18 Mittlere Geschichte. 1. Periode. Franken.
ließ, während der andere sich selbst töbtete, und den vierten mit
einem Stückchen Land (Gens) abgefunden. Um nun einen Vor-
wand zum Kriege zu haben, verlangte Chlodwig die Hand der
Chlotilde, der Tochter jenes von Gundobald ermordeten Königs.
Chlotilde willigte mit Freuden ein, um aus der Haft des ihr
verhaßten Oheims loszukommen; desto verdrießlicher war der An-
trag dem Gundobald, aber er fürchtete sich, den Chlodwig zu
erzürnen und willigte ein. Vergnügt fuhr die Braut auf einem
mit Ochsen bespannten Wagen von dannen und ließ auf der
Reise, um sich an Gundobald zu rächen, alle burgundische Oerter,
durch die sie kam, niederbrennen. Dann forderte Chlodwig die
Mitgift seiner Frau; Gundobald schickte sie mit Ingrimm.
Bald darauf gab es für Chlodwig ein neues Geschäft. Die
oben erwähnten Alemannen, die theils im jetzigen Baden und
Würtemberg, theils in der westlichen Schweiz, theils auf dem lin-
ken Rheinufer wohnten, hatten sich ausgemacht und waren, den
Rhein abwärts ziehend, bis Cöln vorgedrungen, wo auch ein
fränkischer König, ein Vetter Chlodwigs, regierte. Chlodwig zog
seinem Vetter zu Hülfe. Es kam zur Schlacht bei Zülpich,
zwischen Aachen und Bonn (496). Die Franken wurden hart
bedrängt; die Alemannen erhoben das Siegesgeschrei. Da, in
der höchsten Roth, rief Chlodwig zu dem Gotte der Christen:
„Wenn chu mir den Sieg verleihst, so will ich an dich glauben
und mich aus deinen Namen taufen lassen; denn ich habe meine
Götter angerufen, aber sie haben mir nicht geholfen, und daher
muß ich glauben, daß sie keine Macht haben." Glücklicherweise
wandte sich der Sieg; die Alemannen mußten die Obermacht der
Franken anerkennen. Noch in demselben Jahre ließ sich Chlod-
wig taufen. Der Bischof von Rheims, der heilige Remigius,
verrichtete in der Domkirche dieser Stadt die feierliche Handlung,
die der Aberglaube jener Zeit durch ein angebliches Wunder ver-
herrlichen läßt. Als nämlich der Bischof den König salben wollte,
war kein Oel da, weil der Geistliche, der die Flasche holen sollte,
nicht durch das Volk dringen konnte. Während nun der Bischof
in Verlegenheit dastand, kam von der Decke eine weiße Taube
herabgeflogen, die im Schnabel ein Fläschchen trug, welches sie dem
Bischof darreichte. Das darin enthaltene Oel verbreitete in der
ganzen Kirche einen herrlichen Geruch, und man ging damit so
sparsam um, daß es bis zur französischen Revolution gereicht
hat, durch welche erst das Gefäß seinen Untergang gefunden.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T65: [Reich Italien Land Kaiser Römer Volk Jahr Rhein Gallien Franken], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
22'
Mittlere Geschichte. 1. Periode. Bonifacius.
Anderes zu lehren, als was mit der Meinung der katholischen
Kirche übereinstimmte, und weihte ihn zum Bischof ein. So ging
er nach dem damals noch sehr rauhen, mit vielen Wäldern be-
deckten Deutschland, und zog, das Evangelium predigend, unter
vielen Mühen, Entbehrungen und Gefahren bei den Thüringern,
Hessen, Sachsen und Friesen umher. Einst kam er ins Land der
Hessen. Hier traf er (in der Gegend des nachherigen Hofgeis-
mar) eine Eiche von ausnehmender Dicke, die von den einfälti-
gen Leuten als ein Hauptsitz des Donnergottes verehrt wurde.
Bonifacius belehrte sie über den einigen Gott, den unsichtbaren
und doch allgegenwärtigen, über Jesus, den Sohn Gottes, und
über das Heil der Welt, das durch ihn den Menschen dargebo-
ten sei. Aufmerksam hörten sie zu, aber die Meisten schüttelten
noch zweifelnd den Kopf. Da ließ sich der kühne Mann eine
Axt bringen und machte Anstalt, die Eiche zu spalten. Wie ent-
setzten sich nicht die Hessen über den vermeintlichen Frevel, und
wirklich umringte ihn schon ein Haufen und drohte, ihn umzu-
bringen. Aber Andere hielten sie zurück und meinten, der Gott
im Baume würde sich schon selbst helfen und den Frevler nieder-
schmettern. Da trat Bonifacius mit festem Schritte heran und
vollführte einen starken Schlag auf den Baum, und voll Ver-
wunderung sahen sie den Mann noch immer unversehrt da-
stehen. Nun fiel Schlag auf Schlag, und mit jedem Schlage sank
der Aberglaube der Leute immer mehr. Endlich stürzte die Eiche
krachend zu Boden und zugleich schwand auch der Aberglaube
der Hessen. Gläubig wandten sie sich nun zu den Lehren des
Christenthums und nahmen willig die heilige Taufe an. — Der
Papst, dessen geistlicher Obergewalt Bonifacius das bekehrte Deutsch-
land unterworfen hatte, belohnte den treuen Glaubensboten mit
der Würde eines Erzbischofs von Mainz. Recht passend heißt
er der Apostel der Deutschen. Noch in seinem hohen Alter (er
war schon 70 Jahre alt) gönnte er sich keine Ruhe, sondern un-
ternahm noch eine Bekehrungsreise zu den Friesen. Diese aber
schlugen den wackern Mann todt, der schon auf Erden sich den
Himmel durch seinen edlen Eifer verdient hatte. Er lebte zu
der Zeit Karl Martells und starb 755. In Fulda liegt er
begraben.
Es ist eben bei Bonifacius des Papstes erwähnt worden.
Man merke sich über denselben Folgendes. In den ältesten Zei-
ten des Christenthums standen jeder christlichen Gemeinde Auf-
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Extrahierte Personennamen: Bonifacius Bonifacius Bonifacius Bonifacius Apostel Karl_Martells Karl
78 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
Obrigkeiten dagegen dürfen sie nur in so weit gehorchen, wie es
ihnen der Papst erlaubt. Denn man muß Gott und dem Papste,
seinem Stellvertreter, mehr gehorchen als den Menschen.
9) Als alleiniger Bischof der Kirche ist auch der Papst der
Eigenthümer aller Kirchengüter, über welche die weltliche Obrig-
keit nur in so weit, wie der Papst es erlaubt, Macht hat.
10) Die weltliche Obrigkeit darf auch die Priester nicht vor
ihre Gerichte ziehen, sondern sie stehen allein unter dem Papste.
Die weltliche Obrigkeit hat daher auch kein Recht, die Befehle
des Papstes an die Bischöfe zu controliren oder deren Bekannt-
machung zu verhindern, sondern sie, die päpstlichen Befehle, sind
frei von jeder Aufsicht des Staats.
11) Wer dem Papste nicht gehorcht, sondern ihm den Ge-
horsam in irgend einer Sache verweigert, den kann er mit dem
Banne belegen und für einen Ketzer erklären.
12) Wen der Papst gebannt und als Ketzer bezeichnet hat,
der ist aus der christlichen Kirche gestoßen, wird seiner Ehre,
seines Vermögens und aller bürgerlichen Rechte verlustig und
ist dem Feuertode verfallen. Der Papst ordnet die Ketzergerichte
(Inquisition-, und die weltlichen Obrigkeiten sind verbunden,
die Urtheile dieses Gerichtes zu vollstrecken. Niemand darf mit
einem Ketzer Umgang haben, Niemand ihn beherbergen oder be-
schützen, wenn er nicht gleicher Strafe theilhaftig werden soll.
Die Fürsten und Obrigkeiten, welche sich weigern, die Strafe
an den Ketzern zu vollziehen, entsetzt der Papst ihrer Würden,
thut sie in den Bann, entbindet die Unterthanen vom Eide der
Treue und giebt ihre Länder andern gehorsamen Fürsten, welche
die Ketzer vertilgen.
Diese grenzenlose Herrschsucht hat der kühne Gregor auch
wirklich durchgeführt und sich zum Schrecken aller christlichen
Fürsten gemacht. In jener Zeit der Rohheit und Gesetzlosigkeit
konnte es allerdings von großem Nutzen sein, wenn eine höhere
als die weltliche Macht Zucht und Ordnung aufrecht erhielt und
der frechen Willkür wehrte, und wären die Päpste wirklich so
gewesen, wie sie hätten sein sollen, Muster der christlichen Tugend
und erfüllt vom Geiste Jesu, so hätten sie für das Mittelalter
ein wahrer Segen sein können. Diese Idee mochte auch wohl
dem klugen Gregor vorschweben; aber er beging den Fehler, den
nach ihm auch alle andere Päpste begangen haben, daß er den
Schaden bloß außerhalb der Kirche suchte, statt daß er mit Ab-
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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——'----------------
Ludwig der Heilige. 137
was zu Sünden oder Verleumdung Anderer Anlaß geben könnte.
Laß nichts Unehrerbietiges von Gott oder Jesus reden. Laß
Jedem Gerechtigkeit widerfahren, sowohl dem Armen, als dem
Reichen. Bei streitigen Fällen untersuche sorgfältig die Wahrheit,
sie sei nun für oder wider dich. Gieb Das zurück, was dir nicht
zukommt. — Deinem Vater und deiner Mutter erweise Ehrfurcht
und hüte dich, sie durch Ungehorsam zu erzürnen. —- Der Auf-
wand in deinem Hause sei vernünftig und mäßig. — Ich gebe
dir meinen ganzen Segen, den je ein Vater seinem Kinde geben
kann, und bitte Gott, daß er dich vor allem Uebel, besonders
vor Todsünden behüte und bewahre, damit wir einmal nach
diesem vergänglichen Leben vor Gott beisammen sein und ihm
unaufhörlich in jenem Leben danken und ihn loben können.
Amen!"
Schon nach diesen Vorschriften muß man diesen wackern
König achten und lieben. Noch mehr wird man es aber, wenn
man in den zeitverwandten Geschichtschreibern liest, wie gut,
sanft, nachgiebig und fromm er in seinem ganzen Thun war.
So ließ er alle Tage 120 Arme aus seiner Küche speisen; ja, er
wartete ihnen manchmal selbst auf, um sich in der Demuth zu
üben. Gegen seine Mutter, Bianca von Castilien, eine alte
herrschsüchtige Frau, betrug er sich immer ehrerbietig, wenn sie
ihn auch noch so schwer kränkte. So sehr auch er und seine
Frau, Margaretha, sich liebten, so suchte die alte Mutter doch
immer die beiden Eheleute entfernt von einander zu halten, weil
sie besorgte, ihr Sohn möchte lieber den Rath seiner Frau, als
den ihrigen annehmen.
Wie liebenswürdig erscheint dagegen der fromme, sanfte
Sinn Jsabella's, der Schwester des frommen Ludwig! Oft
vergoß sie aus frommer Rührung heiße Thränen, besonders
wenn sie an Jesu Aufopferung für die Menschen und an die
schönen Worte dachte: „Kommt her zu mir Alle, die ihr müh-
selig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch
mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmüthig und
von Herzen demüthig." Man sah sie oft des Morgens schon
mit rothgeweinten Augen aufstehen, wenn sie ihr andächtiges
Gebet verrichtet hatte, und dann ging sie gleich an ihr tägliches
Geschäft, welches darin bestand, daß sie Arme speiste und kleidete,
und Kranke pflegte und tröstete. Ihr ganzes Einkommen ver-
wandte sie auf diese edeln Zwecke, und doch glaubte sie immer
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_der_Heilige Ludwig Bianca_von_Castilien Margaretha Ludwig
170 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Deutschland.
gelobtet wurden, ließ er, ehe er sie entließ, verstümmeln: ihnen
die Nasen abschneiden, oder die Beine abhauen, oder die Augen
ausquetschen. Später bekamen die Mailänder den Unhold in
ihre Hände. In seiner Wuth riß er den Verband seiner Wun-
den auf und verschied endlich, indem er sich aus dem Boden seines
Kerkers umherwälzte.
Nach der Schlacht bei Corte nuova schickten die Lombarden
Gesandte, baten um Frieden und versprachen Unterwerfung.
„Ihr sollt ihn haben," sprach Friedrich zweideutig, „wenn ihr
euch auf Gnade und Ungnade unterwerft." — „Nimmermehr!"
antworteten sie; „es ist besser, daß wir unter unsern Schilden
sterben, als am Galgen umkommen oder im Kerker verhungern."
Man redete dem Kaiser zu, die Besiegten nicht aufs Aeußerste
zu treiben, und das Beispiel seines Großvaters bedenkend, das
Wort der Gnade auszusprechen. „Ihr habt ein so schönes Reich,"
sprach einer seiner Räthe, „Ihr habt Alles, was einen Menschen
beglücken kann; um Gotteswillen, warum stürzt Ihr Euch in
diese neue Fehde?" — „Ihr habt Recht," antwortete Friedrich,
„aber der Ehre wegen kann und will ich nicht zurück." Diese
Härte war des Kaisers Unglück; nun traf ihn ein Schlag nach
dem andern. Zuvörderst erneuerte der alte Gregor den Bann und
gab ihm eine ganze Reihe von Verbrechen schuld, z. B. daß er
ein heimlicher Muhamedaner sei, weil er mit dem Sultan (el
Kamel), der wirklich ein sehr edler Mann war, in Freundschaft ge-
lebt Hütte. Zugleich suchte er ihm überall Feinde zu erwecken und
wandte sich in der Absicht auch an Ludwig den Heiligen, erhielt
aber von diesem folgende schöne Antwort: „Wir wissen nicht, mit
welchem Rechte du einen so großen Fürsten, der keinen Höhern
über sich und nicht einen Gleichen in der Christenheit neben sich
hat, unüberführt verdammen und entsetzen kannst. Hätte Frie-
drich dies verdient, so könnte es nur durch eine Kirchenversamm-
lung geschehen. Den Angaben seiner Feinde, unter denen du der
erste bist, kann man nicht trauen. Gegen uns ist der Kaiser im-
mer ein treuer Nachbar gewesen und wir haben nie gesehen, daß
er etwas gegen die Religion gethan hätte. Darum wollen wir
unser Blut nicht in einer ungerechten Sache verschwenden." Aber
das hinderte den Papst nicht, Alles aufzubieten, um den Kaiser
zu verderben, und zuletzt schrieb er eine große Kirchenversamm-
lung nach Rom aus. Doch Friedrich ließ die Geistlichen, die zur
See dahin wollten, weil ihnen der Landweg verlegt war, durch
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Gregor Ludwig Friedrich Friedrich
182 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Deutschland.
und was vermag auch mehr den Segen Gottes auf uns herab-
zurufen? Es war bei ihr Gesetz, Keinen, der sie um Hülfe bat,
unerhört wegzuschicken. Sie gab aber nicht nur Lebensmittel,
sondern suchte Jedem auch so viel Lebensfreuden und Bequem-
lichkeiten zu verschaffen, als in ihren Kräften stand. Sie half
nicht nur für den Augenblick, sondern suchte den Nothleidenden
gründlich für ihr ganzes Leben zu helfen. Nächstdem machte sie
es sich zum Geschäft, zur Ausbreitung der Religion mitzuwirken.
Nach den Begriffen jener Zeit glaubte man dies am besten durch
Erbauung von Kirchen und Klöstern zu erreichen. Daher stiftete
sie deren mehrere, die zum Theil erst 1809 bei der Einziehung
der Klöster eingegangen sind, deren Gebäude aber noch stehen.
Von äußerlicher Pracht war sie keine Freundin. Selbst schon
in der Jugend trug sie weder schimmernde oder modische Kleider,
noch Schmuck, und in ihren späteren Jahren zog sie nur abge-
tragene Kleider an, und zwar von schlechtem Zeuge, damit sie
sich in der Demuth übe und sich nicht an Bequemlichkeiten ge-
wöhne. Zuletzt ging sie gar barfuß, selbst im kältesten Winter,
und da geschah es nicht selten, daß ihre Füße bluteten und blu-
tige Spuren im Schnee zurückließen. Doch trug sie die Schuhe
unter dem Arme, zog sie aber nur daun an, wenn sie Leuten,
denen sie Rücksichten schuldig zu sein glaubte, begegnete. Als
ihr Beichtvater, der Abt zu Leubus, hörte, daß sie barfuß gehe,
entsetzte er sich und suchte ihr das auszureden; ja er überreichte
ihr sogar ein Paar neue Schuhe, und bat sie, dieselben zu tra-
gen. Das versprach sie auch. Als er aber nach Verlauf eines
Jahres erfuhr, daß sie immer noch barfuß gehe, warf er ihr un-
gehalten ihren Ungehorsam vor. „Lieber Herr," sprach sie sanft,
„erzürnet Euch doch nicht; ich habe sie ja recht oft getragen."
Sie meinte nämlich, unter dem Arme; denn sie waren noch ganz
neu. In dergleichen Bußübungen ließ sie sich überhaupt nichts
vorschreiben. So trug sie einen Gürtel von Pserdehaaren, den
ihr' einst ein Templer geschenkt hatte, um den bloßen Leib, und
den legte sie trotz allem Zureden eines von ihr sonst sehr geach-
teten Mönches nicht ab. Auch waren alle Bitten ihrer Kinder,
sich doch nicht so zu peinigen, vergebens. So lange ihr Gatte
noch lebte und mit ihr an einem Tische speiste, suchte sie ihre
strenge Lebensart vor ihm zu verbergen, um ihn nicht zu betrü-
den; sie zerschnitt das ihr vorgelegte Fleisch in kleine Stücke, aß
aber nichts davon, weil die Thoren das für einen höhern Grad
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Befreiung der Schweiz.
207
gebrauchten in der Noth?" — Da sprach der Vogt zu ihm:
„Tech getrautest du's dir wohl, uns zu helfen aus dem Sturme,
wenn ich der Bande dich entledigte?" — „Ja, Herr!" war die
Antwort; „mit Gottes Hülfe traue ich mir's, und helfe uns wohl
von dannen." Man band ihn los; er stellte sich ans Steuer-
ruder und leitete das Schiff zwischen den empörten Wogen. Zu-
gleich blickte er aber seitwärts nach seiner Armbrust hin und
merkte am östlichen Ufer genau herum, ob nicht ein Aufsprung
sich fände zum Entspringen. Da wendete sich das Schiff am
Apenberg um eine Felswand herum, von der ein Riff vorsprang
in den See. Hier flehte er den Beistand Gottes an, drückte mit
der ganzen Kraft der Angst das Hintertheil des Schiffes fest an
die Felswand an, faßte schnell die Armbrust und schwang sich
nun hoch springend aus die Platte hinauf. Das Schiff schleu-
derte er mit gewaltigem Fußstoße hinter sich in den See zurück,
wo es nun nmhertrieb. Indessen ging es dem Landvogte besser,
als er erwarten konnte. Der Sturm legte sich bald *) und das
Schiff trieb bis in die Gegend von Küßnacht, wo Geßler landete.
Von da gedachte er zu Lande nach Altors zurückzukehren. Aber
unterwegs ereilte ihn sein Schicksal. Als er durch den hohlen
Weg, der von Küßnacht führt, ritt, traf ihn Tells Pfeil ins Herz.
Leicht hätten die Verschworenen nun im ersten Schrecken den
Twinghos einnehmen können; aber es war ja der Neujahrstag
zur gemeinschaftlichen Unternehmung verabredet; darum blieben
sie still und warteten diesen erst ab. **)
In der Nacht zum 1. Januar 1308 ließ sich ein Jüngling
von Unterwalden, aus der Zahl Derer, die auf dem Grütli ge-
schworen hatten, von einer Magd, die er kannte, an einem Seile
in eine der Burgen hinausziehen. Er hals dann eben so zwanzig
Andere hinaus. Schnell nahmen sie nun den Amtmann, sein Ge-
sinde und seine Kriegsknechte gefangen. Eben so glücklich waren
die Verschworenen mit den andern Schlössern der Vögte. Ein
Haufen zog am frühen Morgen nach der Burg bei Sarnen, in
welcher Landenberg wohnte, und führte eine Menge Kälber, Schafe,
Ziegen und Hühner mit sich, als wenn sie ihn, wie es dort Ge-
*) Da, wo Tcll hinaussprang, steht jetzt die Tcllskapelle. Nur bis hierher
Pflegt der Föhn so arg zu wüthen; daher hatte der Landvogt nachher auch leich-
teres Fahren.
**) Die Geschichte von Landvogt Geßler und Dell ist von neuern Geschichts-
forschern in das Bereich der Mythe verwiesen worden.
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Extrahierte Personennamen: Geßler
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Unterwalden Burg Sarnen
Friedrich Iii Podiebrad.
279
nigen Fu Hülse nach der Stadt zu eilen, nahm sich gute Zeit und
rückte ganz langsam heran. Dennoch erschraken die Wiener und
schickten ihm Abgeordnete entgegen, sich zu entschuldigen. „Ich
danke den guten Wienern", sprach der schwache Friedrich, „sür
die Sorge, die sie für meine Familie getragen haben, und werde
sie ihnen nach Möglichkeit vergelten. Jetzt komme ich, um ihre
Wünsche zu vernehmen und Allen Genüge zu leisten." Aber nun
wollten ihn die Bürger nicht gleich hineinlassen, sondern sich erst
überzeugen, wie stark sein Kriegsheer sei; er mußte daher noch
eine Nacht vor dem Thore bleiben. Seine Frau, die mehr Muth
und Würde besaß, ärgerte sich indessen über sein schwaches Be-
tragen. „Nein!" rief sie, „da denken und handeln Portugals
Könige ganz anders. Nie schmeicheln sie den Uebermüthigen und
Widerspänstigen, sondern sind nur den Demüthigen und Ueber-
wundenen gnädig. Wüßte ich," — hier wandte sie sich an ihren
Sohn,— „daß du einst wie dein Vater gesinnt sein würdest, so
würde ich mich betrüben, dich zu einem Fürsten geboren zu ha-
den." Endlich ließen ihn die Bürger in die Stadt.
Da nun die kaiserlichen Söldlinge fortfuhren, im Lande um-
her zu plündern, so entstand wieder allgemeine Unzufriedenheit,
und man verlangte, er solle endlich einmal die Leute ablohnen.
Das wollte er auch, aber er legte dazu den Wienern eine neue
Steuer aus, weil es ihm selbst immer an Geld fehlte. Darüber
brach ein allgemeiner Ausstand aus. Die Bürger belagerten ihn
in seiner Burg. Jetzt zum ersten Male — vielleicht weil er sich
vor seiner Frau schämte — zeigte er Entschlossenheit. Mit 200 Ge-
treuen besetzte er die Posten um seilt Schloß herum, und sprach:
„Diesen Ort will ich behaupten, und sollte ich hier mein Grab
finden. Aber der alte Gott lebt noch, welcher der gerechten Sache
hilft, und Obrigkeiten gegen aufrührerische Unterthanen seinen
Arm leiht." Dennoch war seine Lage sehr mißlich. Die Bürger
fingen an, die Burg zu beschießen, und riefen den Erzherzog
Albrecht herbei, der sich freute, seinen Bruder noch mehr ängsti-
gen zu können. Zwar bat der Kaiser die Reichsfürsten um Hülse;
aber diese brauchten Zeit, um sich zu entschließen, und darüber
wäre Friedrich gewiß endlich den Aufrührern unterlegen, wenn
ihm nicht Hülse von einer Seite gekommen wäre, wo er sie am
wenigsten erwartet hätte. Der junge Ladislaus, König von
Böhmen, war nämlich bereits gestorben, und die Böhmen hatten
einen ihrer reichsten und mächtigsten Edelleute, den Georg von
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii_Podiebrad Friedrich Friedrich Friedrich Muth Albrecht Albrecht Friedrich Friedrich Ladislaus
Colombo's Rückkehr nach Spanien.
315
Guacanagari — so hieß der Kazik — versah sein Schiff mit
allen nöthigen Lebensmitteln in Ueberfluß. Colombo ließ 39
Mann in der hölzernen Festung, die er Navidad nannte, und
die da lag, wo jetzt Cap Franeois ist, zurück, empfahl ihnen ein
recht freundschaftliches Benehmen gegen die Indianer und ver-
bot ihnen sich in andere unbekannte Districte zu wagen. Da-
gegen versprach er. sie nicht zu vergessen und nicht eher zu ruhen,
bis er ihnen Verstärkungen und reiche Belohnungen mitbringen
könnte. Dann nahm er den herzlichsten Abschied, wobei auch Gua-
canagari viele Thränen vergoß, und segelte ab am 4. Jan. 1493.
Noch segelte er längs der Küste von Haiti hin, als er dem
Schiffe Pinzons begegnete. Verwirrt stotterte dieser eine Ent-
schuldigung seiner strafbaren Entfernung her. Er sei, sagte er,
vom Winde fortgetrieben worden, dessen Gewalt er nicht habe
widerstehen können. Colombo stellte sich, als wenn er es glaubte,
um nur Frieden zu haben, erfuhr aber bald, daß Pinzón auf
eigene Hand mit den Eingeborenen von Haiti Tauschhandel ge-
trieben und sich einen guten Vorrath von Gold dabei verdient
habe. Beide Schiffe setzten miteinander die Reise ohne Unfall,
obgleich beide Wasser zogen und daher beständig gepumpt wer-
den mußte, fort bis in die Nähe der Azoren. Hier brach aber
plötzlich ein fürchterliches Ungewitter los; thurmhoch schlugerl die
Wellen, warfen die leichten Schiffe umher und trieben eins hier-
hin, das andere dorthin, so daß jedes das andere für verloren
hielt. Da fielen alle nieder auf ihre Kniee und thaten die feier-
lichsten Gelübde, wenn Gott ihnen helfen wollte aus der Noth.
Vergebens! Der Sturmwind nahm von Stunde zu Stunde zu,
heulte fürchterlich durch die stockfinstere Nacht; es krachten alle
Balken des Schiffs, als wollten sie auseinanderbersten, und selbst
den Muthigsten entfiel das Herz! In tiefem Kummer saß Co-
lombo da; es schien ihm gewiß, daß Gott sein Leben hier zu
enden beschlossen habe. Wie schmerzte es ihn, daß seine herrliche
Entdeckung so mit ihm in den Wellen begraben werden sollte!
In diesen Stunden des Mißmuths schrieb der fromme Mann
folgende Worte in sein Tagebuch nieder: „Der ewige Gott gab
mir den Gedanken ein, half alle unendlichen Schwierigkeiten
überwinden, verlieh mir Muth und Stärke gegen alle meine Ge-
fährten, die gegen mich aufstanden und mich zur Umkehr zwin-
gen wollten. Endlich gewährte er mir, was ich suchte. Er wird
ja auch sein Werk nicht unvollendet lassen! Was zage ich also?
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T184: [Insel Amerika Portugiese Afrika Spanier Kolumbus Küste Entdeckung Jahr Indien], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
Extrahierte Personennamen: Cap_Franeois Jan Haiti_Tauschhandel Muth
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Ueberfluß Colombo Haiti Colombo
Wohnsitze. Sprache. Sitten. Gerichtswesen. 11
bis der Schuldige ihn entschädigt hatte. Das war bei jenen
rohen Völkern wohl erlaubt, während bei uns jede Rache ein
Zeichen eines unedeln und unchristlichen Gemüths ist
und nur jene edle Rache durch Wohlthaten erlaubt ist.
Auch bei kleineren Beleidigungen oder Verletzungen war Selbst-
hülse, wie bei den Tödtungen, Jedem vergönnt; um aber diese
Privatrache nicht für das allgemeine Beste schädlich werden zu
lassen, war für die meisten Verbrechen eine bestimmte Buße,
gleichsam eine Entschädigung ausgesetzt. Man nannte sie das
Wehrgeld, und es war die Selbsthülfe so lange gestattet, bis die
Genugthuung gegeben war. Rur waren die Büßungen nicht
gleich. Für den Mord eines Franken von vornehmer Geburt
mußte der Mörder 600 Goldstücke bezahlen; für den eines Edel-
manns aus der Provinz 300; für einen gemeinen Franken 200,
und für einen gemeinen Römer 50 — 100 Stücke. Auch die
Frauen hatten ihr Wehrgeld. z. B. bei den Alemannen 320 Gold-
stücke, bei den Franken bis 500, bei andern Stämmen wurde
es dem des Mannes gleichgeschützt.
Die Religion unserer Vorfahren war zwar ein Heidenthum,
doch machten sie sich von ihrer Gottheit keine Bilder, sondern
kamen in heiligen Hainen, am liebsten unter Eichen, zusammen,
um dort das über ihnen waltende Wesen zu verehren. Sie
nannten es Allvater. Die Namen der neben diesem obersten
Wesen vorkonlmenden Götter sind: Wuotan oder Wodan (Odhin),
der Gott der Weisheit oder auch des Sieges; Thonar oder Thor,
der Gott des Donners und Blitzes, und Tyr oder Thus, ein
Gott des Krieges. Als weibliche Gottheiten galten: Freia oder
Frauwa, ein Vorbild eines reinen, liebevollen Sinnes der Frauen,
und Hertha, wahrscheinlich —- die Erde. Auch Sonne und Mond
wurden von den Deutschen verehrt.*) Nächst diesen Gottheiten
herrschte auch der Glaube an niedere Geister oder Wesen, welche
die Natur belebten. Da bildete sich die Phantasie in dem ein-
samen, rauschenden Walde die Waldweiber; in der Lust die zar-
ten, leichten Elfen; im Strom und Wasser die Nixen, und in
der Tiefe der Berge die Kobolde und Zwerge. Diese Namen
sind noch lange nach der Annahme des Christenthums im Volke
*) Wir haben eine Erinnerung gn jene Götternamen noch in der Benen-
nung unserer Wochentage übrig. Sonntag, Montag, Mittwoch, Sonnabend sind
von selbst verständlich. Dinstag, der Tag des Thus oder Tyr; Donnerstag ist
Thonorstag und Freitag Frciatag. Mittwoch hieß früher Wodanstag.
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod]]