Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
12
Plötzlich nach Wittenberg zurück. Dort gelang es denn auch der Macht
seiner Predigt, die Ordnung bald wieder herzustellen.
3. Luther und Melanchthon.
Es war für die Reformation von großem Segen, daß Luther einen
Freund fand, der ihm in seiner Arbeit treu zur Seite stand. Das war
Philipp Melanchthon, ein sehr gelehrter und dabei milder und ruhiger
Mann. Schon als 21jähriger Jüngling wurde er Professor in Witten-
berg. Tausende von Schülern versammelten sich um ihn, und sein Ruhm
war bald so hoch gestiegen, daß mau ihn den Lehrer Deutschlands
nannte. Dieser Mann schloß sich mit ganzem Herzen Luther und seiner
Sache an. Sein tiefes Wissen und seine vortrefflichen Schriften förderten
die neue Lehre, und wenn Luther einmal allzufeurig dareinfahreu wollte,
so mäßigte ihn der besonnene Rat des sanften Melanchthon. —
Beide Männer waren nun eifrig thätig, die Reformation ins Leben
einzuführen. Die Mißbräuche der Kirche wurden beseitigt, die lateinische
Messe wurde abgeschafft, den Mönchen Freiheit erteilt, die Klöster zu ver-
lassen, den Geistlichen erlaubt, in die Ehe zu treten. Luther selbst legte die
Mönchskutte ab und verheiratete sich mit Katharina von Bora, einer
tugendhaften Jungfrau, die früher Nonne gewesen war. Für den neuen
evangelischen Gottesdienst besorgte Luther ein Gesangbuch; er selbst
dichtete schöne Lieder, wie z. B. Ein' feste Burg ist unser Gott. Für
den Unterricht im Christentume schrieb er einen trefflichen Katechismus.
Den Gemeinden wurden tüchtige Prediger des Evangeliums gestellt, auch
wurde mit vielem Eifer für Errichtung von Schulen gesorgt. Bald hatte
sich die Reformation nicht nur in Sachsen befestigt, sie fand auch in vielen
anderen Gegenden Deutschlands Eingang bei Fürsten und Volk und ver-
breitete sich auch nach anderen Ländern.
4. Luthers Tod.
Luther betete und arbeitete für sein großes Werk bis an sein Ende.
Unablässig riet er zum Frieden, damit sich um seiner Lehre willen kein
Krieg entzündete. Das ist denn auch nicht geschehen, so lange er lebte.
Durch die angestrengte Arbeit war sein Körper endlich schwach und
gebrechlich geworden. Obgleich schmerzhafte Krankheit ihn niederbeugte,
reiste er doch mitten im Winter 1546 nach Eisleben, um zwei feindliche
Brüder zu versöhnen. Dort, in seiner Geburtsstadt, starb er am 18. Februar.
Seine letzten Worte waren: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen
Geist; du hast mich erlöset, du mein getreuer Gott." Seine Leiche wurde,
von vielen trauernden Menschen begleitet, nach Wittenberg gebracht und
mit großen Feierlichkeiten in der Schloßkirche bestattet. Tausende weinten
au seinem Grabe. Andrä.
4. Luther beim Tode seines Töchterleins.
Magdalenchen, das liebe Töchterlein des frommen Mannes Luther,
lag einstmals sehr krank danieder. Das betrübte den Vater tief, und er
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T161: [Luther Wittenberg Jahr Martin Freund Wartburg Universität Melanchthon Kurfürst Worms], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Melanchthon Philipp_Melanchthon Philipp Melanchthon Katharina_von_Bora
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
20
tapferer Kapitän, Namens Schmidt, der in dieser allgemeinen Verwirrung
die Entschlossensten noch einmal gegen den Feind führt und glücklich genug
ist, ihn bis an das Thor zurückzutreiben, fällt tödlich verwundet, Magde-
burgs letzte Hoffnung mit ihm. Alle Werke sind noch vor Mittag erobert,
die Stadt ist in Feindes Händen.
Zwei Thore werden jetzt von den Stürmenden der Hauptarmee ge-
öffnet, und Tilly läßt einen Teil seines Fußvolkes einmarschieren. Es
besetzt sogleich die Hauptstraßen, und das aufgepflanzte Geschütz scheucht
alle Bürger in ihre Wohnungen, dort ihr Schicksal zu erwarten. Der
Soldat stürzte in das Innere der Häuser, um ungebunden der Raubsucht
und Plünderung sich hinzugeben. Vor manchem deutschen Ohre fand die
flehende Unschuld Erbarmen, keines vor dem tauben Grimme der Wallonen
aus Pappenheims Heere. Eine Würgescene fing jetzt an, für welche die
Geschichte keine Sprache und der Maler keinen Pinsel hat. Nicht die
schuldfreie Kindheit, nicht das hilflose Alter, nicht Jugend, nicht Geschlecht,
nicht Stand, nicht Schönheit konnten die Wut des Siegers entwaffnen. Die
Kroaten Tillys und die Wallonen Pappenheims überschritten weit des
Feldherrn strengen Befehl, außer dreistündiger Plünderung sich bei Todes-
strafe keinen anderen Ausschreitungen zu überlassen.
Zu der Wut verwilderter Menschen gesellte sich leider noch die Wut
des Feuers. Es erhob sich ein Sturmwind, der die Flammen mit reißender
Schnelligkeit durch die ganze Stadt verbreitete und den Brand allgemein
machte. Fürchterlich war das Gedränge durch Qualm und Leichen, durch
gezückte Schwerter, durch stürzende Trümmer, durch das strömende Blut.
Die Atmosphäre kochte, und die unerträgliche Glut zwang endlich selbst
die Würger, sich in das Lager zu flüchten. In weniger als zwölf Stunden
lag diese volkreiche, feste, große Stadt, eine der schönsten Deutschlands,
in der Asche, zwei Kirchen und einige Hütten ausgenommen.
Kaum hatte sich die Wut des Brandes gemindert, als die kaiserlichen
Scharen mit erneuertem Hunger zurückkehrten, um unter Schutt und Asche
ihren Raub aufzuwühlen. Manche erstickte der Dampf; viele machten
große Beute, da die Bürger ihr Bestes in die Keller geflüchtet hatten. Am
13. Mai erschien endlich Tilly selbst in der Stadt, nachdem die Hauptstraßen
von Schutt und Leichen gereinigt toaren. Schauderhaft gräßlich, empörend
war die Scene, welche sich jetzt der Menschlichkeit darstellte! Lebende, die
unter den Leichen hervorkrochen, herumirrende Kinder, die mit herz-
zerschneidendem Geschrei ihre Eltern suchten, Säuglinge, die an den toten
Brüsten ihrer Mütter lagen! Mehr als 6000 Leichen mußte man in die
Elbe werfen, um die Gassen zu räumen; eine ungleich größere Menge von
Lebenden und Leichen hatte das Feuer verzehrt; die ganze Zahl der Ge-
töteten wird auf 30 000 angegeben. Gegen 1000 Menschen wurden noch
lebend ans der Domkirche gezogen, wo sie drei Tage und zwei Nächte in
beständiger Todesfurcht und ohne Nahrung zugebracht hatten. Tilly ließ
ihnen Pardonh ankündigen und Brot unter sie verteilen. Den Tag darauf
Z Pardon — Verzeihung, Gnade.
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
28
nun in aller Stille seine Massregeln traf. In dem Augenblicke, da der
Kronprinz sein Vorhaben ausführen wollte, wurde er verhaftet. Als
ihn die Wache vor den König brachte, geriet dieser so in Zorn, dass er
mit dem Degen auf ihn zustürzte, um ihn zu durchbohren. Der General
von der Mosel sprang dazwischen, hielt des Königs Arm zurück und rief:
,,Sire! Durchbohren Sie mich, aber schonen Sie Ihres Sohnes!11
Bald darauf safs Friedrich, den der König von jetzt an nur den
entlaufenen Fritz nannte, im engen Gefängnis zu Küstrin. Ein
hölzerner Schemel war sein Sitz, der Fufsboden sein Bett, ganz magere
Kost seine Nahrung. Keith hatte vom Kronprinzen noch zur rechten
Zeit einen Zettel erhalten mit den Worten: „Betten Sie sich, alles ist
entdeckt !u und war glücklich nach England entkommen. Der arme Katte
aber wurde in Berlin verhaftet, als Deserteur zum Tode verurteilt und
in Küstrin vor den Augen des Kronprinzen enthauptet. „ Verzeihung,
teurer Katte !1‘ rief weinend der Gefangene aus seinem Fenster dem Un-
glücklichen zu. „Der Tod für einen solchen Brinzen ist süss“, gab
dieser zur Antwort.
Der König wütete nun gegen alle, die dem Kronprinzen nahe
standen und liess ihn selber durch ein Kriegsgericht zum Tode verurteilen.
Da rief der alte General Buddenbrock: „Wenn Ew. Majestät Blut wollen,
so nehmen Sie meins; das des Kronprinzen bekommen Sie nicht, so-
lange ich noch reden darf!“ Ebenso sprach der Fürst von Dessau, und
der Kaiser liess dem Könige durch seinen Gesandten sagen, der Kronprinz
dürfe nur auf einem Reichstage gerichtet werden. Als der König er-
ividerte, dass er über seinen Sohn in Königsberg Gericht halten werde,
wo niemand über ihm stehe, sagte der Probst Reinbeck: „Niemand als
Gott, und dem werden Ew. Majestät über das Blut Ihres Sohnes
Rechenschaft geben müssen.“ Bei diesen Worten wurde der König nach-
denklich und sprach nicht mehr von der Todesstrafe.
Friedrich blieb jetzt in Küstrin und wurde anfangs so strenge ge-
halten, dass er nicht einmal Licht in seinem Kerker brennen durfte.
Die religiösen Gespräche, die er täglich mit dem Feldprediger Müller
hielt, machten einen so lebhaften Eindruck auf ihn, dass er in einem
Briefe an seinen Vater sein Unrecht bekannte und in den demütigsten
Ausdrücken um Verzeihung bat. Jetzt versprach ihm der König Be-
gnadigung, wenn er eidlich geloben wolle, sich ivegen des Vorgefallenen
an keinem Menschen zu rächen und künftig in allen Stücken seinem
Vater gehorsam zu sein. Nachdem Friedrich diesen Eid in Gegenwart
mehrerer Minister und Generale abgelegt hatte, erhielt er Orden und
Degen zurück, musste aber noch mehrere Jahre in Küstrin als Kriegs-
rat arbeiten. Das that Friedrich mit grossem Fleifse und lernte die
Regierungsgeschäfte gründlich kennen. Am Vermählungstage der Prin-
zessin Wilhelmine liess ihn der Vater heimlich kommen, trat plötzlich
mit ihm in den Speisesaal und führte ihn der hochbeglückten Mutter
mit den Worten in die Arme: „Da ist der Fritz!“ Bald darauf übergab
er ihm ein Regiment und kaufte ihm noch das Lustschloss Rheinsb er g.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T38: [Friedrich Wilhelm König Kaiser Iii Prinz Jahr Preußen Vater Sohn], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Fritz Keith Buddenbrock Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Wilhelmine Fritz!
Extrahierte Ortsnamen: England Berlin Küstrin Dessau Königsberg Küstrin Lustschloss_Rheinsb
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Auflagennummer (WdK): 6
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
66
seiner Freiheit und Ehre alle anderen Gefühle verschlang, alle anderen sonst er-
laubten Rücksichten und löblichen Verhältnisse aufhob. Die Menscheil fühlten
es, sie waren gleich geworden durch das lange Unglück, sie wollten allch
gleich sein im Dienste und im Gehorsam. Und so sehr erhob die heilige Pflicht
und das gemeinsame Streben, wovon sie beseelt waren, alle Herzen, daß
das Niedrige, Gemeine und Wilde, dem in getümmelvollen Zeiten der
Bewaffnungen und Kriege eine so weite Bahn geöffnet ist, nicht aufkommen
konnte. Die heilige Begeisterung dieser unvergeßlichen Tage ist dilrch keine
Ausschweifung und Wildheit eiltweiht worden; es war, als fühlte auch der
Kleinste, daß er ein Spiegel der Sittlichkeit, Bescheidenheit und Rechtlichkeit
sein müsse, wenn er den Übermut, die Unzucht und Prahlerei besiegen
wollte, die er an den Franzosen so sehr verabscheut hatte. Was die Männer
so unmittelbar unter den Waffen und für die Waffen thaten, das that das
zartere Geschlecht der Frauen durch stille Gebete, brünstige Ermahnungen,
fromme Arbeiten, menschliche Sorgen und Mühell für die Ausziehenden,
Krankeil und Verwundeten. Wer kann die unzähligen Opfer und Gaben
jener Zeit zählen, die zum Teil unter den rührendsten Umständen dargebracht
worden sind? Wer kann die dem Vaterlande elvig teuren Namen der Frauen
und Jungfrauen aufrechnen, welche in einzelnen Wohnungen oder in Kranken-
häusern die Nackenden gekleidet, die Hungrigen gespeist, die Kranken gepflegt
und die Verwundeten verbunden haben? So geschah es von einem Ende
des Reichs bis zum andern, doch gebührte Berlin der Vorrang; diese Stadt
hat bewiesen, daß sie verdient, der Sitz ihrer Herrscher zu sein. Freue dich
deiner Ehren, wackere Stadt! Die alten Unbilden sind vergessen. Ruhm
und Glück werden wieder ihren Wohnsitz bei dir aufschlagen. Ich sage nur
das eine: Es war plötzlich, wie durch ein Wunder Gottes, ein großes
und würdiges Volk erstanden.
So hat das preußische Volk sich offenbart; so sind die Wunder^ die
uns Deutschen vom Guadalquivir und Ebro, vom Dniepr und von der
Düna verkündigt wurden, auch bei uns erneuet; so ist Gott und Gottes
Kraft und eine Begeisterung, die wir nicht begreifen können, auch unter uns
erschienen. Die Preußen hatten Fehrbellinz und Hochstädt^), Turins und
Malplaqnet Z, sie hatten die Tage von Roßbachs) und Leuthei?), die Schlachten
von Torgau Z und Zorndorsff — sie haben nie Tage gehabt, wie die von
Groß-Görscherü) undvonderkatzbackffo), von Dennewitz^) und von Leipzigs);
denn sie haben nie vorher weder mit einem so großen Geiste, noch für eine so
große Sache das Schwert gezogen. Daß wir jetzt frei atmen, daß wir
fröhlich zu den Sternen blicken und Gott anbeten, daß wir unsere Kinder
wieder mit Freuden ansehen können, als die da künftig freie Männer sein
werden: das danken wir nächst Gott diesen Beginnern der deutschen Herr-
lichkeit; sie sind uns übrigen Deutschen, wie verschiedene Namen wir auch
führen mögen, die glorreichen Vertreter und das erste Beispiel der Freiheit
und Ehre geworden. Arndt.
18. Juni 1675. 2) 1704. 8) 1706. ff 1709. ff 5. Nov. 1757. ff 5. Dez. 1757.
ff 1760. ff 1758. ff 20. Mai 1813. 'ff 26. Äug. 1813. »ff 6. Sept. 1813
»ff 16—19. Okt. 1813.
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TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe]]
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Gottes Gottes Turins Leuthei Torgau Leipzigs
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
40
eine Glocke aus gutem Erz gegossen, klingend und singend unterm
Volke von der Gnade Gottes nun schon seit beinahe zweihundert
Jahren.
August Hermann Francke ist in der zweiten Hälfte des Jahr-
hunderts zur Welt gekommen, da der dreißigjährige Krieg unser
Deutschland mit seinen Flammen und Greueln jämmerlich zurichtete.
Er ward in der freien Stadt Lübeck im Jahre 1663 geboren.
Da seine Eltern fromme Christen waren, wußten sie auch ihrem
Sohne kein besseres Erbteil mitzugeben, als daß sie ihn in der Zucht
und Vermahnung zum Herrn erzogen. Und Gott gab seinen Segen
dazu. Als der Knabe erst ins zehnte Jahr ging, bat er seine
Mutter, sie möchte ihm doch ein stilles Kämmerlein im Hanse ein-
räumen, daß er daselbst ungestört beten und lernen könne. Hier hat
die kindliche Seele mit ihrem himmlischen Vater fleißigen Verkehr
gehabt und besonders dies Gebet oftmals inbrünstig gethan: „Lieber
Gott, es müssen ja allerlei Stände und Hantierungen sein, die doch
alle endlich zu deiner Ehre gereichen; aber ich bitte dich, du wollest
mein ganzes Leben bloß und allein zu deiner Ehre lassen ge-
richtet sein."
Und der liebe Gott that also. — August Hermann machte in
raschem Laufe die niederen und die hohen Schulen durch, zu Erfurt
und zu Kiel, lernte in Hamburg bei einem berühmten Lehrer das
Hebräische, um Gesetz, Propheten und Psalmen in ihrer Ursprache
lesen zu können, und zu Leipzig ward er Magister der Gottes-
gelahrtheit und nahm daselbst mir den jungen Studenten das Bibel-
buch vor, daß sie darinnen heimisch werden möchten. Danach war
er ein Jahr lang Lehrer einer Hamburger Schule. Hier ward er
zu seiner Herzensbetrübnis gewahr, wie elendiglich es um die Kinder-
zncht stand, und der Gedanke stieg in seiner Seele ans, ob er wohl
dazu helfen möchte, daß das verkommene Erziehungswesen wieder
ans bessere Wege gebracht werde.
Einen frommen Gedanken läßt der Himmel nimmer verloren
gehen. Er behält seine Keimkraft, wenn er schon bisweilen für
unsere Ungeduld viel zu lange stille liegen muß. Endlich aber weht
von oben her die Frühlingsluft über ihn, und er bricht hervor wie
eine Blume aus ihrer Knospe. Francke ward aus der Hamburger
Schule als Prediger nach Erfurt gerufen. Hierselbst predigte er
zwei Jahre lang in der Augustinerkirche gewaltig das Wort Gottes,
daß die ganze Stadt davon bewegt ward, und verbreitete die heilige
Schrift und andere fromme Bücher unter das Volk. Darüber er-
bosten sich die Neider und Feinde des Evangeliums dermaßen, daß
sie ihn mit Gewalt zwangen, die Stadt zu verlassen.
Aber das mußte also kommen, damit er nun vom Finger Gottes
an den Ort hingewiesen würde, wo er anheben sollte, die schönste
Arbeit seines Lebens auszurichten.
Nämlich er ward jetzt Professor an der Hochschule zu Halle,
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann]]
Extrahierte Personennamen: August Hermann_Francke August Hermann Francke
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Deutschland Erfurt Hamburg Erfurt Gottes
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
68
37. Körner an seinen Vater.
Wien, am 10. März 1813.
Liebster Vater! Ich schreibe Dir diesmal in einer Ange-
legenheit, die, wie ich das feste Vertrauen zu Dir habe, Dich
weder befremden noch erschrecken wird. Neulich schon gab ich
Dir einen Wink über mein Vorhaben, das jetzt zur Reife gediehen
ist. — Deutschland steht auf; der preussische Adler erweckt in
allen deutschen Herzen durch seine kühnen Flügelschläge die
grosse Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen
Freiheit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande — lass
mich ihr würdiger Jünger sein! — Ja, liebster Vater, ich will
Soldat werden, will das hier gewonnene glückliche und sorgen-
freie Leben mit Freuden hinwerfen, um, sei’s auch mit meinem
Blute, mir ein Vaterland zu erkämpfen. — Nenn’s nicht Übermut,
Leichtsinn, Wildheit! — Vor zwei Jahren hätte ich es so nennen
lassen, jetzt, da ich weiss, welche Seligkeit in diesem Leben
reifen kann, jetzt, da alle Sterne meines Glückes in schöner
Milde auf mich niederleuchten, jetzt ist es, bei Gott! ein würdiges
Gefühl, das mich treibt, jetzt ist es die mächtige Überzeugung,
dass kein Opfer zu gross sei für das höchste menschliche Gut,
für seines Volkes Freiheit. Vielleicht sagt Dein bestochenes
väterliches Herz: Theodor ist zu grösseren Zwecken da, er hätte
auf einem andern Felde Wichtigeres und Bedeutenderes leisten
können, er ist der Menschheit noch ein grosses Pfund zu berechnen
schuldig. Aber, Vater, meine Meinung ist die: Zum Opfertode
für die Freiheit und für die Ehre seiner Nation ist keiner zu
gut, wohl aber sind viele zu schlecht dazu!
Dass ich mein Leben wage, das gilt nicht viel; dass aber
dies Leben mit allen Blütenkränzen der Liebe, der Freundschaft,
der Freude geschmückt ist, und dass ich es doch wage, dass ich
die süsse Empfindung hinwerfe, die mir in der Überzeugung
lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst zu bereiten, das ist ein
Opfer, dem nur ein solcher Preis entgegengestellt werden darf. —
In Breslau, als dem Sammelplätze, treffe ich zu diesen freien
Söhnen Preussens, die in schöner Begeisterung sich zu den
Fahnen ihres Königs gesammelt haben. Ob zu Fuss oder zu
Pferd, darüber bin ich noch nicht entschieden und kommt einzig
auf die Summe Geldes an, die ich zusammenbringe. — Tonie1)
hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre grosse, edle Seele
bewiesen. Sie weint wohl, aber der geendigte Feldzug wird
ihre Thränen schon trocknen. — Die Mutter soll mir ihren Schmerz
vergeben, wer mich liebt, soll mich nicht verkennen, und Du
wirst mich Deiner würdig findem * *)
- Dein Theodor.
*) Körners Braut. Körner.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
42
Als nun das Gerücht davon sich weiter durch die Stadt ver-
breitete, wurde die Armenschule oftmals auch von anderen Gemeinde-
gliedern und Bürgern besucht; denn die Leute hatten solches noch
nicht erlebt und waren neugierig, was das werden solle. Einige
aber, welche sahen, daß die Kinder hier so fein unterrichtet würden,
nahmen es sich zu Herzen und wollten ihren eigenen Kindern auch
so gute Lehre gönnen und erboten sich ans freien Stücken Schulgeld
dazu herzugeben. Und Francke nahm sie mit Freuden ans. In dem-
selben Sommer wuchs die Zahl aller Schüler schon auf 50 bis 60.
Dies alles geschah im Jahre 1695. Als der Herbst kam, reichten
die Stuben im Pfarrhanse nicht mehr ans für die Menge der Schü-
ler. Darum mietete Francke jetzt ein besonderes Hans und verordnete,
daß daselbst die Kinder der Armen und der Bürger in zwei Ab-
teilungen unterrichtet würden. Solches konnte er schon ausführen;
denn Gott hatte vieler Menschen Herzen so mitleidig gemacht, daß
die Unterstützungen in kurzer Zeit gar reich flössen.
Aber die Liebe ist wie ein Strom. Je weiter er fließt, desto
tiefer gehen seine Gewässer, desto höher schlagen seine Wellen, desto
schwerer trägt er ans seinem Rücken.
Francke's Herz wallte über vor Dank gegen Gott, wenn er
unter seinen Kindern stand und sah, wie die jungen Seelen znm
Himmel aufblühten. Aber eines machte ihm Schmerz. Er merkte
nämlich bald, daß manches mühsam eingesäete und hoffnungsvoll
anfgegrünte Wort draußen ans der Straße im Verkehr mit der Welt
wieder zertreten und vergessen ward. So kam ihm der Gedanke,
etliche Kinder ganz in Aufsicht und Pflege zu nehmen. Davon sagt
er nachher selbst: „Das war in meinem Gemüte die erste Ver-
anlassung und der erste Anschlag zur Aufrichtung eines Waisenhauses,
ohne daß ich das geringste Kapital dazu wußte." Aber Gott hatte
insgeheim schon eins bereit gelegt. Denn gleich darauf setzte ein
frommes Menschenkind 500 Thaler ans, von denen Francke jährlich
die Zinsen zur Erziehung armer Kinder erheben sollte. Dazu wollte
er sich, wie er sagt, „ein armes Waiselein" aufsuchen. Aber es
wurden ihm gleich vier genannt, die in denselben Nöten steckten.
Da nahm er sie in Gottes Namen alle ans. In den folgenden
Tagen wurden ihm noch fünf verlassene Kinder zugeführt, und auch
diese nahm er zu den anderen. Da er diese neun Waisen nicht in
dem eigenen Hanse beherbergen konnte, brachte er sie zu gottes-
fürchtigen Familienvätern der Nachbarschaft, und ein frommer Student
mußte alle Tage bei denselben ans- und eingehen, daß sie beaufsich-
tigt und behütet wurden.
Und Gott segnete das Werk, welches August Hermann Francke
begonnen hatte.
Nach wenigen Monaten waren durch Geschenke über 1400 Thaler
zusammen gekommen. Da nahm sich Francke das Herz, ein eigenes
Hans zu kaufen, daß er seine Waisenkinder, deren jetzt schon 18 ge-
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TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
Extrahierte Personennamen: Francke Francke Hans Francke August Hermann_Francke Francke
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
44
er in seinem Garten ans nnb ab. Es war gerade Frühling und
blauer Himmel und heller Sonnenschein, und die Lilien und die Rosen
blühten im ganzen Garten. Da sprach er in seinem Herzen: „Schauet
die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen, sie arbeiten nicht, auch
spinnen sie nicht. Ich sage ench aber, daß anch Salomo in aller
seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist, als derselben eins."
Daranf fing er an, ans Grund der Seele zu beten. Und als er ans
dem Garten ins Haus gegangen war, fand er eine nene Gabe, und
eine Stunde daranf kam noch eine andere hinzu. Da hatte die Be-
drängnis ein Ende. So antwortete Gott mit seiner Hilfe ans den
betenden Glauben und ließ nicht ab, bis der Ban unter Dach stand
und der letzte Nagel in die Wand geschlagen war.
Gegen das Lebensende Frauckes waren in seiner Anstalt 134
Waisenkinder und 2207 andere Kinder, die von 175 Lehrern unter-
richtet und an Leib und Seele gepflegt wurden; und 255 arme
Studenten setzten sich daselbst alle Mittage umsonst an den Tisch.
Er starb unter Gebet und Gesang der Seinen, die um sein Bett her
standen, am 8. Juni 1727.
Wenn du nach Halle kommst und fragst nach der Franckeschen
Waisenanstalt, so zeigt man dir eine lange Häuserreihe, die beinahe
eine Straße einnimmt. In derselbigen wird seit beinahe zweihundert
Jahren gelehrt und gelernt, erzogen und gerettet bis aus diesen Tag.
Und über dem Hauptthore predigt der Prophet Jesaia diesen
Spruch: „Die ans den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie
auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt
werden, daß sie wandeln und nicht müde werden."
Huusrückcr Chronist.
26. Ernst Moritz Arndts Kinderjahre.
Zn Anfange des 18. Jahrhunderts kam ein schwedischer Unter-
offizier, Namens Arndt oder zu deutsch Adler, nach der Insel Rügen,
wo er in ein Banernwesen der Herrschaft Putbns einheiratete.
Sein Sohn war unterthäniger Schäfer zu Putbus und Darnsband,
brachte es aber zu einem leidlichen Wohlstände und hatte viele Kin-
der. Das vorletzte derselben war der Vater unsers Ernst Moritz
und hieß Ludwig Nikolaus Arndt. Der ward ein rüstiger, brauch-
barer Bursche und der Liebling seines Herrn, des Grafen Putbns.
Er begleitete denselben mehrere Jahre hindurch auf Reisen, und zur
Zeit des siebenjährigen Krieges, als die Schweden, unter deren
Herrschaft damals noch Rügen stand, ein Heer gegen den alten Fritz
schickten, diente er ihm als treuer Bote bei allerlei mißlichen Sen-
dungen. Dadurch kam Ludwig Nikolaus Arndt mit vornehmen
Leuten zusammen und eignete sich allmählich selber die Art eines
gebildeten Mannes an. Nach dem Kriege ließ ihn der Gras zur
Belohnung seiner treuen Dienste frei und machte ihn zuletzt sogar
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Extrahierte Personennamen: Gott Ernst Moritz_Arndts Arndt Ernst_Moritz Ernst Ludwig_Nikolaus_Arndt Ludwig Nikolaus Ludwig_Nikolaus_Arndt Ludwig Nikolaus
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
47
knixen und jedem die Hand küssen, sonst aber waltete eine gute,
kräftige Zucht und Sitte im Hause. Bei den Knaben legte der Vater
besonderes Gewicht auf die Abhärtung des Körpers; er pflegte wohl
zu sagen: Ein Junge, der einmal Stahl und Eisen anfassen müsse,
dürfe nicht in Baumwolle eingepackt werden. Manchen Ritt hat
Ernst Moritz in strömendem Regen oder dicht fallendem Schnee
gemacht, ohne Mantel und Überrock, wenn es galt, in der Nachbar-
schaft etwas zu bestellen. Ging der Vater mit dem alten Ohm zur
Jagd, so ward der Bube gewöhnlich aufs Pferd gesetzt und zu bei-
den Seiten waren Bänder an den Sattel gebunden, woran die Hasen
und die schnell abgestreiften Fuchsbälge ausgehängt wurden. So
mußte er dann vom Morgen bis Abend oft durch Sturm, Regen
und Schneegestöber den beiden noch rüstigen Männern folgen und
durfte nicht mucksen, wie er auch vor Kälte und Nässe innerlich
schaudern mochte. Und er that's gerne; gab's doch der Abenteuer
so viele dabei, daß er auch für sein jugendlich feuriges Herz immer
Ausbeute fand. Selbst noch jung und kräftig, fühlte der Vater für
die Knaben kein weichliches Mitleid. Arndt erzählt, wie er einmal
als Junge von 9 bis 10 Jahren in einem fremden Hanse auf dem
Stuhle eingeschlafen war. Es war Winter, und draußen starrte
alles von Eis und Schnee. Nachts um 12 Uhr wurde er vom Vater
aufgerüttelt, und schlaftrunken kroch er hinaus in den offenen Schlü-
ten. So oft sie durch Dörfer kamen, mußte er dann heransspriugeu,
um die Schlagbäume zu öffnen. Mehrere Male warf ihn der Vater
recht absichtlich hinaus in den liefen Schnee, daß er um und um
kegelte, als wär's auf der grünen Maiwiese. Wehe ihm, wenn er,
sich herauswühlend und hinter dem Schlitten herlaufend, eine weiner-
liche Gebärde gezeigt hätte! Das war eine seltsame Vaterliebe; aber
sie hat doch ihre guten Früchte getragen, und Arndt ist sein Leben
lang dafür dankbar gewesen.
Daß es bei der jugendlichen Schar nicht ohne die gewöhnlichen
mutwilligen Streiche und Heldenthaten lebhafter Kinder abging, läßt
sich denken. Zweimal ist Ernst Moritz in augenscheinlicher Lebens-
gefahr gewesen. Das erste Mal brach er auf einein Teiche durchs
Eis und war schon einmal versunken, als sein älterer Bruder ihn
erfaßte und herauszog; das andere Mal hatte er sich zur Erntezeit
auf ein Pferd des schwer beladenen Erntewagens geschwungen und
war bei einem Sprunge desselben herabgestürzt. Das Rad ging ihm
über den Kopf, so daß Haut und Haare abgestreift wurden. Weiter
jedoch erhielt er keine Verletzung. Wahrscheinlich hat das Rad un-
mittelbar vorher einen Sprung iiber einen Stein gemacht und war
also halb in der Luft leichthin über ihn weggegangen. Wie's aber
auch zu erklären sein mag, jedenfalls hat Gottes Hand schirmend
über dein Knaben gewaltet.
Im Jahre 1780 zog der Vater in die nordwestliche Ecke Rügens
zur Übernahme zweier Güter, Grabitz und Breesen. Jetzt kam auch
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Extrahierte Personennamen: Ernst_Moritz Ernst Arndt Ernst_Moritz Ernst Grabitz
Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
Auflagennummer (WdK): 6
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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immer aber fand man dieselbe ungeschminkte Gastlichkeit und Herz-
lichkeit. Unter den Verwandten war einer besonders für Ernst Moritz
eine anziehende Persönlichkeit, der älteste noch lebende Sproß der
Familie, Hinrich Arndt, in der Nachbarschaft stets nur: Vater Arndt!
genannt. Das war ein echter, kernhafter deutscher Bauer, wie man
ihrer wenige noch sindet. Er war stets heiter und wohlgemut. Kein
Unfall konnte seinen Sinn betrüben, stets quoll er über von Scherz
und Schwank. Nur unsittliche Scherze mochte er nicht leiden; die
waren ihm aufs tiefste verhaßt; wie denn sein frischer Lebensmut
sich durchaus auf echte Frömmigkeit gründete. Von ihm hat Ernst
Moritz die letzte Ohrfeige bekommen. Der Alte war nämlich ein
guter schwedischer Unterthan und konnte nichts weniger vertragen,
als wenn in seiner Gegenwart unehrerbietig von der Obrigkeit ge-
sprochen wurde. Als nun einmal Ernst Moritz, schon in den Jüng-
lingsjahren, sich zu einem harten Worte gegen den König von
Schweden hinreißen ließ, versetzte jener ihm eine klingende Schelle
mit den Worten: „Junge, sollst du-so von unserem König sprechen?!"
So war also die ganze Umgebung und Erziehung, in der Arndt
aufwuchs, recht dazu angethan, jenen mannhaften, kräftigen und zu-
gleich frommen und fröhlichen Heldensinn bei ihm auszubilden, den
er nachher in schwerer Zeit beständig bewährte. Der kühne Trotz,
mit welchem er später dem gefürchteten Welteroberer seine Zornes-
worte ins Angesicht schleuderte, und das gläubige Gottesvertrauen,
das ihn auch in den dunkelsten Tagen nicht verzagen ließ, es sind
Gewächse, welche unter dem Einflüsse dieses echt deutschen Volks-
lebens gekeimt sind. So oft Arndt als Mann und Greis auf seine
Kindheit zurückschaute, durchzog eine tiefe, selige Wehmut seine starke
Seele. Im Jahre 1811, als noch fast ägyptische Finsternis auf dem
Vaterlande ruhte, hat er gesungen:
Himmlischer Vater,
du, der uns alle
seine Kinder nennt,
o, mache mich wieder
wie ein unschuldiges Kind!
Ach! nur ein Lallen,
ein leises Stammeln
jener Gefühle,
jener Kinderspiele!
Nur einen Schimmer
jener Gestalten!
Einen Ton jener Klänge!
O, warum blieb ich
nicht ewig ein Kind?
Kaiserswerther Kalender 1871.
27. Aus Schillers Jugendlehen.
Johann Christoph Friedrich Schiller ward den 10. No-
vember 1759 zu Marbach im Hause seiner Grosseltern geboren. Hier
erwuchs das Kind, anfangs ferne von der Aufsicht eines strengen
Vaters, an der Brust einer zarten Mutter, blauäugig, langhalsig, sommer-
fleckig, rotlockig wie diese, und entfaltete sich unter heiteren und har-
monischen Eindrücken. Schiller selbst zählte die späteren Besuche in
dem grosselterlichen Hause zu seinen freundlichsten Jugenderinnerungen.
Vaterland Ii. 4
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Extrahierte Personennamen: Ernst_Moritz Ernst Hinrich_Arndt Ernst
Moritz Ernst Ernst_Moritz Ernst Arndt Schillers Johann_Christoph_Friedrich_Schiller Johann Friedrich Schiller