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Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 41

1901 - Glogau : Flemming
— 41 — der hohe Salzgehalt des Meeres (38 Promille, während der Atlantische Ocean nur 35 hat). Das Mittelmeer hätte also schon längst zur Salzsole umgewandelt sein müssen, wenn nicht Zuflüsse aus minder salzhaltigen Meeren stattfänden und wiederum das Wasser des Mittel- meeres abflösse. Thatsächlich ist eine submarine Ausströmung des schweren und salzigen Mittelmeerwassers durch die gaditanische Meer- enge in den Atlantischen Ocean nachgewiesen, während dieser seiner- seits minder salziges Wasser an der Oberfläche in das Mittelmeer abgiebt. Und ebenso erfolgt aus dem Pontus, der wegen des reich- haltigen Zuströmens von süßem Wasser durch die russischen Flüsse einen geringeren Salzgehalt besitzt, eine Oberflächenströmung in den Dardanellen, die früher den Segelschiffen die Einfahrt erschwerte, heute aber den Kriegsdampfern gegenüber kaum mehr von Bedeutung ist. Wegen der verhältnismäßig niedrigen Bodenschwelle in der Meer- enge von Gibraltar kann die Cirkulation vom Atlantischen Ocean nach dem Mittelländischen Meere nur beschränkt sein und also auch der Wärmeaustausch nicht frei und ungehindert stattfinden. In den Tiefen des Mittelmeeres ist also die Temperatur um 10° höher als im Atlantic, und da bei der geringen vertikalen Bewegung und Er- Neuerung des Wassers der Sauerstoff sich nicht ausreichend ergänzt, so hört in einer Tiefe von 322 in alles Tierleben im Wasser des Mittelmeeres auf; in jenen Räumen herrscht die Stille des Kirchhofs. Ebbe und Flut sind im Mittelmeer auch kaum wahrnehmbar, in Korfu rechnet man 6 ein, bei Ägypten 35 ein und in der großen Syrte P/2 ra.1 Alexander und Cäsar waren daher die Fluterschei- nungen der Oceane unbekannt; ersterer lernte sie erst im Indischen Ocean kennen, und der große Bezwinger Galliens mußte in seinem Kampf mit den Venetern flache Boote bauen, die bei eintretender Ebbe gut auf dem Sande aufsitzen konnten. Die Uferlandfchaften des Mittelmeeres, alfo etwa zwischen 45 und 35° n. Br., haben gemeinsame klimatische Merkmale, so daß, wie es schon Lukan gethan hat, man den Nordrand Afrikas in dieses ge- meinsame Vegetationsgebiet hineinbeziehen kann. Der Hauptunterschied gegen unsere nordischeren Klimaformen ist der, daß bei uns die Winter- kälte den Vegetationsprozeß der Pflanzen unterbricht, dort die sommer- liche Dürre den gleichen Einfluß ausübt. Die hauptsächlichste Wachs- tumszeit fällt im Mittelmeergebiet in den Frühling, im Sommer wird alle Saftbewegung eingestellt und erst beim Eintreten der Herbstregen die Fruchtreife vollendet. Durch das ganze Gebiet ist der Ölbaum das eigentliche „Leitgewächs" desselben; allerdings giebt es keine Olivenwälder, ebensowenig wie bei uns Birnen- oder Apfelwälder. 1 In Venedig stehen zur Zeit der Flut die Treppen einige Stufen tiefer im Wäffer.

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 42

1901 - Glogau : Flemming
— 42 — Ferner ist zu beachten, daß der Boden dort mit Stauden und Zwiebel- gewachsen bedeckt ist, daß aber bei dem Mangel an sommerlichem Regen ganz die rasenbildenden Gräser fehlen. Statt des Rindviehes und der Pferde erscheinen als Haustiere Büffel und Maultiere. Die Butter entbehrt man ganz und ersetzt sie durch Ol. — Was sonst die Vegetationsformen betrifft, so sind ja vom Altertum her bekannt die Pinie, der Lorbeer und die Cypresse. Letztere in ihrer bleistift- ähnlichen Form hat den Orientalen als Vorbild für ihre Obelisken und Minarets gedient. Es hat doch aber in diesen Gebieten künstliche Einführung und Übertragung fremdartiger Gewächse sehr umgestaltend auf das Pflanzenkleid eingewirkt. Wir können uns Süditalien und Sicilien heute gar nicht ohne die stachligen Agaven denken, und doch sind sie erst seit Entdeckung der neuen Welt dorthin übergesiedelt. Alan muß es daher als einen Anachronismus bezeichnen, wenn Preller seine Odysseelandschaften überall mit diesen Agaven schmückt. Zum heutigen Landschaftsbilde gehören ferner die Agrumen und Gold- orangen, von den Magnolien mit ihren Tulpenblüten ganz zu ge- schweigen. Die Citrgsarten sind aber aus Indien über Persien ein- geführt, und der Name Apfelsine deutet schon ohne weiteres in seinem Namen: chinesischer Apfel auf die fremdländische Herkunft. Peschel sagt mit Recht, daß die Flora des europäischen Südens, namentlich Italiens, mit der Zeit völlig umgewandelt ist und als Kunstprodukt alter Kulturvölker bezeichnet werden muß. Er fügt dann aber weiter hinzu, daß die Pflanzengebilde Südeuropas ästhetisch unendlich höher stehen, und daß man sast betroffen ist, wenn man nach Norden zurück- kehrt, über „die Ordinärheit der Pflanzenwelt, deren Laub- und Nadelholzmassen schier ungeschlacht und grob erscheinen. Darum" — und dies ist sein geistvoller Schluß — „ist der Kunstsinn hier im Süden so früh geweckt worden. Das Akanthusblatt wurde zum Vorbilde der Arabesken an der korinthischen Säule, das Laub des Lorbeers schmückte die Stirn des Siegers, und der Zapfen der Pinie krönte den Thyrsusstab." Wenn wir die südeuropäischen Halbinseln betrachten, so gebührt der mittelsten der Vorzug, den unverfälschtesten Ausdruck dieses be- sonderen europäischen Ländertypus in sich darzustellen, also Italien. Das alpine Hochgebirge schützt die Halbinsel gegen alle klimatische Rauhigkeit des Nordens; nur ab und zu spürt man den Wind, die tramontana, und namentlich im Süden entwickelt das Land allen Reiz einer ganz eigenartigen Flora und einer weichen, gleichmäßigen Himmelsluft. Das sind die Eindrücke, die Platen die Verse eingaben: Zeit nur und Jugend verlor ich in Deutschland, Lebenserquickung Reichte zu spät Welschland meinem ermüdeten Geist!

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 116

1901 - Glogau : Flemming
— 116 — welche anderen Ländern künstlichen Ersatz geben müssen. Unzählige Schneidemühlen werden dadurch in Bewegung gesetzt, alle Werke der Industrie mit Hülse des Wassers betrieben. Es würden tausend und aber tausend dabei bestehen; ja, man hat behauptet, daß die Gesamt- industrie der Erde von den Flüssen und Bächen Norwegens in Be- trieb erhalten werden könnte." In neuester Zeit, wo man die Wasser- sälle für die verschiedensten elektrischen Werke ausnutzt, fällt dieser nationale Reichtum Norwegens nur um so mehr ins Gewicht; hat man doch auch Italien geraten, sich durch Benutzung seiner Wasser- stürze von der Einsuhr der englischen Kohle zu emanzipieren, wieviel mehr spielt diese motorische Kraft also in Norwegen eine Rolle. So wehrt man sich denn auch in Hammersest (nördlichste Stadt Europas unter 71°) durch elektrisches Licht ganz tapser gegen die lange Polar- nacht. — Als vorhin die schöne Sage erzählt und von der segnenden Hand des allgütigen Gottes berichtet wurde, hätte noch eines er- wähnt werden können. Der Allvater ließ an dem von Natur übel bedachten Felsenufer Norwegens den Golfstrom vorbeifließen und schus so dein Lande die bekannte Temperaturanomalie, die stauueus- wert genannt werden muß. Wo in Amerika unter den Breiten von Norddeutschland schon alles vereist und unwirtlich ist, haben wir in Norwegen noch unter 70° Ackerbau; nur schützt man die Saaten gegen die eisigen Nächte, die Jernnätter, ganz wie die Winzer am Rhein durch schmaucheude Feuer. Leopold von Buch und andere Reisende sprechen öfter von italienischen Gegenden, die sie in Nor- wegen sanden, und wirklich reifen im südlichen Teil des Landes noch Aprikosen und Weinstöcke. Selbst das Nordkap soll seine Reize bergen, wie das Marmiers Schilderung ergiebt:1 „Am Fuße der steilen Gipsel war ein blühendes Rasenbeet ausgebreitet, und ein Bach eilte mur- melnd über die Felsblöcke hin. An seinen Rändern lachte das blaue Auge des Vergißmeinnichts, hob sich das goldene Köpschen der Ra- nunkel, prangte das wilde Geraninm mit seinem violetten Kleide und mit seinen samtenen Blättern; sogar die kleine Waldnelke sehlte nicht, und weiterhin erhob sich aus dem grünen Boden die Angelika mit chren hohen Stengeln." 52 Wir sehen also, die ganze Küste steht unter dem wärmenden Einfluß des Golfstroms, der auch im Eismeer seine deutliche Wirkung ausübt, so daß um das Nordkap herum das Meer niemals zufriert ^ und erst 2 — 3° nördlich schwimmende Eisberge angetroffen werden. Man kann darum sagen, nicht das Eismeer, soweit es Norwegens Küste bespült, ist ein Gewässer eisiger Schrecken und lähmender Kälte, sondern für Skandinavien müßte die Ostsee * Bei Daniel. 2 Peschel warnt allerdings vor allzu übertriebenen Schildeningen der Anmut des Nordkaps. 3 Im Winter hat das Wasser hier eine Wasserwärme von -f 3° C.

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 118

1901 - Glogau : Flemming
— 118 — martbie in übelwollendem Neide gern le Norman d fanfaron; wir müssen aber bei dem echten Norweger dieses boshafte Urteil zurück- weisen und brauchen nur an den Professor in Kristiania, Fridtjof Nansen, zu denken, der in der bescheidensten, zurückhaltendsten Weise austrat und doch zwei der größten Kulturthaten der letzten Jahr- zehnte vollbrachte, die Durchquerung Grönlands und den Marsch über die Eisselder dem Nordpole zu, dem er näher gekommen ist als je ein anderer Mensch. Der Ackerbau kann, wie wir schon oben erwähnten, durchaus keine glänzende Rolle in Norwegen spielen; charakteristisch sür ein norwegisches Landschaftsbild ist es auch, daß man die Bauernhäuser statt mit Stroh, wie wir es gewohnt sind, mit Rasen deckt. Denn Getreide wächst nicht viel und Stroh ist recht knapp. Aber dafür ist dem Lande ein anderer Erwerb und Nahrungszweig beschert, näm- lich der Fischfang. Die Gesandten des Unionskönigs Christian priesen ihren König mit Recht als „die allerfischreichste Majestät". Auch hier ist der warme Golfstrom der große Segenspender; denn er er- möglicht die Winterfischerei in dem Westfjord der Lofoten, die man in so hohen Breiten sonst nicht erwarten durfte. Und das ist ein althistorischer Borzug des Landes; schon seit über 1000 Jahren wird dieser Dorschsang in den Lofoten erwähnt. In der winterlichen Polarnacht sammeln sich die Fischer an der Ostseite der Lofoten, denn das Meer aus der Westseite ist zu stürmisch, und stellen ihre Beobachtungen an der etwa 60 Faden unter der Oberfläche befind- lichen Bank an. Die Fische besuchen vorzugsweise die Untiesen des Meeres, und so sind z. B. die Doggerbank in der Nordsee und die große Bank von Neusundland als Plätze des Fischsangs berühmt. Anfangs Februar beginnen sich die Dorsche zu zeigen, zuletzt in ganzen „Fischbergen"; das ist der sogenannte Jndsiig der Fische, und nun stndet der lohnende Fang statt, denn die Fische, mit dem Laichen beschäftigt, gehen wie blind in die Netze. Die gefangenen Dorsche werden, nachdem die Köpfe abgeschnitten sind, an Stangen ausgehängt, wo sie bis Juni bleiben und trocknen. Sie kommen dann als Törstsk oder Stockfisch in den Handel. Andere Arten der Ausbewahrung und Einsalzung ergeben den Klippstsch und den Laberdan. Der Klippfisch wird nach Spanien verhandelt, der Stock- stsch nach Italien; auch kommen die Russen von Archangelsk nach Hammerfest, um die frische Fastenspeise selbst einzuhandeln. So sammeln sich in jedem Frühjahr 15—20000 Menschen bei den Lo- soten auf 4000 Booten. Wenn die Fischerei beendigt ist, kehrt die „Nordlandsflotte" mit ihren schätzen zurück nach Bergen, „dem nor- wegischen Hamburg". Auch hier war in der Hansezeit ein groß- artiges „Kontor", und die Stadt zählte damals wohl 30 Kirchen und Kapellen. Heute giebt es viele Holzhäuser, nur an den Ecken

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 70

1901 - Glogau : Flemming
— 70 — „Weintraube" hängt sie in das Meer hinaus, und dies Bild paßt vorzüglich, mag man dabei an die südliche Vegetation denken oder an den üppigen Reichtum, der sich an den Besitz des Landes knüpft. An der Spitze der Halbinsel liegt Pola, das schon zur Römerzeit wichtig war und das man jetzt als Kriegshafen der österreichischen Marine das österreichische Portsmouth nennt. Ebenso hat Luffin Piccolo im Quarnerifchen Busen eine große Anzahl von Fracht- schiffen. Der eigentliche Wohlthäter Triests ist Karl Vi., und seit 1833 begann der österreichische Lloyd seine Dampser zu bauen, um den Verkehr mit dem Orient zu unterhalten. Aber es ist thöricht, wenn jetzt französische Hetzblätter Italien einreden wollen, in betreff des Mittelmeeres und des Handels auf ihm drohe ihm nicht von fetten Frankreichs die Gefahr, sondern Osterreich habe es zu sürchten. Denn Triest und die dalmatinischen Häfen liegen doch nur an einem Busenmeer des ohnedies schon als Binnenmeer zu betrachtenden Mittelmeers. Die Handelsrichtung dieser österreichischen Häsen geht nach dem östlichen Mittelmeer, „nach der Levante. In Bezug aus den oceanischen Handel kommt Osterreich wenig in Betracht, es be- sitzt auch keine Kolonieen. Die wachsende Bedeutung Triests könnte also höchstens Venedig unbequem werden, das früher so verächtlich von dem Schilfrohrnest (slav. Terst = Schils) zu sprechen pflegte. Die große Ausdehnung der österreichisch-ungarischen Monarchie ^Cattaro 42^°, Reichenberg beinahe 51° n. Br.; Bregenz beinahe 10°, Ostgrenze 261// ö. L.) bedingt es, daß sich in Natur und Klima bedeutsame Gegensätze ergeben werden. „In den Umgebungen von Triest sieht man nichts als Weinberge, Ölbäume und Gärten voll Feigen, Oleandern, Granaten, Pfirsichen und sogar einige Cypressen. Dagegen haben wir im österreichischen Schlesien ein rauhes Gebirgsklima; in Galizien brechen sich die kalten Nordwinde an den Karpaten und fallen auf das Land zurück, und die Weichsel hat 14—20 Tage den Eisgang fpäter als die Oder, und gar 3—4 Wochen beträgt der Zeitunterschied gegen die Schmelzperiode der Donau. Natür- lich sind bei den vertikalen Erhebungen die klimatischen Gegensätze von ähnlicher Schroffheit. Riva am Gardasee genießt alle Vorzüge der oberitalischen Seeuser, die Edelkastanie, des südlichen Alpenlandes schönster Laubbaum, entfaltet ihre mächtige Krone, und bei den österreichischen Eisriesen der Tauernkette wagt es kaum noch der be- haarte Gletscherhahnensuß, gegen die unwirtlichen Gipfel vorzudringend Görz nennt man das österreichische Nizza, Töplitz- ist das böhmische Paradies, und im Karst haben wir eine völlige Wüste, ohne Baum und Strauch, ja sast ohne krautartige Pflanzen, wo nur nackte ' Er dringt nvch bis 3600 in nach oben vor. * Ebenso Reichenberg. S. oben.

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 94

1901 - Glogau : Flemming
— 94 — Flächen zum Weideland und zur Viehzucht. Zunächst kommt das Pferd in Betracht. Rußland ist der pferdereichste Staat Europas, und während in Deutschland erst aus 10 Einwohner 1 Pferd ge- rechnet wird, in Frankreich aus 12, in Italien gar aus 27, steht der Prozentsatz in Rußland mit 1 : 3 äußerst günstig da. Pserde werden daher auch in großer Zahl ins Ausland verkaust und erzielen 2 bis 3 Millionen Rubel. Die Potockis und Orlows besitzen hier große Flächenräume, aus denen der Tabuntschik oder Roßhirt unumschränkter Gebieter ist; dreiviertel seines Lebens bringt er im Sattel zu, er kennt keinen Schlaf, außer zu Pferde, und auch dann muß er, wie er selbst sagt, mit dem einen Auge nicken, mit dem andern die Ta- bune (Herde) bewachen. So hat er vielleicht 1000 Pserde unter- such, von denen die Halste Zuchtstuten sind. Furchtbar ist der Kamps der Hengste mit dem Wolf. Das besiegte Raubtier wird von der Tabune umzingelt, von hundert Husen zermalmt und in hundert Fetzen zerrissen. Außer den Pferden werden alle Arten von Tieren gezüchtet, vom Schafe bis zum Kamel, und eine ähnlich großartige Ausnutzung des Tierreichs wie hier, sagt v. Klöden, findet kaum noch anderwärts zum zweitenmal statt. Manche Viehzüchter haben 4—6000 Stück Rindvieh in der Steppe, in der Gegend von Zaritzyn zählt man über 100000 Stück Hornvieh, und die Menge von Talg, welche diese Bezirke dem Auslande liesern, ist ungeheuer. Das Fett- schwanzschas ergiebt in seinem wunderlichen Anhängsel allein 20 bis 30 russische Pfund. Die Herden sind das ganze Jahr hindurch im Freien, während das Vieh in den centralen Gebieten 150, im Norden sogar über 200 Tage hindurch im Stalle gefüttert werden muß. Der spärliche Schneefall gestattet den Tieren, sast überall zu ihrer Nahrung zu gelangen. Allerdings bringt die mangelhafte Schneebedeckung einen anderen Übelstand zuwege. Die Kältegrade sind enorm/ der Schutz für die Getreidepflanzen zu gering, demnach baut man hier fast durchweg Sommerkorn. Wenn die Herde den Winter hindurch draußen bleibt, so ist sie freilich den furchtbaren Schneestürmen, den Wjugas, schonungslos preisgegeben, und ein solcher Sturm hat 1827 300000 Pserde, 10000 Kamele und 1 Million Schafe vernichtet. Als Vorbote und Warnerin erscheint die „Windhexe", ein Klumpen von zusammengeballten Stengeln, den der Wind pfeilschnell dahinjagt. Dann bricht der Sturm los, der tagelang anhält und dichtes Schneegestöber mit sich sührt.^ Die Luft ist völlig undurchsichtig geworden, und man kann höchstens einige Schritte um sich sehen. So hat man nur die Wahl, liegen zu bleiben und vom Schnee begraben zu werden oder blindlings seinem Treiben zu solgen. Die Herden werden entweder in die Schluchten * Im Wolgadelta bis — 32° C.

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 96

1901 - Glogau : Flemming
— 96 — wir dazu, daß in dem alten Kolchis am Kaukasus, da wo das Hoch- gebirge die im Sommer glühenden und im Winter eisigen Nord- und Ostwinde abhält, eine Vegetation von fast tropischem Formenreichtum erzeugt wird, so daß die Agrumen Südeuropas, die Citronen und Pomeranzen, und die Magnolien im Freien gedeihen und üppige Urwälder mit Farndickichten und immergrünem Unterholz den Wan- derer aufnehmen, so möchte uns wohl der Wunsch aussteigen, dort zu leben. Und doch erscheint uns das ganze Gebiet befremdlich, es ist asiatische Lust, die uns entgegenweht, in Sitte und Volkstum, und wohlgemerkt! in Astrachan giebt es neben 16 Moscheen auch eine lamaitische Pagode! Man muß sich überhaupt den Gegensatz, in dem Rußland zur westlichen Kultur und Civilisation steht, recht einschneidend vorstellen. Rußland, hat man gesagt, ist Halbasien, und wir müssen versuchen, dieses Urteil in Bezug aus seine Berechtigung näher zu begründen. In Rußland giebt es trotz der nicht unbedeutenden Zahl von Städten nur 8% der Bevölkerung, die man als Stadtbewohner bezeichnen kann.1 Die Landwirtschast bildet die Grundlage für das ganze wirtschaftliche Leben des großen Länderraumes. Man rechnet 962 Städte; aber die Grenzen in der Unterscheidung von Dors und Stadt fließen vielfach ineinander. Jedenfalls wiederholt sich, sagt Daniel, der Charakter der Einförmigkeit, der dem ganzen Tieflande eigen ist, auch in den russischen Städten: schnurgerade Straßen, kasernenartig gebaute, gelb oder weiß übertünchte Häuser, — wer Moskau gesehen hat, kennt alle russischen Städte. Die Häuser sind vielfach von Holz, und das erklärt die furchtbaren Feuersbrünste, die Rußland zum öfteren heimgesucht haben, wie denn Moskau 1812 zu zwei Dritteln eingeäschert wurde. Auch den Stadtbewohnern steckt der Nomade noch in den Gliedern; der vornehmere Russe noma- disiert sozusagen in seinem Hause und zieht unaufhörlich um. Bald wird das Schlafzimmer zum Speisezimmer erwählt, bald wandert man von Etage zu Etage, und es giebt gewiß kein dem Russen ge- höriges Haus, das 14 Tage hindurch in demselben Zustande ver- bliebe. Weil aus einen strengen Winter ohne allmählichen Ubergang ein kurzer, heißer Sommer solgt, müssen in verhältnismäßig kurzer Zeit sämtliche Felder bestellt sein. Daher berechnet man richtig, daß doppelt und dreimal soviel Hände zur Bestellung einer bestimmten Bodenfläche erforderlich sind als im westlichen Europa, * und darum ist die Ackerbevölkerung auch ungewöhnlich groß. Der russische Bauer oder Mushik ist die am meisten charakteristische Persönlichkeit in Ruß- 1 Peschel berechnet das Verhältnis der Landbewohner zu den Städtern wie 1 i 10. 2 Wo bei nns 4 Pferde und 4 Knechte genügen, sind dort 7 Pferde und 7 Knechte nötig.

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 14

1901 - Glogau : Flemming
— 14 — in gewissem Sinne Englands und Irlands Wohlthäter genannt werden kann, bringt leider viel Regen und Redet mit sich. Am übelsten in dieser Hinsicht ist Irland daran, das ja allerdings dem durch diese häusigen Niederschläge geförderten Graswuchs den Namen des Emerald-Island i Smaragdinsel) verdankt. Während im mittleren Deutschland nur etwa 155 Regentage gezählt werden, steigert sich deren Zahl in: westlichen England aus 200 und an der Westküste Irlands auf 250. Als daher der an der Küste Irlands Hinsahrende Passagier verzweifelt den Kapitän fragte: Regnet es denn hier in Irland immer? antwortete dieser gleichmütig: Nun, manchmal schneit es auch. Valentia hat einen Januar wie Florenz, dafür aber einen Juli wie Archangel. Berüchtigt ist in England das Vorherrschen kalter Winde im Frühjahre, und die häusigen und heftigen Stürme werden als eine besondere Schattenseite des britischen Klimas hervor- gehoben. Ich spreche aber hier nicht allein von dieser physikalischen Beeinträchtigung des agrarischen Kulturzustandes, viel einschneidender sind gewisse sociale Mißstände. England und Schottland, von Jr- land vorläufig ganz zu geschweigen, geht es eigentlich wie Italien zur Zeit der Gracchen. Auch hier könnte der römische Volkstribun den bedauerlichen Rückgang des Bauernstandes mit bitterem Schmerze wahrnehmen. Statt des normalen Zustaudes kleinerer und behag- licher Bauernwirtschasten sind hier, ganz wie in dem alten Italien, die Latifundien an ihre Stelle getreten, so daß etwa 2000 Latifundien- Herren die Hälfte des englischen Bodens ihr eigen nennen und in Schottland 600 Herren 4/5 des Landes besitzen. In Sutherland Eounty gebietet ein Magnat sogar über 86^ ^M. Die Pächter, denen nur kürzere Zeiträume zur Pachtung zugestanden werden, haben darum kein sonderliches Interesse, die Bodenwirtschaft rationell zu heben, und die „fportliebeuden Magnaten lassen absichtlich weite Flächen ihrer Besitzungen wüst liegen, um daraus gelegentlich große Jagden abzuhalten". Die Parallele mit dem alten Rom kann aber noch weiter geführt werden. Die Folge ist, daß von der Einwohner- zahl immer ein Drittel in seinem Brotbedars abhängig vom Auslande ist. Das sind wirtschaftlich sehr ungünstige Verhältnisse. Ein zweiter Vorzug, aus den die Briten seit je stolz gewesen sind, beruht aus der Annahme, daß sie politisch ein freiheitliches Volk sind. Mit Emphase wird in dem berühmten Nationalliede in jedem Refrain gesungen: Britons never shall be slaves ibriten werden nimmer Sklaven sein), d. h. also nach außen und nach innen hin dulden die Briten keine Gewalt und Tyrannei. Was die Knechtung von außen her betrifft, so haben wir schon oben entwickelt, daß dem wunderbaren Jnselreiche ja nur mit einer Flotte beizukommen ist und daß selbst ein Napoleon I. sich nur beglückwünschen konnte, als er 1805 seine zur Landung in England in Boulogne zusammen-

9. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 23

1901 - Glogau : Flemming
[— 23 — über diesen Paß in die Ebenen Italiens. ^Natürlich machten sich auch umgekehrt die Italiener diese Straße und ihre Zugänglichkeit zu nutze. Die Segnungen der mittelmeerischen Kultur kamen den nordischen Völkern nicht über die mittleren Alpen, sondern das Rhone- thal herauf, und noch im 13. Jahrhundert sind die Messen in der Champagne der „Hauptknotenpunkt des italischen Handels mit dem Norden". Ein zweiter Unterschied von England liegt darin, daß die Küsten- entwickelung dem Flächenraum gegenüber in Frankreich nur schwach ist. Es giebt hier nur wenig Halbinseln und sehr spärliche Inseln. An der atlantischen und Kanalseite bieten zudem die Küsten manches Hindernis, mögen sie nun steil sein wie die Falaisen am Kanal oder flach wie die berüchtigten landes am Gols von Biskaha. Man be- hauptet ja, daß Frankreich an der ganzen Kanalküste keinen günstigen Hafen besitzt, und deshalb hat Kaiser Napoleon Iii. unter den nam- haftesten Kosten den Kriegshasen Eherbourg gegenüber der Insel Wight anlegen lassen, „das großartigste Werk der Wasserbaukunst aller Zeiten". Besser steht es um die Riasartigen Einschnitte der Bretagne, wo eine Menge Häsen liegen und die Bewohner als aus- gezeichnete Seeleute bekannt sind. Hat doch auch in verschiedenen Geschichtsperioden das Piratenwesen dort sehr geblüht. Die vor- nehmsten Häfen finden sich an den trichterförmigen Mündungen der Flüsse, und weit stromaufwärts können noch die Schiffe fahren, wenn sie nur die Flutwelle benützen. Daher rührt wohl auch Napoleons Ausspruch, daß man Havre, Rouen und Paris als eine Stadt be- trachten müsse, deren Hauptstraße die Seine ist. Le Havre ist „das französische Liverpool". Es spielt nicht nur eine Rolle als Ausfuhr- Hafen, sondern von der anderen Hemisphäre werden Weizen und Roh- baumwolle importiert. Was die Fluterscheinungen betrifft, so ist in der Bai von S. Michel der Unterschied der Gezeiten 16 m, so daß den Granitfels, der das berühmte frühere Benediktinerklofter trägt, die Flut völlig umspült, und der Ort sich recht sür das abgeschiedene Mönchsleben eignet. In die Garonne dringt die Flut noch über Bordeaux hinaus, und oft entwickelt sich das „Maskaret" genannte stürmische Vordringen der Welle, daß man das Gebrüll bis auf 15 km Entfernung hören kann, und von der Gewalt der Wassermasse Anker ausgerissen, Kabel zerbrochen und Boote zertrümmert werden. Man wird unwillkürlich an die Pororoka des Amazonas erinnert. — Die Mittelmeerküste Frankreichs hat bedeutende Vorzüge. Zwar finden sich hier im westlichen Teile des Golfe du Lion die berüchtigten etangs oder Strandseeen, so daß nur Cette, wo der canal du midi endigt, in Betracht kommt, und der Rhonefluß, der keine Flut hat, führt nur Geröll in die See hinaus; aber dafür haben wir östlich von der Rhonemündung Häfen wie Marseille, Toulon und Antibes,

10. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 25

1901 - Glogau : Flemming
— 25 — zösische Mittelgebirge fällt ostwärts ziemlich steil zum Rhonethale und erscheint also hier am Ostrande als imposante Gebirgswand; nach Westen dacht es sich zu einförmigen Plateaus ab. In der Lücke zwischen Mittelgebirge und Pyrenäen findet sich eine Senke, die der canal du midi durchzieht und die also Verbindungsglied ist zwischen der westlicheren Ebene der Garonne und der Rhoneniederung. Hier ist das Gebiet von Toulouse, Languedoc und Provence, be- rühmt in der Kulturgeschichte durch das Zeitalter der Troubadoure und durch seine religiösen Erweckungen. Noch im 12. Jahrhundert blühte in diesem Landstrich der Troubadour Bertrand de Born, der mit der gewaltigen Kraft seiner Lieder die Kinder gegen den Vater, den englischen König Heinrich Ii., aufreizte: aus des Ölbaums Schlummerschatten fuhr Dein bester Sohn empor, sagt der Dichter in dem Uhlandschen Liede zu dem Vater. Die Troubadoure wurden vorbildlich für unsere deutschen Minnesänger, und noch in einer anderen Beziehung ist von hier mit Beispiel und Mahnruf das süd- liche Frankreich den nördlicheren Völkern vorangegangen. Im Kreuz- zugs-Zeitalter ist hier zuerst die Begeisterung erwacht, und das dien le volt weckte überall die kampfbereiten Scharen. Welche Erinnerungen erregen ferner Avignon und Vaucluse. In ersterem hatten die Päpste im 14. Jahrhundert ihr babylonisches Exil, die vielen Kirchen und Klöster verschafften der Stadt den Beinamen 1a ville sonnante, und in Vaucluse führte Petrarca ein einsiedlerisches Dasein und dichtete seine berühmten Sonette an Laura. Das Plateau des Felsens, auf dem die päpstlichen Bauten stehen, gewährt eine entzückende Aus- ficht über die charakteristischen Eigentümlichkeiten der proven^alischen Landschaft, die düsteren Höhen des Alpengebirges, die mit Ölbäumen bedeckte Flußebene und stromabwärts die Kieswüste der Crau und das Sumpfland Camargue. Das Klima des Landes ist paradiesisch, die Olivenpflanzungen erzeugen das Provenceöl, und die vielen Veilchen- und Thymianfelder sichern Marseille den Ruf, die be- rühmtesten Parsümeriesabriken zu besitzen. Allerdings weht mitunter, namentlich im Frühjahr, von den Alpen der böse Mistralwind hin- unter, und es ist vorgekommen, daß dann die Kälte die Oliven bis an die Wurzel zerstört hat. Wandern wir den Rhonefluß aufwärts, so kommen wir in ein namhaftes Industriegebiet, wo an 200 Menschen auf dem [nkm wohnen, es ist die Gegend von Lyon und St. Etienne. Das warme italienische Klima des Rhonethales hat neben den Oliven und Süd- srüchten noch eine dritte Pflanzung begünstigt, nämlich die der Maul- beerbäume, und so ist Lyon Europas Hauptsabrikations- und Haupt- Marktplatz für Seidenstoffe geworden; namentlich werden die geschmack- vollen Muster sehr gerühmt. Lyon ist die zweite Stadt Frankreichs mit über 400 Tausend Einwohnern — überhaupt das „industrielle
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