1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
Inhalt: Zeit: Geographie
50
Bilder aus Europa. — Großbritannien.
und Kirchen auf dem dämmernden Grunde der See sind doch nichts Anderes
als rothe Blöcke von Thongestein, welche die mütterliche Insel umlagern.
Auch von Helgoland hat die Sage erwählt, daß es einst mit dem Festlande
zusammenhing, volkreiche Städte, römische und germanische Tempel, viele
Kirchen und Klöster, Burgen und Dörfer enthielt, und daß es bei Weitem
größer gewesen sei, als es jetzt ist. Aber von alledem ist nicht viel wahr.
So viel haben die Geologen herausgefunden, daß der rothe Felsen nicht
größer gewesen sein kann als sein jetziges Fundament bis zur sogenannten
Kante; viel weniger kann es in historischer Zeit mit dem Festlande verbunden-
gewesen sein.
Das alte Nordfriesland bildete ein zusammenhängendes Ganze und
reichte weiter ins Meer hinaus als jetzt. „Aber dieser Zusammenhang",
sagt Hallier, „und diese Ausdehnung waren nicht durch Klippen bedingt,
sondern das alte Nordfriesland bestand, wie seine gegenwärtigen Ileberreste,
aus Dünen-Landschaften, welche durch fruchtbare, vom Meere angeschwemmte
Marschländereien verbunden waren; die hier und da hervortretenden Felsen
spielten dabei nur eine sehr untergeordnete Rolle, wie noch jetzt." Der
Untergang Nordfrieslands traf also nicht die Klippen, denn Klippen werden
nicht ohne Weiteres vom Meere weggewaschen, sondern lediglich die Marschen
und Dünen. Der Helgoländer Felsen steht seit unvordenklichen Zeiten ver-
einzelt im Meere da; sein Gestein ist ein verhärteter Thon, wechselnd mit
Bänken eines Sandsteins, in regelmäßiger Schichtung, welche, obgleich schräg
und breit gelagert, kaum minder elegant ist, als der Querschnitt einer
Linzer Torte.
Helgoland erhielt im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts plötzlich
durch Häringe eine ungeahnte Bedeutung. Diese nämlich, welche sich seit
dem zwölften Jahrhundert regelmäßig nach der Ostsee gewendet hatten,
änderten ihre gewohnte Richtung und erschienen seit dem Herbst 1425 theils
bei Flandern, theils bei Helgoland und an anderen Orten der Nordsee.
Der Heringsfang war in der damaligen Zeit des allgemeinen Katholicismus
von großem Werth, und ein bedeutender Theil dieses wichtigen Betriebes
wandte sich nach der Helgoländer Küste, wo namentlich Hamburg, Bremen
und Stade Factoreien anlegten. Anfangs gingen der Fang und die Theilung
des gemeinsamen Gewinns mit den Herzögen von Schleswig, welchen von
Seiten Dänemarks die Einkünfte der Insel Helgoland übertragen waren,
ganz friedlich ab, doch am Ende des Jahrhunderts kam es zu Streitigkeiten,
wobei es recht munter zuging, denn 1496 verbrannten die Dänen das Haus
der Bremer, im folgenden Jahre diese mit den Hamburgern, Stadern
und Ditmarschen das Haus des Herzogs, worin Fischereiaeräthe auf-
bewahrt wurden. Dann ward die Insel ein Schauplatz der Kämpfe
zwischen den hingesandten Kriegsvölkern beider Parteien. Schließlich kam
es wohl zu einem vorläufigen Vergleich, aber die Zwistigkeiten der Hanse-
städte mit den dänischen Königen um diese Insel dauerten noch lange Zeit.
Bis zum achtzehnten Jahrhundert war die Härings-Angelegenheit nicht ganz
zum Austrag gekommen; da bemächtigte sich Dänemark im Kampfe der
königlichen gegen die herzoglich-schleswig'sche Linie am 7. August 1714 durch
Blokade und Bombardement Helgolands.
Zu größerer Bedeutsamkeit kam die Insel, als England sie 1808 in
seinen beim Kieler Frieden 1814 rechtlich anerkannten Besitz nahm. Während
der Dauer der Elbe-Sperre ward sie der Stapelplatz englischer Waaren,
welche nach Deutschland, Holland und Dänemark gehen sollten. Zu der
Zeit war ein enormer Reichthum auf der Insel angehäuft; Waarenlager
und Häuser entstanden in Menge, Kaufleute aus allen Ländern drängten
sich auf dieser neuen Weltbörse, und die Helgoländer hatten mit ihren
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Extrahierte Personennamen: Hallier August
Extrahierte Ortsnamen: Europa Helgoland Nordfriesland Nordfriesland Nordfrieslands Helgoland Flandern Helgoland Hamburg Bremen Stade Schleswig Helgoland Helgolands England Deutschland Holland
1878 -
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Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
Inhalt: Zeit: Geographie
84
Bilder aus Europa. — Frankreich.
Gleichgewicht, ein Verhältniß, welches sich in Deutschland noch vortheilhaster
stellt. Die drei Stromgebiete der Seine, Loire und Garonne werden nicht
allein durch den gemeinschaftlichen Duellen bezirk im Sevennensystem ver-
einigt, sondern auch durch ein zusammenhängendes Tiefland von den West-
pyrenäen bis an den Rhein, und machen ein Naturganzes aus, welches
zugleich reich ist an inneren Unterschieden.
Pütz: Nach Ernst Kapp und E. M. Arndt.
50. Der Franzose.
Am auffallendsten und merkwürdigsten in dem französischen National-
charakter ist das Gepräge, das ihm die Hauptstadt des Landes aufgedrückt
hat und fortwährend aufdrückt. Ganz Frankreich würde ein anderes
Frankreich sein, wenn für Paris irgend eine Stadt an der Rhone, Loire
oder unmittelbar am Ocean seine Hauptstadt geworden wäre. Mit Paris
sind alle Franzosen zu sehr in das gallische Element eingetaucht und unter-
getaucht worden. Dieses Element mußte auf die Eingewanderten auf jeden
Fall den größten Einfluß haben; aber sicher würde dieser Einfluß nicht so
groß gewesen sein, wenn die große Hauptstadt nicht recht in dem gallischen
Kern gelegen hätte. Es läßt sich ziemlich klar und genau nachwerfen, wie
die nachbarliche normännische Windigkeit und Abenteuerlichkeit und die
gallische Leichtfertigkeit und Lustigkeit zusammen dem Ganzen die Gestalt
gegeben haben, die es jetzt hat. Von Paris aus, welches im Mittelalter
ein allgemeiner Herd war, an welchem schon damals Kunst und Wissen-
schaft sich wärmte, ist alles übrige des Reichs mehr oder weniger gemacht
worden. Paris ist Frankreichs Hauptstadt, wie keine andere Hauptstadt
irgend eines europäischen Landes, und weil sie durch das Glück, daß ihre
Sprache eine Weltsprache geworden, daß alles, was Feinheit, Schönheit,
Anmut und Bildung im Sinne der jüngsten Vergangenheit suchte, daß
wenigstens alles freiherrliche und fürstliche einige Jahre nach Paris gehen
mußte, um sich dort den Firniß seiner Sitten überstreichen zu lassen, die
stolze Einbildung gefaßt hatte, sie sei wirklich die Hauptstadt aller Bildung
und Wissenschaft: so hat diese Einbildung oas französische Volk wie ein
wahrer Zauber ergriffen und hält es immer noch fest, selbst nachdem die
Fremden größtenteils von dem früheren Wahne erlöst sind. Paris ist
darum auch ein Mittelpunkt französischer Eitelkeit, welche allerdings berechtigt
ist, sich auf ihr Volk etwas einzubilden, aber leider diese Einbildung nicht
auf die edleren Eigenschaften legt. Denn auch die Herrschaft der französischen
Sprache ist nicht bloß zufällig, etwa allein durch das Uebergewicht geworden,
welches die Franzosen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts über die anderen
europäischen Völker bekamen; sondern die Leichtigkeit, Lebendigkeit, Witzigkeit
des Volkes, seine Klarheit und Feinheit, und das Talent, alles geschaute,
empfundene, gedachte leicht und bequem in klarer, netter Sprache auszudrücken,
die gleich glatten Kieseln, durch unaufhörlichen Gebrauch geschliffen, Zeicht
über die Zunge hinweggleitet und fortlispelt, der im ganzen leichte, streng
gesetzmäßig geordnete Bau macht sie wirklich zu einer Weltsprache sehr
geeignet.
Merkwürdig, die Franzosen sind ihrem Wesen nach auf den Ver-
stand angewiesen, sind durchaus ein seines, klares, verständiges Volk; aber
so mächtig ist bei ihnen die Eitelkeit, daß diese sie alle Augenblicke von dem
graden, hellen Wege des Verstandes abbringt. Denn bünd wird, wer in
den Spiegel der Eitelkeit schaut, und sie halten sich diesen Spiegel immer
selbst vor und zürnen, wenn ein wahrhaftiger Mann ihnen denselben weg-
nehmen will. Man vergleiche nur die Redner in den französischen und
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Extrahierte Personennamen: Pütz Ernst_Kapp Ernst Arndt
Extrahierte Ortsnamen: Europa Frankreich Deutschland Rhein Frankreich Frankreich Paris Frankreichs Paris Paris
1878 -
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Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
Inhalt: Zeit: Geographie
342
Bilder aus Australien.
der Insulaner Kleider anlegt, unterläßt er auch die künstliche Ausschmückung
seiner Haut.
So klein auch die Gesammtsumme des Areals dieser Inseln oder der
dieselben bewohnenden Menschen ist, so haben dieselben doch, nachdem sie
entdeckt und oft wieder entdeckt worden sind (daher die verschiedenen Namen
der Inselgruppen) nicht aufgehört, das Interesse der europäischen Welt zu
fesseln. Was dieses erregt, war nicht blos die Wichtigkeit der an frischem
Quellwasser und Produkten reichen Stätten für die Seefahrer innerhalb
der weiten Wasserwüste, sondern auch die paradiesische Natur dieser Eilande
und das paradiesische Leben einzelner, auffallend gut gearteter kleiner
Völkerschaften auf denselben. Ganz besonders aber" haben sie seit lange
die Augen der christlicken Welt aus sich gelenkt, so daß hier, wie nirgends
sonst auf der Erde, durch den Einfluß der christlichen Lehre eine voll-
ftänbi^e Umgestaltung einiger, sogar den Menschenopfern anhängender und
der Menschenfresserei ergebener Völker in unglaublich kurzer Zeit bewerk-
stelligt worden ist.
Die barbarischen Sitten bei solchen Völkern sind verschwunden. Volks-
schulen sind unter ihnen errichtet, unzählige Bibeln in den einheimischen
Idiomen sind unter ihnen verbreitet, sowie Schul- und Lesebücher, die zum
großen Theil von den Insulanern selbst gesetzt und gedruckt wurden; ein
erfreuliches Zeichen, daß der den materiellen Interessen dienende Welt-
handel auch höhere Erfolge mit sich führt und dem erhabenen Zwecke der
allmäligen Ausbreitung menschlicher Cultur über den ganzen Erdkreis
dienstbar ist. Dionys Grün.
189. Reise durch die Südsce.
Im December 1854 verließen wir um Mittag Sidneys prachtvollen
Hafen und fanden außen auf der hohen See einen südwestlichen Wind.
Dieser schwankte allmälig durch die haloe Windrose und blies uns, die wir
nach Amerikas Küste strebten, endlich schwach, aber beständig aus Nordost
entgegen. Als wir so unter Neuseeland lagen und zehn Tage lang das
Cap Maria Vandiemen in Sicht hatten, traten Windstillen ein oder es
wehten Landwinde. In einer ruhigen Nacht, als Wachoffizier und Steuer-
mann dem verbotenen Vergnügen, im Dienst zu schlafen, zum Opfer fielen,
kam das Schiff aus seiner Äichtung. Eine der großen, breiten Wellen
schlug statt an den Hintertheil an die Bordseite des Schiffes mit solcher
Gewalt, daß der obere Theil des Hauptmastes brach.
Auch in den ersten Tagen des Februars hatten wir wieder häufig
Windstillen. Wir waren ungefähr 8000 Seemeilen weiter gekommen und
hatten schon den 180. Längengrad passirt, als die silbernen Fransen von
kleinen Wellen am Vordertheil sich verkleinerten, der Wind aus Westen
immer schwächer wurde und manchmal fast gänzlich aufhörte, dann wieder
leicht aufsprang und uns nur langsam forttrieb. Es war eines^ Morgens,
als ick inne wurde, daß wir vollkommen ruhig lagen, und die Segel schlaff
herabhingen und matt an die Masten schlugen. Ich ging auf's Deck, und
freute mich über die Heiterkeit des Morgens. Der Himmel war vollkommen
klar, und die Sonne schien mit aller Wärme eines ruhigen Sommermorgens.
Das Meer war spiegelglatt; seine Fläche war als treues Spiegelbild des
Himmels wie dieser von wundervoller Bläue. Auf der Sonnenseite des
Schiffes lag ein helles, im Schatten ein dunkleres Blau. Das Schiff
wurde nur leise gehoben und aus seiner Lage gebracht durch jene großen
Wellenbewegungen, die in regelmäßigen Zwischenräumen von einigen Minuten
wie ein langsamer Pulsschlag des Oceans wiederkehren.
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Extrahierte Personennamen: Dionys_Grün Maria
Extrahierte Ortsnamen: Australien Amerikas Nordost
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Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
Inhalt: Zeit: Geographie
I Wilder aus Europa.
1. Europas Weltstellung.
Europa liegt in der Mitte des Festlandes der Erde, wie das austra-
lische Südland in der Mitte der südlichen Wasserwelt. Unser Erdtheil
steht demnach im geraden Gegensatz zu Australien, als Nordland und Süd-
land, als Festland und Jnselland, umgeben von weiten Continenten, wie
jenes nur von weiten Oceanen mit Inseln umflutet wird.
Alles trockne Land des Erdballs liegt vorherrschend auf der Nordost-
hälfte der Erdkugel zusammengedrängt. In dieser Zusammengedrängten
Masse bildet Europa die Mitte und ist daher der centrale Erdtheil. Asien,
Afrika, Nordamerika und wenige scheidende Meere umgeben Europa gänzlich.
Durch den merkwürdigen Ring von Festländern eingefaßt, sollte
Europa allen gleich nahe stehen, allen gleich verwandt werden,^mit allen
in Wechselwirkung, Austausch und Verkehr treten können. So gleicht
Europas Stellung der Lage des Fruchtbodens in der Mitte der Blume,
zu dem alle Saftgefäße leiten, zu dem der ganze reiche Blätterschmuck mit
gehört. Der Fruchtknoten kann allein den Samen des ganzen Gewächses
zur Reise bringen. Solcher Zuleitung aller Frucht- und Saftgefäße ent-
sprechen auch die Meeresbewegungen gegen unsern Erdtheil hin. Europa
hat daher auch an den Schicksalen aller seiner Nachbarländer mehr Antheil
nehmen müssen, als jeder der andern Erdtheile insbesondere an dem einen
oder dem andern.
In Folge der besondern Stellung Europas ist in frühester Zeit die
Zerstreuung und Zersplitterung seiner Bevölkerung verhindert. Späterhin
konnte bei erfundener Weltschifffahrt und andern Culturzuständen ohne
Nachtheil des einheimischen Gedeihens schon eher eine Zerstreuung ein-
treten. Wir kennen nur einzelne Zeitpunkte, in welchen durch zu frühe
Zerstreuung seiner Bevölkerungen auch Europa Gefahren drohten. Aber
diese machen doch nur Ausnahmen. Durch die Wanderungen der Vandalen
nach Afrika entleerte sich Andalusien. Dagegen ist der Uebergang der Nor-
mannen aus Skandinavien und Island nach Grönland eine Entdeckung,
eine Colonisation, kein Völkerzug. An der Küste Nordafrikas haben sich
Griechen und Römer frühzeitig angesiedelt; aber dieser ganze Landstrich
theilt nicht die Starrheit des übrigen Afrika; er ist nur das Gegengestade
Europas, gleichsam ein Jnselgebiet, welches im Rücken durch em großes
Sandmeer, die Sahara, abgeschieden ist vom centralen Afrika, dem Neger-
lande. Die Sahara hat unserm Erdtheile in früheren Jahrhunderten seine
Bevölkerung erhalten.
Krüger, Geographische Bilder.
1
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Extrahierte Personennamen: Europas_Weltstellung
Extrahierte Ortsnamen: Europa Europa Australien Europa Afrika Nordamerika Europa Europa Europas Europa Europas Europa Afrika Andalusien Skandinavien Island Grönland Nordafrikas Afrika Europas Afrika
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Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
Inhalt: Zeit: Geographie
Nigritien ober Sudan mit dem Tsad-See. — Die Stadt Timbuktu. 267
unsern Blicken; wir trinken sein Wasser mit langen, vollen Zügen, und
schwelgen in den nächsten Stunden in glückseliger Stimmung. Alle Mühen,
<ule Leiden der Wüstenreise sind vergessen, und die Erinnerung malt uns
die Zeit, welche wir in der Wüste durchlebt, in den buntesten und freund-
lichsten Farben. Nach einem Vortrage von Brehm.
149. Nigritien oder Sudan mit dem Tsad-See.
Sudan und Nigritien, wie die Europäer Inner-Afrika benannt haben,
bedeuten „schwarz", weil man annahm, daß die ganze Bevölkerung Mittel-
Afrika's der Negerrace angehöre. Spätere Untersuchungen haben dargethan,
daß nahe die ganze Bevölkerung südlich vom Aequator, obgleich dunkel ge-
färbt, von der Negerrace abweicht.
Trotz ungeheurer materieller Anstrengungen, trotz des so bedeutenden
Aufwandes edlen Menschenlebens ist Sudan seiner größten Ausdehnung
nach noch ein unbekanntes Land.
Der ganze Sudan ist durch den Aequator in einen nördlichen und
südlichen getheilt; der nördliche Sudan sondert sich seiner geographischen
Form nach wieder in den westlichen Hochsudan und in den östlichen
Flachsudan. Hochsudan umfaßt das ungeheure Stufenland des Niger
oder Dscholiba.
Im Flachsudan lenkt besonders der Tsadsee unsere Aufmerksamkeit
auf sich. Dieser See nimmt die tiefste Stellung an der großen Einsenkung
ein, durch welche die Sahara von den südlichen Hochflächen vom Inner-
Afrika geschieden wird. Er ist etwa 30 Meilen lang und 45 Meilen breit.
Seine bedeutendsten Zuflüsse sind der Schari von Südosten, dessen Ober-
lauf und Quelle noch ganz unbekannt sind; von Westen her nimmt er den
Deu und Komaduga auf. Er bildet eine ungeheure seichte Lache, die
nur in der Mitte ein schiffbares Wasser hat, ist mit Inseln bestreut, die
von einem unabhängigen, den Anwohnern feindlichen Stamme bewohnt sind,
während rund umher Sumpf- und niedrige Wiesengründe von gewaltiger
Ausdehnung sich lagern. Obgleich er keinen Ausfluß hat, ist er dennoch
ein Süßwassersee, der durch die gewaltige Verdunstung auf so weiter Fläche
bei geringer Tiefe den gewaltigen Wafservorrath verliert, den die oben
genannten Flüsse ihm zuführen. Diese reiche Bewässerung seiner Umgebung,
besonders im Süden, bildet den auffallendsten Gegensatz zu der Dürre der
nördlich benachbarten Wüste. Nach Dionys Grün.
150. Die Stadt Timbuktu in Nigritien oder Sudan.
Timbuktu ist nicht etwa der Mittelpunkt eines großen selbstständigen
Reichs; denn mächtige staatliche Gemeinwesen bestanden schon lange vor
Gründung der Stadt ringsumher. Jahrhunderte lang, nachdem die Stadt
ins Leben gerufen war, wuchs dieselbe zwar frei und unabhängig, aber
ohne die Hauptstadt eines Reichs von einiger Bedeutung zu sein.
Dagegen war sie früher der berühmte Sitz muhamedanischer Gelehrsam-
keit, der Mittelpunkt religiösen Lebens; keine Stadt des Reichs besaß so
stattliche Moscheen, keine überhaupt so schöne und massive Gebäude. Schon
aus diesem Grunde verdiente sie vorzugsweise den ausgezeichneten Namen
einer „medinah" — „Stadt". Wie groß aber der Einfluß war, den Timbuktu
als Sitz der Intelligenz ausübte, geht schon daraus hervor, daß der
Tumbutukop oder Statthalter, wie es scheint, stets ein „Faki", d. h. ein
gelehrter Mann sein mußte. Dort waren in Anbetracht des Landes und
der Zeit große Bücherschätze angehäuft; Ahmed Baba selbst, der uns ein
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1878 -
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Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
Inhalt: Zeit: Geographie
Dauer des Weltsystems.
355
Jene große, bewunderungswürdige Maschine über uns — trägt sie
auch solche Spuren, aus denen wir, wenn auch in der fernsten Zukunft,
auf ihren Stillstand, aus ihre Auflösung schließen können?
Der ganze Sonnenstaat ist nicht nur in seinem Ganzen, sondern selbst
in den einzelnen Theilen desselben wesentlich monarchisch geordnet. Die
Sonne, der Mittelpunkt der Bewegungen der Planeten, überwiegt alle diese
Planeten zusammen genommen an Masse, d. h. von eigener intensiver
Stärke mehr als siebenhundertmal, und ein ähnliches Uebergewicht bemerken
wir auch bei allen Hauptplaneten in Beziehung auf ihre Monde. Die
Masse der Erde ist 70mal größer als die des Mondes, und die Masse
Jupiters übertrifft die aller seiner vier Monde sogar gegen 6000mal. Die
daraus folgenden mächtigen Anziehungen der Sonne auf die Planeten, und
der Hauptplaneten auf ihre Monde lassen keine so beträchtliche Störungen
in diesem Staate aufkommen, von denen man eine Zerrüttung oder auch
nur eine größere Unordnung des Ganzen besorgen könnte. Wenn z. B.
Jupiter plötzlich aus diesem Systeme ausgeschieden würde, so würden wir
seine Monde, die wir jetzt in so schöner Ordnung um ihn gehen sehen, sich
sofort in dem Raume zerstreuen, und den einen in Ellipsen um die Sonne
gehen, den andern aber in hyperbolischen Bahnen sich von derselben ent-
fernen sehen. Aber das Dasein mächtiger, alle andern so weit überwiegen-
der Kräfte ist ein wesentlicher Schutz für ein System, das in allen seinen
Theilen beisammen bleiben, und in der Regelmäßigkeit seiner Bewegungen
nicht wesentlich gestört werden soll.
Gründe für die Erhaltung der Erde. Selbst auf unserer Erde
bemerken wir ähnliche Spuren dieser Absicht der Natur, ihren Werken
Bestand und Dauer zu geben. Dahin gehört vorzüglich die Festigkeit der
Pole auf der Oberfläche der Erde, und das durch die Beobachtungen so
vieler Jahrtausende bestätigte Gleichgewicht der Meere, die einen so großen
Theil dieser Erde bedecken. Diese beiden Erscheinungen, die zur Erhaltung
organischer Wesen nnumgänglich nothwendig sind, können als ein einfaches
Resultat der Rotation der Erde verbunden mit der allgemeinen Schwere
aller Körper betrachtet werden. Durch die Wirkung der allgemeinen
Schwere aber mußte die Erdmasse gegen ihren Mittelpunkt viel dichter
werden, als in der Nähe ihrer Oberfläche, so daß jetzt die mittlere Dichte
der ganzen Erde die des Meerwassers weit übertrifft, was allein schon hin-
reicht, diese Meere selbst in stetem Gleichgewichte zu erhalten und der Wuth
ihrer Fluten einen Zügel anzulegen.
Wenn aber diese bewunderungswürdigen Eigenschaften der Natur uns
über die weitere Dauer ihres Werkes vollkommen beruhigen können, und
wenn, wie wir gesehen haben, wenigstens das Innere dieses Systems keine
Spur von einer künftigen Zerstörung an sich trägt, so ist doch eine auch
noch so lange — keine ewige Dauer.
Wir sehen, daß allen Dingen dieser Erde nur eine, oft sehr kurze
Periode ihres Daseins angewiesen ist, nach welcher sie alle verschwinden,
und, wenigstens in dieser Gestalt, nicht mehr wieder kommen. Jeder
kommende Winter zerstört die schönen Gebilde unserer Fluren. Zahlreiche
Familien und ganze Geschlechter von Thieren sind bis auf die letzten Reste
derselben verschwunden, und selbst ganze Völkerschaften, weltbeherrschende
Nationen ziehen vor uns vorüber wie die Bilder eines Schattenspieles an
der Wand, und alles, alles was uns hier unten umgiebt, wird von dem
Strome der Zeit fortgerissen, und eilt unaufhaltsam seinem Endzustände
der Auflösung und Zerstörung entgegen. Die Erde, die wir betreten, ist
mit den Ruinen der Vorzeit und mit dem Staube von Pflanzen und
Thieren bedeckt, und es wird eine Zeit kommen, wo man über die Pyra-
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