140
Ii. Erdkundliches Ecfcbuch.
es uns wann und gemütlich zu machen, obwohl wir uns in dieser Hinsicht
niemals großem Luxus hingegeben haben. Im Proviantraum beginnen
der Reif und das Eis zu schmelzen, die sich an der Decke und den Wänden
gebildet haben. In den Räumen hinter dem Salon, sowie im Schiffs-
räum haben wir eine große Reinigung vornehmen und das Eis und den
Reif abscheuern und auftrocknen müssen, um unsere Vorräte vor dem Ver-
derben zu bewahren, da sonst die Feuchtigkeit durch die Umhüllungen dringt
und der Rost Löcher in die Blechkisten frißt. Außerdem haben wir lange
Zeit die Luken zum Raum offen gehalten, so daß stets ein tüchtiger Luftzug
hindurchging und ziemlich viel Reis verdunstet ist. Es ist übrigens merk-
würdig, wie wenig Feuchtigkeit wir an Bord haben. Dies rührt von der
soliden Bauart der „Fram" her, sowie davon, daß das Deck über dem
Raum an der Unterseite getäfelt ist. Ich gewinne dieses Schiff mehr und
mehr lieb.
Am Norabend des Johannistages mußten wir natürlich in üblicher
Weise ein Freudenfeuer haben, doch scheint nach meinem Tagebnche nicht
das richtige Wetter dafür gewesen zu sein: „Sonnabend, 23. Juni. Der
nördliche Wind mit nassem Schnee hält an. Düsteres Wetter. Südliche
Drift. 81° 43' nördlicher Breite, das sind 9 Minuten südwärts seit
Montag. Ich habe manchen Johannisabend unter verschiedenen Himmeln
erlebt, aber nie einen solchen wie diesen. So fern, so fern vom Leben,
allem, was dieser Abend sonst umfaßt! Ich denke an die Fröhlichkeit, die
um die Freudenfeuer in der Heimat herrscht, höre das Kratzen der Fiedel,
das Lachen, die Geschützsalven mit dem Echo, das von den blauen Höhen
antwortet. Und dann blicke ich hinaus über die endlose, weiße Fläche in
den Nebel, das Schneewetter und den Wind, der den Schnee vor sich her
treibt. Hier ist wahrlich keine Spur von der Fröhlichkeit des Johannis-
tages. Eine traurige, düstere Landschaft; nichts als Weiß in Weiß, Gran
in Grau! Keine Schatten, nur halb verwischte, in Nebel und Schnee-
schlämm verschmelzende Formen; alles befindet sich im Zustande der Auf-
lösung, und bei jedem Schritte gibt der Fleck, aus dem man steht, nach.
Die Schneeschuhe sinken tief ein, das Wasser reicht einem oft bis zu den
Knöcheln, so daß es schwer ist, die Schneeschuhe wieder herauszubekommen
und weiterzuschieben; aber ohne Schneeschuhe würde man noch schlimmer
daran sein. Hier und dort wird das einförmige, grauweiße Wirrsal durch
kohlschwarzes Wasser unterbrochen, das sich in schmälern und breitern
Rinnen zwischen den hohen Hügeln hindurchwindet. Auf der schwarzen
Oberfläche sind weiße, schneebedeckte Schollen und Eisstücke ausgestreut,
die wie weißer Marmor auf schwarzem Grunde aussehen. Gelegentlich
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
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142
Beobachtungen ergaben 81 "41,7' nördlicher Breite; so geht es also
nicht weiter! Ein langes Jahr; vieles hat sich ereignet, wenn wir auch
nicht so weit vorgedrungen sind, als ich erwartet hatte. Ich sitze und
schaue aus dem Fenster nach dem Schnee, der vom Nordwind getrieben,
draußen herumwirbelt. Ein merkwürdiger Johannistag! Man sollte
denken, wir hätten Schnee und Eis genug gehabt; ich sehne mich in-
dessen nicht gerade nach grünen Feldern, jedenfalls nicht immer. Im
Gegenteil, stundenlang sitze ich da und mache Pläne für spätere Reisen
über das Eis nach unserer Rückkehr von dieser Expedition . . . Ja,
ich weiß, was ich erreicht habe, und mehr oder weniger, was mich
erwartet. Es ist alles ganz schön, daß ich Pläne für die Zukunft ent-
werfe, aber zuhause . . . Nein, ich bin heute abend nicht in der Stimmung,
um zu schreiben; ich will mich niederlegen.
(Mittwoch, 11. Juli.) Jetzt sehne ich mich fast nach der Polarnacht,
nach dem ewigen Wunderland der Sterne mit den: geisterhaften Nordlicht
und dem durch die tiefblaue Stille segelnden Mond. Dann ist's wie ein
Traum, wie ein Blick in das Nebelreich der Phantasie. Da gibt es keine
Formen, keine schmerlastende Wirklichkeit, nur eine Vision, gewoben aus
Silber und den violetten Tönen des Äthers, von der Erde aufsteigend und in
die Unendlichkeit hinausschwebend .. . Dieser ewige Tag mit seiner drücken-
den Wirklichkeit interessiert mich nicht mehr und lockt mich nicht mehr aus
meinem Lager heraus. Das Leben ist ein einziges, unaufhörliches Hasten
von einer Aufgabe zur andern. Alles muß geschehen, nichts darf ver-
nachlässig! werden, Tag auf Tag, Woche auf Woche, und der Arbeitstag
ist lang und endet selten früher als lange nach Mitternacht. Aber überall
zieht sich dasselbe Gefühl der Leere und des Sehnens hindurch, aus das
mau nicht achten darf. Ach, zu Zeiteu kann man sich nicht frei davon
halten, und die Hände sinken willenlos und kraftlos herab, so müde, so
unaussprechlich müde. O, es heißt, daß man den Frieden des Lebens
bei den Heiligen in der Wüste finden könne. Wüste ist hier wahrlich
genug, aber Friede — ihn kenne ich nicht. Es fehlt wohl die Heiligkeit.
(Mittwoch, 18. Juli.) Heute Vormittag unternahm ich mit Blessing
einen Ausflug, um Proben von braunem Schnee und Eis zu sammeln, sowie
im Wasser Algen und Diatomeen zu suchen. Die Oberfläche der Schollen ist
fast überall von schmutzigbrauncr Farbe, oder wenigstens ist doch diese Art
von Eis die vorherrschende, während reinweiße Schollen ohne Spur eines
schmutzigen Braun auf ihrer Fläche selten sind. Ich dachte mir, diese braune
Farbe müsse von den Organismen herrühren, die ich im Oktober vorigen
Jahres in dem frischgefrorenen, bräunlichroten Eise gefunden hatte; allein die
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle]]
Berichte von Lntdeckungs- und Lorschungsreisen. 7. Erich v. Drygalski.
149
gegen Sw. Nur wenige Berge umgaben uns, und es schien, als hätten
wir nun einen guten Weg nach Süden voraus. Im Laufe des Nachmittags
am 18. Februar wurde das Eis allerdings dichter, dazu kam Schnee und
Regen bei östlichem Wind auf, der an Stärke zunahm. Die See war
gering; wohl aber machte sich eine westliche Dünung 1 bemerkbar.
Um 3 Uhr nachmittags wurde eine Zunge durchschnitten, deren Ende
gegen Nw. nicht mehr abzusehen war. Danach hatten wir Eis nun auch
an Steuerbord ^ und fuhren zwischen Schollen, die alle aber noch den Ein-
druck starker Zersetzung machten. Sie ragten wenig über das Wasser
hinaus und hatten jene bekannten Tischformcn über Hohlkehlen, die durch
das Schwanken der Wasseroberfläche eingefressen werden, nur stark zer-
setzt und mit durchlöcherten Oberflächen. Beim Anprall fielen sie aus-
einander. Die Ausfaserung der kompakteren Massen in nw. streichende
Zungen rührte von dem ö. Winde her, welcher die am meisten zerfressenen
und dadurch am leichtesten beweglichen Teile aus dem Zusammenhang mit den
großen Komplexen gelöst hatte. Wir diskutierten in jenen Tagen mehrfach
darüber, wie diese Eisformen zu bezeichnen wären, ob als Pack-
eis oder als Treibeis, nachdem wir an der äußersten Kante in den ge-
rundeten Schollen mit aufgewulsteten Rändern das „Pancakeeis" kennen
gelernt hatten. Die Engländer würden Packeis in allen jenen Fällen
sagen, wo es sich um dichte, schwer zu durchfahrende Eiskomplexe handelt,
die aus Schollen verschiedener Größe und verschiedener Stärke bestehen,
während Treibeis jene Eisformen genannt werden, die geöffneter
sind und leichter durchfahren werden können. Bei dieser Unterscheidung
zwischen Treibeis und Packeis seitens der Engländer haben praktische Ge-
sichtspunkte die bestimmende Rolle gespielt: Treibeis ist für Schiffe passier-
bar, Packeis weniger. Im Südpolargebiete liegen die Verhältnisse etwas
anders als im Norden. Mit wirklichem Packeis im wahren Sinne des
Wortes, also mit aufeinander geschobenen und gepackten Schollen hat man
es, wenn überhaupt, nur in nächster Nähe des Landes oder der Eisberg-
stauungen zu tun, während ungepackte Schollen bis in die Nähe der fest-
liegenden Eisfelder vorkommen und bis dorthin auch Zeichen von Treiben
und Drehen, also die Formen des Pancakeeises haben. Ich würde es .
hiernach für richtig halten, im Südpolargebiet den Unterschied zwischen
Treibeis und Packeis fallen zu lassen und nur vou Scholleneis zu sprechen
im Gegensatz zu den Eisfeldern an den Eisbergbänken und am Inland-
eisrand. Denn wenn die Schollen auch noch so dicht sind, kann der nächste
* Seegang, der auch nach Abflauen des erregenden Windes noch anhält. —
* Die ganze rechte Schiffsseite, Backbord die linke, beim Blick nach vorn.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Berichte von Cntdeckungs- und Forschungsreisen. Z. Alexander v. Humboldt.
115
eine Folge der Höhe ist, so darf man Gebirge, welche zwei- bis drei-
tausend Fuß über dem Meere erhaben sind, als den Hauptsitz dieser Form
nennen. Hochstämmige Farrenkräuter begleiten in Südamerika den wohl-
tätigen Baum, der die heilende Fieberrinde darbietet.^ Beide bezeichnen
die glückliche Region der Erde, in welcher die ewige Milde des Früh-
lings herrscht. Noch nenne ich die Form der Liliengewächse mit schilf-
artigen Blättern und prachtvollen Blüten, eine Form, deren Hauptvater-
land das südliche Afrika ist; ferner die Weidenform, in allen Weltteilen
einheimisch, und in den Hochebenen von Quito, nicht durch die Gestalt
der Blätter, sondern durch die der Verzweigung, in Schmus Molle2
wiederholt, Myrtengewächse und Lorbeerform.
Es wäre ein Unternehmen, eines großen Künstlers wert, den
Charakter aller dieser Pflanzengruppen, nicht in Treibhäusern oder in den
Beschreibungen der Botaniker, sondern in der großen Tropennatur selbst,
zu studieren. Wie interessant und lehrreich für den Landschaftsmaler
wäre ein Werk, welches dem Auge die aufgezählten sechzehn Hauptformen
erst einzeln und dann in ihrem Kontraste gegeneinander darstellte! Was
ist malerischer als baumartige Farren, die ihre zartgewebten Blätter über
die mejikanischen Lorbeereichen ausbreiten, was reizender als Pisang-
gebüsche, von hohen Guadua- und Bambusgräsern umschattet? Dem
Künstler ist es gegeben, die Gruppen zu zergliedern; und unter seiner
Hand löst sich (wenn ich den Ausdruck wagen darf) das große Zauber-
bild der Natur, gleich deu geschriebenen Werken der Menschen, in wenige
einfache Züge auf.
Am glühenden Sonnenstrahl des tropischen Himmels gedeihen die
herrlichsten Gestalten der Pflanzen. Wie im kalten Norden die Baum-
rinde mit dürren Flechten und Laubmoosen bedeckt ist, so beleben dort
Cymbidium und duftende Vanille den Stamm der Anakardien und der
riesenmäßigen Feigenbäume. Das frische Grün der Pothosblätter und
Drakontien kontrastiert mit den vielfarbigen Blüten der Orchideen. Ran-
kende Bauhinien, Passifloren und gelbblühende Banisterien^ umschlingen
den Stamm der Waldbäume. Bei dieser Fülle von Blüten und Blättern,
bei diesem üppigen Wüchse und der Verwirrung rankender Gewächse wird
es oft dem Naturforscher schwer, zu erkennen, welchem Stamme Blüten
1 Chinarinden-Baum. — 2 Peruanischer Pfefferbaum, ein Strauch mit gefie-
derten Blättern, weißen Blüten und roten Beeren, der von Mejiko bis Chile häufig ist. —
8 Passionsblumen sind Kräuter und Sträucher im tropischen Afrika und Amerika, hier
viel von den Kolibris besucht.
8*
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Extrahierte Personennamen: Alexander_v Alexander
Extrahierte Ortsnamen: Südamerika Afrika Quito Chile Afrika Amerika
Ii. Erdkundliches Cefebuch.
den Fuß der Zugspitze netzt der inselreiche, eines oberirdischen Abflusses ent-
behrende Eibsee. Näher mu Fuße des Gebirges liegt der 198 m. tiefe
Walchensee nahe dem Ende eines großen Talzuges, der die ganzen Kalkalpen
quert. Unweit von ihm liegt bereits am Fuße des Gebirges der Kochelsee,
volle 200 m tiefer. Aber trotzdem existiert keine Gemeinschaft zwischen
beiden; der Walchensee wird durch die Jachen direkt zur Isar entwässert,
während der Kochelsee seine Wasser mit der Loisach nach N. sendet. Es
gewährt namentlich vom Gipfel des Herzogenstandes einen wunderbaren
Anblick, diese beiden Seen in verschiedener Höhe fast unmittelbar neben-
einander zu sehen. Interessant ist auch der Blick in der Fortsetzung des
Walchensee-Kochelseetales nach der Isar, welche über den Walchensee auf-
blinkt und sich letzterem zu nähern scheint, tatsächlich aber plötzlich
umbiegt.
Ein fast noch größerer und entschiednerer Wechsel als zwischen Algäuer
und Bayrischen Alpen findet zwischen diesen und der Berchtesgadener
Gruppe statt. Sind die beiden ersten im Grunde genommen nur durch
die Anordnung der Gebirgskämme verschieden, so zeichnen sich die Berchtes-
gadener Alpen vor beiden durch die Formen ihrer Erhebungen aus. Wie
bei ihren österreichischen Nachbarn herrschen bei ihnen anstatt der Gebirgs-
ketten und firstähnlichen Kämme plumpe Felsenmassive vor, welche keine
ausgesprochene Längsrichtung besitzen, sondern sich als kastenähnliche,
regellos gelagerte Klötze erweisen. Zwischen ihnen erstrecken sich häufig
Täler, deren Verlauf im wesentlichen durch die Kontur jener Massive be-
dingt wird, weswegen sie weder als Längstäler noch als Quertäler gelten
können. Nicht selten aber erstrecken sich zwischen diesen Massiven auch
ganz tief gelagerte Landschaften, wahre Becken, welche sowohl durch ihre
sanften Bodenformen als auch durch ihre reiche Vegetation von ihrer
grotesken, aber kahlen Umgebung abstechen. In dem schmalen Raum?
zwischen Saalach und Salzach zeigen die deutschen Kalkalpen jenen merk-
würdigen Typus, und sie tragen ihn hier vielleicht in seiner schönsten Ent-
wicklung. Zwischen den Felsklötzen des Unterberges, des Lattengebirges und
der Reiter-Alm im N. sowie dem riesigen Massive des Steinernen Meeres
im S. erstreckt sich hier der liebliche Talkessel von Berchtesgaden, welcher
seine Ausläufer nach S. in das Gebiet des Steinernen Meeres hineindrängt.
Zwischen diesen beiden, dem Tale des Königssees und des Wimbach, er-
hebt sich, unähnlich den umringenden Felsklötzen, gleich einer schönen Doppel-
Pyramide, der Watzmann zu 2714 m als höchster deutscher Berg dieser
Gruppe, die auf österreichischer Seite in dem auf die Übergofsene Alm
ausgesetzten Hochkönig mit 2938 m kulminiert. Stattlich erscheinen diese
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn]]
TM Hauptwörter (100): [T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
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170
es seine Wasser durch die Felsen in das Salzachtal sendet, wo bei Golling
ein mächtiger Quell dem Gebirge entspringt. Es hat jedoch kein Experiment
diese Sage zu bekräftigen vermocht; vielmehr widersprechen zahlreiche Tat-
sachen der Volksmeinung, und der Abfluß des Sees erfolgt ausschließlich
durch die Königsseer Ache.
Bewirkt die Anordnuug der einzelnen Gebirgsglieder namhafte Ver-
schiedenheiten der einzelnen Teile der deutschen Kalkalpen, so erhalten die-
selben ein außerordentlich homogenes Aussehen durch die klimatischen
Verhältnisse, welche ihnen allen gemeinsam sind. Die Temperatur ist
begreiflicherweise großer Mannigfaltigkeit unterworfen; die tiefen und breiten,
meist unter 600 m herabgehenden Talsohlen genießen Jahresmittel von
über 7 0 (Berchtesgaden), während in den engeren Tälern sich der Einfluß
der Lage sehr geltend macht. Die wö. sich erstreckenden erscheinen ver-
hältnismäßig wann, weil ihr Nordgehänge einer langen Besonnung teil-
haftig wird; die sn. streichenden hingegen, welche nur auf kurze Dauer die
Sonne genießen, sind abnorm kalt (Bad Kreuth, 845 iu, 4,69°; Hohen-
Peißenberg auf dem Alpenvorlande, 994 m, hingegen 5,89 °). Diese
Temperaturverschiedenheiten in der Horizontalen treten aber gegen die-
jenigen in der Vertikalen durchaus zurück. In entschiedener Weise nehmen
die Temperaturen nach oben ab, und in 2000 m Höhe dürften Jahresmittel
von 0 0 vorkommen (Wendelsteinhaus, 1730 m, 1,76 °), aber da im Som-
mer die Temperaturabnahme mit der Höhe rascher erfolgt als im Winter,
so genießen die nicht allzu hoheu Teile des Gebirges verhältnismäßig milde
Winter. Diese ungemein verwickelte Temperaturverteilung im Gebirge
ist namentlich für dessen Fauna bedeutungsvoll. Sie ermöglicht, daß das
bewegliche Wild mit Leichtigkeit die ihm zusagende Temperaturzone auf-
suchen kann, indem es bald auf der Höhe, bald unten im Tale lebt. Daher
können sich hier Tierformeu erhalten, welchen die Temperaturschwankungen
ebener Länder die Lebensbedingungen entziehen. Es bergen die Alpen einen
Rest der alten, im übrigen nunmehr fast ganz aus Europa verdrängten
Antilopenfauna, die Gemse, welche, auf deutschem Gebiete vor übermäßigen
Nachstellungen geschützt, sich in einer Zahl von 20 000 Individuen er-
halten hat.
Ahnlich wie mit der Temperatur der deutschen Kalkalpen verhält es
sich mit ihren Niederschlägen. Auch diese sind ungemein wechselvoll ver-
teilt. Die Hauptmasse derselben erhält der Fuß des Gebirges und die von
hier aus eindringenden Täler; denn das schräg zur Richtung der feuchten
Nordwestwinde gestellte Gebirge veranlaßt die aus dieser Richtung kom-
menden Winde aufzusteigen und sich der mitgeführten Feuchtigkeit zu er-
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Ortsnamen: Golling Berchtesgaden Hohen-
Peißenberg Wendelsteinhaus Europa
172
welcher während des Sommers nicht abtaut und gelegentlich zur Bildung
von kleinen Gletschern Veranlassung gibt.
Die Berchtesgadener Alpen bergen in manchen ihrer Kare solche mäch-
tige, bleibende Schneehäufungen, welche tief unter der Schneegrenze ge-
legen sind. Fast bleibend ist das Schneefeld zwischen dem großen und
kleinen Watzmann (1900 111), eine stetige Schneefläche findet sich ün Hinter-
gründe des Kares von Scharitzkehl (1300 m), am Fuße des Watzmannes
unweit des Königssees stellt die Eiskapelle sogar in nur 820 m Höhe eine
bleibende, durch Lawinenstürze immer neu genährte Schneefläche dar.
Der Blaueis im Berchtesgadener Lande und der Hochalp-Ferner ans der^
Südseite der Mädele-Gabel im Algäu endlich sind echte Gletscher, welche
von solchen unterhalb der Schneegrenze sich aufspeichernden Firnmassen
gespeist werden. Das erstere liegt in einer tiefen Schlucht, welche gegen
Sonnenstrahlen dnrch hochaufragende Felswände fast völlig geschützt ist.
Sein von mächtigen Endmoränen umrahmtes Ende reicht bis 19'00 m herab.
Nur ein einziger Gletscher der deutschen Alpen, der Plattach-Ferner, ent-
springt einem über der Schneegrenze gelegenen Firnfelde. Es lagert auf
einer Hochfläche des Wettersteingebirges und ziert den Südfnß der Zugspitze.
10. Joseph Partsch.^
Die Grafschaft Glatz.
An der Grenze dreier Meeresgebiete liegt die Grafschaft Glatz; nach
drei Ländern sendet sie ihre Gewässer, vormals auch die von ihnen nieder-
getragenen Holzlasten ihrer weiten Waldungen auseinander. Und doch
ist sie eine unverkennbar geschlossene geographische Einheit, die aus dem
vielgestaltigen Sudetenbergland scharf sich heraushebt. Darüber entschied
trotz der engen Verwachsung mit dem Altvatergebirge und dem Walden-
burger Bergland der Einbruch des zentralen Senkungsfeldes, das lange
Zeit noch vollständiger als heute die Gewässer seines hohen Bergrahmens
an sich zog und zu nördlichem Abfluß nach Schlesien vereinte. Im S.
von Mittelwalde bei Bobischau bildet nur eine flache Geröllebeue von 534 in
Höhe die Wasserscheide zwischen Neiße und Erlitz, Oder und Elbe, und
die nähere Untersuchung ließ keinen Zweifel, daß in tertiärer und alt-
diluvialer Zeit die Grenze des Neißegebietes südlicher auf dem Liesdorfer
Walde (897 m) gelegen habe. Nicht nur das Quellgebiet der Stilleu
1 I. Partsch, Schlesien. Eine Landeskunde für das deutsche Volk auf wissen-
schaftlicher Grundlage. Ii. Teil: Landschaften und Siedelungen. 2. Heft, Mittelschlesien.
Breslau 1907. Ferdinand Hirt.
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
TM Hauptwörter (100): [T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Joseph_Partsch Ferdinand_Hirt Ferdinand
Ii. Erdkundliches Lesebuch,
1. Einleitung.
Überblick über die Geschichte der Erdkunde.
Alles menschliche Leben wurzelt irgendwie in der Erde, in den
natürlichen Grundlagen für materielle und selbst geistige Kultur. Deshalb
verschlingt sich alles Wissen und Können der Menschen, die doch an die
Erdscholle gebunden sind, irgendwo einmal mit geographischen Kenntnissen.
Deshalb haben an der räumlichen Erweiterung der Bekanntschaft mit
Ländern und Meeren handelnde Kaufleute wie erobernde Könige, Aben-
teurer, denen der Heimatboden unter den Füßen brannte, wie fromme Geist-
liche, die ihren Glauben in die Ferne trugen, Kriegs- und Seemänner
wie Zeitungsschreiber reichen Anteil genommen, nicht nur forschende
Gelehrte der verschiedenen Wissenschaften. Froher Wandersinn und kecke
Lust, bei Entbehrungen und Neuentdeckungen den Mannesmut zu zeigen,
Ruhmsucht, Erwerbsfreudigkeit und Neigung zur Erweiterung politischer
Macht haben neben dem reinen Drang nach Erkenntnis als Triebfedern
zur Ausfahrt in fremde Lande und durch unbekannte Meere gedient.
Weitreichende Kunde von Ländern und Völkern besaßen bereits die
Könige Ägyptens und Mesopotamiens, ausgebreitete Bekanntschaft
mit Meeren und ihren Küsten die phönizischen Kauffahrer; doch erst
die Griechen begannen, rein um der Erkenntnis willen, Geographie zu
treiben. Schon aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert werden Karten
erwähnt; Herodot (geb. um 485 v. Chr.) ist Vater der länder- und
völkerkundlichen Beschreibung; Aristoteles (gest. 322) bewies, was schon
lange vor ihm als sicher angenommen war, die Erde sei eine Kugel.
Maße und Zahlen freilich und erstaunliches Wissen von den Gestirnen
übernahmen die Griechen von Babyloniern, Phöniziern, Ägyptern; aber
den Umfang der Erde mathematisch genau zu messen und zu berechnen,
ein Gradnetz zu entwerfen, wagten zuerst sie. Bei Ptolemäus (um 150
n. Chr. Geb.) hat die Geographie des Altertums ihren Höhepunkt erreicht.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter]]
88
Ii. Erdkundliches Lesebuch.
hinsichtlich der Gediegenheit ihrer Forschungen, der umfassenden Weite
ihrer Beobachtungen sind, haben die Zeit gründlicher landeskundlicher Er-
forschung der durchwanderten Gegenden glänzend eingeleitet. Oskar Peschel
igest. 1875) war dann einer der führenden wissenschaftlichen Geographen
in der 2. Hülste des Jahrhunderts. Er betonte, obwohl er auch der
Völkerkunde nicht vergaß, die Betrachtung des Formenschatzes in den
Landschaften, also die „Morphologie" der Erdoberfläche. Vor allein aber
hat Ferdinand v. Richlhofen (1833—1905), ursprünglich Geolog, nach
Reisen in China (1868—1872), die für die wissenschaftliche Erkenntnis
Ostasiens bahnbrechend gewirkt haben, der Erdkunde genauer und schärfer
als alle Geographen zuvor Ziel, Grenzen und Nichtuug gesteckt. Sie ist
die Wissenschaft von der Erdoberfläche mit dem, was auf ihr sich befindet,
indem sie die wechselseitige Abhängigkeit örtlich benachbarter Einzelerschei-
nungen und ihre ursächliche Gebundenheit aneinander aufdeckt. Sie hat
nicht nur Tatsächliches zu beschreiben, sondern sie erklärt die gegenwär-
tigen Zustände aus vergangenen Entwicklungen, indem sie Verständnis
für die Kräfte eröffnet, die den Boden nach Stoff und Form umbilden,
die Witteruugserscheinungen hervorrufen und die Eigenart des Pflanzen-,
Tier- und Menschenlebens bestimmen, soweit das alles aus örtlichen
Verhältnissen deutbar ist.
Wohl hat der amerikanische Journalist Stanley in den Jahren
1874 —1877 Afrika zum ersten Male von O. nach W. durchquert, etwas
später der deutsche Offizier Hermauu Wißmann (gest. 1905) von W.
nach O. durchzogen, so daß der Lauf des Kongo und seiner s. Neben-
flüsse wie das Gebiet der großen Seen im inneren, äquatorialen Afrika
bekannt wurde; wohl hat der russische Offizier Nikolai Przewalskij
(gest. 1888) und der Schwede Sven Hedin (geb. 1865) Großes für die
Entschleierung des inneren Asien geleistet, ist der Amerikaner Peary am
weitesten im Nordpolargebiet nach N. vorgestoßen (1908), sind die Engländer
Scott und Shackleton im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts am
tiefsten in antarktische Länder eingedrungen, nachdem lange zuvor James
Clarke Roß, der schon den magnetischen Nordpol gefunden hatte (1831),
am ergebnisreichsten die Küsten des s. Eismeeres befahren hatte (1842).
Aber nachdem etwa 19/20 der Erdoberfläche in den Hauptzügen des äußeren
Aufbaues bekannt sind, gilt es jetzt die eingehende Durchforschung der
Land- und Meeresrünme mit verfeinerten Instrumenten und Beobachtung^
reisen, wie sie nur Männer der Wissenschaft zu handhaben verstehen.
In der topographischen Aufnahme des Geländes und bei der Herstellung
genauer Karten leistet besonders das Militär Ausgezeichnetes, ebenso
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Extrahierte Personennamen: Oskar_Peschel Ferdinand_v Ferdinand Stanley Hermauu_Wißmann Nikolai_Przewalskij Sven_Hedin Peary Scott James
Clarke
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Extrahierte Personennamen: Marco_Polo F._Nansen Marco_Polo/ Ernst_Schultze Ernst Marco_Polo Hans_Lemke Ernst
Schultze Ernst