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1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 24

1901 - Glogau : Flemming
— 24 — und schon darin wird ein Faktor der Bedeutsamkeit gegeben, daß Frankreich überhaupt Anteil am Mittelmeer hat, das, Uue es neulich noch Höckel ausgesprochen hat, als das „interessanteste aller Meere" bezeichnet werden muß. Die Franzosen hat es daher auch von je mehr zum Mittelmeer als zum Ocean gezogen, und ihr politischer Ehrgeiz laust darauf hinaus, das Mittelmeer zu einem französischen See nmznstempeln.1 Sie haben am afrikanischen Rande wichtige Kolonieen erworben - und wachen eifersüchtig darüber, daß der Kanal von Suez ihnen jederzeit offen steht. Die Flotte überhaupt, hat man gesagt, ist für den Franzosen mehr eine Frage der politischen Notwendigkeit, und ihn fesselt vor allem sein schönes Heimatland. Wir wollen uns jetzt diese belle France etwas näher ansehen. Ein Blick aus die Karte überzeugt uns, daß wir in dem heutigen Frankreich den Nordwesten von dem Südosten und Süden unter- scheiden müssen. Dort haben wir Getreide- und Waldboden, hier von Burgund bis Bordeaux die Rebenzucht, wozu noch im Süden die Pflege des Maulbeerbaums, der Olive hinzutritt, so daß Seide, Ol und Südfrüchte als einheimische Erzeugnisse in Betracht kommen. Dort herrscht die Sprache langue d'oni, hier gilt die langue d'oc, die provenyalische Mundart: dorthin sind Franken eingewandert, hier sinden wir Burgunden und Westgoten als älteste germanische Zuzügler vor; dort ist kirchliche ^Einheit vertreten gewesen unter dem rex christianissimus oder tres chretien, hier hat sich seit den Zeiten der Albigenser und Reformierten die Ketzerei geltend gemacht. Die Haupt- fache aber ist, daß sich von der breit gelagerten Ebene des Nord- Westens, ebenso hier wie in England und Deutschland, die monarchische Einheit des Landes vollzogen hat. Dank solchen energischen Königen wie Ludwig Xi. und Ludwig Xiv. und den allgewaltigen Ministern Richelieu und Mazarin hat sich Frankreich zu einem geschlossenen einheitlichen Staatsgebilde entwickelt und seine politisch überlegene Stellung sehr auf Kosten des zersplitterten Deutschlands ausgenutzt. Die schroff durchgeführte Centralifierung in Frankreich schließt nicht aus, daß wir innerhalb des Landes sehr verschiedenartigen territorialen Typen begegnen. Wenn wir nun diese einzelnen Landschasten charakterisieren wollen, so sehen wir ab von den Territorien, die erst seit wenig über 40 Jahren sranzöfifch geworden sind, von Savoyen und Nizza. Dort haben..wir Europas Eisriesen, den Mont Blanc mit seiner unwirtlichen Ode, hier den entzückendsten Küstenstrich der Riviera mit seinen Palmen und Agaven. Wir wenden uns zu älterem sranzösischen Besitztum und beginnen zunächst mit dem Südosten Frankreichs. Das sran- 1 Wecken der Freundschaft mit Italien wurde es auch jüngst genannt: das lateinische Meer par excellence. 2 Deren Gebiet sich jetzt bis zum Kongo erstreckt.

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 42

1901 - Glogau : Flemming
— 42 — Ferner ist zu beachten, daß der Boden dort mit Stauden und Zwiebel- gewachsen bedeckt ist, daß aber bei dem Mangel an sommerlichem Regen ganz die rasenbildenden Gräser fehlen. Statt des Rindviehes und der Pferde erscheinen als Haustiere Büffel und Maultiere. Die Butter entbehrt man ganz und ersetzt sie durch Ol. — Was sonst die Vegetationsformen betrifft, so sind ja vom Altertum her bekannt die Pinie, der Lorbeer und die Cypresse. Letztere in ihrer bleistift- ähnlichen Form hat den Orientalen als Vorbild für ihre Obelisken und Minarets gedient. Es hat doch aber in diesen Gebieten künstliche Einführung und Übertragung fremdartiger Gewächse sehr umgestaltend auf das Pflanzenkleid eingewirkt. Wir können uns Süditalien und Sicilien heute gar nicht ohne die stachligen Agaven denken, und doch sind sie erst seit Entdeckung der neuen Welt dorthin übergesiedelt. Alan muß es daher als einen Anachronismus bezeichnen, wenn Preller seine Odysseelandschaften überall mit diesen Agaven schmückt. Zum heutigen Landschaftsbilde gehören ferner die Agrumen und Gold- orangen, von den Magnolien mit ihren Tulpenblüten ganz zu ge- schweigen. Die Citrgsarten sind aber aus Indien über Persien ein- geführt, und der Name Apfelsine deutet schon ohne weiteres in seinem Namen: chinesischer Apfel auf die fremdländische Herkunft. Peschel sagt mit Recht, daß die Flora des europäischen Südens, namentlich Italiens, mit der Zeit völlig umgewandelt ist und als Kunstprodukt alter Kulturvölker bezeichnet werden muß. Er fügt dann aber weiter hinzu, daß die Pflanzengebilde Südeuropas ästhetisch unendlich höher stehen, und daß man sast betroffen ist, wenn man nach Norden zurück- kehrt, über „die Ordinärheit der Pflanzenwelt, deren Laub- und Nadelholzmassen schier ungeschlacht und grob erscheinen. Darum" — und dies ist sein geistvoller Schluß — „ist der Kunstsinn hier im Süden so früh geweckt worden. Das Akanthusblatt wurde zum Vorbilde der Arabesken an der korinthischen Säule, das Laub des Lorbeers schmückte die Stirn des Siegers, und der Zapfen der Pinie krönte den Thyrsusstab." Wenn wir die südeuropäischen Halbinseln betrachten, so gebührt der mittelsten der Vorzug, den unverfälschtesten Ausdruck dieses be- sonderen europäischen Ländertypus in sich darzustellen, also Italien. Das alpine Hochgebirge schützt die Halbinsel gegen alle klimatische Rauhigkeit des Nordens; nur ab und zu spürt man den Wind, die tramontana, und namentlich im Süden entwickelt das Land allen Reiz einer ganz eigenartigen Flora und einer weichen, gleichmäßigen Himmelsluft. Das sind die Eindrücke, die Platen die Verse eingaben: Zeit nur und Jugend verlor ich in Deutschland, Lebenserquickung Reichte zu spät Welschland meinem ermüdeten Geist!

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 52

1901 - Glogau : Flemming
mögen zwei Schilderungen dienen. Die erste beschreibt uns die Frucht- ebene am Fuße des Monte Pellegrino in Nordsicilien.1 „Reihen riesiger Agaven ziehen sich längs der Landstraße hin oder trennen als Zäune die Privatbesitzungen und tragen aus ihren 10 m hohen Stengeln die armleuchterartig geordneten Blütenbüschel stolz zur Schau. Haushohe Kakteen, die ihr stachliges Gezweig zu undurch- dringlichem Labyrinth durchfechten, werden in der Ebene sorgsam gehegt oder überdecken aus der Höhe weiten Raum nackten Gesteins. Dattelpalmen ragen hoch empor, nicht die schwächlichen Treibhaus- pflanzen, wie sie an anderen Stellen Italiens gezogen werden, sondern Palmen, wie sie Thebens Tempel überschatten und sich im Winde der Wüste wiegen. Orangenwälder, hier in voller Naturwüchsigkeit, würzen die Lust, der Ölbaum gedeiht zu riesiger Größe, üppige Oleanderbüsche prangen mit weißen und roten Blütensträußen. Mit Recht nennt der Sidlianer diese Fruchtebene die eonea d'oro, die goldene Muschel, und die Perle dieser Muschel ist — Palermo." Und nun denke man sich am Feste der heiligen Rosalie im Juli den kolossalen Triumphwagen von über 25 m Höhe, von 56 Maultieren gezogen, mit Spielleuten, Heiligen und Engeln angefüllt, durch diese Ebene gezogen und von namenlosem Jubel ungeheurer Volksmassen empfangen, so wähnt man sich nach Indien versetzt, wo der Wagen des Jaggernant unter ähnlichem Gepränge seinen Umzug hält. — Die zweite Stelle findet sich in der Nähe des alten Syrakus. Die Pracht und Lebendigkeit des alten Syrakus, das zu den volkreichsten Städten des Altertums zählte und wohl eine Million Einwohner ge- habt haben soll, ist allerdings unwiederbringlich dahin; das heutige Siragosa ist ziemlich armselig. Aber noch existieren die alten Latomien (Steinbrüche), und ihnen gilt unser Besuch. Senkrechte Felswände von über 30 in umgeben ebene Grundflächen, die wie Saalräume neben einander liegen. Die steilen Höhen von rotem Kalkstein sind dicht mit saftigstem, großblättrigem Epheu bedeckt; den entzückendsten Eindruck macht aber die Tiese da unten. Kein Gewächshaus kann nämlich eine schönere Vegetation aufweisen. Da sehen wir in üppigem Durcheinander Orangen, Citronen, Oleander, Myrten, Granaten, Feigen, die prächtigsten Dattel- und Daturabäume, und am Boden Hyacinthen, Jonquillen, Tazetten, Veilchen, Lack, rote und weiße Kletterrosen. Und über einer solchen Vegetation, sagt der bewundernde Beschauer, wölbt sich der tief dunkelblaue Himmel. ^ 1 Nach Daniel. 2 Auch berühmte Bäume giebt es in Sicilien, so die Edelkastanie am Ätna, der castagno di centi caa~alli, dessen Umfang Berlepsch auf 50 m angiebt („es sind fünf Astkolosse, die aus einem Stammfundament emporgesprossen sind"). In den Höhlungen anderer Kastanien zündet sich der caprajo (Ziegenhirt) sein Feuer an, um das Abendbrot zu bereiten, und dennoch griint der unverwüstliche Baum weiter.

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 63

1901 - Glogau : Flemming
— 63 — fuhr des Landes ist ansehnlich an Korinthen, den kleinen getrockneten Beeren des Rebstocks, und dann an Wein, worunter jetzt wieder der Malvasier, das Gewächs Spartas, gleich wie im Mittelalter zu Ehren kommt. Hinderlich ist auch hier der Mangel an Waldwuchs, und die vorzugsweise gehegten Ziegen lassen auch nicht recht die Bäume gedeihen. Eine vornehme Einnahmequelle und ein wertvolles Kapital an Interesse und Beachtung bleibt Griechenland aber immer durch den stets wachsenden Zuzug der Fremden, die die klassischen Er- innerungen veranlassen, dem Lande des Perikles, Plato und Sophokles einen mehr oder minder intensiven Besuch abzustatten. Athen ist daher mächtig gewachsen; noch in der Türkenzeit hatte es 20000 Einwohner, jetzt 108000. So wie Edinburgh in Leith seinen Hasen hat, so heißt Athens Hafen Piräus. Landet man dort, so winken uns schon der Pentelikon, der Hymettos und Lykabettos entgegen. Fast unmittelbar an letzterem liegt der Königspalast der neugegründeten Dynastie und unweit davon die Akropolis mit ihren ehrwürdigen Bauresten. Was sonst die Ortschaften in und um Griechenland betrifft, so haben die 500 östlich gelegenen Inseln lange nicht mehr die Bedeutung wie im Altertum. Es ist so, als wenn die ganze Entwickelung des Landes die körperliche Drehung eines Menschen gemacht hätte; das Antlitz des Landes sieht nicht mehr nach Osten, nach Asien, sondern man kann sagen, nach Westen, wo die Schwerpunkte europäischer modernster Civilisation liegen. Darum sind die westlich von Griechenland be- findlichen Inseln sehr emporgekommen; man zählt ihrer ungefähr 100. Volkswirtschaftlich und in Bezug auf Intelligenz haben sie einen be- deutenden Vorsprung; sie gravitieren nach Italien, haben eine Volks- dichtigkeit, die diesem benachbarten Königtum ziemlich gleichkommt, und Korfu (Universität) und Zakynthos sind in jeder Beziehung be- achtenswerte Städte. Von den slavischen Landschaften der Balkanhalbinsel, die wie Montenegro immer selbständig gewesen sind oder sich neuerdings von der türkischen Oberhoheit losgerissen haben, scheint Bulgarien nebst Ostrumelien wirtschaftlich am günstigsten zu stehen. Es hat in Varna und Burgas Häfen am Schwarzen Meere, verfügt noch über nam- hafte Waldbestände und kann erhebliche Mengen Getreide ausführen. Auch nimmt, wie in der Türkei, der Rosenstrauch als Ackergewächs weite Flächen ein, so daß an Rosenöl über 1 x/2 Millionen Lei (— 1 Frank) in den Handel kommt. Die beiden andern Staaten, das Königreich Serbien und das Fürstentum Montenegro, stehen wirtschaftlich zurück und sind schon um ihrer Lage willen ganz von Osterreich abhängig, das über Belgrad und Eattaro den Handels- verkehr besorgt. Serbien ist nicht unfruchtbar, spielt aber zumeist durch seine Schweinemast eine bedeutsamere Rolle. Die Serben um- gab seit älterer Zeit eine ganz eigene Romantik, ihre Volkslieder

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 67

1901 - Glogau : Flemming
— 67 — werk der römisch-katholischen Kirche betrachtet werden. Diesen Ruf hat es sich seit Kaiser Ferdinand Ii. erkämpft. Schon war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Protestantismus im Oster- reichischen gewaltig verbreitet. Um 1560 rechnete man 20, ja 60 Lutheraner auf einen Katholiken, um 1600 war in Kärnten nur der zwanzigste Teil der Bewohner katholisch, da kam die er- folgreichste Reaktion der katholischen Kirche. Ferdinand Ii., der in Steiermark, wo er srüher herrschte, mit eisernem Besen die neue Lehre ausgerottet und der in Loretto gelobt hatte, seine Dienste wie in Spanien Philipp Ii. dem alten Glauben zu weihen, ist nach seinem Siege in Böhmen auf das unbarmherzigste darauf bedacht gewesen, alles in seinem Lande katholisch zu machen. Er wolle lieber in einer Wüste herrschen, sagte er, als über einen Staat voll Ketzer. Und wirklich haben er und seine.nachfolger es erreicht, daß der Katho- licismus uneingeschränkt in Österreich Geltung hat. Im 18. Jahr- hundert ist ein zweiter unduldsamer Fürst in den Gebieten, die jetzt im österreichischen Staatenleibe vereinigt sind, zu erwähnen. Es ist der Erzbischof Firmian von Salzburg, der seine protestantischen Unter- thanen grausamer Weise aus dem Lande trieb. Zum Glück fand sich ein Landesfürst, Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der die Ver- triebenen mit offenen Armen aufnahm und ihnen in Litauen neue Wohnsitze anwies. Heute bilden diese Salzburger Kolonisten einen erfreulichen und wertvollen Zuwachs der alteinheimischen preußischen Bevölkerung, und die damals geübte fürstliche Wohlthat hat tausend- fältige Frucht getragen. — Ist nun aber auch Osterreich ein Hort des Katholicismus, so hat darum doch nicht die ganze Monarchie einen einheitlichen Glauben. Je weiter nach Osten, desto bunter wird die Mischung, und in einzelnen Städten hat man viererlei, sogar sechserlei Gotteshäuser. Da finden sich Anhänger der griechischen Kirche, die aber noch den Papst als Oberhaupt anerkennen, daneben aber auch orthodoxe Griechen, die sich ganz losgesagt haben; Evangelische Augsburger Konfession erscheinen neben Evangelischen Helvetischer Konfession. Die Israeliten bilden mit fast 2 Millionen, namentlich in Galizien, einen starken Prozentsatz der Bevölkerung, und endlich zählt „die apostolische Majestät" des österreichischen Kaisers seit der Besitzergreifung von Bosnien und der Herzegowina auch islamitische Unterthanen, die durch die Stimme der Muezzine in ihre Moscheen gerufen werden. Die zweite Kulturaufgabe, die Osterreich seit je obgelegen hat und die auch heutzutage als sein nobile officium zu betrachten ist, besteht darin, das Deutschtum unter dieser östlichen und fremdartigen Bevölkerungswelt aufrecht zu halten und ihm stets und immer den gebührenden Rang in dem seltsamen Völkergemisch zuzuweisen. Wie ein Keil schiebt sich das Deutschtum an der Donau zwischen den

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 68

1901 - Glogau : Flemming
— 68 — Nordslaven und Südslaven vor und hat sich hier eine wenn auch gefährdete, so doch ungemein dankenswerte Stellung geschaffen. Schon unter den Babenbergern war im Mittelalter Osterreich ein teurer deutscher Besitz. Hier fand die edle Sangeskunst die aufmerksamste Pslege, und Walther von der Vogelweide hat oft und gern bei den babenbergischen Herzögen geweilt. In den früheren Jahrhunderten hat man den Deutschen auch von je ihre bevorrechtete Stellung be- lassen, neuerdings erhebt sich, da sich die Völker der anderen Zungen von ihren alten Lehrmeistern emancipiert haben, ein gewaltiger Kamps gegen das Vorrecht der Deutschen. Numerisch können ja unsere Stammesbrüder auch nicht mehr ihre Überordnung ausrecht erhalten; denn unter den über 40 Millionen österreichischer Staatsangehörigen giebt es nur etwa zum vierten Teile Deutsche. Ein Glück ist es, daß ihre sprachlichen Gegner, die alle zusammen die bedeutende Majorität haben, unter sich nicht einig sind und daß so das alte lateinische Wort divide et impera einigermaßen zur Geltung kommt. Den Deutschen stehen gegenüber Magyaren, jener eigentümliche Volks- stamm, der als einziger unter den nichtindogermanischen in Europa1 sich eine beachtenswerte Stelle in der oceidentalischen Kulturwelt er- obert hat, Tschechen in Böhmen, Polen und Ruthenen in Galizien, Slowenen in Kram, Kroaten und Serben südlich davon, Slovaken im nördlichen und Rumänen im südöstlichen Ungarn, endlich Italiener in Jstrien und Südtirol. Wenn der alte Jahn Österreich einen „Bölkermang" nennt, wo für die Gesundheit des Kaisers in 7 Sprachen gebetet wird, so dürste dies Rechenexempel heute noch nicht einmal genügen. Recht bunt erscheint diese Mischung der Nationalitäten in der ungarischen Neichshälste, und man hat zur Charakterisierung der Bevölkerungselemente das boshafte Beispiel erfunden, wonach der Deutsche, als er mit seinen Kameraden einen Raum verläßt, äußert, da stand ein silbernes Kruzifix. Der Magyar antwortet darauf: das hätten wir können stehlen. Der Slovake sagt mit schmunzelndem Gesicht: hob's schon, und der Rumäne raunt ihm zu: host's gehobt; denn in demselben Moment hat er dem Kameraden das gestohlene Gut schon wieder wegstibitzt. — Die transleithanische Hälfte der Monarchie hat unter diesem Gegensatz der Nationalitäten weniger zu leiden als die diesseitige, und hier ist namentlich in Böhmen der Kampf recht erbittert. Es sind wohl 3/<t der Bewohner Tschechen, und selbst in Prag zählt man nur 1/1 Deutsche. Jener tschechische Kutscher brummte, die Deutschen gucken uns rund herum ins Böhmer- land hinein, und wirklich ist es so. Die Randgebiete sind im Besitze der fleißigen Deutschen, die die Landwirtschaft und den Hopfenbau am intensivsten betreiben, so daß Leitmeritz als böhmisches Paradies 1 Er ist aus türkisch-filmischen Volkselementeu zusammengesetzt.

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 69

1901 - Glogau : Flemming
— 69 — gilt; ebenso sind die Jndustriebezirke vorzugsweise von den Deutschen bewohnt. Das erweckt den Neid der Tschechen, und in unseren Tagen wogt da ein heißer Streit. — Wenn man alle diese verschiedenen Nationalitäten ins Auge faßt, so fragt man wohl erstaunt, was hält denn diese. Völkergruppen eigentlich noch zusammen? Die Antwort ist: Die gemeinsame Dynastie und — die deutsche Heeressprache. Das ist der letzte, aber ein recht fester Kitt, und wenn die Tschechen beim Namensaufruf mit ihrem Zde! statt: Hier! antworten, so kommen sie übel an. — Die österreichischen Slaven sind uns ziemlich fremd; aber wir müssen beachten, daß Ortsnamen in Kram identisch sind mit pommerschen, wie z. B. Triglaw; es erinnert ja auch die Bezeichnung für den Peloponnes Morea an Pommern (= po more am Meere; Morea heißt Meerland). Endlich mögen wir in Norddeutschland noch bedenken, daß die herumziehenden Drahtbinder und Mausefallenhändler ungarische Slovaken sind, die sich in ihrer walachifchen Schafhirten- tracht recht malerisch ausnehmen. An ihnen können wir den süd- slavischen Typus studieren. Was die örtliche Lage des österreichisch-ungarischen Staates be- trifft, so ist zunächst eines zu bemerken. Ein jedes Volk sucht mög- lichst zum Meere zu dringen, denn von ihm strömen Waren und Reichtümer in das Land. Für Österreich ist als Axe alles Aus- tausches und Handelsverkehrs die Donaustraße gegeben, und gerade da, wo diese Straße sich am meisten dem Meere nähert, sind alle Vorbedingungen für die Entwickelung eines großen Gemeinwesens erfüllt. Ein Blick auf die Karte genügt, um zu erkennen, daß alle diese besonderen und günstigen Umstände bei Wien zutreffen. Und wenn man fagen will, der Handelsverkehr in Österreich hat mehr eine nordsüdliche als eine ostwestliche Richtung, so erscheint um so mehr Wien als selten bevorzugt. In der That, die Kaiserstadt ist „der Spinne im Kreuz" zu vergleichen; wir haben an dieser Stelle den „Tummelplatz des Orients und Occidents", und von Ost und West, von Nord und Süd laufen alle Verkehrs- und Handelsstraßen auf dieses Centrum. Der Meereshafen von Wien tft, Triest, die citta fidissima, das südliche Hamburg. Und dieselben Überlegungen erklären uns auch das Emporkommen der Konkurrentin von Triest, des zur ungarischen Reichshälfte gehörigen Fiume (ad flumen). Wenn die polnisch-ungarischen Völker den Weg zum Meere suchten, so traf etwa von Lemberg aus ihre Straße den Golf von Quarnero, eben da, wo Fiume liegt und wo auch heute der große Schienen- sträng der Bahn, die von Lemberg zum Meere sührt, mündet. Und an dem Schnittpunkte dieser uralten Handelsstraße mit der Donau liegt — Budapest, die Hauptstadt der ungarischen Monarchie. Durch unsere bisherigen Ausführungen erhellt die hohe Bedeutung der iftri- schen Halbinsel für die österreichisch-ungarische Monarchie. Wie eine

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 70

1901 - Glogau : Flemming
— 70 — „Weintraube" hängt sie in das Meer hinaus, und dies Bild paßt vorzüglich, mag man dabei an die südliche Vegetation denken oder an den üppigen Reichtum, der sich an den Besitz des Landes knüpft. An der Spitze der Halbinsel liegt Pola, das schon zur Römerzeit wichtig war und das man jetzt als Kriegshafen der österreichischen Marine das österreichische Portsmouth nennt. Ebenso hat Luffin Piccolo im Quarnerifchen Busen eine große Anzahl von Fracht- schiffen. Der eigentliche Wohlthäter Triests ist Karl Vi., und seit 1833 begann der österreichische Lloyd seine Dampser zu bauen, um den Verkehr mit dem Orient zu unterhalten. Aber es ist thöricht, wenn jetzt französische Hetzblätter Italien einreden wollen, in betreff des Mittelmeeres und des Handels auf ihm drohe ihm nicht von fetten Frankreichs die Gefahr, sondern Osterreich habe es zu sürchten. Denn Triest und die dalmatinischen Häfen liegen doch nur an einem Busenmeer des ohnedies schon als Binnenmeer zu betrachtenden Mittelmeers. Die Handelsrichtung dieser österreichischen Häsen geht nach dem östlichen Mittelmeer, „nach der Levante. In Bezug aus den oceanischen Handel kommt Osterreich wenig in Betracht, es be- sitzt auch keine Kolonieen. Die wachsende Bedeutung Triests könnte also höchstens Venedig unbequem werden, das früher so verächtlich von dem Schilfrohrnest (slav. Terst = Schils) zu sprechen pflegte. Die große Ausdehnung der österreichisch-ungarischen Monarchie ^Cattaro 42^°, Reichenberg beinahe 51° n. Br.; Bregenz beinahe 10°, Ostgrenze 261// ö. L.) bedingt es, daß sich in Natur und Klima bedeutsame Gegensätze ergeben werden. „In den Umgebungen von Triest sieht man nichts als Weinberge, Ölbäume und Gärten voll Feigen, Oleandern, Granaten, Pfirsichen und sogar einige Cypressen. Dagegen haben wir im österreichischen Schlesien ein rauhes Gebirgsklima; in Galizien brechen sich die kalten Nordwinde an den Karpaten und fallen auf das Land zurück, und die Weichsel hat 14—20 Tage den Eisgang fpäter als die Oder, und gar 3—4 Wochen beträgt der Zeitunterschied gegen die Schmelzperiode der Donau. Natür- lich sind bei den vertikalen Erhebungen die klimatischen Gegensätze von ähnlicher Schroffheit. Riva am Gardasee genießt alle Vorzüge der oberitalischen Seeuser, die Edelkastanie, des südlichen Alpenlandes schönster Laubbaum, entfaltet ihre mächtige Krone, und bei den österreichischen Eisriesen der Tauernkette wagt es kaum noch der be- haarte Gletscherhahnensuß, gegen die unwirtlichen Gipfel vorzudringend Görz nennt man das österreichische Nizza, Töplitz- ist das böhmische Paradies, und im Karst haben wir eine völlige Wüste, ohne Baum und Strauch, ja sast ohne krautartige Pflanzen, wo nur nackte ' Er dringt nvch bis 3600 in nach oben vor. * Ebenso Reichenberg. S. oben.

9. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 71

1901 - Glogau : Flemming
— 71 — Steinhaufen das Land bedecken und die eisige Bora über den Boden fegt. Außer diesen physikalischen Gegensätzen werden wir in merkan- Wischer und wirtschaftlicher Beziehung genug Unterscheidungen inner- halb der völkerreichen Monarchie vorfinden, und wir wollen zu diesem Zwecke die vornehmsten Landschaften nacheinander einer Besprechung unterziehen. Man zählt im Osterreichischen Alpen-, Sudeten-, Karpaten- und Karstlandschaften auf. Wir wollen zunächst mit den Sudetenland- schasten beginnen. Voran steht Böhmen, das nördlichste Kronland — aber darum nicht das schlechteste. Es ist ein von Sw nach No ab- gedachtes Terrassenland von archäischer Bodenformation mit jüngerem Eruptivgestein und hat daher Kohlen, was für Österreich sehr wesent- lich ist. Denn das salz- und eisenerzreiche Gebiet der Ostalpen steht nun in blühendstem Austausch mit dem kohlenreichen, aber salzarmen Böhmen. Aber auch sonst ist Böhmen ein Industrieland ersten Ranges und hat in seinem Nordostrande eine Volksdichtigkeit von über 150 Menschen auf 1 □km. Reichenberg blüht durch Baum- Wollenwebereien, nach den Gebirgen zu liegen die Glashütten, und neuerdings wird der schöne böhmische Hopfen verwertet zur Vier- brauerei. Pilsen genießt darum Weltruf. Dagegen ist der Ruhm des böhmischen Weines zurückgegangen. Im 16. Jahrhundert gehörte er zu den gesuchtesten, und der Wachtmeister in dem Schillerschen Wallen- stein schlürft mit Behagen sein Gläschen Melniker. Die böhmischen Edelsteine sind gleichermaßen bekannt, namentlich die Granaten. Zudem i)t das Land äußerst fruchtbar an Getreide, und wenn wir südwärts nach Mähren vordringen, so gelangen wir an das „mährische Kanaan", die reiche Getreideebene der Hannaken. Der natürliche Mittelpunkt des Landes ist Prag, das böhmische Nürnberg, eine herrlich gelegene, turmreiche Stadt mit lebhaftester Industrie. Aber das macht sie nicht allein jedem Deutschen wert, vielmehr haben in Böhmens Blüteperiode die Luxemburgischen Regenten hier die erste deutsche Universität gestiftet, die kurz vor dem Auszuge der deutschen Stu- deuten 30000 Universitätsgenossen gezählt haben soll. Der Luxem- burger Karl Iv. ist überhaupt in jeder Beziehung Böhmens Wohl- thäter gewesen, was ihm auch die Bezeichnung eintrug: Böhmens Vater, des heiligen römischen Reiches Erzstiesvater. Die Karlsbrücke in Prag und sein Standbild an derselben verewigen den Namen dieses thätigen und erfolgreichen Regenten. — Gewiß haben die Tschechen in Böhmen allen Grund, den Deutschen dankbar zu sein; das Land hat überdies immer in der engsten Beziehung zu Deutsch- laud gestanden, Böhmens Herrscher war einer der 7 Kursürsten des Reiches und versah auch bei der Krönung sein Erzamt: „es schenkte der Böhme des perlenden Weins". Und dennoch hat, wie ich schon oben erwähnte, der tschechische Übermut in den letzten Jahrzehnten

10. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 74

1901 - Glogau : Flemming
— 74 — Thor den ganzen Donaufluß befahren, und man kann sich denken, wie Handel und Perkehr sich an dieser wichtigen Erdstelle konzentriert. Die Industrie ist darum in der Stadt auch großartig entwickelt, und z. B. die Wiener Shawls haben seit alter Zeit ihren Weltruf be- hauptet. Weltruf haben ferner die kostbaren Sammlungen Wiens und die medizinischen Kollegien und Anstalten der uralten berühmten Universität; kurzum man fühlt es dem Österreicher nach, wenn er voll Stolz singt und dichtet: es giebt nur a Kaiserstadt, es giebt nur a Wien! Und nun erst die Umgebungen der Stadt! Bis mitten in die Stadt sollen der Sage nach die Ausläuser der Alpen hineingereicht haben, und da steht als Merkpsahl „der Stock im Eisen", das Wahr- zeichen der Handwerksgesellen. An die Vorhöhen der Alpen hinan ziehen sich Villen, Lustorte, Schlösser und Klöster. Schönbrunn, Laxenburg und Hietzing sind bekannte Namen, und in diesen para- diesischen Stätten haben mit Vorliebe die depossedierten Fürsten ihre Wohnsitze genommen, sowohl die italienischen, wie die Bourbons und Estes, als auch die deutschen, wie die Familie des früheren Königs von Hannover. Die Wiener unternehmen in Extrazügen oft eintägige Ausflüge nach Mürzzuschlag; wir wollen sie begleiten. Zunächst durchfährt der Zug das schöne und reiche Österreich und kommt dann nach Steiermark. Hier lernen wir den Anziehungspunkt der ganzen Reise kennen, nämlich den Semmeringpaß. Der Semmering ist nicht hoch (980 111), und in jenen älteren Tagen begnügte man sich damit, diese Berghindernisse in endlosen Serpentinen zu ersteigen, während man heute den Tunnelbau vorgezogen hat. Am Fuße des Berges sieht man den höchsten Punkt bei Gloggnitz eigentlich ganz nahe und deutlich vor sich liegen; es dauert aber noch zwei Stunden, ehe man über Viadukten und in stetiger bedeutender Steigung den Gipfel des Berges erklommen hat. Aus den Stationen werden Sträuße von Edelweiß seilgeboten, und man empsängt in ihnen den ersten Alpen- grüß. In Mürzzuschlag kann man recht das muntere Treiben der Steiermärker beobachten; die überschäumende Lebenslust tobt sich in Jodlern, Gesängen und lebhasten Tänzen aus, und der Norddeutsche wird dessen inne, daß hier doch ein anderer Menschenschlag wohnt wie zu Hause unter dem bleiernen Himmel und bei der kümmerlicheren Vegetation. Grün ist die Steiermark durch ihre Wiesen, grün der Anzug des Steirers, grün und freudig seine Lebensführung. Die Hauptstadt des Landes ist Graz an der Mur. Der Franzose macht hier ein witziges Wortspiel und spricht von der ville des graces sur la riviere de Tamour. Die Stadt mit ihrer Universität ist eine wackere Vertreterin des Deutschtums. Bald hinter Graz beginnt dann
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