266 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Erfindungen.
fuhren, so waren sie in großer Sorge, wie sie sich zurechtfinden
sollten. Da wurde endlich ein kleines Werkzeug erfunden, wel-
ches der Verlegenheit mit einem Male ein Ende machte. Man
hatte nämlich bemerkt, daß der Magnetstein, wenn er frei schwebe,
sich mit der einen Seite immer gegen Norden richte, und im 12.
Jahrhunderte machte man die glückliche Entdeckung, daß eine mit
einem Magnete bestrichene eiserne oder stählerne Nadel dasselbe
thue, wenn man sie so setze, daß sie sich frei bewegen könne.
Dies benutzte ein erfinderischer Kopf — man glaubt gewöhnlich,
es sei Flavio Gioja, ein Bürger von Amalfi im Neapolita-
nischen gewesen*) — zur Verbesserung der Schifffahrt. Er machte
sich ein Kästchen, inwendig in der Mitte eine eiserne Spitze, und
aus diese setzte er eine mit Magnet bestrichene Nadel so, daß sie
sich nach allen Seiten frei hinbewegen konnte. Und siehe! die
Nadel zeigte richtig nach Norden. Nun hatte man doch Etwas,
was den Schiffern auch bei dem dunkelsten Himmel genau die
Himmelsgegend angab. Diese Erfindung, so unbedeutend sie
auch scheint, hatte einen außerordentlichen Einfluß aus die Aus-
dehnung der Schifffahrt, und machte den Schiffern erst möglich
ohne Gefahr, sich zu verirren, in die entferntesten Gegenden un
fers Erdballs zu fahren.
Die Erfindung, aus Schwefel, Kohlen und Salpeter ein
schwarzes Pulver zusammenzusetzen, welches- sich durch einen blo-
ßen Funken entzündet, sich in Dampf auflöst und einen Knall
verursacht, soll schon sehr alt sein. Die Chinesen und Araber
nämlich sollen schon vor alten Zeiten, ehe man bei uns daran
dachte, solches Pulver zu ihren Feuerwerken gebraucht haben.
Aber das hatte keinen Einfluß auf das Abendland. Hier erfand
ein Franciscanermönch in Freiburg in Baden, Berthold
Schwarz, wie man sagt, das Schießpulver, ohne etwas von
dem Pulver der Araber und Chinesen zu wissen. Er war ein
fleißiger Mann, der gern allerhand Zusammensetzungen machte,
Arznei bereitete u. dergl. Einmal war er auch, im Jahre 1354**),
*) Man weiß jetzt, daß schon vor ihm, der erst ums Jahr 1300 lebte, der
Compaß erfunden war; denn schon ums Jahr 1200 kannte man die Eigen-
schaften des Magnets und wandte ihn bei der Schifffahrt an.
**) So ist die gewöhnliche Angabe, Nach den neuesten Untersuchungen aber
ist das Pulver schon lauge vor Schwarz im Kriege gebraucht worden. Bei einer
Belagerung von Gibraltar 1308 wird es als etwas ganz Gewöhnliches erwähnt.
Also.scheinen auch die Araber es am ehesten beim Kriege angewandt zu baben.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
TM Hauptwörter (100): [T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
TM Hauptwörter (200): [T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter]]
331
\
Colombo's vierte Reise.
wurde ihnen, als sie am Abend die Helle Mondscheibe sich ver-
finstern sahen! Voll Angst und Schrecken brachten sie ihm nun
Lebensmittel in Menge und baten ihn nur, seinen Gott wieder
zu besänftigen. — Endlich — endlich! welche Freude! Mendez
und Fiesco erschienen wieder. Nach 10 Tagen der Angst und
Gefahr waren sie nach Haiti gekommen, und Ovando hatte sich
endlich bewegen lassen, ihnen ein Schiff mitzugeben. Acht Mo-
nate waren sie von Jamaica abwesend. Geschwind schifften sich
Alle nach Haiti ein. Daß es hier aber dem Colombo ganz un-
heimlich vorkam, kann man ihm nicht verdenken. Er kannte ja
Ovando's feindselige Gesinnung, und wie mußte es ihn kränken,
daß ein Anderer da herrschte, wo er mit Fug und Recht allein
zu gebieten hatte. Mit dem ersten Schiffe, welches nach Europa
absegelte, fuhr er nach Spanien zurück.
Diese seine vierte Reise war seine letzte. Sobald er ans
Land stieg, erhielt er gleich eine recht betrübende Nachricht. Die
Königin Jsabella war gestorben (1504). Sie war seine große
Gönnerin gewesen und hatte ihn noch am meisten gegen seine
Feinde geschützt. Mit ihr schwand auch seine letzte Hoffnung.
Bald zeigte sich auch, wie sehr ihm Jsabella's Fürsprache fehlte;
denn so oft er auch dem Könige Bittschreiben überreichte, in
denen er um Belohnungen und um Anstellung als Statthalter
bat, so erhielt er doch kaum eine Antwort. Es schien, als könnte
man sich bei Hofe kaum noch seiner erinnern, und Ferdinand,
der es überhaupt mit seinen Eiden nicht so genau nahm, brach
auch ihm die so oft ertheilten Versprechungen Dieser Undank
zernagte endlich den Lebensfaden des braven Colombo. Er
starb 1506, 59 Jahre alt. Sein Leichnam wurde nach Haiti
gebracht und in der Kirche St. Domingo beigesetzt. Jetzt steht
er in einer Kirche von Havannah aus Cuba.
Billig sollte Amerika von seinem Entdecker Colombo den
Namen führen und also Columbia heißen. Aber es hat den
Namen erhalten von einem florentinischen Edelmanne, Amerigo
Vespncci (sprich Wesputschi), der zwischen Colombo's zweiter
und dritter Reise von einem gewissen Alsonso de Ojeda, der den
Colombo auf seiner zweiten Reise begleitet hatte, mitgenommen
wurde. Vespncci war ein erfahrener Seemann, und wirklich
kamen sie auf ihrer Fahrt, die 17 Monate dauerte, noch weiter,
als Colombo gekommen war, und landeten auf dem festen Lande
von Südamerika. Denn der König von Spanien hatte Jedem
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand Ferdinand Amerigo
Vespncci Alsonso_de_Ojeda
Extrahierte Ortsnamen: Haiti Jamaica Haiti Colombo Europa Spanien Colombo Haiti Cuba Amerika Colombo Columbia Colombo Colombo Südamerika Spanien
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
■
— 237 —
Der von den Entlaufenen auf der Infel getriebene Unfug
ward zuletzt so groß, daß Bartholomaus Columbus ihnen an der
Spitze der treugebliebencn Mannschaft ein förmliches Treffen lie-
ferte und die, welche daraus ihr Leben retteten, zum Gehorsam
zurückbrachte. Endlich erschien ein Schiff, das die kühnen Gefähr-
ten Mendcz und Ficschi erst nach langen Bemühungen von dem
harten Ovando hatten erhallen können, um die Verlassenen abzu-
holcn. Am 13. August 1504 kam Eolumbus, abgezehrt von
Krankheit und Gram, auf Hifpaniola an. Hier wurde er schein-
bar mit Ehrenbezeigungen empfangen, in der That aber auf viel-
fache Weise gekrankt. Nach vielen Bitten erlaubte ihm Ovando,
nach Spanien abzufegcln (12. Sept. 1504); aber so schlecht waren
die Schiffe, welche er ihm übergab, daß er das Ziel seiner Reise
nur mit Mühe erreichte. Zum Unglücke für ihn hatte ihm eben
der Tod seine einzige Stütze, die Königin Isabelle, entrissen
(26. Nov. 1504). Castilien war voll Verwirrung und Unruhe,
und Ferdinand hörte nicht auf seine Bitten und Klagen; er erschien
als ein Ueberlästiger. Der Gram über so viele Kränkungen nagte
an seinem Leben und beschleunigte seinen Tod. Er starb zu
Valladolid, den 20. Mai 1506, im 50sten Jahre seines Alters,
und ward zu St. Domingo auf Hifpaniola begraben, mit den
Ketten, die er einst getragen hatte.
Himmel wohne. Die Gottheit wäre ans Zorn über ihre Weigerung,
die ausgewahlten Gegenstände ihrer Gnade zu unterhalten, im Begriffe,
dieses ihr Verbrechen mit exemplarischer Strenge zu bestrafen; und
zum Zeichen des göttlichen Zorns, sowie der fürchterlichen Rache, die
über ihnen schwebe, werde noch in eben dieser Nacht der Mond ver-
finstert werden und eine blutige Farbe annchmcn. Einige der Indianer
hörten solche Prophezcihung mit sorgloser Gleichgültigkeit, andere mit
leichtgläubigem Erstaunen an; als aber der Mond allmalig sein Licht
zu verlieren und sich endlich in der That in blutrother Farbe zu zeigen
ansing, da geriet!) Lilles in Furcht und Schrecken. Die Wilden liefen
voll Bestürzung nach ihren Häusern, kamen, mit Lebensmitteln bela-
den, zu Columbus, warfen sich ihnr zu Füßen und beschworen ihn,
den großen Geist zu bitten, daß er das ihnen drohende Verderben abwen-
den möge. Columbus, sich stellend, als würde er durch ihr Flehen
gerührt, versprach ihren Wunsch zu erfüllen. Die Verfinsterung hörte
auf, der Mond bekam seinen Glanz wieder, und nunmehr ward Colum-
bus nicht nur übersiüssig mit Lebensmitteln versehen, sondern man
begegnete ihm auch mit höchst abergläubischer Verehrung.
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Extrahierte Personennamen: Bartholomaus_Columbus August Isabelle Ferdinand Ferdinand Domingo Columbus Columbus
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
so
Kunz von Kaufungcn aber in seinem Gewahrsam zu Zwickau
befinde.
Am folgenden Morgen sendete der Abt den Prinzen mit
starker Bedeckung ebenfalls nach Zwickau. Von da begleiteten
ihn sein Befreier und mehrere andere Köhler. Schmidt ging dem
Zuge voran, den Schürbaum, mit dem er so wacker gekämpft,
auf der Schulter; neben ihm sein treuer Hund, der durch sein
Bellen ihn zuerst auf die Räuber aufmerksam gemacht hatte.
Von den benachbarten Dörfern waren Schaaren von Menschen
herbcigezogen und hatten sich an die Landstraße gelagert. Mit
lautem Gruße des allgemeinen Entzückens wurde Albert, mit Se-
genswünschen für seine That der alte Köhler empfangen. Und
so ging ihr Triumphzug von den Höhen hinab in die Ebene, der
Fürstenstadt zu. —
Mosen und Schönfels waren, nachdem sie sich von Kau-
fungen getrennt, mit dem ältesten Prinzen, Ernst, und ihren
übrigen Begleitern, gleich rasch, wie jener, auf dem gebahnten
Wege hinüber auf Waldenburg zugecilt. Eben ging die Sonne
auf, als sie bei der Stadt über die Muldenbrücke sprengten, und
nun wendeten sic sich nach dem nahegclegcnen Callenberg, einem
dem Bruder Kaufungens zugehörigen Gut, wo sie die Pferde
wechselten und, wie sehr auch Mosen dagegen war, überdies so
lange verweilten, um einen Inbiß zu sich zu nehmen. Eine
Stunde wohl mochte darüber verstrichen seyn, da schallte von der
Stadt und den Dörfern das furchtbare Sturmgeläute. Nun
stürzten Alle zu den Pferden. Mosen und Schönfels, die Be-
sonnensten, nahmen schnell den sich sträubenden Prinzen in die
Mitte und jagten, auf die Gaule schlagend, was sie vermochten.
Kaum jedoch waren sie den Andern, welche glaubten, sich etwas
mehr Zeit nehmen zu dürfen, aus den Augen, so erblickten diese
hinter sich eine Staubwolke, und nicht lange, so stürzte auch schon
ein Haufe bewaffneter Reiter auf sie los. Man hatte in Wal-
denburg früh den flüchtigen Trupp bemerkt und war nun, da
kurze Zeit darauf die Eilboten von Altenburg mit der Nachricht
des Prinzenraubes eintrafen, im Klaren, wer die Vorübergcrittencn
gewesen waren. Und alsbald brach männiglich auf, was wehrbar
war, und verfolgte die Straße, welche jene cingeschlagcn hatten.
Wer von den Fliehenden sich auf die Schnelligkeit seines Pferdes
verlassen konnte, der allenfalls durfte auf Rettung rechnen; aber
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Extrahierte Personennamen: Kunz_von_Kaufungcn Albert Ernst
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
223
sche Edelleute, im Seewesen wohl erfahren, befehligten die beiden
andern Schiffe: Martin Pinzon die Pinta und Vincenz
Pinzon die Nigna. Während der ersten Wochen hatte Alles
guten Muth; denn noch segelte man in den bekannten Gewässern
den canarischen Inseln zu. Nur als ein Steuerruder brach, plagte
sich die Furchtsamkeit mit bösen Ahnungen. Die Inseln wurden
indessen glücklich erreicht, und schon hier war cs nöthig anzuhalten,
um die schlecht gebauten Fahrzeuge auszubessern.
Am 6. September fuhr Columbus wieder ab und gerade
in's Weltmeer hinein gegen Westen. Der regelmäßigste Wind
begünstigte die Fahrt; schon am folgenden Tage war alles Land
aus den Augen verschwunden. Entsetzlicher Zustand für Menschen,
die, zum erstenmal abgeschnitten von der ganzen lebendigen Welt,
sich auf einem Gezimmer von Balken und Brettern den wilden
Wogen preisgegcben sahen (indem man bis dahin gewohnt gewe-
sen , aus den Seereisen stets die Küsten im Auge zu behalten),
keine Aussicht rings umher, als auf ein ungeheures Meer und
den weiten Himmel; immer weiter fortgetriebcn, ohne zu wissen,
wohin, und angeführt von einem Verwegenen, der keine andere
Kunde von dem gehofften Ziele hatte, als die seine Phantasien
ihm vorspiegcltcn — wahrlich! es war den Beherztesten nicht zu
verdenken, daß ihnen bange ward, und sie den Rasenden verwünsch-
ten, der neunzig Menschen in sein eigenes Verderben zu ziehen
risikirte.
Columbus indessen stößte der Besatzung durch seine eigene
Ruhe Bewunderung und Vertrauen ein. Uncrmüdct stand er
Tag und Nacht mit Senkblei und Beobachtungs-Instrumenten
auf dem Verdecke, schlief nur wenige Stunden und zeichnete jede,
selbst die kleinste Beobachtung aus. Da, wo er Angst und Trau-
rigkeit bemerkte, redete er freundlich zu, suchte dabei die Murren-
den durch Erheiterungen zu beschwichtigen und ermunterte sie
durch Aussichten auf große, am Ziele ihrer Reise sich findende
Reichthümer. Aber die Angst der zagenden Seelen wuchs doch
immer wieder. Als die Schiffe in den Strich des Passatwindes
kamen, schossen sie wie Pfeile dahin. Gott im Himmel, was
sollte daraus werden! Am 1. October hatten sie schon 770 See-
meilen durchflogen. Columbus gab zwar den Fragenden weit
weniger an, aber das konnte sie nicht trösten.
Hin und wieder stellte sich Anlaß zur Hoffnung ein. Man
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
— 302 —
im Leibe hat." — „Ich habe so viel, wie Sie — crwicderte
der Prinz — und habe nichts weiter thun wollen, als was Sie _
nach Ihren eigenen öfteren Aeußerungen an meiner Stelle gethan
haben würden."") Ueber diese Antwort gerieth der König so in
Wuth, das er den Degen zog und seinen Sohn durchbohren
wollte. Der General Mosel warf sich dazwischen, deckle den
Prinzen mit seinem Körper und rief: „Sire, tobten Sic mich,
aber schonen Sie Ihres Sohnes!" Als die übrigen Generale
den Vorgang erfuhren, baten Sie den König, den Prinzen nicht
wieder zu sehen; was er denn auch, bei kaltem Blute, selbst
für rathsam fand. Er blieb nur einige Tage in Wesel und
fetzte dann seinen Weg nach Berlin fort. Der Prinz sollte ihm
nach vier Tagen folgen. Noch in Wesel machte dieser einen
Versuch, zu entkommen. Man hatte ihm schon Stricke, um
aus dem Fenster zu steigen, und Bauernkleider verschafft, aber
der Plan ward wieder vereitelt. Friedrich wurde nun durch ein
Commando unter dem Oberstlieutenant von Borck nach Mitten-
walde, drei Meilen von Berlin, abgeführt.
Katte hatte unterdessen seine Abreise bis zu der Zeit ver-
schoben, wo er vermutbete, daß der König zu Wesel wäre, und
ward zu seinem Unglücke noch einen Tag langer aufgchaltcn,
weil er sich einen ganz besonderen Sattel machen ließ, in welchen
man Geld und Kleidung verwabren konnte. Denselben Tag
brachte ein Courricr die Nachricht, daß Friedrich arretirt scy,
was man sich aber nur im engsten Vertrauen sagte. Gegen Abend
begegnete Katte dem Major Asseburg, der um dies Staatsgeheimniß
wußte; weil er sich aber nicht getraute, cs zu sagen, so fragte er
Katte mit erschrockener Miene: „Sind Sie noch hier? Das wun-
dert mich." Katte antwortete, ohne die Ursache jener Frage zu
vermuthen: „Ich reise noch diese Nacht." In derselben Nacht
kam der Veft)afrsbefehl. Sein Oberst, um ihm Zeit zu lassen,
zu entftiehen, zögerte drei Stunden mit dem schmerzlichen Auf-
träge und sendete dann noch erst einen Adjutanten an ihn, mit
dem Befehle, zu ihm zu kommen. Noch jetzt wäre es ihm mög- *)
*) Der König hatte, wie die Prinzessin Wilhclmine erzählt, wiederholt
zu ihm gesagt: „Hatte mein Vater mir begegnet, wie ich dir, so
wär' ich hundertmal davon- gelaufen, aber du hast keinen Math, du
bist ein bloßer Schurke. "
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Borck Friedrich Friedrich Major_Asseburg
Extrahierte Ortsnamen: Wesel Berlin Wesel Berlin Wesel
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
526
setzen sei. Nach langem Erwägen entschloß man sich, den fran-
zösischen Boden zum Kriegsschauplätze zu wählen und das Herz
des Feindes in dessen Hauptstadt zu treffen. 2" dieser Absicht
sollte das Hauptheer durch die Schweiz in Frankreich eindringen,
das schlesische bei Mainz über den Rhein gehen und die Nord-
armcc über Holland in Belgien vorrücken.
Der Nheinübergang des Hauptheeres erfolgte bei Basel,
Laulenburg und Schaffhausen in der Nacht vom 20. zum
2>. December. Blücher bewerkstelligte den ftinigcn in der Nacht
zum 31. mit dem Schlage der Mitternacht, die das alte Jahr
schloß, auf drei Punkten, Mannheim, Kaub und Koblenz.
Napoleon hatte geglaubt, daß, wenn die Verbündeten den Ueber-
gcmg wagten, die achtundachtzig Festungen, welche die Nord-
grenze seines Reichs bedeckten, sie vor der Hand genugsam beschäf-
tigen würden; allein seine Feinde hatten ihm den großen Krieg
abgclcrnt, sie vernachlässigten die Festungen und marschirtcn gegen
die Hauptstadt. Die Linie der Vogesen war, wie die des Rheins,
ohne Schwertschlag entwaffnet. In dem Augenblicke, wo Napo-
leon Paris verließ, waren die beiden Heere Schwarzenbergs und
Blüchers schon auf dem Punkte, sich in der Champagne mit
einander zu vereinigen. Die Nordarmee drang über Belgien vor,
die Oesterreicher rückten üus Italien heran, und die Engländer
zeigten sich an den Pyrenäen. Ohne Unterstützung von dem
Volke, das ruhig den Gang der Ereignisse abwartete, stand er
auf diese Weise mit einer geringen Anzahl alter Krieger einer
ganzen Welt gegenüber. Auf die eigene Kraft beschränkt, ent-
wickelte er im Unglücke wiederum die ausgezeichneten Feldherrn-
talente, die ihn in etwas mehr als einem Jahrzchent auf den
höchsten Gipfel menschlicher Größe erhoben hatten, und die ihn in
den Jahrbüchern der Geschichte unsterblich machen werden. Seine
Ankunft bei Chalons belebte das Vertrauen seiner Armee auf's
Neue. Er befahl alsbald den Corps, welche sich um diese Stadt
concentrirt hatten, die Offensive zu ergreifen, und nachdem er
am 27. Januar eine Vorhut der Verbündeten geworfen, erschien
er am 29. plötzlich vor Brienne, wo Blücher mit seinem
Heere stand. Es war schon Dämmerung; dennoch begann der
Kampf, der biö Mitternacht dauerte, den Franzosen aber den
Sieg verlieh und Blücher aus der im Feuer stehenden Stadt ver-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Mainz Rhein Holland Belgien Basel Laulenburg Schaffhausen Mannheim Kaub Koblenz Rheins Paris Schwarzenbergs Italien
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
489
V
seine Stellung für die Schlacht des folgenden Tages. Als am
Morgen die Sonne aufging und einen Hellen Glanz auf das
Schlachtfeld warf, riefnapolcon freudig aus: „Seht die Sonne
von Austerlitz!" Dieser Ausruf, von Mund zu Mund wiederholt,
durchlief schnell alle Reihen und erfüllte sie mit einem Zutrauen,
das durch eine entsprechende Anrede des Kaisers an die Soldaten
noch gesteigert ward. Diese Schlacht, die ein Augenzeuge die
blutigste seit Erfindung des Schießpulvers nennt, war gleichwohl
nicht entscheidend. Mehr denn 130,000 Kanonenschüsse fielen,
und 100,000 Russen, Franzosen und Aliirte bedeckten düs Schlacht-
feld; die Zahl der in beiden Armeen theilö getödtcten, thcils ver-
wundeten Generale wird auf mehr als vierzig angegeben. Beide
Theile behaupteten, in der furchtbaren Schlacht gesiegt zu haben.
In der Nacht aber räumte Kutusow das Schlachtfeld und zog
sich zurück. — Sieben Tage nach der Schlacht an der Moskwa
kam das französische Heer vor der alten Czarenstadt an, ohne
daß die Russen ihnen die Einnahme derselben durch eine neue
Schlacht streitig gemacht hätten. Kutusow hatte mehrere Tage
vorher die Gegend von Moskau erreicht und sich südlich nach
Kaluga gezogen, wodurch er eine Stellung in der Flanke der
Franzosen gewann. Zugleich aber ward mit dem Grafen
Roftopfchin, dem Gouverneur Moskaus, die Räumung dieser
Stadt verabredet. Die Feinde sollten an dem Orte, der ihnen
bei den beispiellosen Anstrengungen dieses Marsches als eine end-
liche Erholungsstätte war verheißen worden, nichts als eine von
Menschen und Vorrathen entblößte Häusermasse finden.
Der Brand von Moskau.
Das große und prächtige Moskau, die alte Hauptstadt
Moskowiens, die heilige Stadt des russischen Reichs, fast in
der Mitte desselben, hatte mit seinen schönen zahlreichen Kirchen
— s^gte er zu ihnen — wenn mein Sohn fünfzehn Jahre alt wäre,
so seyn Sie überzeugt, daß er hier in der Mitte so vieler Tapferen
nicht blos im Gemälde seyn würde." Er ließ das Portrait auf einen
Stuhl vor sein Zelt stellen, und so blieb es den ganzen Lag.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
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Extrahierte Personennamen: Kutusow
Extrahierte Ortsnamen: Moskwa Moskau Kaluga Moskaus Moskau Moskau
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586
vernichtet mich; das Leben ist es, was mich tödtet." Dann
schaute ec zu dem blauen und wolkenlosen Himmel empor und
sprach: „Vor sechs Jahren, an dem nämlichen Tage (er war,
von der Insel Elba zurückgekehrt, zu Auxerre) umlagerten Wol-
ken den Himmel; ach, ich würde gesund werden, wenn ich diese
Wolken sähe!" Dann fügte er, die Hand des Doctors auf sei-
nen Magen legend, hinzu: „Ein Fleischermesser haben sie mir
hierher gesetzt und haben die Klinge in der Wunde abgebrochen."
Den 2. April meldete ihm ein Bedienter, man habe in der ver-
flossenen Nacht einen Kometen an der östlichen Himmelsgegend
erblickt. „Einen Kometen — rief er aus — ein solcher war der
Vorbote von Eäsars Tod." Am 11. litt der Kranke sehr; An-
tomarchi suchte ihm die äußern Theile, die von einer eisigen Kälte
ergriffen waren, durch Umschläge zu erwärmen. „Laßt mich —
rief der Leidende aus — nicht hier, sondern im Magen, in der
Leber sitzt das Uebel; ihr habt keine Hülfsmittel, keine Medica-
mente, um das Feuer zu löschen, welches mich verzehrt." Der
Doctor Arnold, Arzt eines Regiments der Besatzung, welcher
anwesend war, suchte ihn zu überreden, daß die Leber unversehrt
scy. „Es muß wohl so seyn — crwiederte er mit Bitterkeit —
weil euer Hudson es decretirt hat." — Auf die Krämpfe, die
sich häufiger einstellten, weil selbst die warmen Bäder, zu welchen
er seine Zuflucht zu nehmen pflegte, ihre Kraft verloren hatten,
sagte er eines Tages: „Die Ungeheuer! wie viel lassen sie mich
leiden! Hätten sie mich erschießen lassen, so wäre ich wenigstens
als Soldat gestorben!"
Den 15. April war sein Zimmer Jedermann verschlossen,
den Grafen Montholon und Marchand, seinen ersten Kammer-
diener, ausgenommen. Napoleon machte sein Testament. Im
Eingänge desselben versichert er, in der apostolisch-römischen Re-
ligion, in deren Schooße er vor mehr als fünfzig Jahren geboren
worden, zu sterben. Seinem Wunsche zufolge sollte seine Asche
an den Ufern der Seine ruhen, inmitten des französischen Volks,
das ec so sehr geliebt habe. Seine Gemahlin, für die er bis
zum letzten Augenblicke seines Lebens die zärtlichsten Gefühle
bewahrte, bat er, seinen Sohn gegen die Schlingen zu schützen,
welche seine Jugend umgäben. Diesen ermahnte er, nie zu ver-
gessen, daß er als französischer Prinz geboren worden, sich nie zum
Werkzeuge der Triumvirn, welche Europa'ö Völker unter-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
TM Hauptwörter (200): [T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Selbst eine Frau, die Gattin eines Artilleristen, hielt, die Ladun-
gen herbeitragend, im ärgsten Feuer aus, sich mit dem Nocke
ihres Mannes bekleidend, als dieser den Tod fürs Vaterland ge-
sunden hatte*). Endlich machte der Abend dein furchbar mörderi-
schen und glühend heißen Tage ein Ende, und beide Parteien be-
gnügten sich, ihre gegenseitigen Stellungen beizubehalten. Kein
Theil konnte sich eigentlich des Sieges rühmen. Die Russen hat-
ten die Brücke behauptet, aber auch kaum über dieselbe nur einige
Schritte vordringen können. Mehrere ihrer Regimenter, welche
zuerst darüber drangen, wurden fast ganzlich vernichtet. Bei der
Nacht zogen die Russen felbst alle ihre Streitkräfte auf das linke
Ufer der Narew zurück, indem sie nur am Uebergange der Brücke
einige Vorposten zurückließen. Das Schlachtfeld war von der
einen, wie von der andern Seite mit Todten besäet.
Skrzynecki führte sein Heer nach Praga zurück, ohne von
Diebitsch verfolgt zu werden. Dieser mußte ein starkes Korps
nach Litthauen entsenden, um einen polnischen Heerhaufen, der
zur Unterstützung eines daselbst ausgebrochenen Aufstandes dort-
hin gezogen war, abzuschneiden. Nachdem er mehrere Tage auf
dem rauchenden Schutthaufen Ostrolenka's stehen geblieben war,
rückte er langsam bis Pultufk vor, wo er zugleich den kaiserli-
chen Bescheid auf seine Bitte um Zurückberufung erwartete. Seine
Stellung als Deutscher an der Spitze des russischen Hauptheeres
war nach den Unfällen gegen die vorher gering geachteten Polen
unerfreulich geworden. Der General Graf Orlow, Adjutant
des Kaisers, kam, von diesem gesendet, in dem Hauptquartier an
und hielt am 9. Juni Musterung über das Heer. Noch in der-
selben Nacht erkrankte der Feldmarschall und starb am folgenden
Tage. Ein ärztlicher Bericht aus dem Hauptquartier Pultusk
giebt an, daß die Witterung seit der letzten Schlacht fortwahrend
regnerigt und voller Dünste gewesen sei. Abends hatte er sich erhitzt,
im Thau viel bewegt und in der Nacht empfand er die heftigsten
Cholerazufalle, welche gegen Mittag am folgenden Tage unter
*) In Atthauen stand eine Gräfin Plater an der Spitze der Jnsurrek-
tion und genoß die größte Achtung. Am 2t. Mai zog ein neues Kra-
kusenregiment durch Radom und in seiner Mitte eine edle Dame V a-
lcria Dembicka. Auch eine Gräfin Ronnicker fand sich hier und
ward in den russischen Berichten als sehr barbarisch geschildert.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T49: [König Königin Herzog Peter Hof Elisabeth Minister Tod Graf Regierung], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]