186
Drittes Hanptstück.
das Innere der unter seiner Verwaltung stehenden Provinz Aserbeidschan zu-
rückzuziehen, vielmehr von neuem über den Araxes ging und gegen den festen
Platz Eriwan vordrang, der von den Nüssen seit dem Anfange des Feldzuges
bald bekannt, bald aus der Entfernung beobachtet wurde. Er griff das be-
rühmte Kloster Etschmiadsin, welches die Russen besetzt hielten, mit Heftigkeit
an und war im Begriffe, sich dieser wichtigen Stellung zu bemcistern, als
General Krassowski, der das Beobachtungscorps vor Eriwan befehligte, mit
demselben zum Entsätze anrückte. Abbas Mirza, im Vertrauen auf dieueber-
legcnheit seiner Streitkräfte, ging dem Feinde muthig entgegen, und es kam
zu einem wüthenden Kampfe, in dem die Russen bedeutenderen Verlust er-
litten, als in irgend einem früheren Gefechte während der ganzen Dauer des
Krieges, zuletzt aber dennoch das Schlachtfeld behaupteten und die Perser
zwangen, sich nach der einige Meilen von dem Kloster entfernten Feste Sar-
darabad zurückzuziehen. Der Sieg, den die Russen erfochten hatten, kam
ihnen so theuer zu stehen, daß ein zweiter ähnlicher Kampf das ganze Corps auf-
gerieben hätte. Um es dahin nicht kommen zu lassen, zog General Paszkie-
wicz auf die erste Nachricht von dem Ausgange des Treffens mit seiner Haupt-
macht gegen Eriwan heran. Bei seiner Annäherung wich Abbas Mirza über
den Araxes zurück; die Feste Sardarabad, die einer seiner tapfersten Heer-
führer vertheidigte, wurde von den Russen nach kurzer Beschießung genommen,
und Paszkiewicz, auf dieser Seite gegen jede Beunruhigung gesichert, sah sich
in den ersten Tagen des Octobers im Stande, vor Eriwan die Laufgräben
zu eröffnen. Das russische Wurfgeschütz richtete in dem Platze, der bei den
Persern seiner steilen und schwer zugänglichen Lage wegen als uneinnehmbar
galt, furchtbare Verheerungen an; bald war eine gangbare Bresche in die
Mauer gelegt und schon rückten die russischen Colonnen zum Sturme an, als
die Besatzung, an jeder Möglichkeit ferneren Widerstandes verzweifelnd, die
Waffen streckte und sich ans Gnade und Ungnade ergab. Die in so kurzer
Zeit bewirkte Einnahme eines Platzes, welcher der Sage nach vorher niemals
durch Gewalt der Waffen bezwungen war, verbreitete im persischen Heere, so
wie unter den Bevölkerungen der zunächst gelegenen Provinzeu einen allge-
meinen Schrecken. Die leichten Reitcrschaaren, welche die Hauptmasse des per-
sischen Heeres bildeten, eilten hausenweise nach Hause; selbst die regelmäßigen
Truppen, die sich bisher mit Tapferkeit geschlagen hatten, waren nicht mehr
zum Stehen zu bringen. Abbas Mirza, der nur noch wenige Tausend Mann
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
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173
Der russische Türkenkrieg.
Da die Russen in den Donaufürstenthümern keinen Feind vor sich
fanden, so ging die Besetzung derselben mit einer Schnelligkeit vor sich, wie
sie nur einem mit so zahlreicher leichter Reiterei versehenen Heere möglich
ist. Bereits am 12. Mai erreichten die donischen Kosacken Bukarest, die
Hauptstadt der Walachei, wo am 13. General Geismar mit der Vorhut, am
folgenden Tage General Roth mit der Masse des 6. Jnfanteriecorps ein-
traf. Der Hospodar Ghika, der nach der österreichischen Grenze entflohen
war, kehrte bald zurück und stellte sich, dem Beispiele des Fürsten Stourdza
folgend, unter russischen Schutz. Am 21. besetzten die Kosacken Krajowa,
den Hauptort der kleinen Walachei; und die Türken behielten jetzt auf
dem linken Donauufer nur noch die festen Plätze Braila und Giurgewo, so
wie die Forts Kalc und Turnow, an der Einmündung der Aluta, Nikopolis
gegenüber, im Besitze. Während der rechte Flügel des russischen Heeres so
rasche Fortschritte machte, war das Centrum, welches der Feldmarschall
Wittgenstein in Person führte, vor Braila angekommen, wo cs auf den
hartnäckigsten Widerstand stieß. Bei der ersten Annäherung der russischen
Vorhut ging derselben eine Schaar von 300 türkischen Reitern entgegen, die
zwar geworfen wurden, jedoch in den Gärten vor der Stadt, nach denen
sie sich zurückzogen, die Russen mit einem so lebhaften Gcwehrscuer empfingen,
daß diese sich ihrerseits zum Rückzüge genöthigt sahen. Am 15. nahmen
zwei russische Bataillone nach einem unbedeutenden Gefechte die von den
Türken größtentheils in Brand gesteckte Vorstadt, und jetzt begann die eigent-
liche Bcrcnnung der Festung, die aus dem nicht sehr hohen aber steilen Thal-
rande der Donau, 500 Schritt von dem Strome entfernt liegt und fünf nüt
Maucrwerk bekleidete Bastionen, von denen zwei an der Wasserseite, hat.
Die Besatzung unter dem Befehle Soliman Paschas betrug 3000 Mann,
die aber von der gesammtcn waffenfähigen Einwohnerschaft unterstützt wurden.
Auf der Donau lag eine türkische Flottille von 32 kleinen Fahrzeugen, welche,
von Achmed Bei befehligt, die Verbindung mit der auf dem rechten klfcr ge-
legenen kleinen Feste Macsin unterhielt. Das zur Belagerung bestimmte rus-
sijche Corps zählte 25,000 Mann, und am 17. traf der mit der Leitung der
Belagerung beauftragte Großfürst Michael, so wie am 20. der Kaiser Nicolaus
selbst, der St. Petersburg am 7. verlassen hatte, im Hauptquartiere ein. Die
Belagcrungsarbeiten konnten jedoch wegen der weiten Entfernung, aus der alles
Material herbeigeschafft werden mußte, erst am 25. angefangen werden, nachdem
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Roth Hospodar_Ghika Wittgenstein Soliman_Paschas Achmed_Bei Achmed Michael Nicolaus
215
Der russische Türkcnkrieg.
die Mitte des Mai setzte der neue Großwesir sich von Schumla aus in Be-
wegung, um die Entfernung des russischen Haupthcercs zu einem Schlage
gegen das Corps des Generals Noth zu benutzen, welches in einem Halb-
kreise um Warna eine weit ausgedehnte Postenkette besetzt hielt. Am meisten
mußte Neschid daran gelegen seyn, den befestigten Flecken Paravadi zu neh-
men, weil dieser, nur fünf Meilen von Schumla entfernt, jedem Angriffe,
den die Russen gegen das türkische Lager unternehmen wollten, zum Stütz-
punkte diente, und weil überdies von hier aus die bequemste Straße über
den Balkan führte. General Roth hatte in der Nähe von Paravadi auf
einer Anhöhe bei dem Dorfe Eski Arnautlar fein Lager aufgeschlagen, das
er durch Feldschanzen gegen einen Handstreich gesichert hatte. Der Groß-
wesir, der mit zwei starken Colonnen von Schumla ausgerückt war, erschien
am 15. Mai bei Tagesanbruch plötzlich am Fuße der Anhöhe und griff die
russische Stellung mit solchem Ungestüm an, daß die Russen sich in ihren
Redouten, in die der Feind bereits zu wiederholten Malen eingedrungen war,
nur mit Mühe behaupteten, als General Wachten von dem nächsten Posten
zu Dewno mit frischen Truppen anlangte und dem Gefechte eine andere
Wendung gab. Die Türken zogen sich zurück und General Rynden erhielt
den Befehl, sie mit zwei Regimentern zu verfolgen. Als das eine dieser Re-
gimenter, jenes von Ochotsk, eine enge Schlucht durchsetzt hatte, wurde das-
selbe lauf allen Seiten von türkischer Reiterei angefallen und nach tapferer
Gegenwehr bis auf den letzten Mann niedergehauen. General Rynden, der
sich dies Unglück durch sein unvorsichtiges Vordringen zugezogen hatte,
blieb an der Spitze seiner Truppen; die vier Geschütze, die er mit sich
führte, fielen dem Feinde in die Hände. Das zweite Regiment, welches um-
sonst durch die Schlucht zu dringen versucht hatte, um seinen Waffcngefährtcn
beizustehen, würde das Schicksal derselben getheilt haben, wenn nicht in dem
Augenblicke, wo es zu erliegen im Begriff war, die Besatzung von Paravadi
einen kräftigen Ausfall gemacht hätte, während zugleich einige Bataillone
aus dem Lager von Eski Arnautlar den Türken in die Flanke fielen und sie
zum Abzüge zwangen. Der blutige Kampf, der vom frühen Morgen bis
zum Abende gedauert, und in dem die Russen nach ihrem eigenen Geständ-
nifie allein an Todten 1600 Mann verloren, hatte auf den General Roth in-
defien einen solchen Eindruck hervorgebracht, daß er es nicht wagte, in dem
zu sehr bloß gestellten Lager von Eski Arnautlar sichen zu bleiben, sondern
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226
Drittes Hauptstück.
klar. Er entsandte sogleich einige Bataillone Infanterie und eine Nciterab-
thcilnng nach Kiuprikoi, nm diesen wichtigen Posten zu verstärken, den die
Türken aber bei ihrer Ankunft bereits vom Feinde besetzt fanden, worauf sie
auf einem Nebenwege Aldos gewannen. Der Befehlshaber, Ibrahim Pascha,
dessen ganze Macht nicht über 8000 Mann stark war, sah die Unmöglichkeit
ein, mit derselben den Marsch des ganzen russischen Heeres aufzuhalten; er-
faßte daher den einzigen Entschluß, von dem er sich noch einigen Erfolg ver-
sprechen konnte, indem er sich auf das vereinzelte Corps des Generals Nüdi-
ger warf, welches in geringer Entfernung von Aldos Halt gemacht hatte, um
die beiden Corps der Generale Pahlen lind Roth, die in seiner linken Flanke
marschirten, zu erwarten. Die russische Vorhut wurde zurückgedrängt; als die
Türken jedoch aus das Hanpscorps stießen, wurden sie nach kurzem Gefechte
ihrerseits zum Rückzüge gezwungen. Rüdiger folgte den in Unordnung Flie-
henden auf dem Fuße, und griff sogleich Aldos, so wie die zur Seite dieser
Stadt vom Feinde besetzten Stellungen an. In den engen Straßen von Ai-
dos wurde hartnäckig gekämpft; so wie aber hier der Widerstand überwältigt
war, ergriffen die Türken auf allen Seiten die Flucht und retteten sich auf
Fußwegen längs dem südlichen Abhange des Gebirges nach Karnabad. Am
folgenden Tage wurde auch diese kleine Stadt von den Kosackcn besetzt, und
General Dicbitsch verlegte jetzt sein Hauptquartier nach Aidos, um von hier-
aus die ferneren Bewegungen seines Heeres zu leiten. Er schickte den Gene-
ral Pahlen in südlicher Richtung nach Karabnnar ab, von wo dessen Vorhut
bis nach Fakih, zehn Meilen von Adrianopel, vordrang. Zn gleicher Zeit
rückte General Rüdiger mit seinem Corps westwärts nach Karnabad, und da
er vernahm, daß Halil Pascha in dem etwa fünf Meilen entfernten Orte
Jambol, seitwärts von der großen Straße nach Adrianopel, ein Corps von
10,000 Mann zusammengezogen hatte, so entsandte er den General Schere-
metiew mit acht Schwadronen Uhlanen und einigen Kosacken, um nähere
Kundschaft von der türkischen Stellung einzuziehen. Die Russen waren be-
reits so übermüthig geworden und achteten den Feind so geringe, daß diese
schwache Reiterabtheilung sich ohne langes Besinnen auf das türkische Lager
stürzte und dasselbe in Brand steckte. Zwar wurde Scheremetiew zuletzt zu-
rückgeschlagen; sein kecker Angriff hatte aber die Türken so in Schrecken ge-
setzt, daß Halil Pascha, in der Meinung, das russische Heer sey bereits gegen
ihn im Anzuge, Jambol in aller Eile räumte und sich nach Adrianopcl zu-
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218
Drittes Hauptstück.
Schumla das Schicksal des osmanischen Reiches entschieden werden müsse, zu
fest durchdrungen, als daß er diesen Gedanken hätte fassen können. Er bc-
harrte daher auf dem Entschlüsse, sich um jeden Preis durchzuschlagen und
traf unerschrockenen Muthes seine Vorbereitungen zur Schlacht. Am 11. Juni
um 7 Uhr des Morgens trat die türkische Vorhut, 6000 Mann stark, aus
dem Walde heraus, einige Bataillone regelmäßiger Infanterie mit neun Ge-
schützen in der Mitte und die Reiterei auf beiden Flügeln Diebitsch, der,
durch die Aussagen der Gefangenen irre geleitet, nicht gewiß war, ob der
Großwcsir nicht mit seiner Hauptmacht einen andern Weg eingeschlagen, be-
fahl, um sich dessen zu vergewissern, dem General Ostrostschenko die Türken
mit seiner aus vier Bataillonen und drei Schwadronen Husaren bestehenden
Vorhut anzugreifen, und ließ den General Pahlcn mit dem in drei Staffeln
ausgestellten zweiten Armcccorps zur Unterstützung nachrücken, während Ge-
neral Roth, der mit seinen Truppen eben erst eingetroffen war, die Reserve
bildete. Die Türken wichen bei dem Vordringen der Russen in den Wald
zurück und ließen sogar die Batterie im Stiche, mit der sie anfangs das
Feuer der russischen Geschütze erwidert hatten. In dem Augenblicke aber, wo
die russische Infanterie im Begriffe war, sich der Batterie zu bemächtigen,
brach die türkische Reiterei aus dcni Hinterhalte, den sie dem Feinde gelegt
hatte, hervor, warf die russischen Schwadronen, die sich ihr entgegenstellten,
über den Haufen, und hieb das Bataillon Murom, auf welches sie sich zuerst
stürzte, nieder, ehe dasselbe Zeit gehabt hatte, ein Viereck zu bilden. Auch
die drei anderen russischen Bataillone wurden hart bedrängt, da inzwischen
die unregelmäßigen türkischen Fußtruppen herangekommen waren. Der größte
Theil wurde niedergemacht, und den Rest rettete nur die aufopfernde Tapfer-
keit des Husarenregimcntcs, das immer wieder von Neuem zum Angriffe vor-
sprcngte. Durch diesen günstigen Erfolg war die Kampflust der Türken bis
zur Wuth gesteigert worden; sie nahmen das Dorf Tschirkowna, welches die
Russen umsonst zu halten versuchten, im ersten Anlaufe, drängten das erste
Treffen des Generals Pahlcn auf das zweite zurück und hätten nur noch
wenig Terrain gewinnen dürfen, um, wenn cs der Großwesir nicht vorzog,
den so glücklich begonnenen Kampf fortzusetzen, ihren Rückzug nach Schumla
auf dernebenstraße über Tscheremedin und Marasch ohne Gefahr zu bewerk-
stelligen. Allein das wilde Feuer, mit dem sie gegen die Stellung der Russen
herangestürmt waren, verrauchte, als sie bei dem zweiten Treffen des Gene-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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222
Drittes Hauptstück.
Ente zu machen, und daß er den Uebcrbringer des Schreibens deshalb be-
auftragt habe, alle näheren Aufschlüsse zu geben, die der Wesir verlangen
würde. Ncschid Pascha antwortete, als echter Türke: Da der Sieg und die
Niederlage Ereignisse wären, die von dem göttlichen Willen abhingen, so
läge es außerhalb der Macht des Menschen zu ändern, was die Vorsehung
beschlossen habe. In den Schlachten, welche zuerst bei Eski Arnautlar und
darauf bei Kulcwtscha Statt gesunden, sey der Erfolg den Augen beider Par-
teien offenbar geworden; der Verlust, den später das Ausstiegen der Pulver-
wagen verursacht, sey nur einem Zufalle zuzuschreiben, den der Wille des
Himmels gefügt habe; und die göttliche Weltordnung bringe es so mit sich,
daß man einmal auf den Sieg, ein anderes Mal auf die Niederlage gefaßt
seyn müsse. Im Uebrigcn wünsche er sehnlich, daß der Friede unter Bedin-
gungen abgeschlossen werde, die beiden Neichen vortheilhast wären; er sey
aber ein einfacher Kriegsmann und habe keine Kenntniß von den Staats-
angelegenheiten; es werde daher am zweckmäßigsten seyn, den Unterhändler
nach Konstantinopel zu schicken, oder einen Tag zu bestimmen, an dem beider-
seitige Commissarien zusammentreten möchten.
Dazu hielt Diebitsch sich nicht für ermächtigt; er nahm daher eine Stel-
lung ein, die ihn in den Stand setzte, das türkische Lager vor Schumla
genau zu beobachten, und beschloß den Fall von Silistria abzuwarten, ehe
er zu weiteren kriegerischen Unternehmungen schritte. Vor Silistria waren
inzwischen die Belagerungsarbeitcn auf das Kräftigste fortgesetzt worden, ob-
wohl die 8000 Mann starke Besatzung einen Widerstand leistete, der durch
seine Ausdauer alle Erwartungen der Belagerer täuschte. Die ganze Befesti-
gung des Platzes bestand aus einer einfachen Umwallung, mit zehn kleinen
Bastionen, die so weit auseinander lagen, daß sie sich gegenseitig nur geringe
Unterstützung gewährten. Die wenigen vorliegenden Werke waren ohne alle
Bedeutung. In der Nacht vom 26. auf den 27. Mai hatten die Russen ihre
zweite Parallele eröffnet, aus der sic ein heftiges Bombardement gegen die
Stadt begannen, welches sie aber bald wieder aufgaben, weil sic sich von der
Nutzlosigkeit desselben überzeugten. Wiederholte Ausfälle, welche die Be-
satzung machte, wurden zurückgewiesen; und in der Nacht vom 3. auf den
4. Juni rückten die Belagerer so weit vor, daß sic mehrere Batterien nur
130 Schritt von dem bedeckten Wege anlegten. Die Türken, welche die
Ausführung dieser Arbeiten umsonst durch das Feuer der Geschütze von ihren
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
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192
Drittes Hauptstück.
des Flusses überwältigt war, von den Außenwerkcn der Festung eines nach
dem andern, ohne daß sie auf irgend einem der noch so leicht zu vertheidi-
genden Punkte erhebliche Gegenwehr gefunden hätten. Die türkische Reiterei,
die Alles verloren sah, ergriff den einzigen Answeg der Rettung, indem sie
aus den Thoren brach und auf steilen Gebirgswegen, aus denen die Russen ihr
nicht zu folgen vermochten, den Karadag hinausjagte. Emin Pascha sah in
seiner Burg dem Vordringen der Russen, die sich bald der ganzen Stadt
bemächtigt hatten, unthätig zu und übergab, so wie ihm in seinem Zu-
fluchtsorte mit einem Sturme gedroht wurde, auch die Citadelle, ohne nur
einen Versuch der Vertheidigung zu machen. Selten war ein Sieg um wohl-
feileren Preis errungen worden; denn der ganze Verlust der Russen au Tod-
ten und Verwundeten betrug etwa 260 Mann, während von den Türken
über 1000 geblieben und verwundet und 1300 während des Gefechtes ge-
fangen worden waren. Dem Reste der Besatzung wurde gestattet, in die Hei-
math zurück zu kehren, weil man gewiß war, daß sie sobald nicht wieder
sich durch kriegerischen Eifer zu neuen Kämpfen würde hinreißen lassen. Das
Glück hatte den russischen Feldherrn außerordentlich begünstigt, denn schon
meldeten die Vorposten, daß die Spitzen der türkischen Vorhut von Arzernm
her im Gesichte wären. Nach dem Falle von Kars konnte Kiosa Mahmud
an einen Angriff nicht denken.
Während das türkische Heer sich damit begnügte, die Russen aus der
Ferne zu beobachten, hatte sich bei diesen inzwischen ein Feind eingestellt,
der ihnen ungleich gefährlicher zu werden drohte, als das Schwert der Asia-
ten. Unter der Besatzung von Kars herrschte die Pest, und wenige Tage
nach der Einnahme dieses Platzes brach dieselbe auch unter den Siegern
aus. Es wurden aus der Stelle die strengsten Maßregeln ergriffen, um jeder
weiteren Verbreitung der Seuche vorzubeugen; aber wenn cs dadurch auch
gelang, diese im Keime zu ersticken, so sah General Paszkiewicz sich koch
durch die Vorkehrungen, die erforderlich waren, beinahe volle vier Wochen
zur Unthätigkcit verurthcilt. Nicht eher, als in den letzten Tagen des Juli
war er im Stande, wieder in das Feld zu rücken. Da er in Kars eine zahl-
reiche Besatzung zurücklassen mußte, so war das Corps, welches ihm zur
Verfügung blieb, viel zu schwach, als daß er es hätte wagen dürfen, mit
demselben in das Innere des Landes einzudringen. Er beschloß daher, sich
seitwärts gegen die feste Stadt Akhaltsikeh zu wenden, die in einem schwer
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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194 Drittes Hauptstück.
die Mauern erstiegen Die seitwärts gelegene kleine Feste Khertwiß, mitten
im Gebirg, capitulirte, als eine Abtheilung von 200 Tataren sich vor ihren
Mauern zeigte. Um dieselbe Zeit erhielt General Paszkicwicz die Nachricht,
daß die von den Türken besetzte Festung Poti, am Ausfluß des Nion — des alten
Phasis — nach siebentägiger Bcrennung gefallen, und daß ein 1800 Mann
starkes Corps unter dem Generalmajor Popow zu seiner Verstärkung von
Georgien aus aus dem Marsche war. Ein anderes Corps, welches aber auch
nur 2300 dienstfähige Leute zählte, hatte ihm der General Fürst Bebutow
am Tage der Einnahme von Akhalkalaki zugeführt. Allen Nachrichten zu
Folge, die er vom Feinde hatte, mußte der russische Feldherr die Machtkiosa
Mahniud Paschas noch weit entfernt glauben; er beschloß daher, nachdem er
seinen Truppen die nöthige Rast gegönnt, ohne Säumen gegen Akhaltsikch
weiter zu ziehen, um sich dieses Platzes zu bcmeistcrn, ehe das türkische Heer
demselben zu Hülfe kommen konnte.
Am 10. August setzte sich das kleine russische Heer von Akhalkalaki aus
in Bewegung. Der Weg, den General Paszkiewicz einschlug, führte über
das steilste Gebirge aus Saumpfaden, aus denen das schwere Geschütz an
vielen Stellen nur durch Menschenhände weitergeschafft werden konnte. Glück-
licher Weise ließ sich während dieses gefährlichen Marsches kein Feind erblicken,
und am 16. August war das ganze Corps in dem Thale des Kur, der in
geringer Entfernung von Akhaltsikch vorüberströmt, vereinigt. Hier erfuhr
man, daß Kiosa Mahmud mit dem größten Theile seiner Macht unter den
Mauern dieser Feste eingetroffen sey; aber es gab jetzt keine Wahl mehr, da
cs noch gefährlicher gewesen wäre, den Rückzug anzutreten, auf dem man
ohne Zweifel die ganze Masse des türkischen Heeres hinter sieh hergezogen
hätte, als weiter vorzugehen. General Paszkiewicz ging, ohne die Ankunft
Popows abzuwarten, der noch zwei Märsche entfernt war, über den Kur
und besetzte die Anhöhen, welche Akhaltsikch gerade gegenüber das Thal be-
herrschen, durch welches ein von dieser Stadt herkommender und nach ihr
Akhaltsik-tschai benannter Bach dem Kur zufließt; die Türken, statt ihm den
Besitz derselben streitig zu machen, begnügten sich, mit ihren Reiterschwärmcn
die lange Reihe der Packwagen anzugreifen, die aber von der Bedeckung mit
gutem Erfolge vertheidigt wurden. Um sich gegen einen Angriff des über-
mächtigen Feindes zu sichern, gingen die Russen sogleich daran, die vor-
theilhaste Stellung, die sie auf dem linken User des Akhaltsik-tschai einge--
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
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Extrahierte Personennamen: Popow Fürst_Bebutow August August Kiosa_Mahmud Popows
198 Drittes Hauptstück.
nach Georgien führenden Engpaß beherrscht; und in den ersten Tagen des
Septembers besetzte eine von Kars aus abgeschickte Abtheilung die feste Stadt
Ardaghan, wohin General Paszkiewicz sein Hauptquartier verlegte, weil er
von hier aus leichter für die Verpflegung des Heeres sorgen konnte. Um
dieselbe Zeit bemächtigte sich Fürst Tschawtschewadse mit einer Abtheilung
des in den persischen Grenzprovinzen stehenden Armeecorps des festen Platzes
Bajazeth, der von seiner Besatzung verlassen war. Nicht lange darauf fiel
auch die in der Nähe gelegene kleine Stadt Diadin in seine Hände und am
23. September besetzte er die als unüberwindlich geltende Bergfeste Topra-
kalch auf der Straße nach Arzerum, welche die Besatzung nicht zu vertheidi-
gen wagte. Im October und November fielen noch einige leichre Neitergc-
fcchte in diesen Gegenden vor. Inzwischen war aber der Winter mit aller
Strenge, die er in dem armenischen Hochlande hat, eingebrochen. General
Paszkiewicz war bereits am 10. October nach Tiflis gegangen; und es trat
auf allen Punkten eine erzwungene Waffenruhe ein, bis mit dem nächsten
Frühjahre der Schnee von den Feldern verschwand, die er mehrere Monate
hindurch oft mehrere Fuß tief bedeckt.
Während der Krieg zwischen den Russen und den Türken in Europa
und Asien mit der äußersten Heftigkeit entbrannt war, ohne daß sich, un-
geachtet aller Verluste, welche die letzten erlitten hatten, noch das Ende mit
einiger Sicherheit absehen ließ, war in dem Befreiungskämpfe der unglücklichen
Griechen, der die Veranlassung zu dem Bruche geboten, eine entscheidende
Wendung eingetreten. Die drei vermittelnden Mächte hatten durch den Ver-
trag vom 6. Juli die Verbindlichkeit übernommen, den Verheerungen der
Türken und Acgyptcr in Griechenland ein Ziel zu setzen. Dieser Zweck war
durch die Schlacht bei Navarino nicht erreicht worden, da dieser Schlag zwar
die Flotte, aber nicht zugleich das Heer der Barbaren getroffen hatte.
Um dem Lande wirksamen Schutz zu gewähren, gab cs kein anderes
Mittel, als daß man die ägyptischen Truppen, die Morca besetzt hielten,
zwang, sich nach ihrer Heimath einzuschiffen. Frankreich erbot sich, ein Heer
auszurüsten, um die Halbinsel von ihren Bedrängern zu reinigen. Das
englische Cabinct, welches eine solche Einmischung nur mit Widerwillen sah,
sich derselben aber doch nicht widersetzen durfte, da ihm durch den Vertrag
vom 6. Juli die Hände gebunden waren, beschloß nun, Alles aufzubieten,
um die Räumung von Morea durch friedliche Mittel herbeizuführen und die
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T74: [Frankreich England Spanien Krieg Frieden Rußland Italien Holland Preußen Deutschland]]
TM Hauptwörter (200): [T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
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Der russische Türkenkrieg.
dere Forderungen erhoben hätte, wenn die drohende Stellung der brittischen
Seemacht in der Nähe der Dardanellen nicht einige Rücksicht gebot, ist kaum
zu zweifeln; denn die Bedingungen, auf denen das St. Petersburger Cabi-
nct noch nach dem wenig günstigen Ausgange des ersten Feldzuges bestehen
zu müssen glaubte, waren der Art, daß der schlaue Corse, der mit der Wahr-
nehmung der russischen Interessen am Hofe der Tuilerien beauftragt war,
Graf Pozzo di Borgo, auf das Dringendste die Geheimhaltung anempfahl,
weil zu befürchten stehe, daß eine Mittheilung derselben auch die befreundeten
Mächte von Rußland abwenden würde*). Aber wieviel man auch nachge-
geben hatte, der Hauptzweck des Krieges war erreicht. Dieser war kein an-
derer, als die Macht des osmanischen gleiches in dem Augenblicke, wo die-
selbe sich durch die Reformen des Sultans wieder zu erheben begann, zu
brecheu. Der Widerstand, den die Türken in zwei Feldzügen leisteten, bewies,
daß man in der Verfolgung dieses Planes nicht länger hätte zögern dürfen,
ohne sich der äußersten Gefahr auszusetzen. Selbst die türkische Flotte, ob-
wohl durch die Schlacht bei Navarino ihrer tüchtigsten Seeleute und vieler
ihrer besten Schiffe beraubt und daher außer Stand gesetzt, der russischen
Seemacht im schwarzen Meere die Spitze zu bieten, hatte eine Gelegenheit
gesunden, zu zeigen, daß sie, wenn auch der russischen Seemacht nicht ge-
wachsen, doch keineswegs so durchaus unbrauchbar war, wie man nach den
früheren Seegefechten im griechischen Freiheitskampfc vorauszusetzen pflegte.
Zu Ende des Mais wagte der Kapudan Pascha sich mit nichrcren Linien-
schiffen und einigen kleineren Fahrzeugen aus dem Bosporus in das schwarze
Meer hinaus, um ein russisches Geschwader aufzusuchen, welches an der asia-
tischen Küste erschienen war und bei Pcnderaklia eine türkische Fregatte, die
dort auf den Werften lag, verbrannt hatte. Die Russen waren bei seiner
Ankunft bereits davon gesegelt; aber bei der Rückfahrt fiel er auf eine klei-
nere russische Schiffsabtheilung, die aus einer Fregatte und zwei Briggs
*) Depesche vom 28. Nov. 1828: Quelque soit le désir de satisfaire l’empereur, je
suis sur, que s’il s’agissait de réduire la question aux conditions déduites dans la note
confidéntielle du cabinet impérial, la France et toutes les autres puissances les trouve-
raient exorbitantes et nous exhorteraient à y renoncer. Eine dieser Bedingungen,
ans die man später verzichtete, war die Zerstörung aller türkischen Festungen nid)! bloß auf
dem linken, sondern auch auf dem rechten Donanufer, so wie auf dem nördlichen Abhänge
des Balkan. (S. eine frühere Stelle in derselben Depesche.)
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T15: [Schiff Flotte Hafen England Jahr Insel Engländer Meer Küste Kriegsschiff], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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