Ii. Deutsche Geschichte.
L Deutschland vor 3000 Jahren.
a. Land und Volk. Deutschland (Germanien) war vor 2000 Iahren mit Waldungen und Smpfen bedeckt; daher war es feuchter, klter und unfruchtbarer, als es jetzt ist. Man fand keinen einzigen Obstbaum; unter den wildwachsenden Krutern nennen die Rmer wilden Spargel und groe Rettiche; von Getreidearten baueteu die Deutschen nur Hafer und Gerste; aus jenem bereiteten sie ein Mus zum Essen, aus der Gerste Bier, Gerstenwein. Der einzige und liebste Reichtum der Deutschen waren zahlreiche Herden von Pferden und Ochsen. Pferde dienten nicht blo zum Fahren und Rettert im Kriege und auf Reisen, sondern auch zur Nahrung, und aus dem Wiehern einiger heiliger Pferde sagte man die Zukunft vorher. Auch fanden sich in Deutschland wilde Pferde, Elentiere und Auerochsen; die Hrner der letzteren gebrauchte man zu Trinkgeschirren. Die Jagden und die anwachsende Menschenzahl haben die Menge der wilden Tiere jetzt sehr vermindert. Auch war die Zahl der Vgel sonst weit grer. Salzquellen schtzten die alten Deutschen sehr hoch; doch war ihr Salz nicht wei, sondern schwarz.
Die alten Deutschen werden von den Rmern gerhmt wegen ihrer Gre, ihrer blauen Augen und ihres rtlichen Haares, und sie waren gefrchtet wegen ihrer lebhaften Neigung zum Kriege. Waffen trugen sie im Hause, auf den Feldern, bei Gastmhlern, vor Gericht; mit Waffen legten sie sich schlafen; Waffen legte man den Toten ins Grab. Auch die Frauen waren kriegerisch. Daher wurden die alten deutschen Namen hufig von starken und raubenden Tieren herge-nommen, z. B. Br, Leo, Fuchs, Wolf. Ie strker und kriegerischer aber ein Deutscher war, desto weniger arbeitete er: Bestellung des Ackers und Besorgung des Hauswesens wurde den Frauen und Greisen berlassen. Der freie kraftvolle Mann ging auf die Jagd, zum Gast-mahl, spielte und verspielte wohl sich selbst und trank Tage und Nchte
Bredow v. d. Laan, Ausg. A. 3
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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TM Hauptwörter (200): [T185: [Jagd Viehzucht Bewohner Ackerbau Jäger Fischfang Wald Fischerei Krieg Land], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T56: [Römer Rhein Varus deutsche Armin Jahr Hermann Land Deutschland Tiberius]]
Extrahierte Personennamen: Leo Leo Wolf Bredow
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Germanien Deutschland
93
Thoms antwortete drauf und stellte die häckerlinglad' hin:
160„Splitter, Marie, und Karpfen verschaff' ich dir früher, denn not ist-
wenn an dem heutigen Tage sich kitzelig zeiget der Fischer,
treib' ich den Kitzel ihm aus, und bald ist der Halter geöffnet!"
Klso der rüstige Knecht,- da rannte sie durch das Gestöber,
stieg auf den Taubenschlag und pustete, rieb sich die Hände,
165 steckte sie unter die Schürz' und schlug sich über die Schultern.
Rls sie mit schärferem Blick in des Schnees umnebelnden Wirbeln
spähete, siehe, da kam's mit verdecktem Gestühl wie ein Schlitten,
welcher vom Berg in das Dorf herklingelte. Schnell von der Leiter
stieg sie herab und brachte der emsigen Mutter die Botschaft,
l'o welche der Milch abschöpfte den Kahm zu festlichem Kaffee:
„Mutter, es kommt wie ein Schlitten; ich weiß nicht sicher, doch glaub' ich!"
Klso Marie. Da verlor die erschrockene Mutter den Löffel.
Und ihr bebten die Knie, und sie lief mit klopfendem Herzen,
atemlos,- ihr entftog im hastigen Lauf der Pantoffel.
175 Jene lief zu der Pfort' und öffnete. Näher und näher
kam das Gekling' und das Klatschen der peitsch' und der Pferde Getrampel.
Nun, nun lenkten herein die mutigen Koss' in den Hofraum,
blankgeschirrt, und der Schlitten mit halb schon offnem verdeckstuhl
hielt an der Tür, und es schnoben, beschneit und dampfend, die Kenner.
180 Mütterchen rief: „willkommen daher! Willkommen, ihr Kindlein!
Lebt ihr auch noch?" und reichte die händ' in den schönen verdeckstuhl.
„Lebt in dem grimmigen Gst mein Töchterchen?" Dann für sich selber
nur zu sorgen ermahnt: „Laßt, Kinderchen!" sprach sie,- „dem Sturmwind
wehret das Haus! Sch bin ja vom eisernen Kerne der Vorwelt!
185 Stets war unser Geschlecht steinalt und Verächter des Wetters,-
aber die jüngere Welt ist zart und scheuet die Zugluft."
Sprach's, und den Sohn, der dem Schlitten entsprang, umarmte sie eilig,
hüllte das Töchterchen dann aus bärenzottigem Fußsack
und liebkosete viel mit Kuß und bedauerndem Streicheln,
190 zog dann beid', in der Linken den Sohn, in der Kechten die Tochter,
rasch in das Haus, dem Gesinde des Fahrzeugs Sorge vertrauend.
„Kber wo bleibt mein Vater? Tr ist doch gesund am Geburtstag?"
ftagte der Sohn. Schnell tuschte mit winkendem Haupte die Mutter:
„Still! Das Väterchen hält noch Mittagsschlummer im Lehnstuhl.
195 Laß mit kindlichem Kuß dein junges Gemahl ihn erwecken!
Dann wird wahr, daß Gott im Schlafe die Zeinigen segnet!"
Sprach's und führte sie leis in der Schule gesäubertes Zimmer,
voll von Tisch und Gestühl, Schreibzeug und bezifferten Tafeln,
wo sie an pftöck' aufhängte die nordische winteroermummung,
2o0 Mäntel, mit Flocken geweißt, und der Tochter bewunderten Leibpelz,
auch den Flor, der die Wangen geschirmt, und das seidene Halstuch.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh]]
Extrahierte Personennamen: Marie Fischer Klso_Marie
101
Munter fördert seine Schritte
275 fern im wilden Forst der Wandrer
nach der lieben Heimathütte.
Blökend ziehen heim die Schafe,
und der Binder
breitgestirnte, glatte Scharen
280 kommen brüllend,
die gewohnten Ställe füllend.
Schwer herein
schwankt der wagen,
kornbeladen,'
285 bunt von Farben,
auf den Garben
liegt der Kranz,
und das junge Volk der Schnitter
stiegt zum Tanz.
290 Markt und Straße werden stiller,
um des Lichts gesellige Flamme
sammeln sich die Hausbewohner,
und das Stadttor schließt sich knarrend.
Schwarz bedecket
295 sich die Erde,'
doch den sichern Burger schrecket
nicht die Nacht,
die den Bösen gräßlich wecket'
denn das Buge des Gesetzes wacht.
300 heil'ge Ordnung, segensreiche
Himmelstochter, die das Gleiche
stei und leicht und freudig bindet,
die der Städte Bau gegründet,
die herein von den Gefilden
305 rief den ungeselligen wilden,
eintrat in der Menschen Hütten,
sie gewöhnt zu sanften Sitten
und das teuerste der Bande
wob, den Trieb zum vaterlande!
310 Tausend steiß'ge Hände regen,
helfen sich in munterm Bund,
und in feurigem Bewegen
werden alle Kräfte kund.
Meister rührt sich und Geselle
315 in der Freiheit heiligem Schutz.
Jeder freut sich seiner Stelle,
bietet dem Verächter Trutz.
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TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T185: [Jagd Viehzucht Bewohner Ackerbau Jäger Fischfang Wald Fischerei Krieg Land], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter]]
56
urdeutsches, kräftiges Handwerk, das Schmiedehandwerk. war's nicht in
einem Zweige meiner Familie Erbsitte, daß der Alteste Schmied wurde?
Ich wäre wohl auch an die Reihe gekommen, aber — nun, grüß' dich
Gott, waldschmied!
Der Meister tat noch ein halb Dutzend Schläge, steckte dann das
Eisen in die Esse und setzte den Blasebalg in Bewegung. Dann drehte
er sich nach mir um. „woher des Wegs?" fragte er und besah mich
gelassen.
Ich gab ihm Bescheid.
„hm, da habt Ihr einen redlichen Marsch hinter Euch," meinte
er. „Aber schön ist's dort oben. Und wo soll's noch hingehen heute
abend, wenn man fragen darf?"
„Ins Nachtquartier, denk' ich. Ist kein Dorf in der Nähe?"
„Freilich, da hinter der Schmiede. Aber übernachten könnt Ihr
in den paar Häusern nicht. Eine Bierschenke haben wir ja, aber ein
Bett findet Ihr da schwerlich. Ins Städtchen ist's eine halbe Stunde."
Und ruhig, als ob er allein in seiner Werkstatt wäre, nahm er sein
Eisen aus der Esse und setzte sein hämmern fort.
„Zagt mir, Meister," fuhr ich nach einer besinnlichen weile fort,
„wie kommt's, daß Eure Schmiede abseits vom Dorfe steht? Gab's
keinen Platz drinnen?"
„Meine Frau kann den Lärm nicht vertragen," war die Antwort.
„Gho!" rief ich, „ich dachte bisher, nur die Städter wären
nervenkrank! Fängt das jetzt auch bei Euch an?"
„Sie ist seit fünfzehn Jahren siech," sagte der Mann am Amboß.
„Ach so," machte ich und schwieg. Eine Pause entstand. Ein Nachtfalter
surrte. Der Schmied hämmerte, und ich besah mir diesen ernsten Mann
mit einer plötzlichen Ehrfurcht.
„habt Ihr Kinder?" forschte ich weiter.
„Ein Mädchen."
„Erwachsen, so daß es seine Mutter pflegen kann?"
„Das Annchen ist just so viele Jahre alt, als seine Mutter krank
liegt. Bei seiner Geburt fing's mit ihr an. — was das Pflegen
anbelangt," fuhr er fort und warf das fertige Eisen in den aufzischenden
wassertrog, „so ist das so 'ne Sache. Vas Mädel ist von seiner Geburt
an lahm. Es geht an Krücken."
„Alle weiter!" entfuhr mir, „da seid Ihr schön dran!"
„hat mir schon mancher gesagt," bemerkte er ruhig, scharrte die
Asche über das Feuer und fing an, sich die Hände zu waschen. Ich
auf meinem Amboß schwieg, stützte das Kinn in die Hand und sah
sehr ernst dem wortkargen Manne zu.
Als er fertig war, nahm er einen Schluck aus einer Kanne und
langte sich von einem Nagel die Pfeife herunter.
„woher sind Sie eigentlich, wenn's erlaubt ist zu fragen?" fing
er an, während er gemächlich die Pfeife stopfte.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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61
14. Und bei des nächsten Morgens Lichte,
da tritt mit fröhlichem Gesichte
ein Fischer vor den Fürsten hin:
„Herr, diesen Fisch hab' ich gefangen,
wie keiner noch ins Netz gegangen;
dir zum Geschenke bring' ich ihn."
15. Und als der Koch den Fisch zerteilet,
kommt er bestürzt herbeigeeilet
und ruft mit hocherstauntem Blick:
„Sieh, Herr, den Ring, den du getragen,
ihn fand ich in des Fisches Magen.
O, ohne Grenzen ist dein Glück!"
16. Hier wendet sich der Gast mit Grausen.
„So kann ich hier nicht ferner hausen,
mein Freund kannst du nicht weiter sein.
Die Götter wollen dein Verderben;
fort eil' ich, nicht mit dir zu sterben —"
und sprach's und schiffte schnell sich ein.
Friedrich v. Schiller.
30. Das Glück von Edenhall.
1. Don Ldenhall der junge Lord
läßt schmettern Sesttrommetenschall;
er hebt sich an des Tisches Bord
und ruft in trunkner Gäste Schwall:
„Nun her mit dem Glück von Ldenhall!"
2. Der Schenk vernimmt ungern den Spruch,
des Hauses ältester Vasall,
nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch
das hohe Trinkglas von Kristall;
sie nennen's: das Glück von Ldenhall.
3. Darauf der Lord: „Dem Glas zum preis
schenk Boten ein aus Portugal!"
Mit Händezittern gießt der Greis,
und purpurn Licht wird überall;
es strahlt aus dem Glücke von Ldenhall.
4. Da spricht der Lord und schwingt's dabei:
„Dies Glas von leuchtendem Kristall
gab meinem Bhn am Mell die Fei;
drein schrieb sie: Kommt dies Glas zu Hall,
fahr wohl dann, o Glück von Ldenhall!
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_v Friedrich Schiller Schenk
— 112 —
Verse dazu machte der Legationsrat (spätere Zeremonienmeister) und hof-
dichter von Besser, vanckelmann führte seine Bolle zwar mit vielem
Eifer durch, erwarb sich aber dadurch auch viele Feinde, so daß man
noch mehrere Jahre nachher bei seinem Prozeß auf die Scherenschleifer-
geschichte zurückkam.
Die Hauptneigung Sophie Eharlottens war der Musik zugewandt,
die sie selbst mit Meisterschaft übte,' sie spielte, sang und komponierte, fast
kein Tag verging ohne Konzert. Der König unterhielt eine bedeutende
Kapelle, nahm ausgezeichnete Tonkünstler in Dienst und ließ die berühm-
testen Länger und Längerinnen aus Italien nach Berlin einladen. Im
Lommer 1702 wurde ein eigenes Theater in Lietzenburg fertig und zum
Geburtstage des Königs mit einer italienischen Gper eröffnet. Bußer
berühmten Künstlern spielten auch fürstliche Liebhaber und Liebhaberinnen
mit. Neben Gpern und Balletten kamen die besten Ltücke der französischen
Bühne zur Bufführung.
Buf Lophie Tharlotte und Leibniz weist auch die Ltiftung der
Berliner Bkademie zurück, die nach des letzteren Ideen das Gesamtgebiet
der Wissenschaften umfassen, vorzugsweise aber die Naturwissenschaften
pftegen und deren Zusammenhang mit den Beschäftigungen des Lebens,
dem Land- und Bergbau, dem Gewerbe und Handel, dem Fabriken- und
Manufakturenwesen darlegen sollte. Es war auf einem Nusfluge nach
Oranienburg, im März 1700, als dem Kurfürsten dieser Plan vorgelegt
wurde, und Friedrich, dessen Leele durch den Fortgang der Kronverhand-
lungen zu Wien mit stolzen Hoffnungen erfüllt war, zeigte sich um so
empfänglicher für einen Entwurf, durch dessen Busführung er zu dem
Glanze der Königskrone den Buhm eines Beschützers und Förderers der
Wissenschaften gewann. Leibniz wurde nach Berlin eingeladen und erklärte
sich bereit, das Präsidium der Akademie zu übernehmen. Km 11. Juli
1700 wurde der Ltistungsbrief erlassen, in dem es als eine Bufgabe der
Bkademie bezeichnet wird, daß „unter anderen nützlichen Studien" für
dasjenige, „was zur Erhaltung der deutschen Lprache in ihrer anständigen
Beinigkeit, auch zur Ehre und Zier der deutschen Nation gereicht,
absonderlich milgesorgt werde, also daß es eine deutschgesinnte Sozietät
der Lzientien sei, dabei auch die ganze deutsche und sonderlich Unserer
Lande weltliche und Kirchenhistorie nicht versäumt werden soll".
Der Tag nach der Stiftung wurde durch ein großes hoffest in
Lietzenburg verherrlicht, über das Leibniz den folgenden Bericht nach
Hannover erstattete: „Man stellte einen Dorfjahrmarkt vor, wo die Buden
mit ihren Schildern standen, in denen Schinken, Würstchen usw. umsonst
verkauft wurden. Herr von Osten, welcher den Wunderdoktor machte,
hatte seine Lustigmacher und Marktschreier. Uber nichts war artiger als
sein Zauberkünstler,' dies war der Kurprinz (Friedrich Wilhelm), welcher
in der Tat das hokuspokusspielen gelernt hat. Die Frau Kurfürstin
war die Doktorin. Bei Eröffnung des Theaters erschien der Doktor, auf
einer Brt von Elefanten reitend' auch die Frau Doktorin zeigte sich in
einer Sänfte, von Türken getragen. Der Zauberkünstler, die Spaßmacher,
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T61: [Wilhelm Friedrich Prinz König Luise Jahr Königin Gemahlin Prinzessin Kaiser], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk]]
Extrahierte Personennamen: Bolle Sophie_Eharlottens Buf_Lophie_Tharlotte Friedrich Friedrich Leibniz Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Kurfürstin
Extrahierte Ortsnamen: Italien Berlin Lietzenburg Oranienburg Wien Berlin Lietzenburg Hannover
68
Hans und Ernst kommen heim und Kart, unser stiller Musikant. Heute
muß Vater alle seine Kinder um sich versammelt haben, damit er so
ein rechtes Weihnachtsgefühl empfinden kann. Die Fenster der weih-
nachtsstube sind dicht verhangen, die vielen Tinen, die ins Neich der
Weihnachtswunder führen, verschlossen, wir schleichen an die Fenster und
knien vor den Türen. Meine jüngste Schwester Dodo hat ein besonderes
Talent, mit unserer Mutter, verborgen in den Falten ihres Schlepprockes,
in die Weihnachtsstube zu schlüpfen.
Vom frühen Morgen an kommen Scharen von Kindern, die von
Haus zu Haus ziehen und im Flur ihre hellen Kinderstimmen ertönen
lassen: „vom Himmel hoch, da komm ich her." Ein großer Korb mit
wasserkringeln steht bereit, mit denen die kleinen Sänger belohnt werden.
Mittags wird nach althergebrachter Sitte Kaffee getrunken und Butter-
brot gegessen. Der Kaffeekanne entströmt an diesem Tage ein wundersamer
Duft,' so duftet der Kaffee nur einmal im Jahr, und die Butterbrote
schmecken uns wie der schönste Kuchen.
Nm Nachmittag wandern wir Kinder, jedes ein Körbchen am Nrm,
ins Kloster St. Jürgen, wir wollen zwei alten Großtanten dort be-
scheren. „Tante Nnna und Tante Ehristine." Tante Nnna wird von uns
bevorzugt. Sn ihrem kleinen, behaglichen Nltjungfernstübchen liegen wir
schließlich aus der Erde vorm offenen Esten und schauen in die rote Glut
der verglimmenden Kohlen. Die liebe Tante sitzt im Lehnstuhl neben uns,
ihr feines altes Gesicht von einer weißen Spitzenhaube umrahmt. Sie erzählt
uns altmodische Kindergeschichten, an die sich immer eine Moral knüpft,
wir hören interessiert zu, knacken Nüsse und werfen deren Schalen in die
rote Glut — das knistert so schön. So vergeht die Zeit — vom Kirchturm
drüben schlägt es halb fünf. Tante Nnna hüllt uns sorgsam in unsere
warmen Mäntel und Kapuzen, und fort -geht es.
Nuf den Straßen liegt tiefe Dämmerung, der Schnee knirscht unter
den Füßen. Schwärme von Kindern begegnen uns, hier und dort dringt
aus einer geöffneten Haustür Gesang zu uns heraus, wir fassen uns
an den Händen und laufen und kommen atemlos heim. Sm Flur bleiben
wir stehen und singen, als gehörten wir zu den umherziehenden Sängern.
Die Köchin kommt aus der Küche gelaufen mit den üblichen Wasser-
kringeln. Sie jagt uns lachend und scheltend in die Kinderstube, wir
werden nun festlich geschmückt und gehen dann in die Studierstube unseres
Vaters, wo wir schon unsere Großmutter mit ihrer getreuen Lebensgefährtin,
von uns „Tante Tine" genannt, und zwei alte Freunde des Hauses in
behaglichem Geplauder vorfinden.
Seit dem Tode unseres Großvaters schaut Großmutter unserer Be-
scherung zu. Großvater war zwar niemals bei der Bescherung zugegen,
aber wir wußten doch, er saß währenddes behaglich in seinem Kontor
und freute sich über die kleinen Sendungen an Geld und viktualien
■— meistens ein großes Stück Kauchfleisch —, die er von dort aus an
Kinder und Schwiegerkinder gespendet hatte. Nun auch er in das Land der
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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70
Edir haben uns müde gespielt — wir nehmen unsere Weihnachts-
bücher und setzen uns im trauten Schein des Lichtbaumes und lesen.
Gar verführerisch ist es, heimlich ein Stückchen Zuckerwerk abzurupfen
und es ebenso heimlich zu verzehren. Vater tritt leise zu uns unter
den Tannenbaum, streicht sanft mit seiner schönen, schlanken Hand übers
haar und fragt: „hab' ich's getroffen?"
Nachdem sich das erste Entzücken gelegt hat, bringt die Köchin das
messingene Kohlenkomfort, auf dem gar bald der blitzblank geputzte
Teekessel ein melodisches Lied anstimmt, und der Duft feinsten Tees ver-
mischt sich mit dem der Tanne und der braunen Weihnachtskuchen. Die
beiden Mädchen in den beiden gleichen maiengrünen Festgewändern,
mit Häubchen und blendendweißen Schürzen angetan, reichen den Tee,
wir Kinder den knusperigen Weihnachtskuchen. So sitzen wir recht traut
beisammen.
Da erklingt von draußen, vom Vorplatz, der Gesang einer tiefen
melodischen Altstimme zu uns herein:
„G du fröhliche,
o du selige,
gnadenbringende Weihnachtszeit."
Ein Helles Leuchten verklärt das liebe Angesicht unseres Vaters,
er steht leise auf, öffnet die Tür und zieht ein gar liebliches, kleines
Vettelmädchen herein.
Das Kind, mit von der Kälte geröteten Wangen, strahlenden Kinder-
augen, das Gesichtchen von blonden Locken umrahmt, bleibt stumm und
wie verzaubert im Türrahmen stehen.
Wir alle umstehen sie, sie muß noch einmal ihre glockenreine Stimme
hören lassen. Dann erfaßt Vater eines ihrer kleinen schmutzigen Händchen
und fragt sie liebreich:
„Was willst du nun haben, etwas zu essen oder Kuchen?"
„Danke, ich habe schon gegessen," spricht das Kind. Da heißt mein
Vater sie ihr Schürzchen auftun, Mama nimmt vom Tisch einen vollen
Teller Weihnachtskuchen und schüttet ihn in die ausgebreitete Schürze.
voll leuchtenden Dankes schaut das Kind zu Mama auf, wirft
noch einen scheuen Blick auf all den Lfchterglanz und die strahlenden
Gesichter, und fort ist sie, die kleine Lichtgestalt,' denn so erscheint sie
uns trotz ihrer Lumpen.
Die Lichter sind erloschen, die glitzernde Pracht des Baumes leuchtet
nur noch im malten Dämmerlicht der Lampen. Unsere Mutter ruft
zum Festessen. — Wir Kinder trennen uns schweren Herzens vom
Tannenbaum, unseren Puppen und Büchern. Sauerbraten und ein großer
Apfelkuchen — Tante Moritz genannt — bilden das Festessen, Punsch,
nach Vater kurzweg „Landvogt" genannt, ist das Festgettänk.
Wir alle sitzen an unsern Plätzen, der Punsch ist in die Gläser
geschenkt, Vater erhebt sein Glas, er nickt uns allen voll innigster
Befriedigung zu und sendet dann in einem kleinen Trinkspruch „einen
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
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75
den Lobpreisungen, die ihr noch von weitem nachgerufen werden, und
langt kurze Zeit später glücklich daheim an.
So ganz wohl zumute ist ihr nicht,- sie besinnt sich, daß sie ihr
Portemonnaie in dem verschenkten Muff vergessen hat, und ärgert sich
auch im voraus über das Verhör, dem sie der beiden Dinge wegen von
der Kammerfrau unterzogen werden wird.
Die Kammerfrau ist es auch, die auf ihr Schellen öffnet und sie mit
der Nachricht begrüßt: „Der Herr General sind schon lange zu Hause."
„Da geh' ich gleich zu ihm hinüber," antwortete die Gebieterin,
gibt rasch Hut und Mantel ab und tritt in das Zimmer ihres Mannes.
Der alte Herr erhebt sich beim Erscheinen der alten Frau. Er
ist um ein weniges kleiner als sie, hat aber etwas ungemein Energisches;
Gang und Haltung verraten den ehemaligen Kavalleristen.
„Kommst du endlich!" ruft er der Eintretenden entgegen, „hat
heute wieder schön lange gedauert, die Urschlerei." Mit diesem Kamen
pflegt der General die Gesellschaften zu bezeichnen, die lediglich aus
Damen bestehen.
„Es waren auch Herren da," entgegnete die Generalin.
„Beneide sie nicht," murmelt der Gatte und zieht den Tisch zurück,
damit seine Frau auf dem Sofa Platz nehmen könne . . .
Zu ihrem Schrecken trat jetzt die Kammerfrau herein, durchforschte
das Zimmer mit spähenden Blicken und nahm von dem eifrigen Abwinken
ihrer Herrin keine Notiz.
„Lassen Sie es nur gut sein, Adele, lassen Sie es nur gut sein,"
sagte diese endlich in einem Tone, in dem die dringende Bitte wie ein
kühler Befehl klingen sollte.
Und der General, der längst überlebten Mode huldigend, in Gegen-
wart der Dienstleute ein ihm nicht ganz geläufiges Idiom zu gebrauchen,
fragte:
„Qu’est-ce que veut-elle donc?“
„Ich suche den Muff," sprach Adele, „die gnädige Frau haben
den Muff nicht mitgebracht, und hier ist er auch nicht."
„Nun, wenn ich ihn nicht mitgebracht habe, kann er auch nicht
hier sein," versetzte die Generalin. „Gehen Sie nur, Adele."
Der treuen Dienerin war diese wiederholte Abweisung ein Stich
ins herz, und ihre tiefe verletztheit äußerte sich in der Miene, mit der sie
hervorstieß:
„Aber der Muff ist weg!"
Der General wendete rasch den Kopf und fragte kurz: „was
Muff? wer ist Muff?"
„Der große, der .schwarze, der schöne Muff," entgegnete Adele,
und die Generalin bemerkte krampfhaft lächelnd:
„Groß und schwarz allerdings, aber schön . . . daß er schön war,
hat ihm wirklich schon lange niemand mehr nachsagen können."
„Mag er nun sein, wie er will," erklärte der Mann, „da muß er sein !"
„Man muß ihn halt wieder abholen," sprach Adele, „die gnädige
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rasch an sich und drückte, bevor er's wehren konnte, einen Kuß darauf.
Für die Frau gab es an dem Tage nichts, das imstande gewesen wäre,
ihre Heiterkeit zu stören. Und als sie zur Ruhe gegangen war und die
Uugen schloß, da schwebte das Bild eines welken Greisenangesichts, von
Heller Freude verklärt, vor ihr empor, und sie schlief ein, gewiegt von
Empfindungen, um die die Landgräfin Elisabeth von Thüringen Ursache
gehabt hätte, sie zu beneiden.
Um nächsten Morgen würde die Generalin ihres gestrigen kleinen
Ubenteuers nicht mehr gedacht haben ohne die schroffe Einsilbigkeit,
die Udele der Herrin gegenüber beobachtete. — Das wird nicht gut,
dachte sie, wird nicht gut, bevor ein umfassendes Geständnis abgelegt
ist. Und ich bin es ihr ja schuldig - habe ich doch eigenmächtig über einen
Gegenstand verfügt, auf den sie sich durch die treue Hut, in der sie ihn
mehr als ein Menschenalter hindurch gehalten, einigermaßen Rechte er-
worben hat.
Die Generalin war eben im Begriff, ihre Beichte zu beginnen,
als die Hausglocke, mit unerhörter Heftigkeit in Bewegung gesetzt, er-
tönte. Man hörte die Tür öffnen und zuschlagen, und aus dem Bor-
zimmer herüber gellte Weibergeschrei, kreischend, durchdringend,' der Ge-
neralin war die Stimme, wie ihr schien, nicht ganz fremd. Dazwischen
donnerte ein ihr unbekannter kräftiger Baß.
Einige bange Bekunden, dann sagte die Gebieterin: ,,Zehen Sic
doch nach, was es gibt, Udele." Uber bevor Udele, bei der sich zu-
gleich mit akuter Ztummheit auch immer Zchwerhörigkeit einstellte, dem
Wunsche nachgekommen war, trat der General ein, in aller Gottes-
frühe schon sorgfältig gekleidet, stramm militärisch. Zeine Brauen waren
zusammengezogen, sein Udlergesicht hatte einen drohenden Uusdruck.
„Voyez l’antichambre!“ sprach er zu seiner Frau, und sie, mit ver-
sagendem Utem, von unbestimmten, aber schrecklichen Uhnungen erfüllt,
ging ins Vorzimmer.
Da stand das Unheil in zweifacher Gestalt: in lärmender — der
der Bettlerin von gestern; in würdevoll stummer — der eines ungeheuer
langen, pfahlgeraden Wachmannes, der den Muff und das Portemonnaie
der Generalin in seinen Händen hielt.
Der Diener, die Dienerin, das Ztubenmädchen waren auch zur
Stelle, ohne Zweifel einem unbewußten künstlerischen Triebe gehorchend,
um das Tableau durch Uusfüllung des Hintergrundes zu vervollständigen.
Zobald die Generalin sich zeigte, wurde sie von dem alten Weibe
mit ohrenzerreißendem Ziegesgeschrei begrüßt.
„Da is sie! da is sie ja — jetzt können Sie 's selber fragen!"
rief die Bettlerin dem Wachmann zu, stürzte der Generalin entgegen
und faßte sie beim Urm: „Und Sie, Sie sagen ihm's jetzt gleich auf der
Stell': bin i a Diebin? hab' i g'stohl'n? hab'n Sie mir die ver-
dammte Grenadiermützen g'schenkt oder nit?"
„Geschenkt," sagte die Generalin, „jawohl ganz gewiß. Ich habe
der armen Frau diesen Muff geschenkt."
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