6 Geschichte des Mittelalters.
die Feiglinge und Bösewichter sammelt Hela in ihre schauerlichen
Räume.
Das Welt- 8 12. Doch währt diese Weltordnung nicht ewig, einmal kommt
enve. Ende; vorher gehen drei Winter ohne Sommer, drei Jahre voll
Krieges; Brüder bekämpfen sich, Verwandte zerreißen die Bande des
Bluts; es ist die Zeit der Eidbrüche, des Beils, des Schwerts, der
Stürme, des Mordes, des Schildekrachens. Dann werden die Feinde
der Äsen los, sie ziehen gegen Asgard; Odin, die Äsen und die Helden
der Walhalla ihnen entgegen; es erfolgt ein Kampf, in welchem sich
alle gegenseitig vernichten. Die Welt aber ist von Surturs Flammen
ergriffen und versinkt in das Meer; doch entsteht sofort eine neue
schönere Welt.
Orte der § 13- Nach Tacitus hatten die Germanen eben so wenig Tempel
Götterbilder, sondern nur heilige Stätten in Wäldern, wo sie den
e rung. Opfer und Verehrung darbrachten; dies ist jedoch nur theil-
weise richtig, denn es gab auch einzelne Tempel und Bilder. Die
Feste, die in den Sommer und das Frühjahr fielen, wurden im Freien
mit Opferflammen, Reigen und Schmaus gefeiert, woran noch heute
manches erinnert (der Funkensonntag, die Ostereier, der Hahnentanz,
die Johannisfeuer re.).
Priefier und § 14. Einen Priesterorden wie die gallischen Druiden gab es
bei den Germanen zwar nicht, doch wurden die Opfer bei den Stammes-
sesten auf den heiligen Stätten von Priestern dargebracht; diese er-
forschten auch den Willen der Götter, z. B. aus dem Wiehern heiliger
Rosse, aus dem Opferblute, übten in den Volksversammlungen eine
Art Strafgewalt und scheinen den edelsten Familien angehört zu haben.
Die Opfer bestanden aus Früchten und Thieren, doch wurden auch
Menschen- Menschen geopfert, namentlich gefangene Feinde. Indessen konnte
opn' jeder Hausvater opfern und die Zukunft erforschen, denn es gab
maunichfaltige Vorzeichen, indem Wolf, Rabe, Kuckuck, Adler rc. und
andere Thiere in Beziehung zu Odin oder andern Göttern gedacht
wurden, auch die Naturereignisse wie bei allen heidnischen Völkern als
Vorbedeutung von Begebenheiten im Kreise des Menschenlebens auf-
Gnind^dcr wurden. Die Germanen glaubten überdies, daß dem weiblichen
Frauenver- Geschlechte die Gabe der Weissagung vorzugsweise zu Theil werde,
khrunz. daher gab es in allen Stammen weissagende Frauen, von denen
Weleda (Th. I. S. 189) am berühmtesten ist.
8 15. Tacitus beschreibt eine besondere Art die Zukunft zu er-
forschen: der Hausvater oder Priester nimmt abgeschnittene Baum-
zweige, bezeichnet sie mit Einschnitten und streut sie über ein weißes Tuch
hin; hierauf hebt er unter Gebet einen Zweig nach dem andern auf und
deutet sie nach den darauf befindlichen Zeichen. Diese Zeichen, glaubt
Runenschrift, man, seien Runen, d. h. altgermanische Buchstaben gewesen (von Ruva,
Geheimnis daher das noch heute gebräuchliche raunen); sie bestanden
aus einzelnen Strichen, welche man auf einem senkrechten Grundstrich ge-
wöhnlich in schiefer Richtung führte und wurden mit dem Worte benannt,
dessen erster Buchstabe sie waren, z. B. Js (d. h. Eis) — i, Birke — b.
Man hält die Runen für eine Nachbildung der phönikisch - griechischen
Schrift, ist aber noch nicht ganz mit ihnen im Klaren; sie wurden nach
der Einführung des Christenthums durch die lateinische Schrift ver-
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Extrahierte Ortsnamen: Afrika Syrien Spanien Spanien Spanien Toulouse Frankreich Konstantinopel Poitiers Europa Israels Frankreich Karkassonne Mohammeds Damaskus
80
Geschichte des Mittelalters.
aus Saracenen bestand, die noch den Mehrtheil der Bevölkerung Si-
ciliens ausmachten und auch in Kalabrien angesiedelt waren. Seine
Hofhaltung war mehr eine saracenische als eine christliche, nicht nur
nach der Bauart und Einrichtung der königlichen Palaste, sondern Frie-
drich hatte an seinem Hofe auch viele saracenische hohe und niedere
Bedienstete, ging überhaupt gerne mit Mohammedanern um, ließ sich
mit ihnen in Gespräche über Religion ein und unterhielt mit den Sultanen
von Damaskus und Aegypten durch Gesandtschaften einen freund-
lichen Verkehr, während aus dem Abendlande tausend und abermals
tausend Krieger nach Palästina strömten, von denen die wenigsten ihre
Heimat wieder sahen. Es ist daher wohl begreiflich, daß Friedrich Ii.
Qikerpötl-i- allmälig in den Ruf kam, er sei kein gläubiger Christ, und dieser Ruf
^8toridu8.°' um so tiefer wurzelte, je länger er mit seinem gelobten Kreuzzuge
zögerte und je heftiger er mit dem Papste haderte.
§ 237. Friedrich blieb in Italien, als König Andreas von Un-
1217. garn und Leopold Vii. von Oesterreich sich nach Palästina ein-
Damiettccr-schifften, als das Kreuzheer nach unsäglichen Anstrengungen Da-
vcmbcri219^"tte in Aegypten eroberte, aber durch schlechte Führung wieder ver-
' lor, und der ganze Kreuzzug zum Schaden der Christenheit endete.
Endlich heirathete der verwittwete Kaiser Jola nt ha (die Tochter der
Maria Jolantha, der Erbtochter des Königs Amalrich Ii. von Jerusa-
lem, und des Johann von Brienne) und erhielt dadurch Anspruch auf
Jerusalem als Erbgut seiner Gemahlin. Er schiffte sich am 8. September
1227 wirklich ein, kehrte aber nach drei Tagen zurück, indem er sich
mit plötzlichem Erkranken entschuldigte und nachzukommen versprach, da
wenigstens 40,000 Kreuzfahrer abgegangen waren. Nun zögerte Papst
Gregor Ix. nicht mehr und sprach über Friedrich Ii., weil er sein Ge-
lübde wiederholt gebrochen, den Bann aus; Friedrich erwiederte aber
in einer Sprache, welche von einer tiefeingewurzelten und furchtbaren
Erbitterung gegen den päpstlichen Stuhl Zeugniß gab; zugleich benutzte er
die mächtige Familie der Frangipani in Rom zur Erregung eines
Aufstandes, vor welchem der Papst aus der Stadt wich (Ostern 1223).
Im August schiffte der Kaiser sich nach Palästina ein und wußte die
Eifersucht der ejubidischen Sultane so gut zu benutzen, daß Kamel,
der Herr von Aegypten und Syrien, mit ihm Frieden auf zehn
Jahre schloß und Jerusalem, Bethlehem und Nazareth mit
ihren Gebieten sowie die Seeküste von Joppe bis Sidon abtrat.
Friedrich setzte sich die königliche Krone in der Kirche des hl. Grabes
selbst auf das Haupt, stand aber mit seinem kleinen Heere und den
Rittern des deutschen Ordens vereinsamt da, denn die einheimischen
Christen (Pullanen) und die andern Ritterorden und Kreuzfahrer waren
ihm feindselig. Er kehrte bald nach Italien zurück und schloß 1230 auch
mit dem Papste Frieden, indem er ihm das Beste versprach.
Friedrich in Deutschland (1235).
8 238. Friedrichs Sohn Heinrich, den er den Deutschen als
König zurückgelassen hatte, war vollständig entartet und ohne allen
Sinn für Staatsgeschäfte. Friedrich warnte ihn, kam aber erst 1235
nach Deutschland, als Heinrich mit einigen Fürsten und den lombardi-
schen Städten eine Verbindung schloß, um sich gegen seinen Vater zu
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Extrahierte Ortsnamen: Kalabrien Damaskus Palästina Italien Oesterreich Jerusalem Rom Palästina Syrien Jerusalem Bethlehem Nazareth Joppe Italien Deutschland Deutschland
Die Zeit der Kreuzzüge.
83
Ketzerei überwiesen und habe alle seine Kronen verwirkt; weil sein
Stamm schon im dritten Gliede die Kirche verfolge und Friedrich seine
Söhne in der gleichen Gesinnung erziehe, so seien auch sie und ihre
Nachkommenschaft von der Herrschaft ausgeschlossen (14. Zuli 1245).
8 246. Von jetzt an führte der Kaiser den Krieg ingrimmiger als
je und ließ Kirchen und Klöster verwüsten, während Ezzelino von
Romano, sein Schwiegersohn, in Oberitalien wie Sulla wüthete. Vor
Parma wurde 1248 das Heer Friedrichs in seiner Abwesenheit
geschlagen, bei Bologna sein Sohn, der schöne Enzio (Heinz, Hein-
rich), 1249 gefangen (derselbe wurde nicht frei gegeben und starb nach
23jähriger Gefangenschaft), der Kaiser selbst, der seinen Gegnern
immer furchtbar blieb, starb 13. Dezember 1250 zu Fiorentino bei
Luceria.
Die Kaisersöhne Konrad und Manfred.
§ 247. Die deutschen Fürsten gaben 1246 dem Sohne Friedrichs,
Konrad Iv., einen Gegenkönig in dem thüringischen Landgrafen
Heinrich Raspe, und als dieser schon 1247 starb, in dem Grafen
Wilhelm von Holland, der aber 1256 von den friesischen Bauern
erschlagen wurde. Der von Verrätherei umlagerte Konrad Iv. war nach
seines Vaters Tod 1251 nach Italien gezogen, um sein italienisches
Königreich zu unterwerfen, er starb jedoch schon 1254, worauf Friedrichs
Sohn Manfred, in jeder Hinsicht das getreue Ebenbild seines Va-
ters, das ganze Königreich behauptete und dem Papste neue Gefahr
bereitete. Darauf belehnte Klemens Iv. den Bruder des französi-
schen Königs, den tückischen Karl von Anjou, mit der Krone
Neapels, gegen welchen der verrathene Manfred bei Benevent am
26. Februar 1266 Schlacht und Leben verlor, worauf Karl als kluger
und kräftiger Tyrann regierte.
§ 248. Ezzelino da Romano war 1259 unterlegen. Er be-Ezzelino da
herrschte Padua, Vicenza, Verona, Feltre, Bassano und Belluno, hatte Romano,
den Ruhm eines großen Feldherrn und war dadurch und noch mehr
durch seine unmenschliche Rachsucht der Schrecken der Guelphen in
Oberitalien; er soll 40,000 Menschen durch Heukershand oder durch
Gefängnißqual umgebracht haben! Zuletzt siel er verwundet in die
Hände seiner Feinde, wies die Tröstungen der Religion mit Hohn
zurück und verblutete. Die Guelphen, deren Haupt der Markgraf 1259.
Azzo von Este war, ließen vor den Augen Alberichs, des gefange-
nen Bruders Ezzelinos, dessen sechs Söhne in Stücke zerreißen, dessen
Weib und Töchter an Pfähle binden und lebendig verbrennen, darauf
ihn selbst mit glühenden Zangen zwicken und zuletzt an ein Roß gebun-
den zu Tode schleifen.
Konrad in (1268).
§ 249. Die Ghibellinen luden nach Manfreds Untergang Kon-
rads Iv. jungen Sohn Konrad (Conradino, der junge Konrad, von
den Italienern genannt) nach Italien, und er folgte ihnen trotz der
Abmahnungen seiner Mutter, verkaufte oder verpfändete den Rest
seiner Güter, warb ein kleines Heer und zog über die Alpen. Unter
glücklichen Gefechten drang er durch Ober- und Mittelitalien vor,
6 *
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Sulla Friedrichs Heinz Konrad Konrad Manfred Friedrichs Konrad_Iv. Konrad_Iv. Heinrich_Raspe Heinrich Wilhelm Konrad_Iv Konrad Friedrichs Manfred Klemens_Iv Karl_von_Anjou Karl Manfred_bei_Benevent Karl Karl Bassano Konrad Manfreds Konrad_(Conradino Konrad Konrad Konrad
Die Zeit der Karolinger.
39
Aistulf das Erarchat und die Pcntapolis eroberte und Rom zur Un-
terwerfung aufforderte. Diesen Erfolg verdankte er hauptsächlich der
Bilderstürmerei der byzantinischen Kaiser, durch welche diese das
Volk in Rom und in dem Erarchate so erbitterten, daß es dem Kaiser
den Gehorsam aufkündigte. Das Erarchat war jedoch sehr ungerne
longobardisch, und Rom sträubte sich mit aller Macht dagegen, denn es
war ein unabhängiger Staat, an dessen Spitze der Papst stand. Auf
diese Stelle erhob ihn seine Würde als Bischof von Rom, seine Ver-
waltung des Patrimoniums Petri (des Eigenthums des hl. Stuhles, den
Landstrich von Tcrracina bis Montepulciano, Herrschaften in Oberitalien
und Sicilien in stch begreifend), vor allem aber seine Verdienste um
Rom, das er mehr als einmal gerettet hatte; als vollends Rom und sein
Gebiet, der llueatus Romaß, dem Kaiser Leo Iii den Gehorsam kündete,
konnte niemand anders als der Papst die Leitung dieses neuen Staa-
tes übernehmen. Aistulf hatte kein anderes Recht auf Rom als das
Eisenrecht, daher bat Papst Stephan Ii. 753, als Aistulf auf keine Vor-
stellungen horte, den Herrscher der Franken persönlich um Hilfe.
§ 113. Pipin trat vergebens zuerst durch Gesandte für den Papst
in das Mittel, Aistulf blieb unbeweglich, und als Pipin 754 mit Hec-
resmacht in Italien erschien, gab er anscheinend nach, erneuerte aber
sogleich nach Pipins Abzüge seine Gewaltthätigkeit. Da zog Pipin
755 abermals über die Alpen und zwang Aistulf zum Frieden und zur
Abtretung des Erarchats. Diese seine Eroberung schenkte Pipin dem
Papste und somit war der Kirchenstaat gebildet; der Papst ist seit-
dem ein Fürst und keines Fürsten Unterthan, was er nie sein kann, so
lange die jetzigen Weltverhältnisse bestehen; denn er gehört keinem ein-
zelnen Volke und Staate an, sondern ist und bleibt der Oberhirte aller
Katholiken in allen Theilen der Welt.
§ 114. Pipin mußte, nachdem er in Italien den Frieden herge-
stellt hatte, den Arabern Septimanien entreißen und einen schweren
Krieg gegen den Herzog Waifar von Aquitanien führen; nach dem
Tode Waifars vereinigte Pipin den größten Theil des Herzogthums
mit dem eigentlichen Frankenlande und verlieh den Rest als Herzvg-
thum dem Schwiegersöhne Waifars, Lupus. Bald darauf starb er
im September 768 zu Paris.
Karl der Große (768-814 n. Ehr.).
8 115. Ihm folgten in der Herrschaft seine beiden Söhne Karl
und Karlmann; der letztere erhielt halb Aquitanien, Septimanien,
Provence, Burgund, Elsaß und Alemannien, starb aber schon 771, wo-
durch Karl Alleinherrscher wurde, indem ein Reichstag die zwei
minderjährigen Söhne Karlmanns ausschloß. Karls lange Regierung
war von Kriegen erfüllt, denn sein Reich war fast auf allen Seiten
von feindlichen Völkern begränzt: von Mohammedanern, Longooarden,
Awaren, Slaven, Normannen, Sachsen, und Karl selbst war ein Krie-
ger wie seine Väter, der stch nicht ungestraft heraussordern und drohen
ließ , und es überdies für seine Königspflicht hielt, die Völker seines
Reiches gegen künftige Gefahren möglichst zu sichern.
Aistulfreq
750 — 756
726.
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Extrahierte Personennamen: Tcrracina Leo_Iii Leo Aistulf Stephan_Ii Karl Karl Karl Karlmann Karlmann Karl_Alleinherrscher Karl Karlmanns Karls Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Rom Rom Petri Montepulciano Oberitalien Sicilien Rom Italien Italien Lupus Paris Burgund Karls Sachsen
90
Geschichte des Mittelalters.
Freiheiten königlicher Vasallen fallen auch den Vasallen der geistlichen
und weltlichen Herren zu; außerordentliche Steuern können nur mit
Einwilligung des Parlaments (Reichstags) erhoben werden.
Zehntes Kapitel.
Die Kreuzzüge und die mittelalterliche Kultur.
8 269. Die Kreuzzüge sind die größte That des Mittel-
alters und daher waren auch ihre Folgen von der tiefsten Bedeutung.
Alle christlichen Nationen erhoben sich auf den Aufruf des Papstes, des
gemeinschaftlichen geistlichen Oberhaupts, zum Kampfe gegen den Islam,
der das Christenthum im Morgenlande vernichtet oder unterdrückt hatte
und im Abendlande bedrohte. Zwar errang die Christenheit keinen
vollständigen Sieg über den Islam, aber bei dem hohen Streben, das
alle christlichen Nationen ergriffen hatte, entfesselten sich alle Kräfte
und suchten das Feld ihrer Thätigkeit im Dienste jenes hohen Stre-
bens, der Verherrlichung des christlichen Namens. Daher hoben sich
sowohl die christlichen Völker als die Stände, in welche sie sich getheilt
hatten, die Völker traten in den lebendigsten Wechselverkehr, es
bildete sich eine europäisch-christliche Kunst und Wissenschaft heran,
wie auf der anderen Seite das Ritterthum und innerhalb der Stadt-
mauern der reiche, wehrhafte Bürgerstand.
Her Ädcl und Las Uittcrwcjcn.
§ 270. Nach Karl dem Großen schwand die Zahl der freien
Grundbesitzer mehr und mehr und zugleich wurde die schwere
Reiterei der Hauptbestandtheil der Heere, daher konnten die ärmeren
Freien nicht mehr in das Feld ziehen. In Folge dessen bildete sich
ein eigener Stand aus denjenigen Freien, welche so viel Eigenthum
besaßen oder so viel Gut zu Lehen trugen, daß sie den Heeresdienst
zu Rosse thun konnten; sie heißen daher in den Urkunden „milites"
(Soldaten) und nannten sich selbst von ihrem Kriegsdienst zu Rosse
„Ritter". Der Sohn eines Ritters erhielt durch seine Geburt das
Lehenrecht, während Bauern und Bürger dasselbe thatsächlich verloren,
weil sie nicht regelmäßig und nicht zu Rosse Kriegsdienste leisteten.
Nach der Weise des Mittelalters bildeten die Ritter eine Genossen-
schaft, in welcher die Berechtigten feierlich ausgenommen wurden. Als
Muster galt die französische Ritterschaft, deren Regeln und Gebräuche
auch von den Rittern anderer Nationen angenommen wurden, so daß
eine europäische ritterliche Kameradschaft entstand, die ihre Rechte jedem
einzelnen wahrte.
§ 271. Wer als Ritter ausgenommen werden wollte, mußte zuerst
seine Ritterbürtigkeit Nachweisen (der Kaiser konnte sie jedem verleihen),
sowie daß er ritterliche Waffenübung und Sitte erlernt habe. Dann
bereitete er sich vor durch Gebet, Fasten, Beichte und Kommunion, ge-
lobte täglich die Messe zu hören, für den christlichen Glauben zu streiten,
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46
Geschichte des Mittelalters.
Gallien das Rhonethal bis zum Genfersee, den Länderstreifen zwischen
Saone, Maas und Schelde einerseits und dem Rheine andererseits,
diesseits des Rheins Friesland. Ludwig erhielt das Land ostwärts
von dem Rheine, auf dem westlichen Rheinufer die Bisthümer Mainz,
Worms und Speyer, den nordwestlichen Theil von Helvetien und Rhä-
tien; Karl endlich bekam den von Lothars Besitzungen westwärts ge-
legenen Theil des Reiches, mußte aber noch längere Zeit mit Pipin von
Aquitanien, welchen seine Oheime ausschloßen, um den Besitz kämpfen.
§ 140. Ludwig erhielt später den Beinamen „der Deutsche",
weil man annahm, der Berdener Vertrag habe die Romanen und
Deutschen (welche Bezeichnung noch immer keine politische ist) getrennt;
allein dies ist augenscheinlich unrichtig, auch wurde durch den Vertrag
Karls des Großen Reich keineswegs dauernd aufgelöst, denn das ge-
genseitige Erbrecht der karolingischen Dynastien bestand fort, daher
begegnen wir später neuen Theilungen und Wiedervereinigungen, aber
auch endlosen Kriegen.
Iie lotharingisch-italienischen Karolinger (840—875 n. Ehr.).
§ 141. Lothar I. zeigte sich nach 843 genügsamer, wohl haupt-
sächlich deßwegen, weil die Normannen und Mohammedaner
ihn hinlänglich beschäftigten. Die Normannen hatte er selbst nach
Walcheren gerufen und nach dem Vertrage von Verden verheerten sie
seine Länder eben so wie die seiner Brüder. Nach Unteritalien
rief die Mohammedaner der Krieg des Herzogs von Benevent mit den
Griechen (Byzantinern) um Neapel. Sie kamen sowohl aus Sicilien
als aus Spanien herbei, eroberten Bari und Tarent und setzten sich
im kalabrischcn Gebirge fest. Im Jahr 846 streiften sie bis vor Rom,
849 jedoch wurde ihre Flotte vor Ostia von den Schiffen des Papstes,
Neapels, Amalsis und Gaötas geschlagen und ihre Festungen darauf
von Ludwig, dem Sohne Lothars, genommen. Dauernd gesichert
wurde dadurch Unteritalien nicht, denn die tunesischen Araber eroberten
von 828—878 Sicilien vollständig und bedrohten von dort das vor
ihren Augen liegende italienische Festland. Lothar 1. zog sich, von
seinem Gewissen geängstigt, in das Kloster Prüm (im Trier'schen)
zurück, wo er 855 starb.
§ 142. Seine drei Söhne: Ludwig, Lothar Ii. und Karl
theilten das väterliche Reich; Karl starb 863 kinderlos, Lothar 869,
und sein Land (nach ihm Lotharingien genannt) theilten Karl der
Kahle und Ludwig der Deutsche so mit einander, daß die Gränzlinie
zwischen der Mosel und Maas hinlief, von Lüttich an aber der Maas
folgte. Der berechtigte Erbe, welcher den Kaisertitel als Ludwig Ii.
trug, konnte sein Recht nicht geltend machen und starb 875 ohne männliche
Nachkommen, wodurch Italien der Zankapfel der transalpinischen Ka-
rolinger wurde.
Die ivestsränkischcn (französischen) Karolinger (843—987 n. Lhr.).
Karl der § 143. Karl der Kahle liebte die Gelehrsamkeit, war aber treu-
Kahle reg. und ländergierig wie seine Brüder und ohne allen kriegerischen Muth.
840-877. Aquitanien und Halblotharingien hatte er glücklich errafft und als Lud-
875. wig Ii. in Italien starb, eilte er dahin, ließ sich zum Kaiser krönen
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Karl Karl Pipin_von
Aquitanien Ludwig Ludwig Karls Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Lothar_Ii Karl Karl Karl Karl Lothar_869 Karl_der
Kahle Karl Ludwig_der_Deutsche Ludwig Ludwig_Ii Ludwig Karl Karl_der_Kahle Karl
62
Geschichte des Mittelalters.
972-997. allmälig gestatteten sie auch dem Christcnthum Eingang. Geisa
wurde durch seine Gemahlin Sarolta für dasselbe günstig gestimmt
997-1038. und sein Sohn Stephan der Heilige führte es als Staatsre-
ligion ein. Eine Empörung dämpfte er mit Waffengewalt, gründete
Bisthümer, Kirchen und Klöster, theilte Ungarn in Ko mit ate und
führte eine Gerichtsordnung ein. Von Kaiser und Papst erhielt er
im Jahr 1000 die königliche Krone, eroberte 1002 Siebenbürgen
und schlug 1003 die Bulgaren und Petschenegen zurück. Mit Otto Iii.
und Heinrich Ii., dessen fromme Schwester Gisela seine Gemahlin
war, stand er in dem besten Einvernehmen, mit Konrad Ii. aber gerieth
er in einen kurzen nichts entscheidenden Krieg.
8 190. Stephans Neffe und Nachfolger, Peter, wurde vertrie-
den und fand bei dem Markgrafen Albrecht von Oesterreich Ausnahme,
was zu einem Einfalle der Ungarn und zu einem Kriege mit Heinrich Iii.
führte. Dieser erzwang 1043 die Abtretung des Landstrichs bis zur
Leitha, erfocht in dem schon im nächsten Jahre wieder ausgebrochenen
Kriege einen großen Sieg an der Raab und setzte Petern zu Stuhl-
weißenburg zum König ein, wofür ihm dieser als Oberherrn hul-
digte. Doch Peter wurde abermals gestürzt und Andreas I., der
Enkel eines Bruders von Stephan, zum König erhoben. Zwei neue
V Feldzüge überzeugten jedoch den Kaiser von der Unmöglichkeit eine
Oberherrschaft über Ungarn zu behaupten, daher nahm er den durch
Cb ist i, Papst Leo Ix. vermittelten Frieden an.
sierung von In Ungarn folgten noch viele einheimische Kriege, bis Ladislaus I.
Äroatienund (Wladislaw) die Herrschaft errang; er eroberte auch Kroatien und
Torfu™ Slavonien und führte in diesen Ländern das Christenthum ein.
1095' Heinrich Iii. in Italien (1046—1047).
§ 191. Italien war um diese Zeit mehr als je der Schauplatz
wüthender Parteikämpfe und der päpstliche Stuhl der Siegespreis; daher
war Heinrichs Römerfahrt (so hieß der Zug des deutschen Königs nach
Italien und Rom zur Kaiserkrönung) auch den Italienern willkommen
und er ernannte auf das Verlangen der Römer, der Geistlichkeit und
des Volks einen Papst in der Person des Bischofs Suitger von Bam-
berg, welcher als Klemens Ii. Heinrichen krönte, aber schon im fol-
genden Jahre starb. Ein zweiter von dem Kaiser ernannter Papst
starb wenige Tage nach seiner Ankunft in Rom, worauf Heinrich seinen
Verwandten, den allgemein verehrten Bischof Bruno von Tüll, auf den
päpstlichen Stuhl erhob, der als Leo Ix. sein Amt ruhmvoll verwaltete.
Die Normannenherrschaft in Unteritalien.
8 192. Von den französischen Normannen gingen viele in fremde
Dienste, weil die nachgebornen Söhne keinen Antheil an dem untheil-
baren Allode bekamen und daher ihr Glück nur mit den Waffen suchen
konnten. In Unter Italien behaupteten sich noch einige longobardi-
sche und griechische Fürsten, z. B. von Benevent, Neapel, Sa-
lerno, Amalfi, gegen die Angriffe der Saracenen und nahmen nor-
mannische Krieger in ihren Sold, welche durch ihre gewaltige Körper-
kraft und ihren unbändigen Muth die Saracenen mit Schrecken erfüllten.
Als ihnen nach griechischer Gewohnheit nicht Wort gehalten wurde,
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Extrahierte Personennamen: Geisa Sarolta Stephan_der_Heilige Otto Heinrich_Ii Heinrich Gisela Konrad_Ii Konrad Peter Albrecht_von_Oesterreich Albrecht Heinrich_Iii Heinrich Peter Andreas_I. Stephan Leo_Ix Leo Ladislaus_I. Wladislaw Heinrich_Iii Heinrich Heinrichs_Römerfahrt Heinrichs Klemens_Ii Heinrich Heinrich Bruno_von_Tüll Leo_Ix Leo B._von_Benevent
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Ungarn Leitha Ungarn Kroatien Italien Italien Italien Rom Rom Unteritalien Italien Neapel Amalfi
Verbreitung des Christenthums in Germanien. 25
(Sie waren immunes (Immunität); insofern es sich nämlich um Sachen
der Gutshörigen und Leibeigenen unter sich handelte, so richtete der
Herr oder sein Beamter nach dem Hosrecht.) Die spatere Ausbildung
des Lehenwesens hatte ein eigenes Lehenrecht und Lehengericht zur
Folge; den Vorsitz desselben führte der Lehensherr, das Urtheil
sprachen die Lehcnträger oder Vasallen als Schöffen.
Die Gesetze der germanischen Völker wurden erst spater schriftlich
abgefaßt, die meisten im sechsten Jahrhundert, und zwar mit Aus-
nahme des angelsächsischen in der lateinischen Sprache.
Wehr wesen.
K 68. Bei einem feindlichen Einfalle war jeder freie Mann zum
Auszuge verpflichtet, zu Nationalkriegen jeder mit einem bestimmten
Vermögen; andere Kriege oder Fehden führten die Könige mit ihren
Dienstleuten. Die Rüstung war sehr verschieden; nur reiche Leute
waren mit Schild, Panzer, Beinharnisch, Helm, Lanze oder Hellebarde,
Schwert oder Streitart bewaffnet, denn alle Metaüarbeiten waren noch
sehr theuer. Ein Feldzug dauerte nur den Sommer hindurch und wurde
gewöhnlich durch eine Feldschlacht entschieden; vor derselben sangen die
christlichen Germanen ein frommes Lied oder beteten mit ausgebreiteten
Armen. Zwar lag die Kraft des Heeres noch immer im Fußvolke,
doch fochten die Herren schon meistens zu Pferde. Im Kriege wurden
Felder und Gärten verwüstet, Hütten und Häuser verbrannt, Vieh,
Kleider und Geräthe geraubt, die Gefangenen fortgeführt und in der
Regel nur gegen Lösegeld freigegeben.
Drittes Kapitel.
Verbreitung des Christenthums in Germanien.
8 69. Die in Germanien zurückgebliebenen Volksstämme sowie die
Angelsachsen blieben ihren Göttern noch lange getreu, während die ausge-
wandelten sich fast durchgängig zu dem Arianismus bekehrten. Chlode-
wigs Eintritt in die katholische Kirche brachte eine ent-
scheidende Wendung, denn die arianischen Westgothen, Burgunder
und Longobarden wandten sich jetzt ebenfalls der Kirche zu, und Chlode-
wig sowie seine Nachfolger schützten die Glaubensboten, welche zu den
noch heidnischen, aber von den Frankenkönigen bezwungenen Stämmen
pilgerten. Diese Glaubensboten kamen hauptsächlich von den britischen
Inseln. In Irland, welches von der Völkerwanderung unberührt blieb,
hatte St. Patricius um die Mitte des fünften Jahrhunderts das
Christenthum verbreitet; die Iren brachten es den stammverwandten
Schotten (die Iren selbst wurden damals Schotten genannt), deren
Nationalheiligthum auf der Insel Jona (jetzt Jkolmkill, zu den Hebri-
den gehörig) war. Auch bei den Briten in England erhielt sich das
Christenthum und auch bei ihnen blühte wie in Irland ein Kloster
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Extrahierte Personennamen: Jona
Extrahierte Ortsnamen: Germanien Germanien Germanien Irland England Irland
Der Islam.
31
bis in die Urzeit zurückführt. Laut denselben stammen die nördlichen
Stämme von Jsmael, dem Sohne Abrahams, die südlichen von Jok-
tan ab (womit auch die alttestamentliche Erzählung übereinstimmt),
sind also Semiten. Si^ verehrten Sonne, Mond und Sterne (Sa-
bäismus) sowie verschiedene örtliche Gottheiten. Ein nationales Heilig-
thum war schon in alter Zeit die Kaaba, ein würfelförmig gebauter
kleiner Tempel zu Mekka, in welchem der sogenannte schwarze
Stein ausbewahrt wird, der vom Himmel gefallen sein soll (ein Me-
teorstein). Frühe fand auch das Judenthum Eingang und es gab
ganze jüdische Stämme, welche gegen das Christenthum, das gleichfalls
zahlreiche Bekenner, besonders in den Städten fand, große Feindseligkeit
zeigten. Im sechsten Jahrhundert n. Ehr. war die Blüte Petras und
Sabas längst vorbei (der Fall Babylons und Tyrus hatte sie ge-
brochen), die ganze Halbinsel der Schauplatz des einförmigen Treibens
der nomadischen Stämme und ihrer zahllosen Fehden.
Mohammed, Hedschra 16. Juli 622 n. Chr. (mohammedanische Äera).
§ 87. Im Jahr 569 oder 571 wurde Mohammed (d. h. der
Berühmte, Preiswürdige) zu Mekka geboren; er gehörte der Familie
Haschern aus dem edlen Stamme Koreisch an, welcher in gerader
Linie von Abraham und Jsmael abstammen wollte und das Ehrenrecht
genoß, das Heiligthum der Kaaba zu überwachen und für die ankom-
menden Pilger zu sorgen. Seinen Vater Abdallah verlor er ganz
frühe und wurde von seinem Großvater und seinen Oheimen erzogen;
später machte er mehrere Handelsreisen mit seinen Verwandten, zuletzt
im Dienste der reichen Wittwe Chadidscha, die er in seinem
25. Jahre heirathete. Auf seinen Reisen nach Damaskus und Jerusalem,
im Umgänge mit Christen und Juden gewann er eine zwar nur oberfläch-
liche Kenntniß der mosaischen und christlichen Religion, verfiel aber
allmälig der Schwärmerei in einem solchen Grade, daß er sich als das
von Gott erwählte Werkzeug ansah, um der Welt die wahre Religion
mitzutheilen. Bald glaubten die meisten seiner Verwandten an seine
Sendung, doch sand er bei dem Volke Mekkas wenig Anhang, bei
seinen Stammgenoffen, den Koreischiten, sogar erbitterte Feindschaft.
§ 88. Diese nöthigten ihn zur Flucht nach Medina, woi6.Iuli622
sein Anhang die Oberhand hatte; von hier aus bekriegte er Mekka n. Chr.
und bemächtigte sich desselben 630 nach dem Treffen bei Beder. 630.
Seitdem verkündete er seine Lehre (den Islam, d. h. Hingebung) mit
großem Erfolge und erlebte es noch, daß alle arabischen Stämme dersel-
den zusielen, denn sie entsprach der schwärmerischen Phantasie der Araber,
ihren Leidenschaften und ihrem kriegerischen Feuer, daher sie auch heut-
zutage noch bei rohen kriegerischen Völkern, keineswegs aber bei gebildeten,
Anhang findet. Ihre Hauptsätze sind: es ist nur ein Gott und Mo-
hammed ist sein Prophet, der das Werk Mosis und Jesu vollendet
und wieder herstellt, denn Juden und Christen haben die reine Lehre
verdorben. Der Islam soll allen Völkern verkündet werden; wider-
stehen sie demselben, so sollen sie von den wahren Gläubigen mit der
Schärfe des Schwertes vertilgt oder zu Knechten gemacht werden.
Fünfmal des Tages sollen die Gläubigen die Hände waschen und beten,
sollen öfters fasten und Almosen geben, sich des Weines und Schweine-
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude]]
TM Hauptwörter (200): [T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T189: [König Reich Land Volk Israel Zeit Jahr Stadt Babylon Sohn]]
Extrahierte Personennamen: Abrahams Petras Mohammed Mohammed Abraham Abdallah