348
nehmen auch die Nordwestdeutschen Theil, und Heringsbuysen giebt es so gut in
Bremen, Emden, Hamburg, wie in Rotterdamund Scheveningen, und wenn wir
keine Malerschule haben, welche den Blickmacher Schellfischfanger, den Helgoländer
Hummerjager, die Hamburger Ever und Smaken, die Fischmarktscenen und Nord-
seestürme wie die holländischen Bockbuysen verherrlichen, so liegt die Ursache weniger
in einer Verschiedenheit der Verhältnisse, als in der verschiedenen Richtung der Thä-
tigkeit. Heine hat die Nordsee besungen, wie Klopstock den Eislauf und Voß hat
uns in schöner Rede manches Nordseebild gemalt. Vielleicht, daß der Deutsche
mehr geneigt war mit Worten darzustellen, was die schweigsamen Holländer uns
auf der Leinwand gaben.
Der Volkswitz, das Temperament, der Volksaberglauben, die Art der prakti-
schen Anschauung sind bei dem niederdeutschen gemeinen Manne dieselben wie in
Holland und Friesland. Der Volkswitz hat überall den Anstrich derben Humors.
Die standrischen und holländischen Volkslieder tragen ganz dasselbe Gepräge, wie
die, welche Voß, Grimm u. a. uns auf der Elbe und Umgegend gesammelt haben.
Auch diemusik- und Gesangweise von der Lüneburger Haide bis zu Scheldegegenden
bei Gent und Antwerpen ist in auffallender Weise ähnlich. Ich hörte Brügger
und Genter Spitzenklöpplerinnen oft Lieder fingen, die mich mit einem Zauber-
schlage in die Mitte meiner Heimath ins Land der Chauken und Cherusker versetz-
ten. Dieser niedersächstsche Volksgesang ist in seiner Art so eigen, wie der tyrole-
rische und steyerische, doch ist seine Charakteristik noch nirgends versucht worden.
Auch in Spielen findet sich eine erstaunliche Aehnlichkeit. Die Kegelbahn ist wie das
Klopfballspiel sehr beliebt, und wird in Holland wie in Emden und Bremen von
Kindern und Erwachsenen gespielt, und die Taubenzucht ist eine Lieblingsbeschäfti-
gung der kleinen Bürger in Bremen wie in Brüssel.
Aber nicht blos in ihren Spielen, auch in ernstern Dingen gleichen sich Nie-
derdeutsche, Holländer und Flamländer. Stiller emsiger Fleiß, Ehrlichkeit und
Wahrheitsliebe, Sinn für das Aechte und Solide zeichnet sie auf gleiche Weise aus.
Ueber Religion und Sonntagsfeier ist die Denkart fast überall gleich. Bei Allen
hat man zu allen Zeiten einen ächten, soliden, freimüthigen Bürgerstnn gefunden,
von welchem die hansischen Freistädte wie die batavische Republik ein Zeugniß ab-
legen. Die Familienliebe, der häusliche Sinn, sowie die starke Abneigung gegen
öffentliche Vergnügungen (wovon Hamburg bei seinem großen Weltverkehr in den
letzten 50 Jahren freilich abgewichen) ist hier, wie die Art der Kinderzucht und die
Benennung des Familienvaters ,,mein Alter", fast durchgehends gleich.— Wunder-
bar, daß eine so gleichartige Masse, wie die niedersächstschen Stämme sie darstellen,
stets in politischer Hinsicht in so viele kleine Fürstenthümer, Grafschaften, Republi-
ken getheilt gewesen. Aber aus dem Eoloniegebiete der Niedersachsen im Osten
hat sich jetzt ein großes, starkes Staatswesen herausgebildet, das immer mehr nieder-
sächsische Stämme in sein Centrum vereinigt hat. Vielleicht ist es die welthistorische
Aufgabe Preußens, einmal alle Niedersachsen und Norddeutschen zu einem mäch-
tigen Staate zu verschmelzen. I. G. Kohl.
12. Die Holländer.
Wenn Jemand aus andern deutschen Landen nach Holland kommt, die Men-
schen und ihre Art und ihr Leben steht, ihre Flüsse, Kanäle, Gräben, Schleichen,
Deiche, ihre mächtigen Häfen, Werfte, Landstraßen, Städte, Festen, Schlösser und
Thürme, die Tüchtigkeit, Kühnheit, Zweckmäßigkeit, Nettigkeit und Sauberkeit und
Klarheit in Allem, so steht er still und staunt und wundert sich. Wenn er es län-
ger gesehen und ruhiger betrachtet, nach den Ursachen und Wirkungen, und nach
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz]]
TM Hauptwörter (200): [T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
305
und nur zwei sind bemerkungswerth, der Dümmer-See wegen des Entenfanges bei
Burlage, und der Steinhuder See wegen der sonderbaren Veste Wilhelmstein, welche
der berühmte Graf Will), v. Lippe-Bückeburg (ch 1777), der Wiederhersteller der Por-
tugiesischen Armee, für die kleinen zum Geschenk erhaltenen goldenen Kanonen, mitten
im See erbaute. In Sachsen mag man den süßen und den salzigen See, und am
Niederrhein das sogenannte Laacher Meer auszeichnen. In den Hochlanden Bayerns
und Oesterreichs sind schöne malerische Seen, romantisch wie die Schweizer Seen.
In Baiern steht der Ehiem-See oder das bayerische Meer obenan, schön sind auch der
Waller-, Kochel-, Tegern-, Wurmsee u. a., der schönste aber der Königs- oder
Bartholomai-See in Berchtoldsgaden. Von den österreichischen Seen wollen wir
nur, neben dem berühmten Cirknitzer- und Wörth-See in Kärnthen, die Seen des
Wunderländchens, „Salzkammergut" genannt, anführen, den Traun-, Atter-
Moild-, Hallstädter-See, einer immer interessanter als der andere. Die Seen in
Böhmen und Mahren, vielleicht einige 1000, sind mehr Teiche, der Kummer- und
Tschesenizer See ausgenommen. Die Krone aller deutschen Seen ist der gött-
liche Bodensee!
Zu den Gewässern rechne ich auch unsere Bader und Gesundbrunnen, deren
wir gegen Tausend zahlen, worunter über hundert stark besucht werden, wie Baden,
Wiesbaden, Ems, Kisstngen, Brückenau, Wildbad, Cannstadt, Carlsbad und Teplitz,
Pyrmont und Nenndorf (dazu die besuchten Seebäder: Norderney, Wangerog, Hel-
goland und Curhaven, Kiel und Travemünde, Dobberan und Warnemünde). Bade-
reisen gehören jetzt zur Mode, von denen unsere kräftigen und ökonomischen Alten
weniger wußten. Deutsche Kanäle spielen eine desto traurigere Rolle. Hier zeigt
sich in vollem Lichte unsere traurige Vereinzelung und alte Vielherrschaft. Wie
ließ sich an Kanäle denken, da man vor der Mediatisirung der kleinen Herrscher
nicht einmal Kunststraßen und Brücken zu Stande bringen konnte, da die Klein-
Großen nur sich sahen und die Besseren nicht konnten, wenn sie auch wollten.
Wie wäre da an einenbridgewater-Kanal zu denken gewesen, obgleich es die schönste
Adelsprobe wäre, durch Werke, die das Wohl des Landes fördern, sich zu verewigen. Wir
finden daher unsere Kanäle meistim Norden, wo stets größere Staaten bestanden
und die Natur schon weniger Hindernisse in den Weg legte. Wir haben den Eider-
Kanal in Holstein, der die Ost- und Nordsee, den Finow-Kanal, der die Oder mit
der Havel verbindet, den Friedrich-Wilhelms-Kanal von der Spree zur Oder, den
Plauischen von der Havel zur Elbe, den Nieder-Oder-Kanal rc. (der große Friedrich
war auch hier groß), den Steckniz-Kanal, dertrave und Elbe verbindet, auf welchem
sich Lübeck und Hamburg schwesterlich die Hand reichen. Und im Süden? Die
Fossa Eugeniana zur Verbindung der Maas mit dem Rhein von Venloo bis Rhein-
berg ist verfallen, wie der Kanal von Frankenthal. Ob der Neustädter Kanal von
Wien und Neustadt bis Triest fortgeführt wird, ist eine Frage, welche,'wie der pro-
jektirte Kanal, welcher die Moldau mit der Donau mittelst Malscha und Naam verbände,
folglich die Nordsee mit dem adriatischen Meere? Oestreich könnte beides ausführen.
— Der wichtigste Kanal neuerer Zeit ist der Ludwigskanal, durch welchen der Kö-
nig Ludwig von Bayern vermittelst der Allmicht und Rednitz den Rhein und die
Donau: Amsterdam und Wien verband, woran schon Karl der Große dachte. Was
könnte aus Deutschlands Binnenhandel werden, wenn der Niederrhein durch
die Lippe und den Münsterschen Kanal mit der Ems, diese durch die Hunte mit der
Weser und Elbe; der Oberrhein durch einen Elsässer Kanal mittelst der Doubs und
der Rhone, wie durch die Donau mit dem schwarzen, wie mit dem Mittelmeere ver-
bunden würde. Alle diese Projekte könnten ausgeführt werden mit der Hälfte der
Kosten, welche man auf Schlösser, Kirchen und Klöster verwendet hat, welche jetzt
zum Abbruch verkauft werden.
Kröger. Iii.
20
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn]]
TM Hauptwörter (100): [T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T10: [Stadt Berlin Hamburg Elbe Einw. Magdeburg Stettin Festung Lübeck Provinz], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß]]
TM Hauptwörter (200): [T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T70: [Stadt Donau München Stuttgart Neckar Nürnberg Ulm Schloß Augsburg Regensburg], T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe], T38: [Weser Elbe Hannover Land Stadt Lüneburg Leine Nordsee Aller Bremen], T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Oestreich Ludwig_von_Bayern Ludwig Karl_der_Große Karl