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Delphischen Orakels bei seinen Mitbürgern standen, reiste er
zuvor nach Delphi, um das Orakel zu befragen, ob die Ge-
setze, die er den Spartanern geben wollte, dem Staate heil-
sam wären. In Delphi begrüßte ihn die das Orakel er-
theilende Priesterin mit dem Spruche:
Her, o Lykurgos, kommst du zu meinem gesegneten Tempel.
Du, von Zeus geliebt und von sämmtlichen Himmelsbewohnern;
Soll ich als Gott dich begrüßen, so srag' ich mich, oder als Menschen?
Aber ich meine, du bist wohl eher ein Gott, o Lykurgos!
und sagte ihm, daß er den Spartanern die beste von allen
Verfassungen geben würde. Durch die Antwort ermuthigt,
besprach er sich mit seinen Freunden über die neuen Gesetze,
die er geben wollte, und forderte sie zur Mitwirkung aus.
Alsdann theilte er seine Absicht mehreren angesehenen Spar-
tanern mit und zog einst mit dreißig bewaffneten Anhängern
auf den Marktplatz, um die Gegner durch Furcht im Zaum
zu halten. Anfangs entstanden Unruhen, und sogar König
Charilaos floh, in der Meinung, daß Lykurgos einen Anschlag
gegen ihn im Sinne führe, bald aber ließ er sich durch eid-
liche Zusicherung, daß er nichts Uebeles erleiden werde, be-
reden, an den neuen Einrichtungen Theil zu nehmen.
Zuerst setzte Lykurgos den Rath der Alten ein, welcher
, aus achtundzwanzig Mitgliedern, die das sechszigste Jahr
Zurückgelegt und ein tadelloses Leben geführt haben mußten
und aus den beiden Königen, also aus dreißig Personen be-
stand. Merkwürdig war die Art und Weise, wie die neuen
Mitglieder dieses Rathes gewählt wurden. Auserlesene
Männer schlossen sich in ein Haus ein, von dem aus sie
Alles hören, aber nicht sehen konnten, was draußen in der
Volksversammlung vorging. Nun schritten die Bewerber
einzeln vor der Versammlung einher, und die in dem Hause
eingeschlossenen Beamten merkten sich, wie bei den einzelnen
Vorübergehenden das Volk stärker oder schwächer schrie, je
nachdem ihm der Bewerber mehr oder weniger lieb war.
Derjenige, bei welchem das Volk am lautesten geschrien,
wurde als Mitglied in den Rath aufgenommen. Alsdann
theilte Lykurgos die Ländereien der Spartaner in 9000 gleiche
Theile, so daß auf jeden Spartaner ein Theil kam, der hin-
reichte, ihn mit seiner Familie zu ernähren. Das Land der
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94
Lykurgos vor den Steinwürfen seiner Gegner vom Markte
fliehen mußte. Aber ein Jüngling, Namens Alk an der,
verfolgte ihn und schlug ihm, als er sich umwandte, mit dem
Stock ein Auge aus. Lykurgos drehte sich gelassen um und
zeigte dem Volke sein blutiges Gesicht. Da ergriff Scham
und Reue die Anführer und sie lieferten den Alkander dem
Lykurgos aus. Dieser nahm ihn mit in sein Haus, und
ohne ihm ein hartes Wort zu sagen oder ein Leid zuzufügen,
befahl er ihm nur, ihn zu bedienen. In der täglichen Um-
gebung des Lykurgos hatte Alkander Gelegenheit, den edeln
und sanften Charakter desselben, seine einfache, strenge Lebens-
art und seine rastlose Thätigkeit und Ausdauer kennen zu
lernen, so daß er zu seinen Freunden sagte, Lykurgos sei
weder streng noch eigenmächtig, sondern vor allen Andern
sanft und milde. So wurde Alkander aus einem erbitterten
Gegner ein Freund des Lykurgos.
Eine besondere Sorgfalt wendete Lykurgos der Erziehung
und Pflege der Kinder zu. Gleich nach der Geburt wurde
jedes Kind den Aeltesten gebracht, und wenn es wohlgebildet
und kräftig war, aufgezogen, war es aber schwach und ge-
brechlich, in den Höhlen des Taygetos zum Verhungern aus-
gesetzt, denn Lykurgos betrachtete alle Kinder als Eigenthum
des Staates und wollte nur kräftige Bürger erziehen. Bis
zum siebenten Jahre erhielten die Knaben die Pflege ihrer
Mütter, von da an wurden sie in die Knabenabtheilungen
aufgenommen und öffentlich erzogen. Sie spielten und scherz-
ten unter der Aufsicht eines älteren Knaben, von dem sie
Anleitung und nach Befinden auch Strafe empfingen, wobei
oft ältere Leute zugegen waren. Die Erziehung bezweckte
den Gehorsam gegen die Gesetze, Ausdauer in Beschwerden,
und den Sieg in der Schlacht. Die Knaben gingen meisten-
theils nackt und stets barfuß, sie schliefen auf Lagern von
Schilf, das sie selbst zusammentrugen und an den Ufern des
Eurotas mit den Händen ohne eiserne Geräthschaften abbrachen.
Nur im Winter dursten sie einige wärmende Kräuter zu
ihrem Lager hinzufügen. Ueber den einzelnen Abtheilungen
der Knaben und Jünglinge, die alle ihre besonderen Vor-
gesetzten hatten, stand ein angesehener Mann, der die Aufsicht
über seine Untergebenen führte.
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101
selbst und Aristomenes hatten zuerst schwere Arbeit, da sie j
gegen den Spartanischen König und den Kern des Lacedämo-°/
nischen Heeres kämpften: aber keine Wunde scheuend, und ihre^'^'
Kampfwuth bis auf den höchsten Grad steigernd, schlugen sie
durch fortgesetzten Kampf und ihre Wagstücke die Schaar des
Spartanischen Königs zurück. Diese Fliehenden ließ Aristome-
nes durch eine andere Abtheilung der Messenier verfolgen: er
selbst stürzte sich auf die, welche den meisten Widerstand
leisteten. Als er auch diese geworfen hatte, wandte er sich
wiederum gegen Andere: schnell drängte er auch diese zurück
und ungehindert warf er sich nun auf die, welche noch Stand
hielten, bis er die ganze Schlachtordnung der Lacedämonier
und ihrer Bundesgenossen in völlige Unordnung brachte. Und
da sie nun ohne Scham und Scheu flohen und Keiner mehr
den Andern erwarten wollte, drängte er ihren Rücken furcht-
barer, als man von einem einzigen Manne hätte erwarten
können. Bei der weiteren Verfolgung der Feinde verlor
Aristomenes seinen Schild, und dieser Umstand war Schuld,
daß sich mehrere Lacedämonier durch die Flucht retteten, weil
er, während er den Schild suchte, Zeit verlor. Die Lacedä-
mouier waren durch diesen Schlag sehr entmuthigt, aber dem
Aristomenes warfen, als er nach Hause zurückkehrte, die Weiber
Bänder und Blumen der Jahreszeit zu und sangen dazu die
Verse: ^ ^
x,sspärta's Schaaren verfolgt Aristomenes bis in die Mitte
' Von Stenykleros'*) Gefild und bis zmn hohen Gebirg."
Seinen Schild fand Aristomenes bald darauf wieder und
überfiel sogleich mit einer auserlesenen Schaar zwei Sparta-
nische Städte, wobei er beträchtliche Beute wegführte.
Einst erfuhr er, daß zu Aegileu. einem Orte in Lakonien,
wo der Demeter (Ceres) ein Heiligthum gestiftet war, die ^
Frauen ein Fest feierten. Aristomenes brach mit seinen Ge-
fährten auf und suchte sie zu rauben. Allein die Weiber
setzten sich zur Wehr: die meisten Messenier wurden mit den
Messern, womit die Frauen die Opferthiere schlachteten, und
mit den Spießen, woran sie das Fleisch steckten, um es zu
braten, verwundet: Auf Aristomenes aber schlugen sie mit
*) Ltenykleros hieß der Ort, wo sich das Denkmaldes Ebers befand.
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nun nach Unteritalien, wo sie die nach ihnen benannte Stadt
Messana bewohnten. Aristomenes, den sie zum Führer haben
wollten, lehnte es ab mit den Worten: er werde, so lange
er lebe, gegen die Lacedämonier Krieg führen, er wisse genau,
daß immer irgend ein Unheil durch ihn für Sparta entstehen
werde. Später ging er nach Delphi. Als der Herrscher
einer Stadt auf der Insel Rhodos, Damage tos, das
Orakel befragte, wessen Tochter er zur Frau nehmen sollte,
erhielt er die Antwort, die Tochter des tapfersten Mannes
unter den Griechen Zu heirathen. Darauf heirathete er die
Tochter des Aristomenes; dieser zog nach Rhodos, wo er
nach einiger Zeit an einer Krankheit starb. Die Rhodier er-
richteten ihm ein ausgezeichnetes Denkmal und erwiesen ihm
besondere Verehrung.
X.
Kodros, der Letzte König der Athener.
(1068 v. Chr.)
Wir haben oben gesehen, wie die siegreichen Dorier sich
des ganzen Peloponneses bemächtigten. Sie begnügten sich
aber rstit dieser Eroberung nicht, sondern gingen über die
Landenge, entrissen den Athenern Megaris und drangen tief
in das Attische Gebiet ein, das sie mit Feuer und Schwert
verheerten. Damals (1068 v. Chr.) war Kodros König
der Athener. Von den Feinden hart bedrängt, schickte er
Gesandte nach Delphi und ließ das Orakel fragen, durch
welches Mittel sein Vaterland von einem so schweren Kriege
befreit werden könnte. Da soll der Gott geantwortet haben,
daß das Volk, dessen König von feindlicher Hand falle, Sieger
sein tvürde. Dieser Orakelspruch ward nicht nur im Atheni-
schen, sondern auch im Dorischen Lager bekannt. Die Dorier
erließen daher ein Verbot, den Kodros im Kampfe zu ver-
letzen, und hüteten sich vor einer Schlacht. Kodros aber
legte die Zeichen seiner königlichen Würde ab, verkleidete sich
als Landmann und ging mit einem Bündel Holz auf dem
Rücken und einer Art in der Hand in das feindliche Lager.
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113
Und Solon sprach: ,,Zum ersten hatte Tellos bei dem
blühendsten Zustande der Stadt edle und vortreffliche Söhne,
die alle wieder Kinder hatten, und die waren alle am Leben;
und zum andern, da er nach menschlicher Kraft ein glückliches
Leben geführt, so kam noch dazu ein glänzendes Ende. Denn
als die Athener Wider ihre Nachbarn in Eleusis stritten, eilte
Tellos zur Hülfe herbei und schlug die Feinde in die Flucht
und starb den schönsten Tod. Und die Athener bestatteten
ihn auf öffentliche Kosten an demselbigen Orte, wo er ge-
fallen war, und erwiesen ihm große Ehre."
Als nun Solon so viel von Tellos großer Glückseligkeit
erzählte, ward Krösos immer begieriger und fragte: wer denn
der zweite wäre, denn er glaubte doch wenigstens die zweite
Stelle zu erhalten.
Solon aber sprach: „Kleobis und Biton von Argos.
Denn dieselben hatten, so viel sie bedurften, und dazu besaßen
sie eine große Leibesstärke, fo daß beide zugleich den Kampf-
preis davon getragen. Und dann erzählt man von ihnen
folgende Geschichte: Die Argiver feierten das Fest der Hera,
und die Mutter der Jünglinge mußte durchaus nach dem
Tempel fahren, aber die Rinder kamen nicht zu rechter Zeit
von dem Felde. Als nun keine Zeit zu verlieren war, spannten
sich die beiden Jünglinge selber vor und zogen den Wagen
und auf dem Wagen saß ihre Mutter. So fuhren sie die-
selbige einen Weg von fünfundvierzig Stadien bis zu dem
Tempel. Also thaten sie und die ganze Versammlung war
Zeuge der That. Da erlangten sie das beste Lebensende,
und es zeigte Gott dadurch an, daß dem Menschen besser sei
zu sterben, denn zu leben. Denn die Argiver, die umher-
standen, priesen der Jünglinge Gesinnung, die Argiverinnen
hingegen priesen die Mutter selig, daß ihr solche Kinder zu
Theil geworden. Aber die Mutter, voll inniger Freude über
die That und die Worte, trat vor das Bild der Göttin und
betete, daß sie dem Kleobis und Biton, ihren Kindern, die
ihr so große Ehre erwiesen, zu Theil werden ließe den besten
menschlichen Segen. Und nach diesem Gebet, nachdem man
geopfert und das Mahl gefeiert, schliefen die Jünglinge ein
in dem Tempel und standen nimmer wieder auf, sondern das
war ihres Lebens Ende. Die Argiver aber errichteten ihnen
Stacke, Griech. Geschichte. t0. Aufl. 8
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116
deren Anführer Megakles war, und in das Volk vom
Gebirge, zu dessen Haupt sich Pisistratos machte. Einsts
'Jh*/. ersann Pisistratos, der nach der Herrschaft strebte, diese List:
er verwundete sich selbst und seine Maulthiere, und so kam
er auf den Markt gefahren, als wäre er so eben den Händen
seiner Widersacher entkommen, die ihn hätten umbringen
wollen, da er auf das Land gefahren sei, und bat das Volk
eine Leibwache. Die Athener ließen sich täuschen und
gaben ihm eine Anzahl aus den Bürgern, die mit hölzernen
Keulen bewaffnet hinter ihm hergingen. Mit diesen machte
Pisistratos einen Aufstand und gewann die Burg. Von
dieser Zeit an herrschte er über die Athener, doch schaffte er
die bestehende Obrigkeit nicht ab, noch änderte er die Gesetze,
sondern regierte die Stadt gut und vortrefflich nach ihrem
alten Rechte. (560 v. Chr.)
Bald aber vereinigten sich die Parteien des Megakles
und des Lykurgos und vertrieben ihn aus der Stadt, da
seine Herrschaft (Tyrannis) noch keine tiefe Wurzeln geschlagen
hatte. Doch nach seiner Vertreibung machten Megakles und
Lykurgos von neuem einen Aufruhr gegen einander, und als
Megakles hart bedrängt war, ließ er dem Pisistratos durch
einen Herold entbieten: wenn er seine Tochter heirathen wolle,
so sollte er wieder Tyrann werden. Diese Bedingung nahm
Pisistratos an, und nun ersannen sie, um ihn heimzuführen,
Vvt&a eine List: In Athen war eine Frau, die vier Ellen
weniger drei Finger groß und von schöner Bildung war.
Diese Frau wappneten sie mit voller Rüstung und stellten
55(J‘ auf binen Wagen, angethan mit herrlichem Schmuck, und
fuhren sie nach der Stadt. Vorausgesandte Herolde aber
verkündigten: „Ihr Athener, nehmt willig den Pisistratos
auf, den Athene selber ehret vor allem Volk und ihn in ihre
Burg heimführet!" Die Leute glaubten, die Frau sei die
Göttin selbst, beteten sie an und nahmen den Pisistratos
wieder auf.
Als nun Pisistratos die Herrschaft wieder an sich ge-
bracht hatte, heirathete er des Megakles Tochter. Aber
zwischen ihm und seiner Frau entstand bald häuslicher Un-
friede, in deffen Folge Megakles, der sich von Pisistratos ver-
achtet glaubte, zornig ward und sich wieder mit seinem
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120
bringen. Da sich Harpagos nicht selbst zu der Mordthat ver-
stehen wollte, übergab er den Knaben einem von Astyages
Rinderhirten, mit dem Befehl, ihn in der wildesten Gegend
des Gebirges auszusetzen, daß er so bald als möglich umkomme.
Der Rinderhirt erfuhr aber des Kindes Herkunft und ließ
sich von seiner Frau, die ein todtgebornes Kind hatte, be-
wegen, das todte Kind auszusetzen und den ihm übergebenen
Knaben als seinen eigenen Sohn aufzuziehen. Damals hieß
er aber noch nicht Kyros, sondern hatte einen andern Namen.
Als er zwölf Jahre alt war, spielte er einst im Dorfe
mit andern Knaben seines Alters. Sie spielten König und
wählten dazu den angeblichen Sohn des Rinderhirten. Kyros
aber ordnete sie, die Einen, daß sie Häuser bauten, die Anderen,
zu Lanzenträgern, diesen machte er zum Auge*) des Königs,
jenem gab er das Amt, die Botschaften zu überbringen, kurz
jedem setzte er sein eigenes Geschäft. Einer der Knaben, der
Sohn eines vornehmen Meders, that nicht, was ihm geboten
war, und Kyros ließ ihn ergreifen und züchtigte ihn mit der-
den Schlägen. Der Knabe klagte dies seinem Vater, und
dieser lief mit dem Sohne voller Zorn zum Astyages, be-
schwerte sich über die schmähliche Behandlung und zeigte ihm
seines Sohnes Schultern. Astyages ließ den Rinderhirten
mit seinem Sohne holen und sagte zu dem Knaben: „Du,
eines so geringen Mannes Sohn, hast dich erdreistet den
Sohn eines Mannes, der bei mir in großen Ehren steht, so
schmählich zu behandeln?" Kyros sprach: „Herr, dem ist nichts
als sein Recht geschehen, denn die Knaben im Dorfe spielten
und setzten mich zu ihrem König; die andern Knaben thaten,
was ihnen geboten war, der aber war ungehorsam und
machte sich gar nichts aus mir. Dafür hat er seinen Lohn
empfangen. Habe ich dafür Strafe verdient, siehe, hier bin ich."
Während der Knabe also redete, erkannte ihn Astyages
auf einmal, denn die Züge des Gesichts däuchten ihm wie
seine eigenen, die Antwort aber war die eines Edlen, auch
traf die Zeit der Aussetzung mit dem Alter des Knaben zu-
sammen. Der König blieb eine Zeit lang sprachlos, und
*) Die obersten Beamten wurden Augen und Ohren des Königs
genannt.
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129
kam es zu einer blutigen Schlacht, und nachdem auf beiden
Seiten eine große Menge gefallen war, wandten sich die
Aegppter zur Flucht, und auch ihre Stadt Memphis mußten sie
nach einer Belagerung den Persern übergeben. Mit dem ge-
fangenen Psammenitos, dessen Muth Kambyses auf die Probe
stellen wollte, erlaubte er sich ein grausames Spiel.
Er legte seiner Tochter ein Sklavenkleid an und schickte
sie mit einem Wasserkruge nach Wasser; zugleich mit ihr t
sandte er noch die Töchter der angesehensten Aegppter in
derselben Tracht, wie die Königstochter. Als die Jungfrauen
mit Schreien und Weinen bei ihren Vätern vorbeigingen, er-
hoben auch diese über das Elend ihrer Kinder laute Klagen
und weinten; Psammenitos aber, als er seine Tochter ge-
wahrte, blickte zur Erde. Nachdem die Wasserträgerinnen
vorüber waren, schickte Kambyses auch den Sohn des Psam-
menitos mit zweitausend andern Aegyptern vorbei,- die alle,
einen Strick um den Hals, zum Tode geführt wurden. Die
Aegppter, die um ihren König saßen, weinten; Psammenitos
aber richtete seinen Blick thränenlos zur Erde. Da kam
ein alter Mann von Psammenitos Tischgenossen, der sein
Hab und Gut verloren hatte und jetzt als Bettler das Kriegs-
volk um Almosen bat, und auch bei dem gefangenen König
vorbeiging. Als dieser ihn sah, weinte er laut, rief den
Namen seines Freundes und schlug sich an den Kopf. Die
Wächter des Psammenitos meldeten dem Kambyses dessen
Benehmen, und dieser ließ den König der Aegppter fragen,
warum er bei dem Anblick seiner Tochter und seines Sohnes,
der zum Tode geführt worden sei, nicht geweint, diesen
Bettler aber, der doch nicht mit ihm verwandt sei, so hoch
geehrt habe. Psammenitos antwortete: „O Sohn des Kyros,
mein häusliches Unglück war zu groß um darüber zu weinen,
aber das Elend des Freundes, der Hab und Gut verloren
hat und an der Schwelle des Alters zum Bettler geworden
ist, war der Thräne werth."
Die Antwort gefiel dem Kambyses und es wandelte
ihn ein Mitleiden an. Er befahl, den Sohn vom Tode zu
erretten und den Vater zu ihm zu führen. Doch den Sohn
fanden die Boten nicht mehr am Leben, denn er war zuerst
hingerichtet worden; Psammenitos aber lebte fortan, ohne
Stacke, Griech. Geschichte. 10. Aufl. 9
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213
mehr, und Viele, welche zuerst gegen die Todesstrafe gestimmt
hatten, sprachen sich jetzt für seine Hinrichtung aus. Er
ward verurtheilt den Giftbecher zu trinken, und ins Gefäng-
niß geführt.
Am Tage vor seiner Verurtheilung aber ging gerade
das heilige Schiff nach Delos ab, um dem Apollo ein Opfer
zu bringen, und nach Athenischem Gebrauche durfte vor der
Rückkehr dieses Schiffes kein Todesurtheil vollzogen werden.
So lebte denn Sokrates noch dreißig Tage im Gefängniß,
wo ihn seine Schüler, .niedergebeugt von Schmerz über den
nahen Verlust eines solchen Lehrers, täglich besuchten und
sich mit ihm unterhielten. Am lautesten jammerte Appollo-
doros; als dieser einst schluchzend ausrief: „Ach, daß du so
unschuldig sterben mußt!" antwortete Sokrates lächelnd:
„Wünschest du denn, daß ich schuldig stürbe?"
Einer seiner Schüler, Kriton, hatte durch eine Summe
Geldes den Kerkermeister bestochen und forderte den Sokrates
auf, in der Nacht durch die offene Thür des Gefängnisses zu
entfliehen und nach Thessalien zu reisen, wo Kriton Gast-
freunde hatte. Sokrates verschmähte diesen Vorschlag und
bewies dem Kriton, daß es die Pflicht des Bürgers sei, den
Gesetzen des Staates in jedem Falle zu gehorchen.
Am Morgen seines Todestages erschienen seine Freunde
schon früh im Gefängnisse. Auch seine Frau Xanthippe
war da, das jüngste Kind auf den Armen tragend. Um ihr
heftiges Wehklagen nicht länger anhören zu müssen, bat So-
krates, sie hinwegzuführen, und nun begann er sein letztes
Gespräch mit seinen Freunden, indem er sie über die Unsterb-
lichkeit der Seele belehrte. So verging der Tag und der
Abend brach herein, als der Diener eintrat und ihm anzeigte,
daß es nun Zeit sei. „Du wirst mir nicht fluchen", sagte er,
,,wie die Anderen thun; ich thue ja nur was mir die Oberen
befehlen. Ich habe dich als den besten Mann kennen gelernt
von Allen, die hierher gekommen sind. Lebe Wohl und ver-
suche, die Nothwendigkeit so leicht als möglich zu ertragen."
Weinend entfernte sich der Diener. „Wie brav der Mensch
ist", sagte Sokrates. „Auch während der ganzen Zeit hat er
sich so bewiesen, wenn er mich besuchte. Aber geht und holt
den Trank, wenn er schon eingerieben ist." Die Freunde
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225
ihn zu schonen und leben zu lassen, da er, wenn er entkomme,
sofort Rache nehmen würde. Alexander fragte: „Warum
eilt denn Pelopidas zum Tode?" — „Damit du," antwortete
Pelopidas, „den Göttern desto verhaßter werdest und ein um
so schmählicheres Ende nehmest." Bald zwang aber Epami-
nondas an der Spitze eines Heeres den Alexander zur Aus-
lieferung des Pelopidas. Auf einem späteren Zuge gegen
Alexander verlor Pelopidas in einer Schlacht sein Leben (364).
Der Krieg gegen Sparta hatte seinen Fortgang. Noch
dreimal drang Epaminondas in den Peloponnes. Bei dem
letzten Einfall kam es zwischen den Thebanern und Lacedä-
moniern zur Schlacht bei Mantinea (362). Schon hatte
Epaminondas die Schlachtlinie der Feinde durchbrochen, als
ein Wurfspeer seine Brust durchbohrte. Tödlich verwundet
sank er nieder. Die Aerzte erklärten, er werde sterben, sobald
man das Eisen aus der Wunde ziehe. Epaminondas war
besorgt, sein Schild möchte in die Hände der Feinde gefallen
sein; als man ihm denselben zeigte, küßte er ihn als den
treuen Begleiter seines Ruhmes. Jetzt kam die Nachricht
von dem Siege der Thebaner; da rief Epaminondas: „Nun
habe ich genug gelebt!" und ließ das Eisen aus der Brust
ziehen. Als seine Freunde beklagten, daß er keine Söhne
hinterlasse, antwortete er sterbend: „Ich hinterlasse zwei un-
sterbliche Töchter, die Schlachten bei Leuktra und Mantinea!"
und verschied. — Nach seinem Tode sank Theben schnell
von der Höhe seiner Macht und Blüthe in seine vorige Un-
bedeutendheit zurück.
Xxxi.
Philipp, König von Macedonie». 360—336
vor Chr. — Demosthenes. Phokion.
Als Pelopidas in Thessalien kämpfte, griff er auch in
die Angelegenheiten des Makedonischen Reiches ein und be-
festigte den König Alexander, den ältesten Sohn des Amynthas,
auf dem Throne; den jüngsten aber, Philipp, nahm er
als Geißel mit nach Theben. Hier lebte Philipp im Hause
Stacke, Griech. Geschichte. 10. Aufl. 15
TM Hauptwörter (50): [T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Pelopidas Alexander Alexander Alexander Alexander Epaminondas Epaminondas Philipp Philipp Alexander Alexander Philipp Philipp Philipp Philipp