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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 300

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
300 Iii. Geschichtsbilder. Oesterreicher ziehen wollte, verweigerte d'olfort nicht nur den Einlaß, sondern er ließ Kanonen gegen seine eigenen Landsleute aufführen; dagegen öffnete er den Oesterreichern von der andern Seite die Stadt. So gingen alle Fe- stungen und Städte wieder an die Oester- reicher verloren. Einzelne Haufen lei- steten da und dort noch hartnäckigen Widerstand; doch sie wurden überwältigt, zerstreut, gefangen, entwaffnet. Auch Meindl, der sich bei Wasserburg noch verschanzt hielt, verließ, nachdem er Alles verloren sah, seine Schaaren. Der edle Plinganser zerbrach verzweifelnd sein Schwert und floh aus dem unglücklichen Vaterlande. So endete diese Erhebung, welche den glorreichen Aufständen der Tiroler an die Seite gestellt werden darf, zwar nicht im Glücke der Waffen, wohl aber in edler Begeisterung, Vaterlandsliebe und treuer Anhänglichkeit an den Fürsten! 138. Karl Albrecht und Maximilian Joseph Ul in Bayern. 1. Der Tod des Kaisers Karl Vi., des letzten männlichen Sprossen aus dem habsburgischen Hause, rief in Deutsch- land wieder ernste Verwicklungen her- vor. Auf Grund eines von Karl Vi. unter Zustimmung der Stände und der meisten deutschen und auswärtigen Re- genten erlassenen Hausgesetzes, der prag- matischen Sanktion, trat Karls Vi. einzige Tochter Maria Theresia die Regierung in sämmtlichen österreichischen Kronländern an. Kurfürst Karl Al- brecht von Bayern aber war nicht ge- neigt, seine durch Kaiserferdinands l. Te- stament verbrieften Ansprüche auf Oester- reich und Böhmen so leichthin bei Seite schieben, zu lassen. Frankreich und das junge, mächtig aufstrebende König- reich Preußen suchten den Erbschafts- streit zu ihrem Vortheil auszubeuten und ermunterten den bayerischen Kur- fürsten in seinem Widersprüche gegen die pragmatische Sanktion, wenn gleich beide Staaten dieser früher ihre Zustimmung gegeben hatten. Da nun Oesterreich Bundesgenossen an England und Holland, später sogar an Rußland fand, so stund bald beinahe ganz Europa abermals wi- der einander in Waffen. Wie im spa- nischen Erbfolgekriege mußte Bayern die bittere Erfahrung machen, daß Frank- reich nur aus eigenem Interesse Karl Albrechts Parthei ergriffen hatte, und daß es diesen in der Roth ebenso seinem Schicksale überließ, wie früher den Kur- fürsten Max Emannel. Preußen war in diesen Krieg ohne- hin aus keiner andern Absicht einge- treten, als sich auf Kosten Oesterreichs zu vergrößern; es kümmerte sich um Karl Albrecht nicht weiter, sobald es dieses Ziel erreicht hatte. So besaß dieser bloß Bundesgenossen, denen sein gutes Recht nur zu einem Deckmantel diente, unter dem sie ihre selbstsüchtigen Zwecke verfolgten. Ueber Karl Albrecht und seine treuen Bayern brachte dieser Krieg vielen Jam- mer. Wohl drang der Kurfürst An- fangs siegreich in Oesterreich ein und ließ sich in Linz als Erzherzog huldigen; statt aber geraden Weges auf Wien zu gehen, zog er nach Prag, um dort die böhmische Krone zu empfangen, zu welcher er bald darauf in Frankfurt noch die deutsche Kaiserkrone erhielt. Rur zu bald wendete sich das trügerische Kriegs- glück. Die Oesterreicher eroberten Bayern und nachdem der bayerische General Seckendorf es seinem Herrn ans kurze Zeit wieder gewonnen, siel es aber- mals in österreichische Hände und wurde nun wie zu Max Emanuels Zeiten als ein erobertes Land behandelt und sogar gezwungen, Maria Theresia, der Königin von Ungarn und Böhmen, zu huldigen. Karl Albrecht aber ward von Frank- reich wie von Preußen im Stiche ge- lassen. In Frankfurt saß er, ein Fürst ohne Land, ein Kaiser ohne Macht. Vom Mißgeschick gebeugt, rief er aus: „Mich wird das Unglück nicht verlassen, bis ich es verlasse!" Noch ein Licht- strahl siel in sein düsteres Loos: der greise Seckendorf hatte ihm Bayern zum zweitenmale erobert und

2. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 305

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
141. Andreas Hofer und der Aufstand in Tirol. 305 jetzt aber mußten sich solche Gefühle tief im Innern bergen, denn wer es wagte, sie laut werden zu lassen, verfiel der Rache des corsischen Cäsaren, wie das Beispiel des Buchhändlers Palm von Nürnberg beweis't. Dieser hatte eine Flugschrift verlegt, welche über Deutschlands tiefe Erniedrigung klagte und das alte Freiheitsgefühl in den Deutschen zu wecken suchte. Der Mann mit dem deutschen Herzen ward in sei- ner Heimatstadt von französischen Gens- d'armen verhaftet, vor ein ftanzösisches Kriegsgericht in Braunau gestellt, und weil er den Verfasser der Schrift nicht nannte, — standrechtlich erschossen. Aber noch war das Maß des Elends nicht voll. Immer noch schienen Preu- ßen und Oesterreich dem Gewaltherrn an der Seine zu mächtig und mithin gefährlich. Im Feldzuge von 1806 und 1807 demüthigte er auch Preußen und im Jahre 1809 brach er den Rest von Oesterreichs Macht. So hatte er ganz Deutschland niedergeworfen, und seine Uebermacht schien besiegelt für alle Zei- ten. Das Land war unter der Geißel fortwährender Kriege ausgesaugt, das Volk niedergetreten, entmuthigt. Es trug seine Ketten knirschend, grollend, aber wagte kaum daran zu rütteln, denn nirgends leuchtete ein Stern der Hoffnung. Ganz Deutschland, ja Europa, war einem großen Friedhofe zu vergleichen, in dem die Unabhängigkeit und Freiheit der Völker begraben lag. „Du Land der Eichen, wo das Ja ertönet, Germania, mein herrlich Vaterland, Du Rächerin, wie liegst du da verhöhnet, Du Kriegcrin, wie bückst du abgewandt! Du, die die Schmach der alten Welt versöhnet, Die einen Weg zu Roma's Schicksal fand, Du Pflegerin des Tapfern und des Guten, Weinst Thränen in des fremden Rheines Flu- then!" (E. M. Arndt.) 141. Andreas Hofer und der Anfstand in Tirol. Noch vor den Schlachten von Aspern und Wagram war im Lande Tirol durch die österreichischen Bevollmächtigten Cha- steller und Baron Hormayr der Volks- aufstand zu Gunsten des Kaiserhauses vollständig eingerichtet worden; der Haß gegen Bayern war durch die wenn auch wohlgemeinten Neuerungen des Königs Maximilian, durch Willkür der fremden Beamten, besonders aber dadurch noch gesteigert worden, daß sogar der Name Tirol aufgehoben und das Land „Süd- bayern" genannt wurde. Die Häupter des Volksaufstandes waren Andreas Hofer von Passeier, ein schlichter, frommer Mann aus dem Volk, und von diesem hochgeehrt; zwar beschränkt von Einsichten, aber treu wie Gold, kräftig von Gliedern und stattlich von Ansehen mit seinem schwarzen Bart; im unteren Innthal Speckbacher, der beste Schütze weit und breit, verwegen zu jeder großen That und meisterlich klug. Und bald hatte ganz Tirol die bayerisch-französische Herrschaft abgeschüt- telt. Nun schickte Napoleon den Mar- schall Lefebvre mit vielem Kriegsvolk Marschall, Lesebuch. in's Land Tirol. Da verlor Chasteller den Muth; die Franzosen und Bayern drangen ein, gewannen einige Vortheile und mißhandelten die Tiroler, wo sie deren habhaft wurden, mit der unmensch- lichsten Grausamkeit. In dieser Noth ließen Chasteller und Hormayr die braven Tiroler im Stich und flüchteten. Da be- riefen Hofer und Speckbacher alles Volk auf den Berg Jsel bei Innsbruck, und ein Kapuziner, Namens Haspinger, kam auch dazu, ein Mann, mehr zum Feldherrn als zum Mönch erschaffen. Nun begann am Berg Jsel ein langer, furchtbarer Kampf des Volkes gegen die Landesfeinde. Der Speckbacher verlegte ihnen den Weg bei Hall. Er hatte einen jungen Sohn Andreas, der „Ändert" genannt; der Knabe folgte ihm lustig in's Gefecht und weil er selber nicht mitfechten durfte, so grub er keck die feindlichen Kugeln aus >der Erde heraus, wo sie eingeschlagen, sammelte sie in seinem Hütlein und brachte sie seinem Vater. Die Feinde erlitten ungeheuren Verlust, während die Tiroler gap frisch und wohlgemuth auf den heimischen 20

3. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 282

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
282 Id. Geschichtsbilder. stand der Kirchenzucht in Bayern schil- derte und im Namen seines Herrn Ver- besserung und Abhilfe verlangte. Die Beschlüsse des Concils stellten den katholischen Lehrbegriff fest, schafften vorhandene Mißbräuche ab und bezweck- ten dadurch eine nothwendige und wohl- thätige Reform in der katholischen Kirche. Aber die von Vielen gehoffte Ver- söhnung der verschiedenen Religionspar- theien war leider nicht zu Stande ge- kommen. Die Protestanten hatten die Versammlung gar nicht besucht. Die neuen Lehren wurden als Irrlehren er- klärt und vom Concilium verdammt. Somit war die in ihren Folgen für unser deutsches Vaterland so unheilvolle Kirchentrennung vollzogen. Herzog Albrecht suchte den Entschei- dungen des Concils in seinem Lande mit aller Entschiedenheit Geltung zu verschaffen, doch mehr mittels Milde gewinnend, als mittels Gewalt erzwin- gend; beflissen, durch Hebung der Kirchen- zucht und des Unterrichtes die kirchlichen Mißstände zu beseitigen und die Wan- kenden im Glauben zu befestigen. Die Ritterschaft namentlich war der neuen Lehre ergeben und nicht so leicht zur Rückkehr zur alten Kirche geneigt. Einige verschworen sich zu einem Auf- ruhr, warben zu diesem Zwecke auswärts Kriegsvölker, ja sie sollen sogar einen Anschlag wider des Herzogs Leben ge- faßt haben. Dieser, noch rechtzeitig von dem Plane unterrichtet, ließ die Schul- digen vor sich rufen. Ihr Vergehen 132. Der Ansbruch des Seit dem Augsburger Religions- frieden war der Zwiespalt der Partheien in Deutschland nicht geschlichtet, nein, fortwährend gewachsen, der Hader täg- lich bitterer geworden, und die gewaltige Gährung der widerstrebenden Leiden- schaften näherte sich ihrem Ausbruche. Endlich erhob sich der längst gefürchtete Krieg, schrecklicher, anhaltender, als die schwärzeste Ahnung geweissagt. In Böhmen entlud sich das Gewitter _ zu- erst. Dort boten die Religionsstreitig- keiten der seit den Hussitenkriegen zwar lag offen, ihr Leben in des Fürsten Hand. Doch dieser verzieh ihnen und ließ sie ungestraft, ja er tilgte sogar ihre Namen, damit kein Makel auf ihre Nachkommen übergehe. Nur ihre Sie- gelringe zerbrach er. Wie kein Fürst Bayerns vor ihm war er ein Freund der Wissenschaften und Künste. Die Universität Ingolstadt war zu seiner Zeit die vornehmste im katholischen Deutschland, und durch wohl- thätige Stiftungen erleichterte der Herzog armen Studirenden den Zutritt zu der- selben. In seiner Umgebung hatte er immer geistreiche Männer, lag selbst fleißig den Studien ob, legte den Grund zur Hofbibliothek und forschte selbst gerne in alten Schriften und Büchern. Her- vorragende Meister der Künste: Maler, Bildhauer und Musiker, unter letzteren der berühmte Orlando Lasso, lebten an seinem Hofe, der an Glanz und Aufwand alle übrigen in Deutschland überstrahlte. Freilich forderte dieser Aufwand große Summen und die Stände erhoben Klage wegen zu hoher Steuern, die den Säckel des Landmannes leerten und über das viele Wild, welches die Saaten zerfräße. Indessen suchte Albrecht Abhilfe zu gewähren; immerhin aber erwies er sich wohlthätig für gemeinnützige Zwecke, und war besonders freigebig gegen die Armen. So herrschte Albrecht, allgemein ge- liebt, in gefährlichen Zeiten 30 Jahre in Frieden über Bayern, das ihn mit Recht den Großmüthigen nennt. dreißigjährigen Krieges. unterworfenen, aber noch fortwährend grollenden und im Stillen rührigen slavo- czechischen Parthei eine willkommene Ge- legenheit, das Haupt auf's Neue zu er- heben und der deutschen Herrschaft sich zu entziehen. Die Spannung der Partheien war dort auf den höchsten Grad gestiegen, und es bedurfte nur eines verhältniß- mäßig geringen Anlasses, um das unter der Asche glimmende Feuer zu verzeh- render Gluth anzufachen. Diesen Anlaß gab der Bau der protestantischen Kirchen

4. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 283

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
132. Der Ausbruch des dreißigjährigen Krieges. 283 zu Klostergrab und Braunau. Der Erz- bischof von Prag, dem das Städtchen Klostergrab zugehörte, und der Abt von Braunau erhoben Einsprache gegen die Errichtung dieser Kirchen. Die Sache kam vor den Kaiser Mathias, und dieser entschied, daß der Bau zu unterbleiben habe. Da sich aber die Protestanten daran nicht kehrten, so ließ der Prager Erzbischof die Kirche zu Klostergrab schließen und später niederreißen; der Abt von Braunau ließ die neuerbaute Kirche in seiner Stadt ebenfalls schließen. Die protestantischen Stände erblickten hierin eine Verletzung des sogenannten Majestätsbriefes Rudolfs Ii., erhielten aber wegen dieses Beschlusses einen kai- serlichen Verweis und wurden mit stren- ger Untersuchung und Strafe bedroht. Noch wirkten einige Umstände mit, die Erbitterung der Protestanten auf's höchste zu steigern. Im Jahre 1617 war das Reformationsjubiläum in Böhmen fest- lich begangen worden, und es hatte durch diese Feier der konfessionelle Zwiespalt neue Nahrung erhalten. In demselben Jahre hatte der Kaiser Mathias die Verwaltung von Böhmen zehn Statt- haltern übertragen, von denen sieben katholisch waren. Unter den letzteren befanden sich zudem zwei bei den Pro- testanten besonders verhaßte Männer, die Grafen Martinitz und Slawata. Es verbreitete sich nun das Gerücht, der kaiserliche Befehl sei von den Statt- haltern gefälscht worden. Am 23. Mai 1618 drang eine Deputation der pro- testantischen Stände in die Kanzlei des kaiserlichen Schlosses zu Prag, dessen Zugänge von bewaffneten Haufen be- setzt wurden. An der Spitze dieser De- putation stand der Graf Matthias von Thurn, der, obwohl ein Deutscher, seit seiner Entsetzung von dem einflußreichen Burggrafenamte sich enge an die czechische Parthei angeschlossen hatte und eines ihrer thätigsten Häupter war. Dieser sprach zu den Seinen, nie sei Hoffnung, die Religionsfreiheit dauernd zu begrün- den, so lange Martinitz und Slawata lebten; man müsse sie also tödten, jetzt, auf der Stelle. Diese Aufforderung verfehlte ihre Wirkung nicht. Wenzel von Rampora rief: „Werft sie nach alt- ! böhmischen Gebrauche zum Fenster hin- aus!" worauf Wilhelm von Lobkowitz den Martinitz umfaßte, zum Fenster drängte, und von einigen anderen unter- stützt, ihn ungeachtet seines Flehens hinunter stürzte. Darauf folgte plötz- liche Stille, da selbst die Thäter über ihre That erschraken. Thurn rief, auf Slawata deutend: „Edle Herren, hier habt ihr den anderen!" Darauf mußte auch Slawata den unfreiwilligen Sprung aus dem Fenster machen, und ihm wurde noch der Geheimschreiber, Philipp Fabri- cius Platter, nachgesandt. Die Höhe bis zum trockenen Schloßgraben maß an 50 Fuß. Doch kamen alle drei mit dem Leben davon; nur Slawata erhielt eine Verletzung am Kopfe. Nach dieser Gewaltthat mußten die protestantischen Stände weiter gehen, wenn sie nicht strenge Strafe auf ihre Häupter laden wollten. Sie rissen die Regierung an sich und einigten sich in der Wahl von 30 Direktoren, zugleich warben sie ein Heer und stellten an dessen Spitze den Grafen von Thurn. Als im folgenden Jahre Kaiser Matthias starb, kündigten die Böhmen dem Hause Habsburg gänzlich den Ge- horsam auf und wählten den jungen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, das Haupt der protestantischen Union, zu ihrem Könige, in der Hoffnung, durch die Unterstützung der Union sich gegen die Macht Habsburgs halten zu können. Kurfürst Friedrich schwankte, ob er die Wahl annehmen solle oder nicht. In seinem geheimen Rathe wurden mehr Gründe gegen, als für die Annahme vorgebracht. Seine Mutter, Wilhelms von Oranien Tochter, bat ihn thränen- den Auges, die Krone zurück zu weisen. Für die Annahme suchten ihn zu be- wegen Christian von Anhalt und seine stolze Gemahlin Elisabeth, Tochter des Königs Jakob I. von England. Sie soll zu ihm gesagt haben, warum er nicht den Muth habe, nach einer Königs- krone zu greifen, nachdem er eine Kö- nigstochter gefreit! Friedrich entschied sich für Annahme; seine Mutter aber sagte ihm, als er Heidelberg verließ, prophe- tischen Blickes: „Sohn, du trägst die Pfalz nach Böhmen!" —

5. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 287

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
134. Das Ende des dreißigjährigen Krieges. 287 134. Das Ende des dreißigjährigen Krieges. Was diesen furchtbarsten und unheil- vollsten aller Kriege so beklagenswerth macht, ist nicht zunächst seine lange Dauer, nicht der unerhörte Menschen- verlust, nicht die grauenhafte Verwüstung deutscher Lande, obwohl von alle dem jedes schon unendlich betrübend erscheint; — sondern der durch ihn bewirkte poli- tische Zerfall Deutschlands, der Verlust der inneren und äußeren Selbstständigkeit. Die Kaisermacht war von nun an ge- brochen, die Reichseinheit vernichtet, Deutschland dem Einfluß des Auslandes preis gegeben. Es fehlte zu damaliger Zeit nicht an Männern, welche mit klarem Blicke das Elend erkannten und mit patriotischem Muthe der Wahrheit Zeugniß gaben. Aber sie predigten tau- den Ohren. Im Jahre 1647 schrieb der edle Wassenberg im Kummer über den Verfall Deutschlands also: „Mit lauter Stimme rühmen die Franzosen und Schweden, Deutschland sei von ihnen bezwungen, und die durch unsere eigenen Hände uns entrissenen Fahnen zeigt öffentlich Paris und Stock- holm. So, thörichte Dienstleute frem- den Ruhmes, zerstören wir den unsern und unsere Tugend mit unserem Blute. Könige, die sonst dem Rufe des Kaisers Folge leisten, sich zur Rechenschaft stellen mußten, entscheiden mitten in Deutsch- land über Deutschland, berufen Reichs- tage, sitzen zu Recht, vermögen mehr als der Kaiser, und sind durch unsere Uneinigkeit unsere Herren geworden. Sie rufen, und wir erscheinen; sie reden, und wir horchen ihren Worten wie Ora- keln; sie versprechen, und wir trauen ihren Zusicherungen, als wären sie gött- lichen gleich, sie drohen, und wir zittern wie Knechte! „Wie kann der Einzelne bei solcher Lage des Ganzen auf Freiheit rechnen? Unsere Scepter und Adler sind nicht mehr die unsern, sondern (das sagen sie laut in Worten und Schriften) die Deutschen alle, wo und wie sie seien, gehörten schlechthin, ganz, unbedingt ihnen!" „Schon Gustav Adolf verlangte strenge Unterwerfung, aber er war doch ein König und ein großer König; was aber soll man dazu sagen, daß deutsche Für- sten, Prälaten, Kurfürsten, wie Diener einem überseeischen Edelmanne aufwar- ten, ihm Waschwasser, Mantel, Essen reichen, von ihm zurecht gewiesen, ja verachtet werden?" „Wie mit Judasküssen nahen diese un- sere angeblichen Befreier. Und wir Thoren hoffen, daß so arge, heimtückische Feinde uns erretten, daß sie, die das herrlichste aller Reiche mit allen Kräften und Mit- teln aufzulösen suchten, es heilend her- stellen werden! Sie wollen uns vom Kaiser, den Kaiser von uns trennen; reichen uns in geschmückten Bechern gar manchfaches, süßes, langsames Gift und erwecken uns mehr als einen Maffinissa, durch welche sie das ganze Reich zuletzt in ihre Botmäßigkeit zu bringen hoffen. Vom Rheine, der Nordsee und Ostsee her erspähen sie auf ihren Warten jede Gelegenheit, jeden Streit, der da ent- steht oder von ihnen herbeigeführt wird, und sind (wie einst die Römer Hellas) erst freundliche Zuredner, dann Rath- geber, dann Schiedsrichter, endlich Her- ren !" „O Deutschland, erwache, gedenke deiner selbst, erstehe von diesem tödtlichen Kampfe? Das Reich kann nur durch das Reich, Deutschland durch Deutsch- land wiedergeboren werden, und durch die Sonne der göttlichen Gnade wie ein Phönix aus der Asche seines eigenen Leibes hervorgehen. Nicht Katholiken oder Unkatholiken, nicht Römische oder Lutherische (Namen, den arglistigen Fein- den willkommen) sollen uns davon ab- halten; sondern als Glieder eines Leibes, eines Staates, als Brüder müssen sich alle Deutsche in Liebe umfassen, und mit allen Kräften und Tugenden helden- müthig jenem großen Ziele nachstreben. Das Vaterland schützen, vertheidigen, erhalten, dazu ist Jeder, dazu sind Alle verbunden. Aber nach beiden Seiten zu hinken, bald nach Paris, bald nach Stockholm zu blicken, Landhaften hin- geben und Freiheit erkaufen wollen —

6. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 344

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
344 Iv. Naturbilder. hast anzuhören sind die Lobeserhebun- gen, welche dem edlen Pferde gespendet werden. „Sage mir nicht, daß dies Thier mein Pferd ist, sage, daß es mein Sohn ist! Es läuft schneller wie der Sturmwind, schneller noch, als der Blick über die Ebene schweift. Es ist rein, wie das Gold. Sein Auge ist klar und so scharf, daß es ein Härchen im Dunkeln sieht. Die Gazelle erreicht es im Laufe. Zu dem Adler sagt es: Ich eile, wie du dahin! Wenn es das Jauchzen der Mädchen vernimmt, wiehert es vor Freude, und an dem Pfeifen der Kugeln erhebt sich sein Herz. Aus der Hand der Frauen erbettelt es sich Almosen, den Feind schlägt es mit dem Hufe in's Gesicht. Wenn es laufen kann nach Herzenslust, vergießt es Thränen aus seinen Augen. Ihm gilt es gleich, ob der Himmel rein ist, oder der Sturm- wind das Licht der Sonne mit Staub verhüllt; denn es ist ein edles Roß, welches das Wüthen des Sturmes ver- achtet. In dieser Welt gibt es kein zweites, welches ihm gliche. Sein Schritt ist so sanft, daß du im vollsten Laufe eine Tasse Kaffee auf seinem Rücken trinken kannst, ohne einen Tropfen zu verschütten. Es versteht Alles, wie ein Sohn Adams, nur daß ihm die Sprache fehlt." Dem Fremden überläßt der edle Araber sein Roß um keinen Preis. Einen Dieb verfolgt er so lange, als er kann, bis in das Herz des feind- lichen Stammes hinein; doch gilt ihm die Ehre des Pferdes über Alles: man erzählt, daß ein Araber den Dieb, welcher ihn um die beste Stute bestahl, darauf aufmerksam machte, wie er das edle Thier zum vollsten Laufe bringen könne, damit dieses den Ruhm behalte, unter allen Pferden das schnellste zu sein. 157. Das Reh. Es ist ein gar schönes Thier, das Reh. Alles an ihm hat vollkommenes Eben- maß. Der Wuchs ist zierlich. Schlanke Beine tragen den wohlgebauten Körper, dessen ganze Haltung etwas Angenehmes, Lebhaftes hat. Der kleine Kops mit großen, runden Augen und zugespitzten Ohren endet in einer stmnpfen Schnauze und ist bei dem Männchen mit einem kurzen Geweih geschmückt. So lieb, wie die äußere Erscheinung, ist auch das Zusammenleben dieser Thiere. Es gibt nicht leicht ein reizenderes Schau- spiel, als, im Buschwerk verborgen, dem Azen einer Rehfamilie zuzusehen. Eine Waldwiese mit ihren gelben und blaß- rothen Blumen, eingefriedigt zwischen breitästigen Buchen, deren Stämme sich zwischen Faulkirschen und Haselstauden verlieren; tiefer, flüsternder Schatten auf der einen Seite, wo der Kukuk den Abend herausruft; gegenüber ein grüner, safti- ger Sonnenblick, und darüber ein blauer, tiefer Himmel mit einzelnen leichten Wölk- chen angehaucht: das ist das Bild einer deutschen Waldstille. Man liegt still- träumend im Hag, am Rande auf einer Matte von Quendel; — da ertönt ein eigenthümliches Pfeifen. Kleines Gezweig knackt, die Blätter rauschen, und zwischen den Gebüschen streckt sich ein gekröntes Haupt hervor, das mit glänzenden Augen die Wiesen und Hecken durchspäht. Man hält den Athem zurück und lauscht. — — Nun setzt der Bock mit einem weiten Bogensprunge, das Geweih an den Nacken zurückgelegt, über den Graben, sieht sich nochmals, aber keck und frei um — wie- der ertönt jenes Pfeifen, und im Augen- blicke erscheinen die beweglichen Sterne, die drüben hinter den Blättern geleuchtet, hart am Graben. Das kleine gesprenkelte Kitzchen zagt vor dem Satze, es sucht in den Graben hinunter zu klimmen und mißt ängstlich die Tiefe. Aber der Vater wendet den Kops zurück, das kleine Ding faßt Muth, springt, schwebt langgedehnt in der Luft und — gleitet aus den Knieen in die Blumen. Es klagt; die Mutter fliegt über das Hinderniß und ist im Nu an der Seite des Kleinen. Sie wechseln einen Blick, das Kitzchen springt auf und umkreist schäkernd und neugierig die Alten. Es schnüffelt an den Blumen herum, ver- sucht auch wohl ein Blatt Sauerampfer zu kosten, aber die Speise behagt ihm noch

7. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 346

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
346 Iv. Natnrbilder. umher, wirft sie weg, schlägt dann und wann einen linkischen Purzelbaum. Der Alte aber sieht auf die zwei anderen hoffnungsvollen Jungen, in denen das väterliche Talent schon mehr sich offen- bart. Sie haben das leise horchende Mäuschen erspäht und das flüchtende im Wettsprunge gefangen. Mit muth- williger Lust werfen sie es, einer dem andern zu, bis sie, des Spieles satt, es dem jüngsten überlassen. Nun gilts, ein Nest zu spüren, eine Grasmücke zu beschleichen, den schlüpfrigen Frosch zu packen, es wird wohl auch der Palast eines Erdwespenstammes durchstöbert, denn die Zunge der leckern Bürschchen will eben Alles erproben. Endlich tritt auch die Mutter aus dem Erdgeschoß und der alte Fuchs erinnert sich, daß es Zeit sei, seinen Pflichten als Ernährer der Familie nachzugehen. Er macht sich auf; aber er eilt mit Weile. Gelassen schlendert er, den Schweif schleppend, durch Busch und Kraut, immer querfeldein. Bald ist er mitten im Waldbann. Er schleicht langsamer, leiser, vorsichtiger. Der Abend haucht kühl aus Halm und Blatt; die Bäume heben ihre Wipfel regungslos in die Stille; nur die Vogelkehlen sind noch laut. Die Drossel lockt mit hellem Ton, die Meise schlüpft von Busch zu Busch, der Waldzimmermann Specht hackt und hämmert am Eichenstumpf, dazwischen kreischt der Häher und dann ist auf einmal Alles still und nur der melancholische Ruf des Wiedehopfs stöhnt aus dem Schooß der grünen Einsamkeit. Reinecke ist am Rande der grünen Waldwiese angekommen. Er lauscht vor- sichtig. Jetzt knackt es in den Zweigen. Der Fuchs spitzt das Ohr. Ein Pfeifen läßt sich hören: da tritt das Reh heraus, das Haupt spähend emporgerichtet, die Augen nach allen Seiten rollend. Wie- I der pfeift es, und in munterem Sprunge ist das Kitzchen der Mutter zur Seite. In den drolligsten Sätzen tändelt es um dieselbe, ein Kraut, ein Blatt im Fluge abstreifend und dann sich nieder- werfend, um zu saugen. Die Rieke leckt ihm kosend den Nacken. Plötzlich hebt sie ihren Kopf. Ihre Lichter fun- keln, ein Zittern fliegt über die Flan- ken, sie macht ein paar Sprünge und stampft zornig mit den Läufen. Es ist klar, sie hat den Räuber gewittert. Der hat sich leisen Schrittes herangestohlen, sacht, sacht, das Kitzlein unverrückt im Auge. Es gilt einen kühnen Griff. Wenn ihm nur nicht die Alte soeben den Weg verrannt hätte! Aber Reinecke läßt sich nicht irren; er thut, als sei er in liefen Gedanken. Keine Miene verräth, daß er der Beute ansichtig geworden; wie träumerisch starrt er in's Blaue. Er verschwindet, um in weitem Bogen den Angriff von der andern Seite zu versuchen. Allein die wach- same Alte drängt sich dicht an das Junge, denn sie kennt des Rothen Arg- list. Endlich ist er doch dem Ziele seiner Wünsche näher gekommen. Er duckt sich nieder, wie eine Katze schmiegt er sich an den Boden, die Lunte zuckt, die Augen starren wildgierig auf das sorglose Kitzlein; er weißt die mörderi- schen Reißer, hebt leise Fuß und Kopf zu Sprung und Biß, — ein Moment noch — ein Satz — da stürzt sich die Mutter schnaubend auf den Räuber, mit den Füßen ihn zerstampfend. Das Kälb- chen ist gerettet. Reinecke kehrt hinkend und zorngrimmig heim. Rache schwört er dem Flüchtling, und wehe diesem, wenn der Fuchs Gelegenheit findet, den Schwur zu lösen! 3. Tritt die Sonne in das Zeichen des Löwen, dann blüht dem Fuchs die gol- dene Zeit. Auf den Feldern hangen die Aehren schwer und gelb, ein unabsehlicher Fruchtwald. Dahin zieht's den Fuchs. Dort lagern Hase und Kaninchen, Reb- huhn, Wachtel und Lerche, kleine Leut- chen ohne Wehr und Waffen, die ein behagliches Leben führen. Ach es wird ihnen übel gehen! Der Verschlagene weiß zu passen und zu fassen, zu kirren und zu irren mit Strichen und Schlichen, mit Blicken und Tücken. Er mordet bei Tag und Nacht und seine Brut wird feist und dreist. Zu seinem Nachtische wünscht er Confect. Auch das findet sich. Auf sonniger Heide winkt ihm das Bienenhaus. Er erbricht es, schleckt die würzigen Tropfen, und mag ihn das ganze Jmmenheer zürnend umschwärmen, er lacht ihres Stachels, lädt sie sich auf

8. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 320

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
320 Iii. Geschichtsbilder. Hierauf wurden auch mit Baden, Württemberg, Bayern und Hes- sendarmstadt Friedensverträge abge- schlossen, nach welchen diese Staaten den Bestimmungen des Nikolsburger Friedens bezüglich der Neugestaltung der Verhältnisse in Deutschland anerkennen, zugleich auch Schutz- und Trutzbündnisse mit Preußen abschließen und darin sich verpflichten mußten, für den Fall eines Krieges ihre Truppen unter den Ober- befehl des Königs von Preußen zu stellen. Somit hat der deutsche Bund zu bestehen aufgehört. Das ehemalige deutsche Reich ist politisch in drei Grup- pen gespalten: in den norddeutschen 147. Gott in In der That, es entdeckt ein irgend aufmerksamer Blick den Gott in der Geschichte noch leichter und unverkenn- barer, als in der Natur. Wenn aus allem, was die Menschen wollen und dem sie mit allen Mitteln, über die sie gebieten, entgegenstreben, nichts wird; was sie nicht wollen aber sich erfüllt, und es nun hinterher sich klar darstellt, daß das, was sie gewollt, unvernünftig ge- wesen ; was aber geworden, sich als das Rechte erwiesen: dann ist es der Gott in der Geschichte gewesen, der dieses so geleitet hat. Wenn es Mittwinternacht ist auf Erden und alle Pulse der Ge- schichte stocken, und alles Leben in ihr versiegen will, und nun mit einem mal ein Frühlingshauch sie überweht und die verlechzten Brunnen plötzlich über- fließen wollen und eine unbegreifliche Macht die Geister bindet, und sie hin- führt oder hinstürmt, wo sie nicht hin wollen: dann ist es der Gott in der Geschichte, der es durch sie wehen und darauf grünen und blühen läßt. Wenn die Menschen nach der Titanen Art, Trotz auf Trotz, Masse auf Masse, Gewalt auf Gewalt anwälzend sich ein Riesen- bild gebaut, es anzubeten, und nun ein Sonnenstäubchen unvermerkt heran- Bund, in die südwestdeutsche Staaten- grnppe und in die deutsch-österreichischen Landestheile. Bei solcher Lage der Dinge mag uns, die wir nicht ohne bange Besorg- niß in die Zukunft schauen, die Hoff- nung trösten, daß Gott, der ja stets das Schlimme zum Guten zu lenken weiß, auch unserem großen gemeinsamen Vaterlande noch jenen Tag wird erscheinen lassen, da alle deutschen Stämme in ge- genseitiger Achtung ihres eigenthüm- lichen Wesens und ihrer, wie ihrer Herr- scher Rechte sich einträchtig die Hand zum friedlich geeinten Bunde reichen werden! der Geschichte., schwebt, und im Schweden langsam wachsend, hineinwächst in die Sichtbar- keit, und wachsend und immer wachsend Masse gewinnt und zum Steine wird, und der Stein zum Felsen, der, an die thönernen Füße des Kolosses anprallend, ihn in Staub zermalmt: dann ist es der Gott der Geschichte gewesen, der kein Wohlgefallen an dem Götzenbilde ge- funden und der verschwindenden Größen sich bedient, um die sich blähende Klein- heit zu zerstieben. Vor allem, wenn er als Richter herniederkommt, um mit Langmuth getragenem Frevel ein Ziel zu setzen; wenn das Schwert der Boten seines Zorns Hunderttausende wegmäht wie Gras auf dem Anger, daß sie, die noch einen Augenblick zuvor auf ihre Zahl und Macht und Unüberwindlich- keit gepocht, jetzt an der Erde liegen und zu Heu erdörren: dann entsteht wohl eine augenblickliche Stille unter den Völkern, und das sonstige Getöse der Geschichte schweigt eine kleine Zeit; denn jene höhere Geschichte, die Gott aus der Stille seiner Unsichtbarkeit heraus- wirkt ist, jetzt ganz nahe an die Horchen- den herangetreten, und die Geisternähe erfüllt sie mit Schrecken und unwillkür- licher Ehrfurcht.

9. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 349

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
159. Die Gemsen. 349 Wo längst die gut kletternde Alpen- ziege nicht mehr hinsteigt, in die unzu- gänglichsten Grasbetten der steilsten Hörner, auf den fußbreiten Graszügen, die bandartig sich von Felsküppen zu Felsknppen schlingen, da weiden die Gemsen, wie von der Natur bestimmt, auch diesen verlornen Theil ihrer Pflan- zengaben noch auszunutzen, behaglich das dürftige, aber kräftige und nahr- hafte Kraut der Alp und werden gegen den Herbst hin sehr fett davon, — 60, 80 bis 100 Pfund; doch ist uns auch ein Beispiel bekannt, wo ein glarner Jäger an Tschingeln ein Thier schoß, das 125 Pfund wog. Es war der große, bei den Bergleuten berühmt gewordene „Rufelibock", der während vieler Jahre tief gegen das Thal herabgekommen war und alle Jägerkünste verspottet hatte, bis endlich der kluge Bläst noch gescheidter war als der kluge Rufelibock. Die Som- merkitzen dagegen werden bis zum Spät- herbst bloß 15 bis 20 Pfund schwer. Im Winter magern dann die Gemsen wie alle Alpenthiere beträchtlich ab. Müh- sam suchen sie unter den Tannen das spärliche dürre Gras zusammen, wagen sich oft an schneefreie Stellen in's Thal an Quellen und fressen die langen, meer- grünen Bartflechten, die von den Wetter- tannen niederhangen, ab, wobei sich aber hin und wieder eine mit den Hörnern in den Aesten verwickelt, hängen bleibt und verhungert. Wie alle Wiederkäuer, lieben auch die Gemsen das Salz in hohem Grade und besuchen deßwegen besonders gern Kalk- felsen, an denen sich Bittersalz findet, wo sie sich oft so durstig lecken, daß sie wie toll zum ersten besten Wasser laufen müssen, um zu trinken. 3. Wie die meisten Thiere ihrer Art, leben die Gemsen gesellschaftlich zu fünf, zehn bis zwanzig Stück bei einander. Früher waren Rudel von 60 Stück keine große Seltenheit. Sie sind muntere, zierliche, höchst kluge Thiere. Jede ihrer Bewegungen verräth außerordentliche Muskelkraft, Behendigkeit, Frische und Grazie. Man muß sie selber gesehen haben, um sich einen Begriff von ihrer staunenswerthen Schnellkraft, von der unbegreiflichen Sicherheit ihrer Bewe- gungen und Sprünge machen Zu können. Von einem Felsen zum andern setzen sie über weite und tiefe Klüfte und halten sich im Gleichgewicht auf kaum zu ent- deckenden Unebenheiten, schnellen sich mit den Hinterfüßen auf und erreichen sicher den faustgroßen Absatz, dem sie festen Auges zuspringen. Mit heraushängen- den Eingeweiden oder auf bloß drei Beinen fliegt die Gemse noch wie unver- wundet über Fels und Eis. Ist sie stark angeschossen, so sondert sie sich von der Heerde ab, zieht sich zwischen verborgenes Gestein zurück, leckt sich unaufhörlich und wird leicht heil oder verendet in unersteig- licher Kluft ohne Gewinn für den Jäger. Ihr außerordentlich scharfer Geruch, ihr Gesicht und feines Gehör schützt die Gemsen vor vielen Gefahren. Wenn sie truppenweise lagern, so stellen sie nach tausendfach bestätigter Erfahrung eine Wachtgemse (Vorthier, Vorgeiß) aus, eine weibliche Gemse, die, während die Uebri- gen weiden oder spielen und sich nach Art der Ziegen und Hirsche mit den Hörnern stoßen, in einiger Entfernung allein wei- det, jeden Augenblick sich umsieht und witternd die Nase in die Luft streckt. Ahnt sie Gefahr, so pfeift sie wie die Murmelthiere hell auf, und die Uebrigen fliehen ihr nach. Nie verstellt sich eine Gemse, d. h. bleibt unbehilflich und ret- tungslos auf fast unzugänglichen! Fels- vorsprunge stehen, wie oft die Ziegen, die dann meckernd abwarten, bis der Hirt mit eigener Lebensgefahr sie abholt. Die Gemse wird eher sich zu Tode springen. Es ist schwer, etwas Genaues und Zuverlässiges über die wunderbare Sprungkraft dieser herrlichen Thiere zu sagen. Doch ist es sicher, daß sie über 16—18 Fuß breite Klüfte ohne Anstand setzen und Sprünge in eine Tiefe von 24 Fuß und darüber wagen. Auf weichem Schnee, wo sie tief einfallen, oder auf klaren Gletschern gehen sie langsamer und vorsichtiger, sind daher auch hier am besten zu jagen. Selbst beim Ruhen strecken sie sich nur sehr selten ganz platt auf dem Boden aus; ihre gewöhnliche Haltung ist zu augenblicklicher Flucht bereit. Sie liegen auch gern in lichtem Gebüsch, um sich sicherer zu verbergen; doch am liebsten an einer Terrasse, wo der Rücken gedeckt

10. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 351

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
161. Der Elephant. 351 auf Raub aus; dann greift er frech den Wanderer an, springt mit weit geöff- netem Nachen an den Reiter auf. Vom Heißhunger getrieben, schleicht er des Nachts ans dem Walde, schwärmt um die Wohnungen der Hirten, fällt über die Gänse her, gräbt unter Thürschwellen, bricht in den Stall und würgt Schafe und Rinder. Dann achtet er nicht des nahen- den Hirten, scheut nicht das Feuergewehr und hält die Beute zwischen den Zähnen fest, entweicht nur mit dieser oder erliegt in seiner Raserei. Bei strengem Winter rotten sich die Wölfe zusammen; Heißhunger treibt sie auf die freie Landstraße; heulend ver- folgen sie den Schlitten; wie eine Woge im Sturm schwingen sie wüthend sich über den Flüchtenden; haben sie die Beute zerrissen, verschlungen, dann Zer- stäuben sie in die Wildniß. Nur der Hunger macht den Tücki- schen frech und spornt ihn zur blinden Wuth. Wenn er gesättigt ist, ist er feige, fürchtet das Horn das Ochsen und des Pferdes Huf. Er zittert vor dem Bären, der ihn zerdrückt und mit seiner Tatze ans den ungelenken Rücken trifft; er flieht vor dem Hunde, welcher ihn er- jagt, überwindet, aber verächtlich einem andern Wolfe zum Fraße überläßt. So fein er im Erschleichen ist, so schnell im Jagen, grausam und blind im Rauben, so bleibt er dennoch feig und scheu. Eine Geige macht ihn zittern und heulen, er wagt nicht den Spieler anzugreifen; er traut seiner Herrschaft, seinem Gebisse nicht; darum wittert er überall Gefahr. Thüren sind ihm verdächtig und ge- spannte Stricke versperren ihm den Weg: er setzt lieber über Hecken und Bäche hinweg. Er fürchtet das Klirren einer Kette; des Stahles Funken und ein Pulverkorn jagen ihn davon. Und doch zeigt der Feige stets sein spitzes Gebiß, die langen Hakenzähne, hält den tief gespaltenen Rachen immer offen und reckt die lange Zunge weit hervor. Sein aufgerichtetes Ohr erspürt den Gang des Rehes; seine Nase wittert die Hirsche von ferne her; das schiefe kleine Auge schießt den tückischen, leuch- tenden Blick; seine Sinne alle sind auf den Fraß geschärft; der braun gewellte Leib verhehlt ihn im dunkeln Gebüsch, und wenn er auf dem Boden liegt. Auf langen Füßen jagt er mit gestreck- tem Leibe, mit buschigem, fliegendem Schweife davon. Stark ist seine Brust; doch die Klauen sind stumpf und liegen fest; er steht auf schwachen, unsicheren Füßen und ein Muthiger wirft ihn leicht. Kann er dem Sieger entfliehen, dann schleicht er scheu mit eingezogenem Schwänze in das Dickicht. Die Wölfin wirft ihre Jungen in finsterer Schlucht; am Stamme eines Baumes gräbt sie den Kessel. Sie jagt nie in der Nähe ihres Lagers und ver- birgt die Jungen vor der Gier des Wolfes. Sie werden blind geboren, aber mit scharfem Gebiß, und kaum haben sie die Augen geöffnet, sind sie auch schon lüstern nach Fleisch; in wenigen Wochen fallen sie schon zankend über die Hühner und über die Hasen her, welche die Wölfin ihnen bringt. So der Wolf, der Verwandte des Hundes. Doch läßt er sich zähmen; gibt man ihm nur Schafe genug und Prügel zur rechten Zeit, so versöhnt er sich mit dem Hunde, lernt Sprünge, Spiele und sogar das Tanzen. 161. Der Elephant. Mitten in Ceylon und ^Sumatra, wo Palmen, Bananen und Zimmet- bäume in mächtigen Wäldern von den Bergen in die Ebenen sich ausbreiten, dort ist die Heimat des Elephanten. In zahlreichen Heerden durchstreift er die duftende Wildniß, das Reich, welches ihm angehört. Im tiefsten Schatten, am Ufer der Flüsse,' fliegt er mit ausge- streckten Beinen und badet sich in den Wellen. Er weidet die schmackhaften Kräuter, bricht die Zweige von den Bäumen, die süßen Früchte und erlabt sich an dem Wohlgeruch der Blumen. Und wo er in Heerden zieht, tritt er die Büsche in den Boden und wirft die
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