sich ein furchtbarer Sturm erhoben, der die
einzelnen Flammen zu einem* Ocean von Feuer angeblasen
halte, und diesen fast über die ganze Stadt verbreitete. So
wahrte cs bis zum 6ten Tage; da erst erlosch das Feuer nach
und nach, weil es ihm an Stoff gebrach; nur der zehnte
Theil der Häuser war erhal-tcn worden, alles klebrige, die herr-
lichsten Palläste, die kostbarsten Kirchen, die seltensten Samm-
lungen und die größten Neichthümer in Asche und Graus
versunken.
So war denn also die auf Moskau gegründete Hoffnung
der Franzosen zu Grunde gegangen, und nun hätte Napoleon
sogleich umkehrcn sollen, um die noch gute Iahrszcit zum Rück-
züge zu benutzen. Aber sein Geist war verblendet, weil die
Vorsehung den Untergang seiner Macht beschlossen hatte. Ver-
gebens wartete er, daß ihn Alexander um Frieden bitten sollte,
und da dies nicht geschah, so trug er selbst den Frieden an;
aber Kutusow hielt ihn mit Fricdcnshoffnungen hin, bis der
Winter vor der Thüre war. Indessen war das russische Heer
von Tage zu Tage stärker geworden, während das französische
sich täglich durch Krankheiten verminderte, und besonders wa-
ren die Pferde im kläglichsten Zustande; kaum konnten sie sich
selbst schleppen; wie sollten sie also das viele Gepäck, die
reiche in Moskau gefundene Beute nach Frankreich bringen?
Am 19ten October verließ Napoleon Moskau, nachdem er
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Alexander Alexander Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Moskau Moskau Frankreich Moskau