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1. Die Grundzüge der Geographie - S. 11

1904 - Braunschweig : Westermann
— 11 — Flechten bedecken oft Hunderte von Meilen weit den ebenen Boden, sie bilden die Tundra, die in den ersten Sommerwochen nach der Schneeschmelze einem vollgesogenen Schwamme gleicht, aus welchem Milliarden von Stechmücken hervorkommen, die Menschen und Tiere entsetzlich peinigen. Nur an besonders geschützten, gegen die Sonnenstrahlen geneigten Abhängen sieht man einige Pflänzchen ihre Blüten entfalten, sie gleichen in ihrem ganzen Bau auffallend denen, die auf hohen Bergen wärmerer Landstriche nahe der Grenze des ewigen Schnees wachsen. Auch der Baumwuchs hört auf, nur spärlich finden sich einzelne Polarweiden und -birken, die vorsichtig nur einige Blätter und Blütenkätzchen hervortreiben, sonst Stamm und Zweige unter dem schützenden Boden bergen. Der Polarzone eigentümlich ist das Remitier, das gezähmt und auch als Wild dem Menschen fast alle seine Bedürfnisse liefert, so daß er ohne dasselbe in dieser unwirtlichen Einöde gar nicht existieren könnte; außerdem kommen noch der schafähnliche Bisamochs, der Polarfuchs und als gefährliches Raubtier der Eisbär 'vor. Charakteristisch für diese hochnordischen Gegenden sind auch die Vogelberge, Felseneilande im Meere, auf denen unzählige Scharen von Seevögeln nisten; werden sie erschreckt, so steigen sie in Schwärmen auf, daß sie die Sonne verfinstern. Sehr reich ist in der Polarzone die Tierwelt des Meeres; seine Buchten und Engen wimmeln, wenn sie eisfrei sind, von Fischen aus dem Geschlecht der Lachse und Dorsche, zu deren Fang sich Tausende von Booten und Schiffen vereinigen; an entlegenem Strande oder auch auf Eisschollen sammeln sich Herden von Seehunden und anderen Robben, z. B. Walrossen, eine erwünschte Jagdbeute für die Eingeborenen, die den Speck essen, den ausgelassenen Tran trinken, mit ihm auch ihre Lampen speisen und mit dem Fell der Tiere ihre Boote wasserdicht überziehen; auf dem offenen Polarmeer treffen wir die Wale, die größten der jetzt lebenden Säugetiere, im Nördlichen Eismeer den Grönlandwal, der Speck (Tran) und Fischbein liefert, im Südlichen Eismeer und den angrenzenden Gebieten des Großen Ozeans den Potival, der zwar kein Fischbein, aber Walrat und Ambra hat. Von Europa und Amerika gehen daher alljährlich gut ausgerüstete Schiffe in die Polarmeere zum Walfischfang und Robbenschlag. Die Bevölkerung der Erde. [S. Lange, Volksschnlatlas, Verteilung der Völker und der Religionen.] Man schätzt die Anzahl der Menschen, welche die Erde § 8. bewohnen, auf 1800 Millionen und teilt sie in 5 Hauptrassen,

2. Bd. 6 - S. 183

1846 - Braunschweig : Westermann
183 Bürgerliche Verfassung. nach natürlich inwohncndem Geiste machte das Oberhaus mit ihm gemeine Sache. Die Peers, schon nach dem Titel ihrer Würde, hingen vom Throne ab, oder waren ihm wenigstens verbunden. Es mochte für einen Bruch ihrer persönlichen (Lehens-) Verpflichtung gelten, wenn sic wider den König auf- traten. Auch erzeugte ihr Stolz eine unheilbare Abneigung wider die Ge- meinen. Oft waren diese im Fall, mit dem Könige wider den Adel sich zu verbinden. Aber selbst das Unterhaus war fehlerhaft zusammengesezt. Auch hier hatte der Atel — nämlich der niedere — die erste Grundlage gebildet; die Deputirten der Städte vereinigten sich erst später mit den Abgeordneten jenes Adels. Doch lange blieben die wichtigsten Verhältnisse der Wahlberechti- gung, nicht minder die Gewaltsphäre unbestimmt, und kaum das Recht der Steuerbewilligung unbestritten. Ansehnliche Stärkung erhielt die Demo- kratie in England durch den Untergang vieler hohen Geschlechter im Kriege der Rosen: aber die Könige halfen nachmals durch Standescrhöhungcn der Aristokratie wieder auf. Bei allen Mängeln der englischen Verfassung hat sie doch unschäzbarcs Gutes bewirkt. Die Freiheit fordert zum Gedeihen kein ganz tadelloses Feld. Hindernisse, Gefahren, wenn sie nicht allzugrost sind, erheben die moralische Kraft ihrer Freunde und machen das Ersiegte kostbarer. Stolz schritten die Engländer den übrigen Nationen voraus in dieser edlen Bahn. Die Geistlichkeit, welche früher so mächtig gewesen, nahm bedeutend ab an Einfluß, seitdem die Parlamcntsverfassung sich befestigte. Im Unter- hause hatte sie keine Stimme; im Oberhause saßen nur die großen Prälaten, deren geringe Zahl wider die weltlichen Peers nicht aufkommen mochte. §. 12. Der spanischen Reiche. Auch in Spanien blühte die Freiheit auf oder bildete sich wenigstens ihre Grundlage durch einige Schwächung der Großen, durch Verminderung der Leibeigenschaft, durch das Emporkommen der Städte und durch die mäßige Stärkung der Krone. Zwar in Kastilien ward, unter meist unglücklichen oder unfähigen Königen, der Troz des Adels, auch die Frechheit der Ge- meinen groß. Aber in Aragonicn, allwo sonst die Edlen das verbriefte Recht des Widerstandes gegen den König besaßen, tilgte schon Peter Iv. mit seinem eigenen Blute die Schriftzüge der unheilbringenden Urkunde und stellte das gcsczlichc Ansehen des Thrones fest. Nicht mehr das selbstsüchtige

3. Bd. 6 - S. 215

1846 - Braunschweig : Westermann
215 Zweites Kap. Religion. Hauptverhältnisscn wenig. Nach Urban bestieg Gregor Xi. (1370) den Stuhl, ein frommer und, wie es scheint, einfältiger Mann, der, was höhere Grünte längst vergebens forderten. Len Bitten zweier begeisterter Weiber ge- währte, die Rückkehr nach Nom. Katharina von Siena und Bri- gitta von Schweden, zwei berühmte Volksheilige jener Zeit (die eine Gönncrin der Dominikaner, die andere der Franziskaner), waren es, die durch himmlische Beweggründe solchen Entschluß bewirkten. Greg o rxi. kam nach Rom (1376). Nach seinem Tode wurden die im Conclave versammelten, meist fran- zösischen, Kardinäle durch eiuen Volks - Tumult gezwungen, ihm einen Italiener zum Nachfolger zu geben, auf daß der Siz des Papstthums nicht abermals nach Avignon käme. Zitternd thaten die Kardinäle den Willen des Volkes und wählten (9. April 1378) Barth olomäus von Prig na no, Erzbischof von Bari, zum Papste, unter dem Namen Urban's Vi. Der- selbe, anstatt durch kluge Mäßigung sein zweifelhaftes Recht zu befestigen, erhöhte den Haß der französischen Partei durch übermüthige Behandlung der Kardinäle, welche unwillig ihn erkoren hatten, und beleidigte die Königin von Neapel, Johanna I. (aus dem französischen Hause Anjou), durch feind- seligen Troz. Da entfernten sich viele Kardinäle von Nom, versammelten sich zu Fon di im Reiche Neapel, und wählten aus ihrer Mitte Robert Grafen von Genf, Bischof von Cambray, zum Papste (20. September 1378), die gezwungene Wahl Urban's Vi. vernichtend. Der Neugewählte nannte sich Clemens Vii. und ging nach Avignon. Bannflüche von beiden Seiten ertönten, die Christenheit ging in neun und dreißigjährige Spaltung. 8. 9. Fortsezung. Denn auch mit dem Tode der beiden Päpste*) endete sie nicht. Die Ansprüche der Verstorbenen wurden fortgcsezt durch beiderseits gewählte Nach- folger Also wurde an Urban's Vi. Stelle der stolze und habsüchtige Bonifacius Ix., für Clemens Vii. aber Peter von Luna, der sich Benedikt Xiii. nannte, gewählt, der Leztc zwar gegen die eidliche Zusage, das Papstthum niederzulegen, falls die Mehrheit der Kardinäle solches für nöthig erachten würde zur Wiederherstellung der kirchlichen Einigkeit. Aber ') Urban Vi. j- 1389, Oktober. Clemens Vii. f 1394, September. >

4. Bd. 7 - S. 5

1846 - Braunschweig : Westermann
s Einleitung. früher nur durch die Schwäche, Rohheit und einheimische Verwirrung der einzelnen Reiche, zum Theil auch durch den bald vermittelnden, bald schrecken- den Krummstab verhindert ward — entweder durch glücklich errungene Ucbcr- maeht des Einen ein neues Weltreich — dein aitrömischcn ähnlich — aufgekommen, und alle bessere Hoffnungen der Menschheit hätten in dem sodann unvermeidlichen und unheilbaren Despotismus ihr Grab gefunden; oder es wäre unter vcrzweiflnngsvollen Kämpfen um Raub und Herrschaft eine allgemeine Verödung und Barbarei wieder eingebrochen, das kaum be- gonnene Gebäude der Civilisation also traurig eingestürzt. §. 4. Gebaut auf die Idee des politischen Gleichgewichts. Damit also das äußerste Unheil nicht über die Menschheit komme, damit das hoffnungsreiche Gebäude zur Vollendung gelange, oder Doch in lang- samer Annäherung derselben entgegengcführt werde, mußte vorerst ein System der Staaten deren freies Nebeneinanderseyn und Zusammen- wirken, d. h. deren allseitige Selbstständigkeit, gewährleisten, da nur durch diese ein freudiges Gedeihen, eine lebenskräftige Wechselwirkung, und nur durch die Menge der also erzeugten und gepflegten Kräfte die Möglichkeit der großen Fortbewegung zum hohen Ziele bestehen konnte. Das Ideal eines solchen Systems hätte freilich nichts Geringeres, als einen allgemeinen Rechts- verein, d. h. eine eigens zur Handhabung des Rechtes als solches zwischen den Völkern geschlossene Vereinigung und Zwangsanstalt ge- fordert. Allein wem immer man dieselbe zu verwalten anvertraute, in welche menschliche Hände man immer solche Zwangskräfte legte: — die Ge- fahr des Mißbrauches und dadurch selbst der Ertödtung des Rechtes blieb unvermeidlich. Auch mochte die Unterwerftmg unter die das Recht ver- waltende Macht als eine Aufopferung oder Schmälerung derjenigen Selbü- ständigkeit und Freiheit erscheinen, um deren Erhaltung willen man die Nechtsgewährung begehrte. Es blieb also nichts Anderes übrig, als an die Stelle der zur Zeit noch unerreichbaren gleichen Gewährleistung aller Rechte (als solcher, so wie die Vernunft dieselben als Geseze der harmonischen Wechselwirkung ansstellt) wenigstens ein Gleichgewicht der Kräfte zu sczen, wornach cs keinem Einzelnen möglich wäre, die Uebrigen zu überwältigen, und die etwaige Präpotenz des einen Gewaltigen durch das Gegengewicht von mehreren vereinbarten Schwachen in Schranken gehalten würde.

5. Bd. 7 - S. 85

1846 - Braunschweig : Westermann
1 Drittes Kap. Geschichte der Reformation. 83 Mit ? — Von wannen kam die Gewalt, welche stärker war, als die wclt- gel'ietendc? — Wer vermochte zu vollbringen, was Kaisern und Königen, was Nationen und Concilien mißlungen war? — Cs ward Solches bollbracht ohne irdische Waffen und Hoheit; mir durch die unsichtbare Gewalt der Ideen und der Wahrbeit, unter Begünstigung einiger von der Vorsehung vorbe- reiteter Umstände und durch die geniale Kraft einiger weniger jener Ideen und Umstände sich bemtisternder Menschen. Also wollte cs das Schicksal, oder vielmehr: also ward das große Gcscz der Natur erfüllt, wornach die Idee stärker ist, als die äußere Gewalt, und wornach Uebertreibung und Mißbrauch inr Macht ihr Selbst zum Verderben werden, und wornach jede Macht, welche dem Geist der Zeit widerstrebt, auf hohlem Grunde ruht, ja durch ihr Widerstreben ihren Fall beschleunigt. Hierin also liegt der erste und allgemeinste Grund der Reformation: in der immer lebendigen Kraft der Menschen Vernunft, welche zwar durch ihr ursprünglich feindselige oder im Laufe der Zeit verderbte Institutionen mag vorübergehend niedergedrückt, doch nicht bleibend erstickt werden. Zwar Asien, obwohl das Mutterland der Kultur, sehen wir seit Jahr- tausenden versenkt in todähnliche Erstarrung, unter Sultanen und Lama's; und Ereignisse, welche ein gleiches Loos der europäischen Menschheit hätten bereiten mögen, oder für die Zukunft bereiten könnten, sind gedenkbar! Aber alsdann würde ein anderer Wcltthcil zum Tempel werden, welcher die ewige Flamme bewahrte; ein anderes Volk oder Völkersustcm würde den Fa- den der Mcnschengeschichte fortspinnen, und so die Hoffnung des Wicdercr- wachcns für die übrigen erhalten bleiben. In dem Zeitpunkte, dessen Geschichte uns vorliegt (wie auch in dem heutigen noch), war (und ist) es die europäische oder bestimmter die christliche Welt, welcher die Vorsehung die anführende Rolle zutheilte; sie aljo ist es vorzüglich, deren Geschichte uns die Gcseze der göttlichen Welt- regierung darstellt. Nun dieses Europa oder diese Christenheit bedurfte am Anfang des scchszchntcn Jahrhunderts einer kirchlichen Reformation, und es erhielt sie durch den Rathschluß des Himmels. Der Zustand der Kirche in jener Zeit und die wunderbare Verkettung der Ereignisse, welche die Umwäl- zung heranführten, sind ein wichtiger Gegenstand der welthistorischen Be- trachtung

6. Bd. 7 - S. 88

1846 - Braunschweig : Westermann
88 Drittes Kap. Geschichte der Reformation. schw erden der Stände kaum das Drittheil oder Vierthcil) des Staatsgutes. Zu dieser Fülle der Macht und des Reichthums gesellten sich die ausgezeich- netsten dinglichen und persönlichen Privilegien und Immunitäten, wodurch die Geistlichkeit bis auf ihre geringsten Glieder herab der Lasten und Verpflich- tungen des bürgerlichen Verbandes fast gänzlich enthoben und, bei der Aus- sicht auf Straflosigkeit, häufig zu frecher Unthat ermuthiget ward. Welche Geistliche aber nicht durch Verbrechen oder Tyrannei der Gesellschaft schwer sielen, dieselben ärgerten sie wenigstens durch grenzenlose Ausschweifung und alle Scham verhöhnende Sittenlosigkcit. Fast einstimmig tönt hierüber bei den Geschichtschreibern jener Zeit die bitterste Klage; selbst der heftigste Feind der Reformation und eifrigste Vertheidiger des Papstthums, der Jesuit und Kardinal Bellarmin (geb. 1342), gesteht ein, daß „einige Jahre vor Lu- ther's und Calvin's Kczerci, laut einmüthigen Zeugnisses aller Zeitgenossen, keine Strenge bei den geistlichen Gerichten, keine Sittlichkeit bei dem Klerus, keine Kenntniß der heiligen Dinge, keine Achtung für Gottes Gebot, über- haupt fast keine Religion mehr gewesen sey." Von den Reichthümern der teutschen Geistlichkeit, wie von der spärlichen Habe der Laien floß aber (und Solches war aueb in den meisten anderen Ländern, ob auch etwas minder, der Fall) ein großer Theil, und unter den nichtigsten Titeln, nach Rom. Der Papst hatte sich die Vergebung der Hälfte der Benesicien (nach Monaten abwechselnd mit den wahrhaft berech- tigten Kollatoren) vorbehalten, und verkaufte dieselben oder auch die bloss Anwartschaft darauf fast offenbar an den Meistbietenden, oder auch überhaupt an spckulirende Großhändler, die durch den vereinzelten Wiederverkauf sich be- reicherten. Hierzu kamen die Annateu, d. h. die Einkünfte des ersten Jahrcs jedes angetretenen Bencsiciums, die hohen P a lli eu g eld er und manche ge- legentlich — gewöhnlich unter dem Vorwände eines Kreiizzuges wider die Türken — erpreßte Steuern, endlich die ans vielnami'gen Gründen, vorzüg- lich aber für Akte der abenteuerlich erweiterten geistlichen Gerichtsbarkeit, für Dispensationen von Kirchengesezen oder von göttlichem Gebote und für — zu Sünden mächtig einladenden — Sündencrlaß, von den Laien wie von dcu Geistlichen erhobeuen Summen und über alles Dieses die persönliche Ab- hängigkeit, die allgemein durch solche Verhältnisse begründet ward, und der unmittelbare Einfluß in alle Sphären des Privat- wie dcs öffentlichen Lebens Wo noch einige Funken des natürlichen Verstandes und des rein christ-

7. Bd. 7 - S. 91

1846 - Braunschweig : Westermann
91 Drittes Kap. Geschichte der Reformation. aus hoffährtiger Unkundc herrührender Rechnungsfchler, dessen Strafe nicht ausbleiben konnte. Einer der Hauptcommissarien des Ablaßvcrkauss war Albrecht von Brandenburg, Kurfürst zu Mainz, der dein Papste noch Palliengelder schuldete, und aus dem Gewinn seines Commissionshandels vorerst seine Schuld zu tilgen, dann aber auch weiteren Aufwand zu bestreiten gedachte. Unter seinen untergeordneten Geschäftsführern zeichnete vor Allen sich der Domini- kaner und Kezcrmcister Johann Tezcl aus; ein Mann von frecher Stirn und ärgerlichem Wandel, doch schwazfertig, geschickt, ans den Pöbel zu wir- ken, ein derber Zelot, in gemeinen Künsten gewandt, unermüdlich, wo Hab- sucht oder Haß ihn spornte. Unerhört und troz der stärksten Beglaubigung wie Fabel klingend, weil allzu empörend für Menschenverstand und Mcnschen- gefühl, sind die Ausdrücke, womit Tezel und seine Gesellen den Ablaß prie- sen, und zum Verkaufe von Ablaßbriefen lockten. Allen Sünden und auch den allcrgräßlichstcn und solchen, die nur die ausschweifendste Phantasie er- sinnen konnte. würdevolle Vergebung um wenige Groschen, auch den Todten, in deren Namen man einen Zettel lös'te, augenblickliche Erlösung aus ihrem Straforte verheißen. „Die Himmel stünden jezt offen; wer so leichten Kau- fes nicht einträte, wann würde er denn eingehen; wer seinen Vater nicht zu erlösen eilte aus der Qual des Fcgfcuers, was müßte der für ein Herz haben!" — Mit Entrüstung hörten die Verständigen und Frommen solchen Unsinn und solchen Frevel predigen, und mit Betrübniß sahen sie den Zulauf des zahlreichen Pöbels aller Klassen zu dem schnöden Kram. Viele würdige Stimmen eiferten dagegen, keine nachdrücklicher, als Martin Luther's Stimme *). Auf der von dem Kurfürsten Friedrich dem Weisen von Sachsen •) Der erbärmlichen Anklage, als habe der Augustiner-Mönch Luther blos aus Ordens- neid gegen die Dominikaner über deren Gewinn aus dem Ablaßhandel, und sonach au» geheimem Auftrage seines Provinzials. geeifert, wollen wir blos in einer Note erwähnen. Sie ist kaum der ernsthaften und gründliche» Widerlegung werth, die ihr in vielen Schriften, zu- mal auch in Billers oben angezeigtem Werke, zu Theil geworden. Ans die Beurtheilung »er Sache ist die Behauptung ohnehin von ganz und gar keinenc Einfluß; aber verächtlich erscheint, wer zur Erklärung von Luther's Eifer noch einen weitere» Grund, als dic Schänd- lichkeit seines Gegenstandes sucht.

8. Bd. 7 - S. 161

1846 - Braunschweig : Westermann
161 Fünftes Kap. Die Zeiten Philipp's Ii. u. Iii. Philipp trozcn? Hatte Ferdinand, sein Oheim, der teutsche Kaiser, und welchem nebst den teutsch-östreichischen Erblanden auch Ungarn und Böhmen gehorchten, das Gewicht seiner Macht noch in die Schale Spa- niens gelegt, so war Europa verloren. Doch auch getrennt von Ferdinand, weil Dieser wenigstens nicht Feind war, blieb Philipp's Präpondcranz cnt- schieden; ja er vermochte Europa's Herr zu werden, wenn er es verstand. §. 2. Philipp der Zweite. Auch wünschte er dieser Herr zu seyn, und strebte zwei und vierzig Jahre lang und unverwandten Blickes, uncrmüdet, eifrigst, mit Gewalt und List, keine Opfer und keine Verbrechen scheuend, nach so hohem Ziele; und als er starb — war Spanien erniedrigt, ermattet und verarmt, der Herr der Schäze von Ost- und Westindien erdrückt durch eineschuldculast von 110 Millionen Dukaten, Er Selbst mehr verachtet, als einst gefürchtet, Holland frei, Frankreich und England stark und Angriff drohend, das spanische Volk versenkt in Kncchtsinn und Geistcsschlummer, ohne Energie, ohne Kraft zu großer That, die Monarchie unaufhaltbar forteilend zum Verfall. Kein imposanteres Bild in der Weltgeschichte! — Hier Wilhelm und Moriz von Oranien, Elisabeth und Heinrich Iv., ihre schwachen von innen und von außen hart bedrohten, zum Theil am Rand des Verderbens stehenden Völker glorreich durch Muth und Weisheit, vor Allein durch Frei- st eit sa eh tun g, rettend und erhebend, Gründer des hoffnungsreichsten, kräf- tigst emporstrebenden Lebens verloren geachteter Staaten; dort der weitge- bictcnde Philipp, durch D e sp o t e n d r u ck und Lichtsch e u c seine angeerbte Größe in Trünimcr verwandelnd, das mächtigste, herrlichste Reich unheilbar verderbend, zum Preis der Lebensmühe Haß und Verachtung dahin nehmend, der Fluch der Völker, die er sein nannte, der Abscheu und bald der Spott derjenigen, welche zu unterjochen ihm leicht gedünket, ein warnendes Beispiel für alle Folgezeit! — Philipp war nicht talentlos und vielleicht nicht natürlich böse ; nur der Aberglaube verdüsterte seinen Geist, und die durch's Glück genährte Herrsch- sucht sein Gemüth. Diese unseligste aller Leidenschaften, die bei ihm unter dem Deckmantel der Frömmigkeit — als ob nur den Triumph der allein selig- machendcu Religion begehrend —■ ihre Befriedigung mit desto größerer Zuver- sicht suchte, tilgte allmälig in dcs Königs Herz jedes menschliche Gefühl, und v. Retteck. alljjcm. Geschichte. Vii. il

9. Bd. 7 - S. 166

1846 - Braunschweig : Westermann
166 Fünftes Kap. Die Zeiten Philipp's Ii. u. Iii. nämlich und schärfte die schon von Karl V. gegen die Kezcr erlassenen Straf- edikte, errichtete zu deren genaueren Handhabung neue Bis th ihn er und Erzbisthümcr, kränkte auch die bürgerlichen Rechte der verschiedenen Stände, insbesondere des Adels, drückte das Land durch den Aufenthalt seiner spanischen Truppen, und verlezte die Verfassung durch Erthcilung wichtiger Aemter an Ausländer. Der wichtigste dieser Klagcpunkte war allerdings der erste; und wenn es wahr ist, was wir lesen, daß nämlich in Gemäßheit jener harten Edikte schon unter Karl's V. Regierung fünfzig Tausend (nach Grvtius gar hundert Tausend) Menschen ihr Leben durch Henkershand verloren; so muß man sich mit Erstaunen fragen, warum nicht schon damals ein allgemeiner Abfall entstanden. — Aber die Edikte waren in.it Bewilligung der Stände erlassen worden; und die noch vorherrschende Zahl der Katholiken ließ sich's gefallen, daß gegen Abtrünnige vom Glauben gewüthet ward. Rur die großen Handelsstädte, vor allen andern Antwerpen, widersezten sich den Glaubens-- gcrichten, deren Schrecken die Ausländer verscheuchte, und den Markt zu ver- öden drohte. Daher denn auch Karl für diese Stadt eine Milderung an- ordnete, und von dem Vorhaben, die spanische Inquisition einzuführen, aus Klugheit abstand. Jezt aber, nachdem, durch mannigfaltige Umstände begünstigt, der Sa- men der Reformation, der Verfolgung ungeachtet, in den Gemüthern des Volkes die ausgebreitetsten Wurzeln geschlagen, erschien die weitere Vollziehung der Edikte als ein Krieg wider die Nation, und ward allen Mißvergnügten im Lande ein triftiger Grund oder ein willkommener Vorwand der Be- schwerde. Wer eine gewünschte Bedienstung nicht erhalten, wer irgend eine Zurücksezung vom Hofe erfahren hatte, der wurde jezt Vertheidiger der Pro- testanten. Auch bedrohten die Edikte nicht nur die wirklichen Kezcr, sondern, durch Verpönung schon des mindesten Anscheins der Vorliebe oder Nachsicht für die neue Lehre, selbst die aufrichtigsten Katholiken; und nimmer durste man, bei des Königs fanatischem Kczerhasse, eine Milderung selbst aus Gründen der Klugheit hoffen. Auf die dringendsten Vorstellungen, die ihm darüber die Häupter der Nation und mehrere seiner eigenen Räthe thaten, gab er finster zur Antwort: „Lieber gar nicht herrschen, als über Kezcr!" Unter Anzeichen eines täglich steigenden Volksunwillens verließ Philipp die Niederlande, nach dreijähriger persönlicher Verwaltung (1339), das Ruder

10. Bd. 9 - S. 213

1846 - Braunschweig : Westermann
212 Sechstes Kap. Das Direktorium. Aber schwerer als zu erobern, ist rie Kunst, das Eroberte zu, behaupten. Bonaparte zeigte sich als gleich großen Meister in Beidem. Während des furchtbarsten Kriegsgetümmels, unter täglich erneuerter Blutarbeit und Ge- fahr, ging unter seinen Händen wunderschnell eine politische Schöpfung hervor. Um die gewonnenen Provinzen fest an Frankreich zu schließen, re- volution irte er sie. Freiheit und Gleichheit wurden verkündet. An die Stelle der einherrischen und aristokratischen, dabei meist ausländischen, Gewalten sollte die demokratisch-republikanische Verfassung treten, und die italischen Völker der längst entbehrten Selbstständigkeit sich wieder erfreuen. Schmeichelnde Verheißungen, denen Städte und Dörfer begierig lauschten, und zu deren Verwirklichung Tausende von Jünglingen streitlustig zu den französischen Fahnen strömten. Zwei Republiken, die ci spadani sehe und die tran spadani sehe, bildeten sich also in kurzer Frist; jene aus den päpstlichen Legationen, dann aus Modena, welches Land man seinem Für- sten troz der erkauften Neutralität entrissen, und einigen anderen Distrikten südlich am Po, diese ans den am linken Po-Ufer gelegenencn lombardi- schen Ländern bestehend; beide jedoch bald unter dem Namen der cisalpi- ni sch en vereint. §. 9. Weitere Siege Bonaparte's. 1797. Präliminarsriede von Leoben. Nach so vielen Niederlagen durch die beispiellose Anstrengung erschöpft und verlassen von fast allen Bundesgenossen, waffnete sich gleichwohl Oestreich von Neuem wider den übermächtigen Feind. Das Direktorium hatte dem Kaiser durch den General Clarke einen Waffenstillstand antragen lassen, um über den Frieden zu unterhandeln. Aber man erklärte dem Ab- geordneten: „daß man in Wien Nichts von einer französischen Republik wisse!" — Die Welt jedoch wußte von ihr, und zitterte vor ihr. Nicht nur Italien, auch Teutsch land, der Siege des Erzherzogs ungeachtet, suchte sein Heil in Neutralitätstraktaten. Schon am 8. August 1796 war ein solcher von Neuem mit Preußen geschlossen worden, wornach alle hinter der Ruhr und hinter der Fulda liegenden Stände dem Kriege sich entzogen. Auch der Kurfürst von Sachsen und der ganze ob er säch- sische Kreis trat solchem Vertrage bei. Die südteutschen Stände aber,
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