Karl der Große.
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der Weser zu erobern, darauf auch die Er es bürg, einen heili-
gen und mit Mauern und Wällen befriedeten Göttersitz. (Der
Kriegsgott, der bei den Sachsen Ere hieß, wurde hier verehrt.)
— Nicht weit davon lag gleichfalls an umfriedetem, befestigtem
Orte ein anderes Nationalheiligthum, die Ir minsul (die große
Säule), die mit der größten Ehrfurcht und heiliger Scheu von
dem Volke wohl als Symbol des Götterbaums, der Esche Igg-
drasil der scandinavischen Germanen, angesehen ward. In Eres-
burg wurde an der Stelle des heidnischen Heiligthums eine christ-
liche Kirche dem Apostel Petrus, dem Lieblings-Heiligen der Zeit
gewidmet, hier und an andern Orten Priester zurückgelassen,
welche als Missionäre wirken sollten.
Aber es fehlte viel, daß ein einziger Feldzug hingereicht hätte,
um den Freiheitssinn der Sachsen zu brechen. Sobald Karl den
Rucken wendete, brachen sie den ihnen aufgezwungenen Frieden,
namentlich von Widekind, dem Feldherrn der Westfalen auf-
gereizt, bis endlich die großen von den Franken im Jahre 783
bei Detmold und an der Hase erfochtenen Siege, so wie die un-
aufhörlichen Verwüstungen des Landes, welche durch ständige
fränkische Besatzungen möglich geworden waren, viele der Edel-
sten, darunter auch Widekind bestimmten, sich zu unterwerfen und
taufen zu lassen.
An Widekind ward die Taufe 785 zu Attigny vollzogen.*)
Jetzt wurden unter Zustimmung sächsischer Abgeordneten die Zu-
stände des Landes geordnet; nämlich Grafen für bestimmte Lan-
desabtheilungen ernannt, welche im Namen des Königs zu Ge-
richt saßen; eine Anzahl Bisthümer errichtet: Osnabrück, Münster,
Verden, Bremen, Minden, Paderborn, Halberstadt, Hildesheim
und strenge Verbote gegen allen öffentlichen und geheimen Götzen-
dienst erlassen.
Auch die Langobarden unterjochte Karl. Damals war
Desiderius König der Langobarden. Dessen Tochter hatte Karl
schon als Prinz zur Frau genommen, bald aber wieder zurück-
geschickt, weil sie ihm zuwider war. Daß Desiderius darüber
grollte, läßt sich denken. Dazu kam, daß Karlmanns Wittwe, die
ihrem Schwager nicht traute, mit ihren Söhnen zu Desider ge-
flohen war. Gegen den mächtigen Karl wagte er nicht geradezu
*) Seine Gebeine werden in einem Kasten in der Kirche von Enger, Reg.-
Bezirk Minden, aufbewahrt.
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Extrahierte Personennamen: Karl Apostel Petrus Karl Karl Desiderius Karl Karl Karlmanns Karlmanns Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Heiligthums Sachsen Westfalen Detmold Bremen Minden Paderborn Halberstadt Hildesheim Minden
50 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
mit den Schwertern holen.*) Drohend gingen die Boten fort.
Im Frühjahr 933 erschien ein ungeheueres Heer Ungern. Der
Schrecken ging vor ihnen her; sie verwüsteten und verbrannten
alle Felder und Oerter, die sie erreichten. Viele Männer wur-
den ermordet, Weiber und Kinder als Sklaven mitgeführt. So
kamen sie in die Gegend von Merseburg; hier, glaubten sie,
sei ein Schatz verwahrt. Heinrich eilte schnell herbei mit allen
Mannen, die er beisammen hatte, und lagerte sich auf einem
Hügel, von welchem er mehrere Tage in das Blachfeld, wo die
Ungern im Lager standen, hinabstieg, um seine Leute an den An-
blick der wilden Krieger zu gewöhnen. Ehe er die Schlacht wagte,
schickte er eine Reiterschaar in einen hohlen Weg in die Seite
der Ungern, um von da zur rechten Zeit hervorzubrechen. Nun
sammelte er alle Mannen um sich, ermahnte sie, auf die göttliche
Hülse zu vertrauen; dort, sagte er, stehe der gemeinsame Feind;
das Vaterland fordere Rache; männlicher Muth werde sicherlich
über die Wildheit des Feindes siegen. Mit Vertrauen blickte
das Heer auf zu dem Bilde des Engels aus der hochflatternden
Reichsfahne und hin auf den König, der, vor Allen hervorragend,
sie in das Feld hinabführte. Als er nun dicht vor dem Feinde
stand, betete er — und das ganze Heer mit ihm — noch einmal
zu Gott um Sieg, gab das Feldgeschrei: „Herr, erbarme dich!"
und nun ließ er einbrechen. Zugleich stürzten die im Hohlwege
verborgenen Reiter hervor in den Rücken der Ungern, die zu-
letzt, an Allem verzweifelnd, sich zur schleunigen Flucht wandten.
Die wenigsten sahen ihr Vaterland wieder; viele wurden in der
Schlacht, Viele auf der Flucht von den aufgebrachten Bauern
erschlagen. In ihrem verlassenen Lager fand man die ganze
Schaar der zusammengebundenen Weiber und Kinder, die nun
*) Recht naiv drückt sich darüber eine Chronik aus dem 15. Jahrhundert
in dem damals gebräuchlichen Dialekt aus: „Do zcogin dy Ungirn in Doringen
unde vordirtin jerlichen zcinß von den Doringin, unde von den andern Dutz-
schin. Do sante Konnig Henrich en zcu zcinse eynen schebcchtin Hunt, deine wa-
rin dy orin unde der zcagil abegesnetin, unde enpod en, wer eynen andirn
zcinß von den Doringin habin Wolde, das her queme, unde holete en, wanne
her wolde." D. i.: „Da zogen die Ungern nach Thüringen, und forderten
den jährlichen Zins von den Thüringern und von den andern Deutschen. Da
sandte König Heinrich ihnen zum Zins'einen schäbichten Hund, dem waren die
Ohren und der Schwanz abgeschnitten, und entbot ihnen, wer einen andern
Zins von den Thüringern haben wollte, daß er käme und holte ihn, wann er
wollte."
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Merseburg Blachfeld Doringen
Otto der Große-
53
der Erde herumzog. Zuletzt wurde die Arme in das Schloß
Gar da am Gardasee als Gefangene gebracht. Hier saß sie in
einem dunkeln Kerker einsam und verlassen, von aller mensch-
lichen Hülfe weit entfernt. Aber Gott war ihr mit seiner Hülfe
nahe und sandte ihr in dem braven Kaplan Martin einen Ret-
ter. Dieser Mann, ein treuer Diener ihres verstorbenen Gatten,
gerührt von dem Unglücke der Gefangenen, verschaffte ihr Manns-
kleider, grub einen Gang unter der Mauer ihres Gefängnisses
aus und führte sie in einer dunkeln Nacht in einem Nachen über
den See. Hier am andern Ufer verbarg er sie bald im Korne,
bald im Gebüsch, bis er einen guten Fischer bewog, sie in einer
einsamen Hütte aufzunehmen. Dann ging er zu einem alten
Freunde des verstorbenen Lothar, einem Bischöfe (von Reggio,
Adelhard), und bat ihn um eine sichere Freistätte für Adelheid.
Der Bischof ließ sie sogleich nach dem Schlosse Canossa im Mo-
denesischen, welches ein ihm befreundeter Markgraf (Azzo) inne
hatte, bringen, und nun eilte der treue Martin nach Deutschland
zu Kaiser Otto, den Adelheid recht dringend um kräftigen Bei-
stand gegen Berengars Verfolgungen bitten ließ. Otto ließ sich
nicht zwei Mal bitten, um so mehr, da er schon vorher die Ab-
sicht hatte, nach Italien zu gehen. Er rief schnell seinen Heer-
dann aus und zog über die Alpen (951). Es war auch die
dringendste Noth; denn Berengar belagerte schon Canossa, wo der
Hunger bereits zu wüthen anfing. Da flog eines Tages ein
Pfeil in die Festung, an welchem sich ein Brief und ein Ring
befand. Beides war voni Kaiser Otto; sein Bote hatte nicht
durch die Wachen Berengars dringen können und daher Brief
und Ring an jenen Pfeil gebunden und so über die Mauer ge-
schossen. Im Briefe stand, daß Otto schon in der Nähe sei, und
der Ring sollte die Echtheit der Handschrift beweisen. Berengar
hob nun die Belagerung auf. Von Otto erschien in Canossa ein
Bote: der Kaiser werbe um Adelheids Hand; denn er war seit
mehreren Jahren Wittwer. Adelheid reichte ihrem Retter mit
Freuden ihre Hand, und in Pavia wurde eine fröhliche Hochzeit
gefeiert. Sie brachte ihm das Königreich Italien (die Lombardei)
als Brautschatz mit, eine Erwerbung, die damals dem Otto und
den Deutschen ein Glück schien, aber in der Folge eine Reihe bluti-
ger Kriege verursacht hat, wie wir uns denn oft über Das freuen,
was sich nachher als ein Unglück zeigt. Berengar knirschte zwar
vor Wuth, mußte stch aber dem Kaiser unterwerfen und erhielt
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Extrahierte Personennamen: Otto Martin Fischer Lothar Reggio Martin Otto Otto Otto Otto Berengar Otto Wittwer Adelheid Otto Berengar
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Canossa Pavia Italien
Die Ungern in Franken und Belgien.
55
indessen heftig angegriffen und keine Art des Geschosses geschont.
Dagegen wehrten sie sich nach ihren besten Kräften, und Knechte,
Cleriker und Mönche,' obgleich diesem Orden das Handhaben der
Waffen verboten ist, widerstanden, da es aus Erhaltung des Le-
bens ankam, in einem Haufen zusammengedrängt, mit Nachdruck.
Da sie aber doch endlich an der Rettung verzweifelten, hörte man
sie nach gewohnter Weise rufen: Herr! o Herr! erbarme dich! —
und: Heiliger Ursmar, hilf, o hilf uns! — Schon umarmten stch
die Unglücklichen zum letzten Male und nahmen für immer Ab-
schied, jeden Augenblick die Uebergabe erwartend — siehe! da
flogen, zum Zeichen, daß sich Gott ihrer erbarmt habe, zwei Tau-
den hinter dem Altare hervor. Sogleich erfolgte ein heftiger Re-
gen, welcher die Sehnen der feindlichen Bogen erschlaffte und die
Geschicklichkeit der Ungern zu Schanden machte. Da kam eine
solche Furcht und ein solches Grauen über diese, daß sie ihre
Flucht beschleunigten und die Anführer selbst nüt Knuten aus Die
einhieben, welche noch verweilten."
So und noch ärger ging es zu überall, wohin die Ungern
kamen, und wir haben noch mehrere grausenhafte Beschreibungen
ihrer Unthaten von Augenzeugen übrig. Zu Anfang des Jah-
res 955 erhielt Otto, da er gerade in Sachsen war, Eilboten
aus Baiern: er möchte doch schnell zu Hülfe eilen; die Ungern
wären in furchtbarer Menge wieder eingefallen. So war es auch
wirklich. Durch Oestreich waren sie gekommen und drangen, wie
gewöhnlich, alle festen Städte vermeidend und alle offenen ab-
brennend, bis an den Lechfluß vor, wo sie Augsburg an-
griffen , weil sie es für die Niederlage aller großen Reich-
thümer der umliegenden Länder hielten. Die Bürger der Stadt
überließen sich der Angst und Verzweiflung; da war ihnen
der ehrwürdige Bischof der Stadt, Udalrich, eine rechte Stütze.
Er sammelte sie zum Gebet vor dem Altare des Herrn, sprach
den Muthlosen Muth ein und verwies sie auf Den, von dem
allein alle Hülse in der Noth kommt. Da er aber wohl, erwog,
daß jeder unthätige Glaube ein verkehrter ist, so munterte er auch
die Bürger zur genauen Bewachung der Mauern auf und schickte
dem Otto Boten entgegen, seine Schritte zu beflügeln, damit er
für die geängstigte Stadt nicht zu spät komme.*) Otto kam eilends
*) Der fromme Udalrich (Ulrich) liegt in Augsburg in einer ihm geweih-
ten großen und schönen Kirche begraben und wird hier von den Katholiken als
Heiliger verehrt.
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Extrahierte Personennamen: Otto Muth Otto Otto Ulrich)
56 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
herbei. Die Kriegsleute beichteten einander, da es an Geistlichen
gebrach, ihre Sünden, und Jeder vergab dem Andern, was er
zu vergeben hatte, damit der Himmel auch seiner Schuld nicht
gedenken wolle. Da trat Otto hervor: „Seht den Feind!" rief
er; „er vertraut aus seine Kühnheit, wir aber auf den Schutz
des Himmels!" Dann fiel er, Angesichts des Heeres, auf seine
Kniee, bekannte dem Himmel laut seine Schuld und flehte ihn um
den Sieg an. So brach er auf den Feind ein, der nach wü-
thender Gegenwehr endlich auch hier, auf beni Lechfelde bei
Augsburg, eine große Niederlage erlitt. Die meisten Ungern
wurden erschlagen, manche erst auf der Flucht, gefangen nur we-
nige. Die Erbitterung der Deutschen vergaß, an den wehrlosen
Gefangenen Großmuth zu üben. Zwei der Hauptanführer der
Ungern, die den Deutschen in die Hände fielen, wurden gehenkt,
manche Gefangene gar lebendig in große Gruben geworfen und
so begraben! — eine schauderhafte Barbarei, die ohne Otto's
Vorwissen geschah. Als die Ungern davon hörten, ergrimmten
sie so, daß sie aus Rache alle noch in ihrem Lande lebende ge-
fangene Weiber und Kinder, an 20,000, ermordeten. So erzeugt
eine Unmenschlichkeit die andere.
Folgende zwei Züge zeigen, wie edeldenkend Otto war. Seine
Mutter, Mathilde, war eine brave Frau, aber eine schlechte Wir-
thin; besonders pflegte sie, nach den damaligen Begriffen von
Frömmigkeit, die Kirchen und Klöster so reichlich zu beschenken,
daß ihr Sohn sich endlich bewogen fühlte, ihr die freie Bestim-
mung über ihre Ausgaben zu nehmen. Die alte Frau fühlte
sich dadurch sehr gekränkt; das hatte sie von ihrem Sohne nicht
erwartet. Damals lebte noch Otto's erst Frau Edith. Kaum
erfuhr die gute Frau die Betrübniß ihrer Schwiegermutter, als
sie gleich zu ihrem Gatten eilte, ihm sein Unrecht liebreich vor-
stellte und nicht eher abließ, bis er ihr versprach, die Beschrän-
kung aufzuheben und die Mutter um Verzeihung zu bitten. Diese
freute sich, als sie ^ von der Veränderung ihres Sohnes hörte, so,
daß sie sich gleich aufmachte, um ihn zu besuchen. Als er erfuhr,
daß sie käme, reiste er ihr entgegen, sprang, sobald er sie erblickte,
vom Pferde, fiel vor ihr aufs Knie nieder und rief: „O ehr-
würdige Mutter, lege mir eine Strafe auf, welche du willst, aber
verzeihe mir! Seitdem ich dich gekränkt, habe ich keine Ruhe,
keinen Seelenfrieden mehr." Die weinende Mutter drückte ihn
an ihr Herz, küßte ihn und sprach: „Sei ruhig, mein lieber Sohn!
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Extrahierte Personennamen: Otto Otto Mathilde Edith
68
Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
nen Tod. Indessen ist von ihm zu rühmen, daß er ein thätiger
und unternehmender Herr im Kriege wie ihm Frieden war. Mel
mehr hätte er, so wie sein Vorgänger und Nachfolger, sich der
Sorge um Deutschland widmen können, wenn nicht die Kaiser aus
den Besitz des treulosen Italien ersessen gewesen wären. Italien
war Deutschlands Unglück; denn theils kamen hier unzählige
Deutsche durch Krankheiten und Gefechte um, theils mußten die
Kaiser ihre meiste Zeit und ihre besten Kräfte auf dies Land
wenden, dessen Besitz ihnen doch keinen wesentlichen Nutzen ver-
schaffte. Auch Heinrich zog drei Mal dahin. Als er,das erste
Mal nach Italien kam, ließ er sich in Pavia mit der alten
eisernen Krone der Langobarden zum König von Italien krönen.
Aber noch an demselben Tage entstand hier ein gewaltiger Auf-
ruhr. Die Bürger, von Wein und Wuth erhitzt, schlössen die
Thore und bestürmten den Palast, in welchen: sich der Kaiser be-
fand. Vergebens versuchte der Erzbischof von Cöln vom Fenster
aus den wüthenden Pöbel zu beruhigen; ein Hagel von Steinen
und Pfeilen war die Antwort, die er erhielt! Heinrich wollte
sich durch einen Sprung aus dem Fenster retten; aber er beschä-
digte sich den Fuß und blieb zeitlebens lahm (davon wurde er
auch Huffeholz oder der Lahme genannt). Endlich kamen ihm
seine Deutschen, die vor dem Thore im Lager standen und von
hier aus den von den: brennenden Schlosse aufsteigenden Dampf
gesehen hatten, zu Hülfe. Sie erstürmten die Mauern, verbrann-
ten die Stadt und richteten unter dem Volke ein gräßliches Blut-
bad an. Dieser Aufruhr verleidete dem Kaiser das Land so, daß
er sogleich nach Deutschland zurückkehrte. Hier fehlte es, wie un-
ter seinen Vorgängern, auch nicht an Unruhen und Kriegen, die
wir aber nicht erzählen können, ohne weitläufig zu werden. Er
starb, nachdem er noch zweimal in Italien gewesen war, 1024
ohne Nachkommen und liegt in Bamberg, wo er das Bisthum
stiftete, neben seiner Kunigunde begraben*); mit ihm erstarb das
sächsische Haus.
Jetzt fehlte nicht viel, daß die Fürsten übereinander herge-
fallen wären, weil jeder König werden wolle. Endlich brachten
es die Vernünftigen dahin, daß man sich zu einem Wahltage ver-
einigte. Alle Große, unter denen acht Herzöge waren, die Erz-
*) Ihre Schädel, in Gold gefaßt, werden in Bamberg als kostbare Re-
liquien gezeigt.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Italien Deutschlands Italien Pavia Italien Deutschland Italien Bamberg Bamberg
110 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
Ungern, ein zwar nun schon christliches, aber doch noch sehr rohes
Volk, ließen den Walther mit seiner Horde zwar ein, und ihr
König K.olomann versprach auch, die nöthigen Lebensmittel ge-
gen Bezahlung zu liefern. Aber um Ordnung zu halten, war
das Gesindel nicht ausgezogen. Sie zerstreuten sich im Lande,
plünderten — und wurden zum Theil todtgeschlagen. Noch
schlimmer ging es ihnen im Lande der Bulgaren, so daß nur ein
kleines Hänschen bei Constantinopel ankam, welches froh war, daß
der griechische Kaiser Alexius Comnenus ihm die Erlaubniß gab,
bis zur Ankunst Peters ein Lager vor den Thoren aufschlagen
zu können.
Nun kam Peter mit 40,000 nach, die nicht viel besser als
des Walthers Leute waren. Doch ging anfangs Alles gut. Die
Ungern hielten Friede, weil Peter Ordnung hielt. Schon war
dieser fast an die letzte Grenze gekommen, da hörte er, daß in
einer vor ihm liegenden Stadt (Semlin) 16 Kreuzfahrer von
Walthers Haufen, weil sie geplündert hatten, von den entrüste-
ten Einwohnern erschlagen worden wären. Dies hören und die
Stadt stürmen lassen, war Eins. Die armen Einwohner, die
meist an jener That ganz unschuldig waren, wurden säst alle er-
mordet, die Stadt fünf Tage lang geplündert und ein entsetz-
liches Blutbad angerichtet. Das that der heilige Peter. Frei-
lich mußte er nun eilen, daß er über die ungarische Grenze kam;
denn schon war der König im Anzuge, die Greuelthat zu rächen.
Auch in Bulgarien benahm sich Peter so unklug, daß er sich mit
den Einwohnern ganz überwarf. Er erlitt eine ungeheuere
Niederlage; der vierte Theil seiner Leute lag blutend aus dem
Wahlplatze, und sein ganzes Gepäck und eine Menge mitgezogener
Weiber, Kinder, selbst Nonnen, fielen in die Hände der wilden
Bulgaren. Gedemüthigt kam er mit dem Ueberreste bei Con-
stantinopel an, und er und Walther klagten sich nun gegenseitig
das erlittene Unglück, an dem sie doch beide allein schuld waren.
Auch Petern erlaubte der Kaiser, das Heer Gottfrieds zu erwarten.
Aber diese beiden Haufen waren nicht die einzigen. Auch
in Deutschland erhob sich die Begeisterung und wurde von
schwärmerischen Geistlichen zur lichten Flamme angeblasen. Der
Eine hatte um die Zeit der Versammlung in Clermont Sterne
vom Himmel regnen gesehen; ein Anderer zwei Männer zu Pferde,
die am hellen Tage am Himmel miteinander kämpften und von
denen der eine den andern mit einem großen Kreuze niederschlug;
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Extrahierte Personennamen: Alexius_Comnenus Peters Peter Peter Walthers Peter Peter
Extrahierte Ortsnamen: Constantinopel Bulgarien Heer_Gottfrieds Deutschland Clermont
116 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
verwundet ihn mit dem Schwerte, aber ohne ihn zu todten.
Durch die Wunden noch wüthender gemacht, stürzt sich das wilde
Thier auf ihn, umklammert ihn mit den Vordertatzen und reißt
ihn vom Pferde zu Boden. Mit ungeheuerer Kraft macht sich
zwar der Held aus der entsetzlichen Umarmung los und rennt
dem Thier sein Schwert in die Seite. Aber auch hiervon noch
nicht todt, greift ihn der Bär von neuem an, zerfleischt ihm den
einen Schenkel und kaum ist Gottfried, nun schon ermattet, noch
im Stande, das Ungeheuer von sich abzuwehren. Zum Glück
kommt eben in der höchsten Noth ein Ritter herangesprengt,
herbeigerufen von dem Hülferuf des Soldaten und dem Brüllen
des Thieres, dem nun der Rest gegeben wird. Aber Gottfried
war so erschöpft von Angst, Anstrengung und Blutverlust, daß
er ans ^iner Trage ins Lager zurückgebracht werden mußte.
Endlich hatten die Kreuzfahrer Klein-Asien durchzogen und
wendeten sich rechts nach Syrien. Da stellte sich ihnen eine
große Stadt dar, Antiochia hieß sie. Im ersten Rausche des
Muthes schwuren sie, sie nicht unerobert hinter sich lassen zu
wollen. Aber die Mauern waren so dick und so fest, und
der Feind darin so hartnäckig und kriegerisch, daß die Kreuzfahrer
weit über ein halbes Jahr davor liegen mußten. Da zeigte sich
nun schon wieder all das grenzenlose Elend, welches Hunger,
Beschwerde jeder Art, Seuchen und Sittenlosigkeit hervorzubringen
vermögen. Die heilige Schwärmerei, welche die Kreuzfahrer bei
Clermont gezeigt hatten, war verschwunden und Alle hatten
längst schon den Gedanken, das Kreuz genommen zu haben, ver-
wünscht. Mit welcher Sehnsucht dachten nicht die Meisten an
die behagliche Ruhe, mit der sie daheim bei Weib und Kindern
sich gepflegt statten! Diese Unlust zeigte sich selbst bei einigen
der Fürsten, und man muß sich wundern, wenn man sieht, wie
diese Leute, statt durch Einigkeit sich die Beschwerden leichter zu
machen, sich beneideten, ja manchmal feindlich behandelten und
dadurch die Eroberung des heiligen Grabes verzögerten. Nur
Gottfrieds große Seele war über die kleinlichen Leidenschaften
weit erhaben. Unter Denen, die im Lager verdrießlich umher-
schlichen, war auch Kukupeter. Er hatte sich längst weggesehnt;
auch verdroß es ihn, daß man so wenig Kenntniß von ihm nahm
und ihn nicht anders als einen gemeinen Mönch behandelte. An
einem schönen heitern Abende war er mit einem Male ver-
schwunden. Aber seine Flucht wurde gleich entdeckt; einer der
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Extrahierte Personennamen: Gottfried Gottfried Gottfrieds
Heinrichs Iv. letzte Tage. Konrad, dessen isohn.
91
wer den Sieg habe. „Ihr, Herr!" sagten die Umstehenden.
Darauf sank er zurück und sprach: „Nun leide ich freudig lebend
und sterbelid, was der Herr will; nun -kümmert mich der Tod
nicht, wenn ich ihn mit der Ehre des Triumphs empfange!" —
So starb er. Sein Grabmal sieht man noch in der Domkirche
von Merseburg, wo auch seine freilich nun sehr verdorrte Hand
noch gezeigt wird.
Rudolphs Tod war für Heinrich ein großes Glück. Viele
seiner Feinde verlöret! nun den Muth; andere hielten den Tod
des Gegenkaisers für ein Strafgericht Gottes und schlossen sich
wieder all den rechtmäßigen Kaiser an. So nahm Heinrichs Par-
tei mit jedem Tage zu, und endlich war er so mächtig, daß er
nach Italien gehen und dort seinen Todfeind, den Papst, angrei-
fen kotinte. Er erklärte diesen für abgesetzt und ließ einen Erz-
bischof zum Gegenpapste wählen. Dennoch blieb der eiserne Gre-
gor unerschüttert, und je weiter Heinrich gegen Rom vordrang,
desto wüthender schleuderte er den Bannstrahl auf ihn. Dies
Mal half es aber nichts. Heinrich belagerte wirklich Rom; aber
bis ins dritte Jahr lag er davor, ehe er es einnehmen konnte,
und nun ließ er geschwind seinen Papist einweihen. Gregor da-
gegen zog sich itl die Engelsburg (das Grab Hadriansj zurück,
und schon glaubte Heinrich ganz sicher, daß er ihm nicht entrin-
nen könnte — als er ihm plötzlich entführt wurde. Die Nor-
männer nämlich, d. i. die Dänen und Norweger (rauhe, kühne
und in der Seefahrt gewandte Männer) hatten tiach der Zeit
Karls des Großen verwüstende Einfälle in niehrere Länder ge-
macht und sich in einzelnen Schwärmen da und dort, z. B. in
England und Nord-Frankreich, angesiedelt. Ein solcher Schwarm
war gar bis Neapel geschifft und hatte sich zum Herrn von ganz
Unter-Italien geniacht. Diese Normannen waren es, die jetzt
plötzlich unter ihrem ritterlichen Herzoge Robert Guiscard
in Rom erschienen, den Papst in ihre Mitte nahlnen und ihn
nach dem Neapolitanischen in Sicherheit brachten, nachdem er
noch einmal den Bannstrahl auf deu Kaiser, den Gegenpapst
und dessen Anhänger geschleudert hatte. Bald darauf (1085)
starb Gregor Vii. in Salerno; die heftigen Bewegungen seines
Gemüths mochten den Lebensfaden schneller zernagt haben. Als
er seinen Tod sich nahen fühlte, rief er die ihm getreuen Bi-
schöfe herbei und sprach: „Geliebteste Brüder, ich will keine mei-
ner Thaten sehr rühmen; aber darauf vertraue ich, daß ich stets
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Extrahierte Personennamen: Heinrichs Heinrichs Konrad Konrad Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Gregor Heinrich Heinrich Karls Robert_Guiscard Gregor_Vii Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Domkirche Merseburg Gottes Italien Rom Engelsburg England Neapel Rom Salerno
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Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
der Stadt zurück. Diese That klingt fast unglaublich, ist aber
Angesichts beider Heere geschehen und durch mehrere Augenzeugen
einstimmig erzählt worden.
So herrlich, wie hier durch glänzende Tapferkeit, ragte Gott-
fried auch durch Tugend des Herzens über seine Gefährten
weit hervor; denn so wie unter den Fürsten Neid und Eifer-
sucht, so herrschte unter den Gemeinen eine große Verworfenheit.
Kein Wunder, da ja die Hefe des Pöbels sich unter ihnen befand!
Hier nur ein Beispiel statt vieler. In dem eben erwähnten Ge-
fechte hatten die Seldschucken an 5000 Mann verloren; von den
Mauern der Stadt hatten die Mütter und Weiber mit angese-
hen, wie die Ihrigen hingewürgt wurden, hatten sich vor Schmerz
die Haare zerrauft und die Luft mit ihren Wehklagen erfüllt.
In der nächsten Nacht aber begruben sie die ihnen theuern Tod-
ten und gaben ihnen den besten Schmuck, die schönsten Kleider
und die in der Schlacht getragenen Waffen mit ins Grab! In
unsern Zeiten hätte ein edelmüthiger Feind nicht nur die Trauer
der Armen nicht gestört, sondern sie selbst von Herzen bedauert.
(Man denke dabei an Achilles und Priamos.) Nicht so die Kreuz-
fahrer. Am nächsten Morgen stürzten sie auf die frischen Leichen-
hügel los, störten mit unmenschlicher Wuth die stille Ruhe der
Todten, verstümmelten diese und raubten die in den Gräbern
gefundenen seidenen Kleider, die sie, manche drei oder vier über-
einander, geschwind anzogen, um ihre Lumpen zu ersetzen, und
so stolzirten sie, die weinenden Mütter und Weiber laut verhöh-
nend, vor den Mauern der Stadt herum.
Endlich wurde Antiochia durch Verrath eingenommen. Daß
es da wieder entsetzliche Scenen gab, braucht nicht erst gesagt zu
werden; denn die Kreuzfahrer hielten es nicht nur nicht für Un-
recht, die Ungläubigen zu berauben und zu morden, sondern sie
glaubten dadurch gar Gott einen rechten Dienst zu erweisen.
Zehntausend sollen von ihnen gemordet worden sein. Aber die
Strafe für die hier verübten Greuelthaten blieb nicht au§. Kaum
hatten sie sich in Antiochia eingerichtet, als Kerboga, der Fürst
von Mosul, mit einem Heere von einigen Huuderttausenden her-
beiströmte und die Stadt ganz und gar einschloß. Er hatte sich
aufgemacht, um seinen Glaubensbrüdern, den Antiochiern, zu
Hülfe zu kommen. Zwar kam er zum Entsätze der Stadt zu
spät, nicht aber, die Kreuzfahrer aus ihrer Ruhe aufschrecken.
Diese hatten an einen solchen Fall nicht gedacht und jich daher
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