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Rechtspflege. Zum Zwecke der Rechtspflege bestehen in unserer
Provinz 103 Amtsgerichte, 8 Landgerichte und 1 Oberlandesgericht.
Die Amtsgerichte haben die Ausgabe, bürgerliche Rechtsstreitigkeiten
leichterer Art (Streitigkeiten über das Mein und Dein) zu untersuchen
und zu entscheiden. Zur Untersuchung und Entscheidung der Vergehen
leichterer Art (einfacher Diebstahl, Betrug, Sachbeschädigung) werden
bei den Amtsgerichten Schöffengerichte gebildet, die aus einem Amts-
richter und zwei Schöffen bestehen. Amtsgerichte befinden sich in den
meisten größeren Orten. — Bürgerliche Streitigkeiten verwickelter Natur,
sowie eine Reihe leichterer Vergehen werden von den Landgerichten unter-
sucht und entschieden. Außerdem kann ein von dem Amtsgerichte
Verurteilter das Landgericht anrufen. Für die Verhandlung von
schweren Verbrechen (schwerer Diebstahl, Betrug im Rücksall, Totschlag,
Mord) treten bei dem Landgericht Schwurgerichte zusammen, die aus
drei Richtern und zwöls Geschworenen bestehen. Landgerichte befinden
sich in Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade, Osnabrück, Aurich,
Göttiugen und Verden. — Das Oberlandesgericht entscheidet, wenn gegen
das Endurteil eines Landgerichts Berufung eingelegt wird. Unser
Oberlandesgericht ist in Celle; über diesem steht nur das deutsche Reichs-
gericht iu Leipzig.
Kirchenwesen. Die oberste geistliche Behörde für die evangelisch-
lutherische Kirche unserer Proviuz ist das Königliche Landcskonsistorium in
Hannover. In wichtigen Entscheidungen wirkt der Provinzial-Synodal-
Ausschuß mit. Außerdem wird mindestens alle sechs Jahre die Provinzial-
^nn^de einberufen. Unter dem Landeskonsistorinm stehen die Königlichen
Konsistorien zu Hannover und Aurich. Jeder Konsistorialbezirk ist zunächst
in General-Superiutendenturen geteilt, diese wiederum in Inspektionen,
an deren Spitze der Superintendent steht, der in dem Bezirks-Synodal-
Ausschuß für wichtige Fälle eine mitwirkende Behörde hat. Außerdem
tagt alljährlich oder alle zwei Jahre die Bezirkssynode. Die einzelne
Kirchengemeinde wird von dem Geistlichen (Pastor, Prediger) geleitet,
welcher den Kirchenvorstand zur Seite hat. Dem Konsistorium zu Aurich
sind auch sämtliche reformierte Kirchengemeinden unserer Provinz unterstellt.
Diese Behörde besteht deshalb aus lutherischen und reformierten Mit-
gliedern. Die katholifchen Kirchengemeinden östlich der Weser stehen
unter dem Bischof von Hildesheim, diejenigen westlich der Weser unter
dem Bischof von Osnabrück.
Schulwesen. Die Volksschulen eines jeden Regierungsbezirkes
werden von der Königlichen Regierung geleitet. Die Schuleu eines
kleineren Bezirkes, gewöhnlich eines oder mehrerer Kreise, beaufsichtigt
der Kreisschulinspektor, d. i. iu deu meisten Fällen der Superintendent,
die Schulen einer Kirchengemeinde der Ortsschulinspektor, d. i. in den
meisten Fällen der Ortsgeistliche. Die Leitung des Volksschulwesens in
einer einzelnen Gemeinde liegt dem Schulvorstande ob, welcher aus dein
Ortsschulinspektor, dem (ersten) Lehrer und einigen Schnlvorstehern
besteht, Jfa den Städteu sind jedoch auch andere Einrichtungen gestattet.
j
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T194: [Kirche Kloster Schule geistliche Gottesdienst Gemeinde Geistliche Leben Staat Priester], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Mittelalterliche Zustände.
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der Wohnort des zu Ladenden unbekannt, so wurden vier schriftliche Ladungen aus-
gefertigt und je eine an vier Orten des Landes, in welchem der Angeklagte vermutlich
sich aushielt, aus Kreuzstraßen gegen Osten, Süden, Westen und Norden aufgesteckt.
Der Geladene hatte sich an einem ihm bestimmten Orte einzufinden; hier empfing ihn
ein Schöffe und führte ihn nach dem Freistuhle.
Es wurde gegen den Angeklagten entschieden, wenn der Ankläger
sein Wort beschwur und andere achtbare Männer die Ehrenhaftigkeit des
Anklägers — nicht das Vergehen des Angeklagten — bezeugten. Be-
kannte dieser, oder wurde er überführt, so sprachen die Schöffen das
Urteil; war es die Todesstrafe, so wurde er gleich, meistens von dem
jüngsten Schöffen, an den nächsten Baum gehängt. Gelindere Strafen
waren Landesverweisung und Geldbuße. War der Angeklagte ein Schöffe,
so verwandelte sich das offene Gericht in ein heimliches, d. h. es wurde
allen Nichtwissenden bei Todesstrafe geboten, sich zu entfernen. Diese
„heimliche Acht" fand auch statt,'wenn der Geladene nicht erschien.
Die Vorladung wurde dann noch zweimal wiederholt; stellte er sich
auch dann noch nicht, so galt er als schuldig und ward verfemt, d. i.
in die Acht des Femgerichts erklärt. Daher der Name Femgericht.
Dann ward der Name des Verurteilten in das Blutbuch geschrieben,
und der also Verfemte war von jetzt an von unsichtbaren Handen ver-
folgt. Keiner durfte das Urteil verraten; wer ihn warnte oder ihm Bei-
stand leistete, ward selber vor den Freistuhl geladen. Jeder Wissende
hatte die Pflicht, das Urteil zu vollstrecken; wo er des Verfemten habhaft
werden konnte, im Hause oder auf der Straße, da stieß er ihn nieder
oder henkte ihn. Zum Zeichen, daß der Getötete durch die Feme
gefallen, ließ man ihm alles, was er hatte, und steckte ein Messer neben
ihm in die Erde. Die Wissenden hatten sogar das Recht, einen auf
handhaft er That ertappten Missethäter auf der Stelle niederzustoßen,
wenn sie ihm nur nichts nahmen und die Femzeichen zurückließen.
So war dieser Bund von vielen tausend Männern aus allen Stän-
den und allen Gegenden Deutschlands ein starker Schutz für den Frieden
im Reiche; mancher Bösewicht, der vielleicht durch Bestechung den Händen
der Gerechtigkeit entgangen war, erhielt durch die Feme seinen verdienten
Lohn, und Fürst und Ritter erbebten hinter ihren festen Mauern, wenn
in stiller Nacht vor ihrem Thore der Ruf der Freischöffen erscholl. Selbst
Kaiser Friedrich Iii. und sein Kanzler wurden zweimal vor den Freistuhl
geladen. Aber bei der ungeheuren Zahl der Wissenden (im 13. und
14. Jahrhundert 100 000) konnte es nicht fehlen, daß Unwürdige auf-
genommen wurden, welche die ihnen anvertraute Macht zur Befriedigung
ihrer Leidenschaft und Rache mißbrauchten. Schon gegen das Ende des
15. Jahrhunderts wurden mehrfach Klagen gegen die'freigerichte erhoben;
die Fürsten mochten eine solche Gewalt nicht neben sich dulden, und als
nun überall eine bessere öffentliche Rechtspflege eingeführt wurde, erlosch
die Macht der heimlichen Gerichte von selbst, ohne daß man das Ende
derselben genau angeben könnte.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii Friedrich
•134
Neue Geschichte.
Virginien. ' Im Jahre 1600 bewilligte Elisabeth englischen Kauf-
leuten das Recht des Alleinhandels nach Indien. Sie traten zu einer
Gesellschaft, der sogenannten „englisch-ostindischen Kompanie,"
zusammen und wurden so die Veranlassung zur Unterwerfung Ostindiens
unter die englische Herrschaft. Die Kompanie legte Festungen an, hielt
ein stehendes Heer und schlug eigene Münzen; 1858 wurde die Herrschaft
der Kompanie aufgehoben, und Indien fiel an die Krone Englands.
o. Tod. Die letzten Jahre wurden der Königin durch mannigfachen
Kummer verbittert; vor ihrem Ende verfiel sie in düsteren Trübsinn. Sie
starb 1603 in ihrem 70. Lebensjahre, nach einer 45 jährigen Regierung.
Zu ihrem Nachfolger hatte sie ihren Verwandten, den König Jacob Vi.
von Schottland, den Sohn der unglücklichen Königin Maria Stuart,
bestimmt. Da Irland schon seit 1172 zu England gehörte, so vereinigte
der Nachfolger Elisabeths als Jacob !. England, Irland und Schottland
und nannte sich „König von Großbritannien und Irland."
»I. Der dreißigjährige Krieg; 1618—1648.
11 Zier böhmische Krieg; 1618-1621.
u. Der böhmische Aufstand. Die beiden nächsten Nachfolger Karls V.,
Ferdinand 1. (1556—1564) und Maximilian Ii (1564—1576), gewährten
den Protestanten Ruhe. Als aber Rudolf Ii. (1576—1612), ein Zögling
der Jesuiten, zur Regierung kam, begannen die Unterdrückungen auf's
neue. Unter seiner Regierung geschah es, daß die Bewohner der Stadt
Donauwörth (nordwestlich von'augsburg) eine Prozession des letzten
noch übrigen Klosters in der Stadt' störten. Der Kaiser sprach die Acht
über die Stadt aus und übertrug die Ausführung derselben dem tüchtigen
katholischen Herzoge Maximilian von Bayern. Als dieser nun die
Stadt eroberte und zum Ersatz der Kriegskosten in seiner Gewalt behielt,
traten die protestantischen Fürsten zusammen und bildeten die Union, '
1608 an deren Spitze Friedrich Iv. von der Pfalz stand. Sie bestand meist
aus Reformierten und stützte sich auf Frankreichs Schutz. Die übrigen
protestantischen Fürsten (Kursachsen, Württemberg und andere) schlossen sich
leider dieser Verbindung nicht an. Namentlich ihre Geistlichen warnten
sie, „weil man nicht an gleichem Joch ziehen dürfe mit den Ungläu-
bigen." (Calvinisten.) Schon im folgenden Jahre bildeten die süddeutschen
katholischen Fürsten, unter ihnen viele geistliche, unter Maximilian von
1609 Bayern die Liga. In demselben Jahre erzwangen sich die Böhmen
von dem Kaiser Rudolf die Religionsfreiheit. Sein Bruder Matthias
hatte ihn nämlich mit Hülfe der'protestanten aus Östreich, Mähren und
Ungarn vertrieben und ihm nur Böhmen gelassen. Matthias hatte den
Protestanten für ihre Unterstützung Religionsfreiheit gewährt; gleiches
Recht beanspruchten nun auch die 'böhmischen Protestanten von Rudolf,
und dieser sicherte ihnen dasselbe in dem sogenannten Majestätsbriefe 1
1 Virgo — Jungfrau.
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Extrahierte Personennamen: Jacob_Vi Maria_Stuart Maria Jacob_! Karls_V. Karls_V. Ferdinand_1._( Ferdinand Maximilian_Ii Maximilian Rudolf_Ii Rudolf Maximilian_von_Bayern Maximilian Friedrich_Iv Friedrich Maximilian Maximilian Rudolf Rudolf Matthias Matthias Rudolf Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Indien Ostindiens Indien Englands Schottland Irland England England Irland Schottland Irland Donauwörth Frankreichs Württemberg Ungarn
72
Mittl ere Geschichte.
Durch furchtbare Marterwerkzeuge — Peitschenhiebe, Zusammenschnüren,
Zusammenpressen und Ausrecken einzelner Glieder, Kneifen mit glühenden
Zangen — suchte man das Geständnis von dem Angeklagten zu er-
zwingen.
Eine eigentümliche Erscheinung der mittelalterlichen Rechtspflege find
die Femgerichte. Als nämlich die alte Gauverfassung sich allmählich
auflöste und die Grafenwürde erblich wurde, verloren die Freien viel
von ihren Rechten. In Westfalen aber, das meistens geistlichen Herren
gehörte, behaupteten die Einwohner noch lange ihre Unmittelbarkeit unter
Kaiser und Reich und ihr altgermanisches Gericht. Der Graf, welcher
dem Gerichte vorsaß, war noch immer kaiserlicher Beamter; weil er über
Freigebliebene richtete, nannte er sich Fr ei graf, die Schöffen hießen
Freischöffen und der Gerichtsbezirk Freigrafschaft oder Freistuhl.
Der oberste Freistuhl war zu Dortmund. Hier versammelten sich
jährlich einmal alle Freigrafen, fanden neue Rechtsgrundsätze und ver-
warfen oder bestätigten die Urteile der Freigerichte, wenn Berufung er-
hoben war. Die Freigrafen erkannten nur den Kaiser über sich an und
den Erzbischof von Köln, der als Herzog von Westfalen des Kaisers
Stellvertreter und oberster Stuhlherr war. Die Freigerichte beschränkten
sich indes nicht auf Westfalen, sondern als kaiserliche Gerichte hielten sie
sich verpflichtet, überall Schutz und Recht zu schaffen, wo von dem
ordentlichen Richter dies nicht geschah.
Die Schöffen hatten unter sich eine heimliche Losung, durch die sie
einander erkannten; daher hießen sie Wissende. Jeder Deutsche konnte
Wissender werden, wenn er durch zwei Schöffen darthun konnte, daß er
frei und ehelich geboren und untadeligen Rufes sei; aber nur in West-
falen (auf roter Erde) konnte er aufgenommen werden. Bei dieser
Aufnahme mußte er schwören: „Ich gelobe, die heilige Feme halten zu
helfen und zu verhehlen vor Weib und Kind, vor Vater und Mutter,
vor Schwester und Bruder, vor allem, was zwischen Himmel und Erde
ist." Ein Freischöffe, der seinen Eid brach, wurde gehenkt. Zu den
Ehren der Schöffen drängten sich Fürsten, Grasen, Ritter und Bürger:
selbst Kaiser Sigismund wurde am Freistuhle zu Dortmund feierlich
unter die Wissenden aufgenommen. Geistlichen war die Aufnahme nicht
gestattet. Frei graf konnte nur ein Westfale sein.
Die Sitzungen, Frei ding, fanden am Tage an den uralten
Gerichtsstätten im Freien statt. Vor dem Grafen lagen ein blankes
Schwert zur Eidesabnahme und ein aus Weiden geflochtener Strick zur
Vollstreckung des Todesurteils. Jeder Freigraf und Schöffe konnte an
dem Gerichte teilnehmen. Hatte jemand ein vor die Feme gehörendes
Verbrechen begangen, so wurde er von einem Schöffen angeklagt; be-
kräftigte dieser mit einem Eide die Wahrheit seiner Aussage, so ward
der Angeklagte vorgeladen.
Zwei Schöffen, auch wohl der Fronbote des Freistuhls, überbrachten den
Ladebrief des Freigrafen, wenn sie kein sicheres Geleit hatten, heimlich und bei
Nacht. Konnten sie den Beklagten nicht selbst treffen, so hefteten sie den Dorladungs-
zettel an die Thür, wo der Geladene wohnte, schnitten aus derselben drei Späne als
Wahrzeichen für den Freigrafen und schlugen dreimal gewaltig gegen dieselbe. War
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Elisabeth, Königin von England.
133
sie auch manches von der äußeren Pracht und den Gebräuchen der
katholischen Kirche beibehalten.
b. Begründung der englischen Seemacht. Unter Elisabeth nahm
Englands Seewesen und Schiffahrt einen bis dahin ungeahnten
Aufschwung. Der Reichtum und Ruhm, welchen sich Portugiesen und
Spanier in Indien und Amerika erworben hatten, lockten auch in Eng-
land ruhmbegierige Männer auf die Bahnen, auf denen jene Helden ihre
Schätze gesammelt und ihre Lorbeeren gepflückt hatten. Unter vielen
anderen ist besonders Drake (spr. Dreek) berühmt, der 1586 die Kartoffel
nach England brachte.
Um' wegen der vielen Angriffe auf seine Besitzungen Rache zu neh-
men, beschloß Philipp von Spanien, mit eiffem großen Schlage
Englands Seemacht zu vernichten. Auch hatte ihn die Hülfe, welche
Elisabeth den Holländern 1 geleistet hatte, in Wut gesetzt; dazu hielt er
einen Zug gegen die englischen „Ketzer" für Gewissenssache. Eine Flotte
von 130 Schiffen, 2600 Geschützen und 20 000 Mann auserlesener
Truppen ward ausgerüstet; Philipp selbst nannte sie die „unüberwind-
liche." Die Kosten der Ausrüstung wurden auf 180 Mill. Mark geschätzt.
Bei dieser drohenden Gefahr zeigte sich Elisabeths Geist und Helden-
mut im hellsten Lichte. Sie befestigte die Küsten, erinnerte ihre Unter-
thanen an die äraurigen Zeiten, welche sie unter Philipp und Maria
erlebt hatten, eilte selbst zu Pferde in das Lager und ermutigte die
Truppen durch begeisterte Worte. Die ganze Nation beeiferte sich, ihr
Beweise der Liebe und Aufopferung zu geben. London gab zweimal so
viel als man begehrte, «so kam eine Flotte von 200 Schiffen zusammen,
die es wegen ihrer besseren Bauart mit denen der spanischen „unüber-
windlichen" Armada wohl aufnehmen konnten.
Diese hatte auf ihrer ganzen Reise widrige Witterung. Auf der
Höhe von England ward sie von den englischen Schnellseglern empfangen,
gegen welche die unbeholfenen spanischen Schiffe nichts ausrichten konnten.
Dazu hatten die Engländer günstigen Wind und geschicktere Matrosen.
Fünf Gefechte verloren die Spanier; sie wagten nicht, durch den Kanal
zurückzukehren, sondern segelten um Schottland, wobei die meisten Schiffe
durch den Sturm verloren gingen. Viele Millionen waren also ganz
umsonst verschleudert. Philipp nahm die Unglücksbotschaft scheinbar mit
dem größten Gleichmute auf und sagte: „Ich habe die Flotte gegen
Menschen, nicht gegen Stürme und Klippen geschickt."
Dieser Sieg verschaffte der jungen englischen Flotte Selbstvertrauen
und Ansehen. Die Engländer setzten die gewinnbringenden Angriffe
gegen die spanischen Besitzungen jetzt noch kühner und offener fort als
vorher. Neue Handelswege wurden gefunden, neue Handelsgesellschaften
gestiftet. In N or d am eri kg gründete Waltherraleigh (spr. Rali)
die erste englische Niederlassung und nannte sie nach seiner Königin
1 Die Niederlande hatten sich unter ihren Vorkämpfern Egmont, Horn und
Wilhelm von Oranien gegen die Tyrannei Philipps Ii. erhoben und sich 1581 ganz
fori Spanien losgejagt. Leider ging dies wichtige Küstenland auch für das deutsche
Reich verloren.
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Extrahierte Personennamen: Elisabeth Elisabeth Philipp_von_Spanien Philipp Philipp Philipp Elisabeths Philipp Philipp Maria Maria Philipp Wilhelm Philipps
Extrahierte Ortsnamen: England Englands Indien Amerika England Englands England Schottland Spanien
Die Geschichte nach Christi Geburt» 201
weil ihn der Aberglaube gerade in diesem Zeitraum aus-
heckte: die Hegung der Gottesgerichte. Diese häßli-
che Geburt einer falschen Gotteserkenntniß brachte unsag-
lichen Jammer unter die Christen; denn die sogenannten
Gottesrichter verurtheilten angeklagte Verbrecher, deren
Anschttld nicht entschieden werden konnte, zu lebensge-
fährlichen Unternehmungen. Man meynte nemlich, Gott
beschütze und erhalte den Unschuldigen und straft dagegen
den Verbrecher, beydes durch ein Wunder; da doch eigent-
lich richterliche Klugheit, Weisheit und Geschicklichkeit das
Mittel sind, Unschuld vom Verbrechen zu unterscheiden.
Die gewöhnlichsten gefährlichen Proben, welche die Got-
tesrichter einem Angeklagten ausiegten, waren die
serprobe und die Feuerprobe. Jene bestand darin, daß
man den Inquisiteti auf ein Bret band, ihn irr ein tiefes
Wasser warf und ihn ft den Wellen überließ. Gieng er
unter, ohne das Leben zu verlieren, ft erklärte man ihn
für unschuldig. Die Feuerprobe bestand rn verschiedenem
Arten. Entweder mußte der Angeschuldigte zwischen
zwey enge an einander aufgerichteten brennenden Scheiter-
haufen langsam durchgehen, oder er mußte einige Mmu-
ten lang glühende eiserne Stäbe in den bloßen Händen
halten, oder er mußte mit nackten Füßen auf glühendem
Eisen stehen. Die Unverletztheit des Unglücklichen war
der Beweis feiner Unschuld. Zur doppelten Schande des
menschlichen Verstandes und Herzens wurden am meisten
solche Menschen diesen Proben ausgesetzt, die der Zau-
berer), des Wahrsageus und der Beschwörung angeklagt
waren, also Verbrechen, die kein Mensch se begehen
kann. Es mußten mithin lauter Unschuldige, worunter
oft Knaben und Mädchen von Eurem Alter waren, sich
diesen Gottesgerichten, die may besser Teufelsgerichte nen-
nen könnte, unterwerfen, und ihr Leben unter peinlichen
Martern aushauchen. Diese grausame Sitte erstreckte
N 5 sich
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Die Weltgeschichte.
2s4
unter sich auch selbst der Groömeisterdes Ordens, Johann
von Mulüy, befand, ohne sic verhört zu haben, un-
menschlich foltern und dann lebendig verbrennen, der
Pabst aber hob seiner Seits im Jahr 1312 den ganzen Orden
in allen Ländern auf, obgleich unter vielen Millionen
Menschen auch nicht ein einziger mit Grunde dem Orden
etwas Schädliches nachsagen konnte, wohl ab-er Muth,
Herzhaftigkeit und große, edle Thatcn zugestehn mußte.
Au so ganz satanischen Wüterichen, lieben Leser, konnte
also die Habsucht einen Pabst und einen König machen.
Man erzählt, daß der Grosmeisier, als der Henker ihn
zum Scheiterhaufen schleppte, laut ausgerusen habe: „er
sterbe unschuldig, und erwerbe feine beyden unmensch-
lichen Richter nächstens vor dem Throne des Weltrich-
ters sprechen/'' So wenig auch diese zum Himmel drin-
gende Wehklage des unglücklichen Mannes als ein Wei-
ßagung angesehen werden konnte, so ist doch so viel gewiß,
daß deyde der Pabst — Clemens 5. hieß er, und Philipp
zwey Jahre darauf plötzlich starben. Einer von des letz-
ter« nächsten Nachfolgern, Philipp 6, erneuerte den
Krieg mit den Engländern; allein der Feldzug lief höchst
unglücklich für ihn ab : denn der englische König, Eduard 3,
brachte in der schon erwähnten Schlacht bcy Clecy der
französischen Armee eine so fürchterlich-blutige Nieder-
lage bey, daß 40,000 Franzosen auf dem Platze blieben
und daß bald darauf Calais, einer der festesten Sees
plätzc, in die Hände der Engländer fiel. Dagegen machte
hoch Philipp nachher wiederum einige Eroberungen, vor-
nemlich aber errang er die Provinz Dauphine, von
welcher nachher der jedesmalige Kronprinz Dauphin ge-
nannt wurde. Allein nach langen und blutigen Kriegen
geriethen endlich die Franzosen unter ihrem König Carl 6
fast ganz unter die Bothmäßigkeit der Engländer. Die-
ser Prinz war anfänglich so liebenswürdig und klug, alö die
Frau-
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Extrahierte Personennamen: Johann
von_Mulüy Johann Muth Clemens Philipp Philipp Philipp_6, Philipp Eduard Eduard Philipp Philipp Carl
264 Die Weltgeschichte^
Da sich nun die Geistlichkeit und der hohe Adel weigsrten,'
ihm die verlangte Hülfe zu leisten, dagegen aber die Ab-
geordneten der Städte ihm Unterstützung wicderfahren lie-
ßen; so gab er dem Parlamente die völlige Form, so daß
die Bischöfe und der hohe Adel das Oberhaus, die De-
putaten der Städte aber, nebst dem niedern Adel, das
Unterhaus ausmachten. Unter der Regierung dieses
Königs wurde auch das Fürstenthum Walls, das bis-
her noch von Nachkömmlingen der alten brittlsthm Re-
genten regiert worden war und sich die ganze Zeit über
in Unabhängigkeit erhalten hatte, erobert. Von dieser Zeit
an führt jedesmal der älteste Sohn eines englischen Kö-
nigs den Titel Prinz von Walls. Auf diese Erobe-
rung folgte bald darauf noch eine andere, denn auch
Schottland wurde bezwungen. So erweiterte also die-
ser König die Gränzen seines Reichs durch neue Länder
und sorgte zugleich für die Freyheit seines Volkes du^ch
weise Gesetze. Er starb im Jahr 1307, geliebt und hoch-
geschätzt von der ganzen Nation. Diese Gesinnungen
des Volkes erfuhr zwar anfänglich auch sein Sohn und
Nachfolger, Eduard 2, aber sie grengen gar bald in Ver-
achtung über; denn der zweyre Eduard war ganz
das Gegentherl des ersten: schwach, unentschlossen und
feige. Weil er nun dieser Fehler wegen Schottland wie-
der verlohr, und sich in Walls eine Empörung zuzog,
so wurde er abgesetzt und grausam ermordet: man stieß
ihm ein glühendes Eisen in den After, so daß er unter
den schrecklichsten Quaalen sterben mußte. Auf seinem
Sohn, Eduard 3, rührte wiederum der Geist des Gros-
vaters, und die Engländer hatten an ihm 50 Jahre lang
einen König, der unter die ruhmwürdigsten gehört. Sein
erstes Werk war die Bestrafung brr Mörder feines Vaters
und die Wiedcroberung von Schottland. Als er hier
Ruhe gestiftet hatte, rüstete er sich, die Helfershelfer
zu
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Eduard Eduard Eduard Eduard Eduard_3 Eduard
\
256 Die Weltgeschichte
ken dieses Auftritts den Orden gestiftet und jene Wort«
zum Wahlspruch deffkllben gemacht." Auf diese Festlich-
keit folgte eine allgemeine Trauer; denn die schreckliche
P die, wie ich Euch gesagt habe, in ganz Europa wü-
thete, grassirte auch auf dieser Insel; und eben dies Un-
glück bewog die Heyden kriegführenden Könige, einen
Waffenstillstand zu schließen. Mein dieser dauerte nicht
lange; denn Philipp von Frankreich starb und sein Nach-
folger Joyünn erneuerte den Feldzug. Der schwarze
Prinz gien'g ihm mit einem nur sehr kleinen, aber tapfe-
ren Heer entgegen, erhielt einen vollkommnen Sieg und
bekam sogar den König Johann gefangen. Bey diesem
Glücke zeigte der.vortrefliche englische Prinz- daß er nicht
bloö über Feinde, sondern selbst über Herzen zu siegen
wisset denn statt sich gegen seinen königlichen Gefange-
nen zu brüsten, erwies er ihm die tiefste Ehrerbietung
erhob dessen in der Schlacht bewiesene Tapferkeit, veran-
staltete ihm zu Ehren große Feyerlichkeiten und wartete
ihm, als wäre er dessen Unterthan, bey Tafel auf.. Selbst
die Feinde wurden über diesen Edelmu-th bis zu .Thranen
gerührt und Johann gestand, daß /ihm von femar eige-
nen Dienern nicht so viel Ehrerbietung erwcisert'werde,
als ibm jetzt sein. Feind und Uebcrwinder erweise. Wahr-
scheinlich wird mancher von Euch künftig einmal Gelegen-
heit .habe, einer Schlacht beyzuwohnen. Wenn denn
dieser oder jener unter Euch Groll, Haß, Stolz, Ue-
bermuth oder gar Grausamkeit gegen Ueberwundene, oder
Fliehende zeigen sollte, der denke an den schwarzen
Pl'gzen» Nun hatte also Eduard zwey Könige in der
.Gefangenschaft; — er ließ jedoch den erster« gegen ein an-
sehnliches Löftgeld frey, mit Frankreich aber schloß er
einen sehr-rühmlichen Frieden, in welchem er viele fran-
zösische Besitzungen erhrelt. Vermöge dieses Friedens-
schluffeö kehrte auch der gefangene Jvhñlm gegen Ver-
sprechung
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T20: [König Sohn Maria Heinrich Tochter Karl Herzog England Haus Gemahlin], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: Philipp_von_Frankreich Philipp Johann Johann Johann Eduard Eduard
Die Geschichte nach Christi Geburt. 267
Brechung eines Lösegeldes von drey Millionen Kronen nach
Frankreich zurück. Als er aber bey seiner Ankunft fand,
daß seine Großen Schwierigkeiten machte, den Vertrag
mit England zu vollziehen, beschloß er, wieder in feine
Gefangenschaft zurückzugehen. Seine Ruthe wider-
nethen ihm zwar diesen Schritt als unpolitisch; aber er
antwortete: „Wenn auch Gerechtigkeit und Treue überall
von der Erde verbannt seyn sollten, so müssen sie doch
noch in der Brust der Fürsten wohnen." Wirklich gieng
er wieder nach England hinüber und bezog da seine alte
Wohturng, ward aber bald darauf krank und starb. Als
die Franzosen wieder zu Kräften gekommen waren, er-
neuerten sie den Krieg gegen England. Der schwarze
Prinz war, als sie den Feldzug: eröfnetcn, gerade krank,
und stand auch nicht wieder von feinem Lager auf; denn
erstarb, betrauert vor der ganzen Nation. Dieser Um-
stand belebte den Muth der Franzosen so sehr, daß sie
alle ihre vcrlohrnen Besitzungen, Calais ausgenommen,
wieder eroberten. Bald darauf, im Jahr J377, starb
auch Eduard Z, ein Regent, unter dessen weiser Regie-
rung England zu einer bewundernswürdigen Größe emvor-
stieg: er machte die Nation tapfer und geehrt, befestig-
te die Staatsverfassung, beförderte Manufacturen und
Handel und war so nach nicht nur der Beschützer, son-
dern auch der Vater seines Volkes. Ihm folgte sein En-
kel, der Sohn des schwarzen Prinzen, Richard 2, als
ein Knabe von n Jahren. Des Vaters Ruhm und des
Gro-vaterö Liebe hatten ihm die volle Zuneigung der
Nation erworben, und seine eigene Jugend verschafte ihm
Nachsicht. Allein eine Kopfsteuer, die er dem Volke auf-
gelegt hatte, und die jede Person von 15 Jahren ohne
Unterschied des Standes und Geschlechts in gleicher Sum-
me zahlen mußte, brachte das Volk anfänglich zum Mur-
ren, und bald daraufzu lauten Klagen; endlich aber
wurde
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T64: [Vater Sohn Jahr Tod Mutter Regierung König Kind Heinrich Bruder], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden]]
Extrahierte Personennamen: Eduard_Z Eduard
Extrahierte Ortsnamen: Christi Frankreich England England England England Richard