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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 208

1911 - Erfurt : Keyser
— 208 — Mehrere 1000 Arbeiter aus der Stadt und ihren Dörfern und aus den angrenzenden Fürstentümern arbeiteten täglich an diesem Werke, mitunter sogar bei Fackelschein. Auch die Bürger selbst mußten aus Besehl mit schanzen. Die Arbeit begann am Peters-berge. Hier wurden die alten Geschützwälle abgetragen und dafür neue errichtet. Die spitzen Dächer der Kasernen und Schutzturme wurden durch ebene ersetzt; auch neue Schanzen und tiefe Laufgräben wurden angelegt. Die Cyriaksburg teilte mit dem Petersberg dasselbe Schicksal. Hierauf kam die Reibe an die Stadtwälle. Diese beliebten Spazierwege, bisher eine große Zierde der Stadt, wurden in kahle Verschanzungen umgewandelt. Ihr herrlicher, alter Baumbestand siel unter den Aerten der französischen Zerstörer. Die Aussicht von ihnen in das weite Vorland wurde durch eine hohe Brustwehr versperrt. Auch einige Tore samt ihren Brücken riß man nieder und verschanzte sie. Die Stadtgräben' aber, die man ausgetrocknet und urbar gemacht hatte, wurden wieder verlieft und mit Gerawaffer gefüllt. Dadurch fetzte man die ganze Gegend und die Felder vom Dreienbrunnen bis zum Löbertor und verschiedene Gärten innerhalb des Walles unter Wasser. Selbst in die Keller vieler Bürgerhäuser drang das Wasser, das sich unterirdisch verbreitete, ein, wodurch den Bewohnern großer Schaden erwuchs. In der Stadt wurden mehrere alte Türme und ehemalige, schöne Kasernen bis zum Erdboden abgetragen oder in feste Pulver- und Kugelkammern verwandelt. Zu- letzt verwüstete man noch die fruchtbaren, rings um die Stadt gelegenen Gärten, Weinberge und Felder. Zu Anfang Oktober erhielten dann die Bürger den Befehl, sich auf vier Monate mit Lebensmitteln zu versehen oder die Stadt zu verlassen. Die Ausführung dieser neuen Anordnung bereitete den Bürgern großen Verdruß; denn kaum halten sie das Notwendigste eingekauft, so wurden sie aufgefordert, soundsoviel Scheffel Mehl und soundsoviel Pfund Fleisch auf die Festung zu liefern. Wobt oder übel mußte dann mit dem Einkauf wieder von vorn angefangen werden. Auch bares Geld wurde fortwährend verlangt. Wehrten sich aber die Bürger gegen die Zahlung, so wurden einige als Geiseln auf den Petersberg gebracht, und es hieß: Folgt ihr jetzt nicht, so erschießen wir sie. Die beiden Buchhändler Kevser, Pater und Sohn, saßen immer abwechselnd auf der Feste. Man holte sie mit Vorliebe, weil sie ihre Treue und Anhänglichkeit an Preußen wenig verbargen. (Nach Const. Beyer.) 74. Die flrforder Gciifeln. 'S war Anne dräiz'n, da waren die Franzusen noch Härre äbber de Stadt Arford o schräbben Stäiern aus wie verreckt, die hußeu fc Sempeln, on die moßten die Bärger uffbrenge, on nahmen sich dassertwägen a Stockcr viere rächt angesiehne Bärger als Gai-

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 212

1911 - Erfurt : Keyser
— 212 - bergen gelegene Dörfchen Daberstedt, das nach dem Großen Kriege neuerstanden war, in Flammen auf. Die Franzofen halten es angezündet, damit es den Verbündeten nicht als Unterschlupf dienen könne. Genau 8 Tage fpäter ereilte Ilversgehofen dasselbe Schicksal. Mit verdeckten Laternen waren die Belagerten zum Johannes- und Krämpsertore hinausgezogen und halten die preußischen Vorposten und dann die ganze Besatzung des Ortes überlistet. Sie waren schon im Dorf, als der größte Teil der Preußen noch schlief. So wurde es ibuen möglich, ohne großen Widerstand die verbündeten Truppen zu vertreiben, die Häuser zu plündern und anzuzünden. Doch schon am folgenden Tage, am 6. November, erhielten die Franzosen die Antwort auf ihr Tun; denn die Verbündeten beschossen die Stadt heftig (f. Beschießung Nr. 77). Nun ließ sich der sranzösische Statthalter herbei, einen Waffenstillstand mit ihnen zu schließen. Waffenstillstand und gesteigerte Not der Belagerten: Anfangs hieß es in der Stadt, bis zum 14. November sei Waffenruhe; und wirklich, die Feindseligkeiten waren auf beiden Seiten eingestellt. Kein Schuß siel mehr. Trotz eifriger Unterhandlungen kam es aber zu keinem Abschluß. In banger Sorge verging eine Woche nach der anderen, und die Lage der Bürger verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Sie hatten alle Vorräte zu ersetzen, die aus der Festung durch Feuer zerstört worden waren. Die Kühe, die noch hier und da in den Ställen waren, wurden weggenommen und den Fleischern verboten, srisches Fleisch zu schlachten. Was der Brand verschont hatte, das wurde jetzt durch Menschenhände vernichtet. Die noch übrigen Häuser um die Festung und den Dom wurden niedergerissen und dadurch mehrere 100 Bürger aus ihren Wohnungen vertrieben. Auch eine hohe Geld-steuer wurde mit größter Strenge eingefordert. Alles das fetzte die Stadt in große Unruhe, befouders da verschiedene Kanonen in den Straßen aufgepflanzt und Streifwachen ausgeschickt wurden. Durch den Mangel an genügender Nahrung und gesunder Luft, sowie durch die fortwährende Sorge und Aufregung steigerte sich die Sterblichkeit gewaltig. Viele Bürgerhäuser waren ganz ansg^storben. In der Zeit vom 1. bis 17. November wurden 400 Bürger und 1472 Soldaten aus den Militärlazaretten begraben. Alle schmachteten darum nach Erlösung. Ilebergabe der Stadt: Endlich stand der Tag der Ueber- gabe der Stadt an die Preußen fest. Am 6. Januar sollten ihnen die Tore geöffnet werden. Diese Nachricht verbreitete in der r^tadt allgemeine Freude. Von den Wällen wurden die Kanonen abgeführt und den Bürgern erlaubt, die alten Spazierwege wieder aufzusuchen. Von dieser Erlaubnis wurde besonders am Neujahrstage ausgiebiger Gebrauch gemacht, ja einige Bürger bahnten sich über den gefrorenen Stadtgraben den Weg ins Freie. Am folgenden Sonntage, am 2. Januar, wallfahrten viele sogar

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 214

1911 - Erfurt : Keyser
— 214 — Leitern wurden ausgerichtet und mit Eimern, die von Hand zu Hand gingen, der Dachstuhl begossen. Aber die Flammen sprangen bum einem Sparren zum anderen über und einten sich schließlich zu einer mächtigen Brandfackel. Es war, als ob ihr Schein den Geschützen ein neues Ziel verraten hätte. Ein wahrer Regen von Granaten fiel auf die Ebene der Festung nieder. Da flog im feurigen Bogen ein Geschoß in einen Heuschober, der für die französische Reiterei bestimmt war. Eine ungeheure Feuergarbe schoß sprühend zum schwarzen Nachthimmel empor. Die brennenden Heubündel fielen auf das Dach der Hauptwache. Wenige Minuten später züngelten auch dort die ersten Flammenspitzen hervor und leckten gierig am ausgetrockneten Gebälk. Gegen 10 Uhr abends schwiegen endlich die Kanonen; mit einer kurzen Unterbrechung am Mittag hatten sie ihr Zerstörungswerk vom frühen Morgen bis zum späten Abend fortgesetzt. Ueber-all herrschte Stille wie in einem Totenhause. Sie wurde nur durch die unaufhörlichen Sturmschläge von den Türmen unterbrochen. Ueber dem Flammenmeer, das den „Graden" bedeckte, lagerte eine schwarze Rauchwolke, und über diese hinaus erhoben sich, gegen den dunkeln Himmel abgezeichnet, die brennenden Gebäude des Petersberges. Die Höhlen der Chorfenster leuchteten im Glanze verglimmender Glut. Die Stadt selbst glich einem glühenden See mitten in einem finsteren Talbecken. Nur die grauen Steinmauern des Domes ragten in einsamer Hoheit unversehrt aus den feurigen Wogen hervor. Nach der Beschießung: In banger Spannung verging die Nacht. Die meisten Augen blieben schlummerlos. Jeder erwartete mit Schrecken den abermaligen Beginn der Kanonade. Zur allgemeinen Beruhigung aber traf schon früh am andern Morgen die Nachricht ein, daß zwischen den Feinden friedliche Unterhandlungen abgehalten würden. Nun wagte man sich wieder auf die Straße, um das Bild des Jammers und der Verwüstung zu schauen. Den traurigsten Anblick gewährte der Platz vor den Graden. Ueber die rauchende Brandstätte der Gebäude ragte nach dem Berge zu die Festungsruine hervor. Sie schien wie durch ein Wunder auf den Marktplatz vorgerückt zu fein. Bis hinunter zur Andreaskirche war jetzt ein offner, öder Raum; hier waren 121 Häuser ein Raub der Flammen geworden. Der Marktplatz war mit gerettetem Hausrat besetzt. Die Häuser aber auf den beiden vom Feuer verschonten Seiten sahen Ruinen ähnlich. Die Fenster waren teils ausgehoben, teils zersplittert und die Läden feft verschlossen. Auch die Predigerkirche war mit geretteten Sachen gefüllt. Sie bot ein schwaches Bild des Tempels zu Jerusalem, ehe der Herr die Käufer und Verkäufer ausgetrieben hatte. Sogar ein Kasten mit einem Eichhörnchen stand auf dem Altar zur großen Freude der

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 74

1911 - Erfurt : Keyser
— 74 — genommen hatte. So hörten denn die Erfurter die tönenden Hornstöße und lachten sich einander fröhlich an. Der Stadthanptmann traf sofort seine Anordnungen. Die Soldleute wurden in vier Haufen geteilt und ins Dorf Andisleben gelegt. Die Ratsherren und Junker bezogen gleichfalls ttn Dorfe Quartier, und auch ein Teil des Fußvolks wurde daselbst eingelagert. Das war natürlich kein bequemes Wohnen; jedes Dach und jeder halbwegs geschützte Winkel mußten recht sein. Der weitaus größte Teil des Fußvolks aber mußte trotz der strengen Winterkälte im Freien nächtigen. Da war nun Holz für die Lagerfeuer nicht zu entbehren. Man gab sich jedoch nicht erst die Mühe, das nahe Gehölz zu lichten, sondern räumte kurzerhand inl Dorfe mit den Wintervorräten der Bauern auf, zerschlug Zäune, Türen und Tore und schaffte alles ins Lager. Das Dorf war ja landgräflich und wurde darum mit all der Rücksichtslosigkeit behandelt, die man Feinden und zumal Bauern gegenüber anzuwenden Pflegte. Dann wurden die Zelte aufgeschlagen, soweit solche vorhanden waren; auch wurde Stroh aus dem Dorf herangeschleppt und um die Feuer gebreitet, und endlich wurde Vieh aus den Ställen gezogen und geschlachtet, und Wein, Bier und Brot verteilt. Jn der Burg: Auch drinnen in der Burg herrschte seit der Ankunft der Erfurter ein gar geschäftiges Leben und Treiben, aber außer einigen gelegentlichen Pseilgrüßen, die von der Mauer herüberkamen, geschah nichts, was die Erfurter bei der Herrichtung des Lagers und ihrer Angriffsmaßregeln gestört hätte. Das war ein sicheres Zeichen, daß die Burgleute von der Belagerung vollständig überrascht worden waren und daß sie für die Abwehr des zu erwartenden Angriffs sich erst in aller Hast einrichten mutzten. Die Erfurter nahmen das als gutes Anzeichen mit in ihren kurzen Schlaf. Der erste Angriff: Der wichtigste Bundesgenosse bei einer Belagerung jener Zeit war das Feuer. Pulver kannte man noch nicht, die Fernwirkung der Geschosse war fragwürdig und der Fall einer Burg oder einer Stadt von ihnen nie zu erhoffen. Einzig das Feuer kam den Belagerern wirksam zu Hilfe. Die Dächer waren noch, abgesehen von wenigen Ausnahmen, mit Stroh und Schindeln gedeckt und die Häuser selbst fester Burgen zum guten Teil aus Fachwerk mit Holz- und Lehmverkleidung aufgerichtet. So leichtes Dachwerk und so leicht gebaute Häuser aber fingen schnell Feuer, und wenn darum die Brandkugeln ihre Schuldigkeit taten, ging ein Brand bald hier, bald dort auf. Dann hatte die Besatzung alle Hände voll mit der Löschung der Flammen zu tun, die Mauern wurden zum guten Teil von Verteidigern entblößt und ein Sturm konnte mit geringer Mühe und kleinen Opfern gewagt werden. Auf die Hilfe des Feuers hatten die Erfurter natürlich auch stark gerechnet, fürs erste aber hatte sich der Himmel ins Mittel

5. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 76

1911 - Erfurt : Keyser
— 76 - konnte, zumal auch eine starke Abteilung, die von Gotha her über die Fahnerfchen Höhen gekommen war, um die Burg zu entsetzen, von den Soldleuten und den mit ihnen vereinigten Junkern geschlagen worden war. Vorbereitung zum Sturm: Der 2. Februar, der Lichtmeßtag, sollte der Sturmtag sein; an ihm sollte die Burg satten. Der Blydenmeister gönnte darum schon in der Nacht vorher seinen Blydnern keine Rast. In gemessenen Zwischenräumen wurden Brandtöpfe und Hakenkugeln in die Burg hinübergesandt, um die Besatzung, die ohnehin erschöpft war, durch die immer wieder auflodernden Feuer fortgesetzt in Unruhe und Bewegung zu halten. Der Meister, der während der Nacht am Platze blieb, ersah jede Gelegenheit, die einem Angriff seiner Waffen günstig schien, und hielt darauf, daß die Brander hübsch einmal in diesen, ein andermal in jenen Teil der Burg flogen und die Burgleute bald hierhin, bald dorthin stürzen mußten, um jene abzulöschen oder ein auskommendes Feuer zu bekämpfen. Nur der Palas und der ragende Bergfrit hatten noch nicht unter dem Feuer gelitten. Beide ragten so hoch in die Lüste, daß die Schlenderkrast der Blyden nicht ausreichte, Brander bis zu ihren Höhen zu befördern. Das sollte nun die Arbeit des letzten Tages sein, diese stolzen Hauptteile der Burg in Trümmer zu legen. Erstürmung der Burg: Der anbrechende Morgen sah den Meister frisch und ruhig wie nach einer ruhevollen Nacht auf seinem Posten. Er ließ zunächst noch einmal die Schnellkraft seiner Blyden steigern. Nicht zuviel, denn er wußte, daß auch hier Grenzen gezogen waren, die nicht überschritten werden durften; und als er dann zur Probe eine Bleikugel hinüberfchickte, schmunzelte er: die Kugel flog mitten auf das Dach des Palas. Eine Viertelstunde später arbeiteten alle Blyden mit Steinen und schweren Bleikugeln gegen das Dach. Das war als einziges von allen Dächern der Burg mit Ziegeln eingedeckt, und die feste Bedachung mußte darum erst zerstört werden, ehe die Brandkugeln wirken konnten. Nach einer weiteren Viertelstunde flogen die ersten Brandkugeln hinüber, und bald stieg Rauch aus dem Sparrenwerk ans. Das gab ein Jubelgeschrei bei den Erfurtern! Brannte der Palas erst, dann war auch der Fall der Burg besiegelt. Der Meister aber blieb ruhig. Er sah scharf hinüber und merkte, daß der Rauch schwächer wurde; man sah die Burgleute auf dem Dach eifrig an der Arbeit, das Feuer abzulöschen, und das gelang ihnen schnell, solange es der Brandherde nicht zu viel wurden. Als aber die Zahl der Flammengrüße immer größer wurde, als sogar brennende Fässer, die mit Pech gefüllt und so dünnwandig waren, daß sie beim Aufschlagen bersten mußten, hinüberflogen, da mußte das Unglück doch geschehen, der Palas mußte in Flammen aufsprühen! Und bald erschütterte auch ein tausendstimmiges

6. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 7

1911 - Erfurt : Keyser
- 7 — zwischen den Baumstämmen sind mit Flechtwerk aus dünnen Aesten ausgefüllt, und dieses ist auf beiden Seiten mit Lehm glatt verstrichen. Im Innern der Hütte liegt die Herdgrube, ein kesselförmiges Loch von 1—1,5 Meter Tiese und 1,5—2 Meter Breite. Es mag auffällig erscheinen, daß der damalige Mensch seinen Herd nicht wie wir über, sondern in die Erde verlegte. Doch hat dies seine guten Gründe gehabt. Feuer war in jener Zeit sehr schwer zu entzünden; in der Asche der Herdgrube aber glühte das Holz langsam weiter und verlöschte nicht. Dann verlangte der in die heiße Asche gesetzte Kochtopf auch keine besondere Abwartung, und außerdem war ein solcher Herd nicht so feuergefährlich wie ein freiflackerndes Feuer. Trotzdem wurden die hölzernen Hütten nicht selten vom Feuer zerstört. (Auch in dieser Ansiedlung hat ein größerer Brand gewütet; denn 10—12 ganz nahe beieinander liegende Herdgruben waren bei ihrer Aufdeckung vor einigen Jahren mit Resten hartgebrannten Lehms gefüllt, ein Beweis, daß hier eine Zerstörung durch Feuer stattgefunden hatte.) Von den Frauen: Unterdessen sind die Kinder vorausge- sprungen und haben der Großmutter und der Mutter, die mit zwei Töchtern vor der Hütte sitzt, die Heimkehr der Jäger gemeldet. Die Frauen sind von derber Gestalt, kräftig und gefund. Das lange Haar ist am Scheitel zusammengebunden und flutet lose den Rücken hinab. Ihre Kleidung besteht nicht aus Fellen, sondern aus einem bis zu den Knien reichenden Wollenhemde, das sie selbst gewebt und gefertigt haben. Allerdings ist es eine müh-fame Arbeit gewesen, da die Hilfsmittel, die ihnen zu Gebote stehen — tönerne Spindelsleine und Wirtel, sowie Nadeln aus Fischgräten — gar zu einfach und unvollkommen sind. Die Mädchen tragen außerdem mancherlei Schmuck aus Tierzähnen, Perlen aus Bernstein, durchbohrte Muscheln und Armringe aus Knochen und Marmor. Das Mahl: Die Männer haben einen tüchtigen Hunger und Durst von der Jagd mitgebracht. Noch glimmen die Holzklötze in der Asche der Herdgrube, und bald sind sie zu neuem Leben angefacht. In kurzer Zeit züngeln die Flammen hell empor, und der Rauch sucht seinen Abzug durch Dach und Tür. Von dem noch vorrätigen Fleisch wird ein riesiges Stück abgeschnitten und an den Bratspieß gesteckt. Die Knaben springen hurtig zum Fluß hinab, um Wasser zu holen, indes die Mädchen auf der Handmühle das rauhe Mehl zum Mus bereiten. Die Mühle besteht aus einer flachen Steinplatte aus Porphyr, auf welche das Korn geschüttet wird, und aus einem doppeltfaustgroßen, runden Stein, dem Reiber, womit die Körner zerquetscht werden. An Milch fehlt es nicht, um den Brei schmackhaft zu machen, auch Honig ist vorhanden. Das Mahl wird vor der Hütte verzehrt. Gabel, Tischtuch und Mundtuch sind unbekannte Begriffe; kaum wird von einzelnen ein Messer gebraucht. Das Mus aber wird mit Löffeln ge-

7. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 26

1911 - Erfurt : Keyser
- 26 — dem Hemde mit Biberfell besetzt, seine Lederstrümpfe mit bunten Riemen geschnürt, und nur die würdige Haltung und die Ehrfurcht, mit welcher die anderen zu ihm sprachen, ließen erkennen, daß er der Wirt war. So saß er umgeben von seinen Bankgenossen und schaute zufrieden auf zwei wohlgenährte Stiere, welche von den Knechten vorbeigetrieben wurden, weil sie zu Opfertieren ausgewählt waren für ein bevorstehendes Festmahl der Landgenossen. Jetzt trat er in das Haus und setzte sich auf den Herrensitz, der geschnitzt aus Eichenholz der Tür gegenüberstand, belegt mit dem schwarzen Fell eines jungen Bären. Die Füße des Herrn ruhten auf einem Schemel, in der Hand hielt er den weißen Herrenstab. Vor dem Fürsten: Draußen am Hoftor stiegen die Reiter ab, der Fremde lehnte seinen Speer an den Pfosten und fetzte sich schweigend auf den Sitz außerhalb des Tores. Der Sprecher trat heraus und lud ihn mit feierlichem Gruß vor den Herrensitz. „Heil dir, Fürst Answald, Jrmsrids Sohn!" „Heil sei auch dir!" „Spende wegmüdem Mann den Trunk aus deinem Born, die Frucht von deiner Flur, den Schirm deines Daches. Ich komme freundlos, heimatlos und schutzlos zu deinem Herde; verleihe mir, was dein Wanderer das Gastrecht deines Volkes gewährt." Da ihm zunächst drei Tage Rast und drei Tage Kost gewährt wurden, so trugen drei Jünglinge das Gerät herbei, der eine den Schemel, auf dem der Fremde niedersaß, der andere zwei Schalen Brot und Salz, der dritte einen Holzkrug, mit dunklem Bier gefüllt. Dieser bot zuerst den Trunk dem Fürsten, der den Krug mit den Lippen berührte, dann dem Fremden. Darauf gab der Sprecher dem Gefolge einen Wink, und alle verließen den Raum. Vorbereitungen zum Fest der Landgenossen: Im Hofe des Fürsten wurde den Landgenossen das Fest gerüstet. Die Hausfrau schritt mit den Mägden durch die Räume, wo die Vorräte der Küche bewahrt wurden, in langer Reihe hingen dort die Schinken, runde Würste und in Rauch gedörrte Zungen der Rinder; sie freute sich des guten Vorrats, ließ abheben sür die Küche und befahl den Mägden in die besten Stücke ein Zeichen zu ritzen, damit der Vorschneider diese den Tischen der Aeltesten aussetze. Dann ging sie in den kühlen Keller, der von Stein gewölbt in einer Ecke lag, wo das Sonnenlicht wenig hinkam, hochbedeckt mit Erde und Rasen, dort wählte sie die Fässer mit starkem Biere und Die Krüge mit Met und sah zweifelhaft auf einige große fremdartige Tongefäße, die halb im Boden vergraben in einer Ecke standen. „Ich meine nicht, daß mein Herr des Weines begehren wird, doch wenn er danach ruft, so sagt dem Schenken, daß sie das kleine nehmen, denn die anderen stehen und harren aus einen größeren Festtag. Und sehet selbst zu, daß die ungeschickten Gesellen mir

8. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 28

1911 - Erfurt : Keyser
— 28 — kamen einzelne, die sich verspätet hatten, bis der Sprecher an den Häuptling trat und auf den Stand der Sonne wies. Da sühne der Wirt seine Gäste vor die Halle, seierlich betraten sie im Zuge die Stufen; am Eingang empsing sie die Hausfrau, neben ihr stand die Tochter mit den Mägden. Ehrerbietig huldigten die Männer den Frauen; die Fürstin reichten allen die Hand, den Männern von der Freundschaft bot sie die Wange zum Kuß. Die Häupter des Volkes nahmen gewichtig Platz auf den Sesseln der Bühne und begannen ernstes Männergespräch, während der Schenk und die Diener in langer Reihe einzogen; diese trugen in Holzkannen den Frühtrunk und behagliche Zukost, weiße gewürzte Kuchen und Fleisch aus dem Rauchsang. Die Kampfspiele: Unterdessen rüsteten die Jungen unge- duldig auf dem Rasengrund zu kriegerischem Spiel. Die Knaben des Dorfes begannen den Kampf. Sie rannten nach dem Ziel, sprangen über ein Roß und schossen mit dem Rohrpfeil nach der Stange. Bald aber ergriff der Eifer der Jünglinge, sie warfen die Speere, sie schleuderten beit schweren Felsslein und sprangen ihm nach, und als einer in mächtigem Schwünge den schwersten Stein geworfen und deu weitesten Sprung getan, klafterweit über die andern hinaus, da erscholl lautes Jauchzen. Und die Alten und Weisen des Volkes behielt es nicht länger auf ihren Sitzen, auch sie eilten zur Schau auf den Rasen. Nun wurden die Rosse für die Springer herangeführt. Zuerst wurden zwei nebeneinander gestellt, Kops an Kopf, Schweif an Schweif. Die Springer traten zurück und schwangen sich mit kurzem Anlauf hinüber; fast allen glückte der Sprung, aber bei drei Rossen gelang er nur einer kleinen Zahl und über vier war die Zahl noch geringer. Den Sprung über fünf vollbrachte nur selten einer der Behendesten, heute aber gelang der Sprung über sechs, der Königssprung, der nicht in jedem Menschenalter einem Helden gelingt, dem Fremdling. Alles Volk jauchzte laut aus und lange noch wogten die Zuschauer durcheinander, sprachen über die Kühnheit des Fremdlings und rühmten ihn. Das Mahl: Schon neigte sich die Sonne, als der Sprecher dem Fürsten nahte und die Gesellschaft zum Mahle lud. Alle wandten sich im Zuge nach dem Hofe und schritten die Stufen der Halle hinanf. Der Sprecher und der Truchseß traten ihnen vor und ordneten an den Tafeln der Halle jeden nach Rang und Gebühr. Es war eine lange Reihe von Tischen, die Sitze daran für die Vornehmsten mit einer Armstütze und für die Ansehnlichen immer noch mit hoher Lehne, für die Jüngeren ein schöner Schemel. Da alle erwartend saßen, trat der Schenk mit den Dienern ein und trug in schönen Holzbechern den Begrüßungstrank, der Wirt erhob sich, trank den Gästen gutes Heil zu, und alle standen auf und leerten die Becher. Darauf kam der Truchseß mit seinem Stabe und hinter ihm eine lange Reihe Diener, welche die erste

9. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 38

1911 - Erfurt : Keyser
— 38 - Zur andern; auf dem braunen Grunde wuchs wenig anderes als Wolfsmilch, Heidekraut und dunkle Waldbeeren. Dann senkte er sich in ein stilles Waldtal, sührte durch sumpsigeu Grund und das Bett eines Baches und stieg auf der andern Seite wieder in den Wald. Einigemal kamen die Reisenden auch über altes Ackerland; noch waren die Beetfurchen sichtbar, aber Schlehdorn und stachliger Ginster standen dicht wie eine Hecke daraus, und die Pserde halten Mühe durchzudringen. Zuletzt erklommen die Rosse der Reisenden mühsam die Höhe des Jdisberges, auf dessen Mitte sich eine Hobe Esche aus dem niedrigen Kraut erhob. Hier verbrachten sie die Nacht, um sich beim ersten Morgengrauen wieder zum Aufbruch zu rüsten; denn es war noch eine weite Tagsahrt bis in den Bergwald der Tbüringe (Jdisberg = Veste Coburg). Unter Franken und Wenden: Heute ritt der Führer noch schneller als am letzten Tage; aber sein scharser Blick prüfte wieder jeden Busch und Stein. So oft sie aus dem Wald in ein Wiesen-tal kamen, gab er seinen Begleitern ein Zeichen zurückzubleiben und winkte nach einer Weile mit gehobener Hand ihm zu folgen. — In der Landschaft lagen in den Tälern oder aus halber Höhe der Berge, wo ein kräftiger Quell aus dem Boden rann, hie und da Dörfer und einzelne Höfe fränkischer Ansiedler, die meisten Höfe klein, die Häuser zerfallen, notdürftig gestickt, daneben oft leere Brandstätten. Jedes Dorf und jeder Hof waren umwallt, aber auch Wall und Graben waren verfallen und zerrissen. Nur wenig Leute sahen sie auf dem Felde, in den Dörfern rannten die Kinder und Frauen an den Hoszaurt und starrten den Reisenden nach. Zuweilen war am Hausgiebel über dem Zeichen des Besitzers ein Kreuz gemalt, dann segnete der Reisende die Bewohner mit dem Christengruß. — Wieder kamen sie an ein Dorf, ohne Zaun standen die hohen Strohdächer, welche fast bis zum Boden reichten. Nackte Kinder, bräunlich und mit Schmutz bedeckt, wälzten sich neben den Ferkeln aus der Dungstätte. Kleiner waren die Leute, rundlich und Platt die Gesichter und statt der bedächtigen Ruhe, mit welcher die Reiter anderswo von den Dorfbewohnern begrüßt wurden, tönten ihnen hier lautes Geschrei, Schelte und Verwünschungen in fremder Sprache entgegen. „Sind die Fremdlinge häufig auf eurem Grunde?" fragte der Fremde. „Es sind Wenden von ostwärts, in mehreren Dörfern hausen sie hier und in Thüringen, sie zahlen Zins dem Grafen des Frankenherrn, aber übelgesinnt bleiben sie und widerbellig." So ging es eine Stunde vorwärts durch Buschholz und über Wiesengrund, endlich sahen sie in der Entfernung seitwärts vom Wege einen großen Hof unter Lindenbäumen. Da sie aber herankamen, fanden sie das Dach zerrissen, die Tür eingeschlagen, die Kohlen eines Feuers vor dem Hause und im Grase einen toten Mann, das Haupt durch einen Kolbenschlag gebrochen.

10. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 39

1911 - Erfurt : Keyser
39 — „Dies war der Wirt des Hofes", sprach der Führer mit zuckendem Munde. „Er war von Geschlecht ein Franke, aber ein gast-sreier Mann. Gestern, bevor der Tag warm wurde, haben die Wenden den Hof überfallen." Der Tote war am Arm mit einem Kreuz aus blauem Waid gezeichnet. Darum höhlten die Reisenden ein Grab, legten den Toten hinein, knieten zum Gebet, deckten das Grab mit Erde und steckten ein Holzkreuz daraus. Hierauf winkte der Fremde den Jüngling hinweg und blieb allein vor dem Erdhausen liegen. Dann zogen die Wauderer weiter nach Norden. Bubbo, der Landfahrer: Als die Sonne sank, betraten sie endlich die finstern Wälder des Gebirges, welches die Thüringe von den Franken scheidet und blieben im Haufe Bubbos, des Landfahrers, übernacht. — Als die Männer auf deu gestampften Lehmboden der Hausflur traten, hielt der Wirt eine Kienfackel an die züngelnden Kohlen des Holzklotzes, der auf dem Herde lag, und leuchtete mit der rußigen Flamme seinen Gästen in das Gesicht. Als er aber das Antlitz des Fremden erkannte, trat er zurück; die Fackel entglitt seiner Hand und sprühte auf dem Boden, bis der Führer sie faßte und in den Eisenring am Herde steckte. „Nimmer hätte ich geglaubt dein Angesicht in meiner Hütte zu finden", versetzte der Wirt scheu. „Längst ist das Taushemd zerrissen, das du mir gabst. Es war weniger wert, als sonst wohl in früheren Jahren, als icki mich in euer Waffer tauchen ließ. Ungern nur gedenkt der Mann der Stunden der Not, in denen er sein Haupt vor sremdem Zauber gebeugt hat. Dennoch meine ich, du bist ein Mann, großer Geheimnisse kundig. Und wenn ich dir Frieden gebe unter meinem Dach, so magst du zum Dank mich wohl noch manch Geheimnis lehren." „Ich will dich lehren", sagte der Fremde, „wenn du Ohren hast zu hören." „Wohlan, ich will dich halten als meinen Gast, dich und deine Begleiter mit Abendkost und Herberge, und ich grüße dich an meinem Herde, dich, Herr Winfried, vor dem die Leute knieen und den sie Bonisacius und einen Bischof nennen." Am Reiseziel: Als die Reisenden am Abend des nächsten Tages aus dem dunklen Fichtenwald ritten, schauten sie von der Berghöhe niedrige Hügel, in der Ferne offenes Land. Vor ihnen lag am Fuße des Berges ein Dorf, grau die Dächer, grau die Balken, rund herum ein Zairn aus Pfahlwerk und ein breiter Graben. Der Führer hielt inne und sagte kurz: „In das Land der Thüringe habe ich euch geleitet, dies ist das Dorf, dort ist der Hof des Franken, den sie einen Meier des Grafen nennen und dort steht er selbst. Vollbracht ist, was ich gelobt, fahret dahin." Gustav Freitag.
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