dessen Bruder und Nachfolger Balduin I. (1100—1118) sich zuerst König nannte. Der Sieg der Kreuzfahrer bei Askalon sicherte den Besitz Jerusalems. Es folgte ein fortwährendes Zuströmen christlicher Pilger und Einwanderer.
5) Verfassung des Königreichs Jerusalem. Wie die Bevölkerung des neuen Koloniestaates eine sehr bunte, zum Teil verworfene Mischbevölkerung aus allen christlichen Reichen des Abendlandes war, so war seine politische Form ein Gemisch aus den Elementen der Hierarchie, des französischen Feudalstaats und der freien städtischen Gemeinden; — ein verworrenes Abbild abendländischer Zustände. Das erbliche Königtum steht fast machtlos gegenüber: a. den geistlichen Würdenträgern, den Patriarchen von Jerusalem und von Antiochien, den Erzbischöfen und Bischöfen; b. den drei großen Kronvasallen von Edessa, Antiochien, Tripolis und den übrigen Baronen; c. den fast unabhängigen Reichsstädten und den Handelsansiedelungen der Genuesen, Yenetianer undpisaner an den Küsten. Die Reichsgesetzgebung wurde niedergelegt in den assises et bons usages du royaume de Jerusalem. Der Seneschall, Connetable und Marschall sind die ersten Reichsbeamten. Das nordfranzösische Element hatte in dem neuen Staat das Übergewicht; das Französische war die offizielle und Verkehrssprache.
6) Nicht minder unabhängig wie die hohe weltliche und geistliche Aristokratie einer-, die Städte andererseits, hielten sich der Krone gegenüber die geistlichen Ritterorden, eine eigentümliche Schöpfung der Kreuzzüge, aus der Verbindung von Rittertum und Mönchwesen entsprungen, ein Hauptwerkzeug zur Fortsetzung des Kampfes gegen den Islam.
Der Ritterstand {milites, equites), von gröfserem Eigenoder Lehenbesitz und dem durch solchen ermöglichten Reiterdienste ausgehend, durch die Kriegsspiele der Turniere und eigentümliche Standessitte weiter ausgebildet, erhält seine volle Entwickelung durch die Kreuzzüge, in denen der ritterliche Adel aller christlichen Länder in Verkehr tritt und sich als eine große Genossenschaft mit gleichen Waffen, Privilegien und Pflichten fühlen lernt. — Stufen des Ritterlebens: Nach der häuslichen und mütterlichen Erziehung der jungen Adligen bis zum siebenten Jahre und nach der Zeit, die sie als Edelknaben („junkherrelin“) am Hofe des Lehensherrn oder anderer
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
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67
dessen Bruder und Nachfolger Balduin I. (1100—1118) erst sich König nannte. Der Sieg der Kreuzfahrer bei Askalon sicherte den Besitz Jerusalems. Es folgte ein fortwährendes Zuströmen christlicher Einwanderer.
5) Verfassung des Königreichs Jerusalem. — Wie die Bevölkerung des neuen Koloniestaates eine sehr bunte, zum Teil verworfene Mischbevölkerung aus allen christlichen Reichen des Abendlandes war, so seine politische Form ein Gemisch aus den Elementen der Hierarchie, des französischen Feudalstaats und der freien städtischen Gemeinden; — ein konfuses Abbild abendländischer Zustände. Das erbliche Königtum steht fast machtlos gegenüber: a. den geistlichen Würdenträgern, den Patriarchen (von Jerusalem und Antiochien), den Erzbischöfen und Bischöfen; b. den drei großen Kronvasallen von Edessa, Antiochien, Tripolis und den übrigen Baronen; c. den fast unabhängigen Reichsstädten und den Handelsansiedelungen der Genuesen, Venetianer und Pisaner an den Küsten. Die Reichsgesetzgebung wurde niedergelegt in den assises du royaume de Jerusalem. Der Sefteschall, Oonnetable und Marschall sind die ersten Reichsbeamten. Das nordfranzösische Element hat in dem neuen Staat das Übergewicht; das Französische ist die offizielle und Verkehrssprache.
6) Nicht minder unabhängig wie die hohe weltliche und geistliche Aristokratie einer-, die Städte andererseits hielten sich der Krone gegenüber die geistlichen Ritterorden, eine eigentümliche Schöpfung der Kreuzzüge, aus der Verbindung von Rittertum und Mönchwesen entsprungen, ein Hauptwerkzeug zur Fortsetzung des Kampfes gegen den Halbmond.
Der Ritterstand (milites, equites), von gröfserem Eigenoder Lehenbesitz und dem hierdurch ermöglichten Reiterdienste ausgehend, durch die Kriegsspiele der Turniere und eigentümliche Standessitte weiter ausgebildet, erhält seine volle Entwickelung durch die Kreuzzüge, in denen der ritterliche Adel aller christlichen Länder in wechselseitigen Verkehr miteinander tritt und sich als eine große Genossenschaft mit gleichen Waffen, Privilegien und Pflichten fühlen lernt. — Stufen des Ritterlebens: Nach der häuslichen und mütterlichen Erziehung der jungen Adligen bis zum siebenten
5*
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Europa — die Tütfei.
661
Gülhane (1839) sind aber die Nichtmnhammedauer den Muhammedanern rechtlich
fast gleich gestellt, insofern derselbe allen Unterthaiien des Snltäns vollkommene Ge-
Währleistung ihres Lebens, ihrer Ehre und ihres Eigenthums, regelmäßige Besteuerung
und regelmäßige Aushebung zum Militärdienste in Aussicht stellt. Allerdings blieben
diese Zusicherungen zum Theile nur auf dem Papiere stehen, und der Hati-Hnmainm
von 1856 mußte deshalb die Aufrechthaltung dieser Verheißungen und eine Reihe an-
derer Reformen in Aussicht stellen, deren Verwirklichung größteutheils der Zukunft noch
vorbehalten bleibt. Daß ein großer Theil des Bodens im Besitze der Moscheen und
geistlicher Stiftungen und daher schlecht verwaltet ist, ist nicht minder ein Uebelstand
für das Land, wie die Thatsache, daß infolge rücksichtsloser Ausrottung der Wälder
eine der Hauptbedingungen nachhaltiger Fruchtbarkeit weggefallen ist, abgesehen davon,
daß jener Umstand die Geistlichkeit als eine bedeutende politische Macht erscheinen läßt,
die einer Umgestaltung der Verhältnisse im Sinne abendländischer Einrichtungen feind-
lich entgegensteht. Doch bekunden zahlreiche Thatsachen, daß der Geist des Hattischerif
von Gülhane den Grundgedanken der heutigen Pfortenregierung bildet, ein Geist der
Gerechtigkeit gegen alle Bewohner des Reiches, ein Geist der Humanität und des Fort-
schritts, allerdings oft im Kampfe mit vielhuudertjährigeu Borurtheilen, mit Unbildung
und Gewalttätigkeit, mit Rassenhaß und Religionsverfolgung.
Der Snltän (Padischah, d. i. Großherr) ist höchstes geistliches und weltliches
Oberhaupt, bei allen Sunniten als Chalif geltend, seine Würde in der Familie Os-
mans in der Weise erblich, daß stets das älteste männliche, auf dem Thron geborene
Glied der kaiserlichen Familie der rechtmäßige Beherrscher des Reiches wird. Um der
Wirkung dieses nuu seit 5 Jahrhunderten geltenden Gesetzes zu entgehen, griffen die
Sultzne, die deu Thron in der Regel nicht ihren Söhnen, sondern ihren Brüdern
zu hinterlassen hatten, bei ihrer Thronbesteigung gar hänsig zum Brudermord, so daß
seit Muhammeds Ii. Zeit auch dieser eine Art Hausgesetz der Dynastie wurde; und
der gegenwärtige Sultan soll sich mit dem Plaue tragen, die Erbfolge im Sinne der
Primogenitur zu regeln, was unter Umständen zu eiuem bedenklichen, folgenschweren
Ereignisse für das Reich werden kann. Der Staatsrath des Sultans heißt Diwäu,
doch hat auch das Ulema großen Einfluß. Der Diwän besteht ans: Großwessir
oder Stellvertreter des Monarchen; Scheich-nl-Jslam; Reis-Effendi Minister
des Auswärtigen, der den Dragoman der Pforte (d. i. Hofdolmetscher) unter sich
hat; Kiaja Beg Minister des Innern; Tschausch Baschi Minister der Justiz und
Polizei; Defterdar Schatzmeister; Kapudan Pascha Großadmiral und Marine-
minister, Seraskier Kriegsminister und einigen andern hohen Beamten. Ist der
Wessir abwesend, so versieht ein Kaimakan seinen Platz. — Das Corps der Ulemq
besteht ans den höhern Geistlichen, die zugleich (denn im Korän sind auch Rechts- und
Polizeivorschriften) Rechtskundige sind und vorher das Amt eines Mnderri,< d. i.
eines Professors bekleidet haben. Ihr Oberster ist der Großmnsti oder Scheich-nl-
Islam, unter ihm die 3 Kadileskier (oberste Richter für Europa, Asien und
Afrika), die Mnftis (berathende Gesetzgelehrte) in großen Städten, mehrere Kadis
oder Richter, und die eigentlichen Geistlichen, nämlich die Scheiche oder Prediger, die
Chatibs oder Vorbeter am Freitag, die Im ans, 'die am Werktag vorbeten, Be-
schueidnng, Trauung und Begräbnis besorgen; und die Derwische oder Mönche.
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574
Afrika
— Aegypten.
Naturalien geleistet werden mußten, er sich so zum Beherrscher des Marktes, des Ver-
kehrs und der Preisverhältnisse machte, während der Fellah alles Interesse an der Ver-
bessernng der Kultur verlieren mußte. Dessennngeachtet war Mehemed Alis Regiernngs-
zeit ein Segen sür das Land. Was er für den erweiterten Anbau von Oliven, Zucker-
rohr, Indigo, und vor allen der Baumwolle gethan, die im vorigen Jahrhundert kaum
für die Fellahs zur Deckung der Blöße ausgereicht, jetzt aber sogar in großer Masse
ins Ausland geht, sowie seine Bemühungen für Einführung europäischer Bildung, und
für Herstellung einer Seemacht, das hat ihn in die Reihe der vorzüglichsten Herrscher-
gestellt. Die Aufhebung und Vernichtung der anarchischen Mameluckeugarde (11. März
1811), die unter seinen Vorgängern keine geregelte Regierung zuließ, war allein schon
eine große Wohlthat für Aegypten, und daß er das Reisen europäischer Forscher nach
Nubien und weiter aufwärts aufs bereitwilligste unterstützte, muß von allen
Freunden der Wissenschaft dankend anerkannt werden.
Die neue Zeit, welcher diese große Mann für Aegypten eingeleitet, indem er
dessen Regeneration durch abendländische Einrichtungen und Anschauungen, ähnlich dem
Versuche Alexander des Großen, unternommen hatte, überdauerte ihn, und die Tradi-
tiouen seiner Regierung wirkten, abgesehen von dem fanatisch muselmännischen Abbas,
auch in seinen Nachfolgern fort, geläutert von manchem Gewaltsamen, von welchem
unter den Eindrücken der heutigen Zeit vielleicht auch er Abstand genommen haben
würde. Was unter Said und Ismail für Be- und Entwäffernngsanstalten, überhaupt
für Hebung der Bodenkultur, für Süßwafferleitungen und die Anlage von Verkehrs-
wegen, für Verbesserung der Verwaltung und Rechtspflege, für Hebung der Volksbil-
dnng *) geschah, hat den ägyptischen Staat zum bestregierten Theil des türkischen Reiches
gemacht. Es herrscht eine Sicherheit des Verkehrs und für Reisende, wie man sie in
manchen Theilen Ungarns, Italiens und Spaniens vergeblich sucht; die Sklaverei ist
(seit 1863) abgeschafft; die Steuern werden in Geld entrichtet, und der Bauer ist in
dem Absätze seiner Produkte völlig frei und wird ihm derselbe durch Eisenbahnen:c.
noch erleichtert. Freilich bebaut der Fellah nicht freies Eigenthum; denn Aegypten ist
in seiner Ackerbauverfassung fast wieder auf demselben Punkte augelaugt, auf welchem
es sich in der Zeit der Pharaonen befand. Etwa Vi des gesammteu kultivirten Bodens
(die sogen. Schifliks) gilt nämlich als Privateigenthum des Khedive, wird durch ein
besonderes Collegium verwaltet, durch Intendanten bewirtschaftet und bis znm Regie-
rnngsantritte des jetzigen Vicekönigs (1863) mnßten die Arbeiten darauf als Fronden
von den Fellahs besorgt werden; der weitaus größte Theil der tragbaren Bodenflächen
gilt als Mirigrund, wird nach dem Koran als Eigenthum des Staatsschatzes (Miri)
angesehen und den Fellahs, ohne daß diesen ein Eigenthum au der Substanz zusteht,
lediglich so lange zur Bebauung und Nutznießung überlassen, als sie die darauf ent-
fallende Grundsteuer regelmäßig bezahlen. Durch eine Verordnung vom Jahre 1857
wurde nun allerdings die Vererbung im Sinne liberaler Grundsätze geregelt. Nur
*) Die Elementarschulen für Knaben waren bis 1868 entweder Anhängsel
der Moscheen oder Privatnnternehmuugen; seit 1863 gibt es auch Regierungsschulen.
Die erste Mädchenschule Aegyptens wurde 1872 auf Veranlassung des Khedive in
der Nähe seines Schlosses Kasr-el-Nil zu Kairo errichtet.
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Extrahierte Personennamen: Alexander_des_Großen Alexander Ismail
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Alis Nubien Italiens Spaniens Kairo
154
Europa.
Die Hauptmasse der letztern bilden nunmehr zu ungefähr
gleichen Teilen Türken, Bulgaren, Griechen (besonders
an den Küstengegenden und im s Albanien) und Albanesen.
Die infolge des erwähnten Krieges in Asien erlittenen
Verluste sind verhältnismäßig gering (siehe § 15 c). Der
Schwerpunkt des türkischen Gesamtstaates liegt demnach uicht
mehr in der europäischen, sondern in der asiatischen
Türkei; denn auch in den bisher (dem Namen nach) dem
Sultan unterworfenen Gebieten in Nord - und Nordostafrika
scheinen sich wichtige Veränderungen vorzubereiten.
Ursprünglich hatten im türkischen Reiche nur die Bekenner des
Islams volle Rechtsfähigkeit; die Ungläubigen (Radscha d. i. Herde),
der Willkür des Siegers unterworfen, bebauten den vom Staat zur
Nutznießung ihnen überlasseuen Grund und Boden nicht als ihr Eigen-
tum, wurden willkürlich besteuert und konnten, weil nicht im Besitze
bürgerlicher Rechte, keine Kriegsdienste leisten. Schon 1839 aber wurden
Mnhammedaner und Nichtmuhammedaner rechtlich einander fast gleich
gestellt, und seit die Türkei den Versuch machte, iu die Reihe der kon-
stitutionellen Staaten einzutreten (1876), wurde die Rechtsgleichheit aller
Unterthanen nicht nur im Gesetze ausgesprochen, sondern auch durchzu-
führen unternommen. Die Nichtmuhammedaner werden nun auch zum
Kriegsdienste mit herangezogen und zu allen Staatsämtern zugelassen.
Der Kaiser (Sultan, Padischah oder Großherr) ist für die gesamte
mnhammedanische Welt zugleich der Inhaber der höchsten geistlichen
Gewalt (Kalise). — Die Provinzen wurden sonst durch Paschas und
Begs regiert; jetzt ist der Titel der (6) Provinzen Mlajets oder
General-Statthalterschaften; nur in Ostrnmelien regiert ein christlicher
Gouverneur.
Städte: 1) in Ilumetien, dem alten Thracien und Mace-
dornen, aus deu Vilajets Koustautinopel, Adrianopel und Saloniki be-
stehend: Konftantinopet (dessen Hauptteil Jstambul) in sehr schöner
Gegend am Bosporus mit 600000 E. (wovon auf der europäischen Seite,
also ohne Skutari, Kadikjöi und andere zum Polizeibezirke Konstant!-
nopel gerechneten Ortschaften auf der asiatischen Seite, etwa 490000),
davon nur 2/s Moslemin. Die griechischen Einwohner wohnen Vorzugs-
weise im Stadtviertel Fanar, die „Franken" jenseit des Goldenen
Hornes in den Vorstädten Galata (gegenüber dem Serail) und
namentlich in Pera (letzteres, europäisiert, vom türkischen Pöbel als
„Schweinequartier" bezeichnet). Weiter einwärts am Goldenen Horn
liegt das Judenviertel Haskjöi und diesem gegenüber die Vorstadt
Ejub mit einer Moschee über dem Grabe des Prophetengesährten Ejub,
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Albanien Asien Nord Nordostafrika Ostrnmelien Ilumetien Saloniki Bosporus Kadikjöi Stadtviertel_Fanar Galata Judenviertel_Haskjöi
488
Olymp. Halbinsel — die Türkei.
oder Richter, und die eigentlichen Geistlichen, nämlich die Scheiche oder Pre-
diger, die Chatibs oder Borbeter am Freitag, die Jmans die am Werktag
Vorboten, Beschneidung, Trauung und Begräbniß besorgen; und die Derwische
oder Mönche. Die vornehmsten, nämlich der Großmufli (der gleich dem Groß-
vezier den Titel Hoheit führt) und die Kadileskier, werden oft in den Diwan
gerufen. — Mollah ist ein Ehrentitel aller obern Richter. Scheich heißt so-
viel wie: Greis, Ehrwürdiger.
Als die Osmanen das Land eroberten, fiel alles Grnndeigenthum dem
Staat, den Moscheen, und den Lehnskriegern anheim. In Europa soll es über
9000, im gesammten Reiche über 50000 Lehen geben. Der Landmann ist also
nur Pächter. Doch bilden die Lehnträger (Zaims und Timarioten) keinen Erb-
adel, denn die Muselmänner sind einander gleich, und Sklaven erlangen oft die
höchsten Würden. An der Spitze der Provinzen stehen Ober- und Unterpaschas,
die viel Gewalt haben und eignen Hof halten, aber verpflichtet sind, dem Groß-
herrn die bestimmten Steuern zu übermachen und im Krieg mit Truppen zu er-
scheinen. Geschieht es nicht, so kommt es darauf au, wer eben mächtiger ist.
Ist es der Sultan, so schickt er dem Empörer die seidene Schnur und läßt ihn
erdrosseln; ist es der Pascha, so regiert er wie ein unabhängiger Herr, schließt
Bündnisse und führt Krieg nach Gutdünken. So war es wenigstens noch vor
nicht langer Zeit; die jetzige Reform der Verwaltung ändert auch dies Verhältniß.
In Europa sind 3 Oberpaschas, nämlich der Kapudan Pascha, der
sämmtliche Inseln nebst der Flotte kommandirt, und die 2 Begier Beg 's von
Rnmili und Bosnien; jeder durch 3 Roßschweife ausgezeichnet. Unter ihnen
stehen fast 30 Paschas und Sands cha kbegs von 2 Roßschweifen. Nur in
der Walachei und Moldau, als Schntzländern, sind keine Paschas; und in Ser-
wien besteht neben dem Pascha, der die Festung kommandirt, ein eigner serwischer
Fürst. — Die bewaffnete Macht bestand sonst ans Janit scharen (Linien-
Jnfanterie), Topdschis oder Artilleristen, und Spahis oder Reitern, deren
die hohe Pforte selbst nur etwa k0000 ans eigne Kosten hält, die übrigen
müssen von den Lehnsinhabern, je nach der Größe der Güter, gestellt werden,
so daß mancher Zaim l5, ja 20, und der geringste Timariot doch 2 Spahis
rüsten muß. Außerdem gab es Milizen oder Topraklis. Die jetzigen Ab-
theilungen sind: 1) Das reguläre Heer oder der Nizam, bestehend aus Haupt-
corps unter Mnschirs, und diese aus Divisionen unter Feriks. 2) Die Landwehr
oder Redifs. 3) Des Sultans Garde oder Hanstrnppen. 4) Die Unregel-
mäßigen oder Baschi Boznk. 4) Die Contingente Aegyptens und andrer
Vasallenländer. Der jedesmalige Befehlshaber eines Heers hat den Titel S e -
raskier; die Flotte steht unter dem Kapudan Pascha. Folgen eininal sämmt-
liche Paschas des Reiches dem Aufgebot des Großherrn, so kann- blos das Reiter-
heer der Lehninhaber 130000 M. betragen.
Für wissenschaftliche Bildung geschieht in neuester Zeit mehr. Mädchen-
schulen gibt es noch keine. Die Druckerei zu Constantinopel wird immer wirk°
samer. Der Türk, unwissend und stolz, verachtete bisher die andern Nationen
sammt ihrer Kultur, und betreibt noch immer nur eine bildende Kunst, die
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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487
Olymp. Halbinsel — die Türkei.
lichen Ruinen hat man möglichst gesäubert. Die Gegend umher ist dürr und
reizlos. Leusina oder Elensis, ein Fischerdorf. — c) Inseln, mehr als 30
an der Zahl, mit 170000 Bew. Negropou te oder Euböa, ehm. Athens Korn-
kammer, ist die größte, aber schwach bevölkert. Die baumlosen Gebirgsstriche im
Innern sind von Schypetars oder Albanesen bewohnt. Der Hauptort heißt
Egribos oder Euripns. Im Verhältniß weit bevölkerter sind die 2 Jnselchen an
der argolischen Küste Hydra und Spezzia; die Bewohner, im Besitz von
einigen hundert Schiffen, treiben lebhaften Handel, und die schöne Stadt Hydra
hat 20000 E. — Unter den Cykladen gilt And ros gegenwärtig für die ange-
nehmste und fruchtbarste, aber auf Syros liegt der wichtigste Handelsplatz
H e r m o p o l i s mit 36000 E.
Jetzige europäische Türkei.
Das gesammte Türkenreich in Asien und Europa wird auf 32000 Qm. mit
31 Mill. Bew. geschätzt. Davon enthält der europäische Theil, der im S.
an Griechenland, im Nw. an Dalmatien, im N. an Rußland und an die
ungrischen Länder gränzt, 8500 Qm. mit 15%, Mill. Bew. — nämlich in
Serwien eine Million, in der Moldau 126000. in der Wallachei 2340000 und
in der übrigen Türkei 10'/, Mill. Etwa % dieser europäischen Bevölkerung
besteht ans Türken und solchen Arnauten (oder Albanesen), Bosniaken und
andern, die sich zum Islam bekennen. Die übrigen, nämlich Thessalier, Mace-
donier und andre zerstreute Griechen, ferner serwische, bosnische und andre Sla-
wen , Albanesen und andre Illyrier, die halb slawischen Bulgaren und die
Walachen, bekennen sich fast alle zur griechisch-christlichen Kirche; außerdem finden
sich armenische und katholische Christen, Juden, Zigeuner rc. Herrschend ist der
Muselmann und zahlte bisher kaum den 5ten Theil vom Kopfgeld (Charadsch),
das der Christ geben mußte, der Jude zahlt mehr als der Christ. Was die
Abstammung betrifft, so zählt man nur iyi0 Mill. wirkliche Osmanlis, und
nur 1 Million Griechen.
Der Großherr oder Padischah ist höchstes geistliches und weltliches
Oberhaupt, bei allen Sunniten als Chalif geltend, seine Würde in der Familie
Osmans erblich. Sein Staatsrath heißt Diwan, doch hat auch das Ulema
großen Einfluß. Der Diwan besteht aus: Großvezier oder Stellvertreter
des Monarchen; Reis-Effendi Minister des Auswärtigen, der den Drago-
man der Pforte (d. i. Hofdolmetscher) unter sich hat; Kiaja Beg Minister
des Innern; Tschausch Baschi Minister der Justiz und Polizei; Defterdar
Schatzmeister; Kapndan Pascha Großadmiral und Marineminister, der Seras-
kier Kriegsminister, u. a. hohe Beamten. Ist der Vezier abwesend, so versieht
ein Kaimakan seinen Platz. — Das Corps der Ulema besteht aus den höhern
Geistlichen, die zugleich (denn im Koran sind auch Rechts- und Polizeivorschriften)
Rechtskundige sind und vorher das Amt eines Muderri, d. i. eines Professors
bekleidet haben. Ihr Oberster ist der Großmnfti, oder Scheich nl Islam,
unter ihm die 3 Kadileskier (oberste Richter für Europa, Asien und Afrika),
die Mufti's (berathende Gesetzgelehrte) in großen Städten, mehrere Kadis
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T2: [Athen Stadt Sparta Griechenland Insel Krieg Korinth Peloponnes Theben Staat]]
TM Hauptwörter (200): [T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T159: [Bewohner deutsche Bevölkerung Sprache Neger Volk Jude Einwohner Stamm Land], T138: [Meer Insel Stadt Küste Halbinsel Kleinasien Griechenland Name Bosporus Land], T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
7.Ñ2
». st. hohen Beamten. Ist der Wezier abwesend , so versteht ein K st i m a k a n
seinen Platz. Das Corps der Ulemas besteht aus den höhern Geistlichen,
die zugleich (denn im Korst» find auch Rechts - und Polizeivorschriften) Rechts-
kundige sind. Ihr Oberster ist der G r o ß m u f t i, unter dem die 3 Kadi-
leskier (oberste Richter für Europa, Asta, und Afrika), die Mufti's in
großen Städten, die Mol la Hs und Kadis od. Richter, Scheiche od. Pre-
diger, Chsttibs od. Vorbeter, Zmams, Koranerklärer und Seelsorger der
Gemeinen u. a., nebst den Derwischen od. Mönchen. Die Vornehmsten,
nemlich der Mufti und Kadileskier, werden oft in den Diwan gerufen.
Als die Osmanen das Land eroberten, fiel alles Grundeigenthum dem
Staat, den Moscheen, und den Lehnskriegern anheim. In Europa soll es über
9000, im gesamten Reiche über 50000, Lehen geben. Der Landmann ist also
nur Pächter. Doch bilden die Lehnträger (Zaims u. Timarioten) keinen Erb-
adel, denn die Muselmänner sind einander gleich, und Sklaven erlangen oft
die höchsten Würden. An der Spitze der Provinzen stehen Ober- und Unter-
paschas , die nach Willkühr regieren können und nur verpflichtet sind, dem
Großherrn die bestimmten Steuern zu übermachen und im Krieg mit Truppen
zu erscheinen. Jeder bat eigenen Hofstaat. Sind sie ungehorsam, so kommt
es darauf an, wer eben mächtiger ist. Ist es der Sultan, so schickt er dein
Empörer die seidene Schnur und läßt ihn erdrosseln; ist es der Pascha, so
regiert er wie ein unabhängiger Herr, schließt Bündnisse und führt Krieg nach
Gutdünken. In Europa sind 3 Oberpaschen, nemlich der Kap u dan
Pascha, der sämtl. Inseln nebst der Flotte kommandirt, und die 2 Begler
Beg's von Rumili und Bosnien; jeder durch 3 Roßschwcife ausgezeichnet.
Unter ihnen stehen fast 30 Paschas und Sandschakbegs von 2 Roßschwei-
fen; doch geschiehts oft, daß der Unterpascha dem Begler Beg Gesetze vor-
schreibt. Nur in der Wallachei und Moldau, als Schutzländern, sind keine
Paschen; und in Serwien besteht neben dem Pascha, der die Festungen kom-
mandirt, ein eigner serwischer Fürst. — Die bewaffnete Macht bestand bisher
aus Ja nitscharen ( Linien - Infanterie ), Topdschis od. Artilleristen,
Spahis od. Reitern, sderen die hohe Pforte selbst nur etwa 10000 auf eigne
Kosten hält, die übrigen müssen von den Lehnsinhabern, je nach der Größe
der Güter, gestellt werden, so daß mancher Zaim 15, ja 20, und der geringste
Timariot doch 2 rüsten muß) und Topraklis od. Milizen ic. Der jedes-
malige Befehlshaber einer Flotte oder eines Heers hat den Titel Seraskier.
Folgen einmal sämtliche Paschas des Reiches dem Aufgebot des Großherrn, so
kann blos das Reiterheer der Lehninhaber 134000 M. betragen.
Für wissenschaftliche Bildung geschieht höchst wenig. Mädchenschulen gibt
es gar keine. Die Druckerei zu Constautinopel wirkt nichts. Der Türk, un-
wissend und stolz, veraci,tet andre Nationen samt ihrer Kultur. Nur eine
bildende Kunst, die Architektur, wird getrieben; Malerei wird zu Verzierungen
und Arabesken angewandt, und die Musik ist nichts als ein rauschender Lärm,
noch ärger als in unsern Opern. Was Gewerbthätigkeit betrifft, so findet mail
TM Hauptwörter (50): [T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: dan
Pascha
Extrahierte Ortsnamen: Europa Afrika Europa Europa Bosnien Wallachei Moldau Serwien