122 Dritter Zeitraun?.
verstoßen. Antonius gerketh in die Schlingen der Kleopatra, ver-
41 sank, nach seiner innern Verworfenheit, in die gröbsten Lüste und
v. eh. in eine gänzliche Tharenlosigkeit. Um ihn von Kleopatra zu ent-
fernen, schrieb ihm seine Gemahlin Fulvia Briefe voll bitterer Kla-
gen über Oktavians Anmaßungen in Italien, wahrend sie selbi-
gen wider den eigenen Gemahl einnahm. Schon trat eine große
Spannung zwischen beiden ein; Antonius kam nach Italien, ver-
bündete sich mit Scxtus Pompejus, welcher Sardinien, Korsika
und den Peloponnes eingenommen hatte, und ein Krieg schien un-
vermeidlich. Doch Fulvia starb, Oktavians Freunde, Agrippa,
Mäcenas und andere, stifteten Versöhnung mit Antonius, wel-
che dessen Vermahlung mit der tugenhaften Oktavia, Oktavians
Schwester, besiegelte. Den getauschten Sextus Pompejus ließ Anto-
^ 35 nius zu Milet durch Meuchelmord hinwegraumen; den unbedeu-
tenden Lepidus nöthigte man in den Privatstand, zurückzutreten,
eine genauere Theilung bestimmte die Besitzungen der Zw ei man-
ne r, nach welcher dem Antonius der Osten, dem Oktavian
der Westen zusiel, und somit schien der Friede für immer befestigt.
Doch zwischen Unredlichen und Ehrgeizigen giebt es keinen dau-
ernden Frieden noch Freundschaft! Antonius ließ sich von der
verführerischen Kleopatra aufs neue umgarnen, behandelte seine
treffliche Gemahlin unwürdig, verschenkte ganze Provinzen an die
buhlerische Königin, erregte dadurch den Unwillen des römischen
Volks und Oktavians; der Krieg entbrannte zwischen den zwei
Machthabern, welchen die Seeschlacht bei Aktium zum Vor-
theile Oktavians entschied. Kopflos folgte Antonius der verrathe-
dc" 2. rischen Kleopatra, bei ihrer Flucht aus der Schlacht nach Aegyp-
ten^ belebe schon daran dachte, ihr Schicksal von dem seinen zu
trennen und sich dem neuen Sieger zu verbinden. Ein ausgestreue-
tes Gerücht von ihrem Tode trieb den verblendeten und leidenschaft-
lichen Antonius, sich den Tod zu geben. Oktavian landete bald
in Aegypten. Die Künste der Kleopatra scheiterten an seiner Kalte,
und so starb auch sie eines freiwilligen Todes, um dem Schimpfe
zu entgehen, in Rom zur öffentlichen Schau aufgeführt zu wer-
den. Aegypten ward nun eine römische Provinz. Oktavian
war Imperator; der römische Staat hörte auf eine freie Re-
publik zu feyn und gehorchte von jetzt an dem Willen eines Ein-
zigen. Der alte Römersinn war langst verschwunden, verdrängt
30 von einer, groben Selbstsucht; überschwenglicher Reichthum neben
bodenlosem Elende; freche Verhöhnung aller göttlichen und mensch-
lichen Gesetze lieferten den, bisher freien, Staat unrettbar einem,
nach Willkühr gebietenden, Oberherrn in die Hände.
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Extrahierte Personennamen: Antonius Fulvia Antonius Scxtus_Pompejus Fulvia Oktavians Agrippa Antonius Oktavians Antonius Antonius Antonius Antonius Oktavian Oktavian
Extrahierte Ortsnamen: Italien Italien Sardinien Korsika Aegyp- Rom
Rom.
77
Diktatorwürde, die nie über sechs Monate dauern konnte, und
welche Lartius zuerst bekleidete, brachte jetzt, und in den folgen-
den Jahrhunderten noch unzählige Male, Einheit in den Staat;
der entscheidende, wenn schon blutige, Sieg der Römer am See 496
Regillus, unter ihrem zweiten Diktator Aulus Posthumius, «.eh.
über die Lateiner besreiete sie für immer von des Tarquinius
Anschlägen, welcher nun verwaist, denn alle seine Söhne waren
in den wiederholten Kämpfen gefallen, fein Leben zu Cuma, in
Campanien. beschloß. Rom hatte 14 Jahre gegen die Tarquinier
gekämpft; doch die Patricier, meistens im Besitz der Capilalien,
übten, jetzt von der Furcht vor dem Tarquinius befreit, einen
grausamen Druck gegen die ackerbauenden Plebejer, welche tief bei
ihnen verschuldeten und nach den mangelhaften oder harten Gesez-
zen als Leibeigene, ja als Sklaven behandelt werden durften, wenn
sie die unerschwinglichen Zinsen nicht abtragen konnten. Da aber
jeder römische Bürger waffenpflichtig und im Felde unbesoldet
war, so mußten, bei den vielen Kriegen, die ländlichen Gewerbe
verkümmern. Dcr Mißmüth der Bedrückten drohete gefährliche
Ausbrüche, welche durch Verheißungen und durch zweimalige Feld-
züge gegen die Volksker und dann gegen die Aequer und Sabiner,
eine Zeir lang beschwichtigt wurden. Als aber die Patricier und
der Senat die versprochenen Ermäßigungen immer nicht gewähr-
ten und schon früher ein Plebejer, welcher der Haft seines Gläubigers
entsprungen war, die allgemeine Wuth entflammte, indem er seinen
Mitbürgern auf dem Forum seinen von Geißelhieben zerfleischten
Rücken und dann wiederum die Narben auf der Brust zeigte, die
er im rühmlichen Kampf fürs Vaterland davon getragen; so brach
der schwer verhaltene Sturm los. Das Volk verlangte Erlassung
der Schulden, und als der Senat diese verweigerte, wänderte
es in Masse aus, unter Anführung eines gewissen Sicinius
und lagerte sich auf dem nahen heiligen Berge. Zween Monate 494
weilten die Plebejer dort in ihrem verschanzten Lager, dann be-^'-^b.
quemte sich der Senat zur Nachgiebigkeit. Mennenius Agrip-
pa stellte ihnen den eigenen nahen Untergang dar in der erzählten
Fabel vom Aufruhr der Glieder gegen den Magen; sie kehrten
nach Rom zurück, aber zwei, in der Folge fünf, 36 Jahre spä-
ter zehnvolkstribunen, (die zwei ersten hießen Sicinius Bel-
lutus und L. Junius) beschützten von nun an die Angelegenheiten
der Plebejer gegen den Uebermuth der Patricier. Ihre Person
war unverletzlich; bei den Berathungen des Senats hatten sie ih-
ren Ort an der Thür der Euria, horchten auf die gemachten
Vortrage, welche sie durch ihren Einspruch (Velo) sofort un-
gültig machen konnten, und ihre Tag und Macht geöffneten Häu-
ser waren Freistätte (Asyle) für Verfolgte. Die Äedilen, Auf-
seher der Gebäude, so wie überhaupt der polizeilichen Angelegen-
heiten, wurden in dieser Zeit gleichfalls eingeführt.
x
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Specielle Geschichte.
101
eines Heeres in Rom ein und mordeten die Anhänger der sullanischen
Partei. Marius wurde zum siebenten Male Cónsul und Cinna sein
College, Sulla aber mit seiner ganzen Partei geächtet. Sulla er-
stürmte indessen Athen und nöthigte durch die Schlacht bei Orchome-
nus(85) den Mithridat zu einem für Rom sehr vortheilhaften Frie-
den. Marius starb (86) an den Folgen seiner Ausschweifungen. Cinna
fiel in einem Aufstande. Nun kehrte Sulla nach Italien zurück und
zog (82) mit seinem zügellosen Heere in Rom ein. Eine entsetzliche
Verwirrung nahm nun in Rom ihren Anfang. Die edelsten Bürger
wurden des Landes verwiesen oder ermordet. Denn wer einen Feind
oder einigen Reichthmn hatte, war nicht mehr sicher. Es kamen 16
Consuln, 90 Senatoren, 2600 Ritter, und, wie wir bereits erwähn-
ten, über 100,000 Bürger um. Ein Heer von 120,000 Mann schickte
Sulla gegen die Bundesgenossen, ließ diese ihrer Besitzungen berauben,
um sie unter seine Truppen vertheilen zu können. Sulla selbst ließ sich
zum beständigen Dictator ausrufen, legte aber nach zwei Jahren diese
Würde wieder nieder und starb an der Läusekrankhcit. Die zweijährige
Regierungszeit des Sulla war eine überaus schreckliche, Niemand war
seines Lebens sicher, ganze Städte wurden zerstört, deren Einwohner
gemordet oder als Sklaven verkauft, eine Proscriptionsliste folgte der
andern, selbst das Mitleid mit Hinzurichtenden wurde mit dem Tode
bestraft und den heiligsten Naturgefühlen Hohn gesprochen. So wurde,
da einzelne Hinrichtungen zu langsam gingen, 8000 Gefangene, denen
er das Leben versprochen, iin Circus hingeschlachtet, und als der Se-
nat ob des Achzens der Gemordeten und des Geschreies im Saale er-
blasste, sagte er mit unaussprechlicher Ruhe: ,,Es sind nur einige
Elende, denen auf meinen Befehl nur ihr Recht widerfährt/' — und
der Senat fuhr in seinen Berathungen fort. Als man ihn endlich be-
stürmte, doch endlich zu bestimmen, wer noch sterben müsse, antwortete
er kaltblütig: ,,Jch habe noch keinen Entschluss gefasst," — und der
Senat verstummte. Und dieser Blutmeusch wurde von den Aristokraten
,,Vater, Erretter" genannt, er selbst nannte sich ,,laustem et felix."
Zwar zeigten sich in den Provinzen zuweilen noch Anhänger der
Partei des Marius, namentlich in Spanien und Afrika, aber auch hier
konnte sich dieselbe gegen den Po mp ejus nicht halten. Auch Spar-
takus, welcher an der Spitze von 70,000 Sclaven und Gladiatoren
(71) gegen Rom vordrang, wurde von Pompejus und Crassus geschla-
gen. Pompejus brach ferner in einem dritten pontischen Kriege vollends
die Macht des Mithridates, welcher, da Gift bei ihm nicht wirkte,
sich von einem Gallier (64) ermorden ließ. In diesem Kriege hatte sich
auch Licinius Lucullus, welcher später durch die Eleganz und
den Lurus in seiner Lebensweise, ohne es zu wollen, viel zur Demorali-
sation des Volks beigetragen, hervorgethan, indem er in den Jahren
69 und 68 bei Tigranocerta und Artarata über die vereinigten Könige
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Sulla Sulla Marius Marius Sulla Sulla Sulla Sulla Marius Marius
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Italien Rom Rom Spanien Afrika Rom Tigranocerta
264
Erster Zeitraum. Ii. Abschnitt.
tobten, sondern wüchele mich mit feiger Grausamkeit gegen seine An-
hänger und Freunde (408). Die Strafe für solche Schandthat folgte
auf dem Fuße, denn noch in demselben Jahre stand Alarich vor der ob
solcher Vermessenheit erstaunten Roma, und forderte alles Gold und
Silber und alle Kostbarkeiten, gleichviel, ob es Privat- oder Staats-
eigenlhum sei. Den Abgeordneten, welche kleinmüthig den König frag-
ten: „wenn Du dies Alles forderst, o König, was gedenkst Du denn
uns zu lassen?" antwortete er trotzig: „das Leben," und die entnervten
Römer, über eine Million an Zahl und im Besitze unermesslieber Hilfs-
quellen, erbleichten und erkauften d'en Abzug Alarich's mit 5000 Pfund
Gold und 30,000 Pfund Silber. Alarich war geneigt, Frieden mit
Honorius zu schließen, allein die Niederträchtigkeit der römischen Mini-
ster veranlasste den Helden zu einem abermaligen Zuge vor Rom und er
setzte daselbst, nachdem er seinen Einzug in den Palast der Cäsaren ge-
halten, eine Puppe, mit Namen Attalus, zum Gegenkaiser ein.
Durch die nochmalige Aussöhnung mit Honorius, diesem Manne des
Erbarmens, dessen Henne „Roma" in seinen Augen mehr Werth hatte,
als seine Hauptstadt Rom, wurde Attalus wieder beseitigt, und durch
den nochmaligen Bruch sähe sich Alarich zu einem neuen Zuge vor Nom
veranlasst. Im 1163. Jahre nach ihrer Erbauung zog Alarich als
Eroberer in die ewige Stadt und rächte in einer dreitägigen Plünderung,
durch welche Menschen und Schätze aller Art vernichtet wurden, nur
schwach das Unheil, das diese herrische Stadt über die Welt gebracht
hat. Mit Beute beladen, aber sich nur, gleich jedem anderen Eroberer
vor und nach ihm, dessen freuend, was er noch rauben könnte, zog er
nach Unteritalien, wo er jedoch bald darauf starb. Sein Grabmal soll
der Sage nach in dem Flusse Busento errichtet sein.
Ihm folgte Athaulf, gleich tapfer, aber auch edelmüthig, lieb-
reich und schön, durch allgemeine Wahl des Volkes. Er schloss mit
Rom Freundschaft und Bündniss und vermählte sich mit Placidia, der
schönen Schwester des Honorius. Als kaiserlicher Feldherr zog er nach
Gallien gegen die dort herrschenden Usnrpatoren und Barbaren und er-
oberte den ganzen südlichen Theil desselben (412). Zwei Jahre später
ging er über die Pyrenäen und bekämpfte die dort hausenden Alanen,
Sueven und Vandalen (414). Seinem Leben machte der meuchelmör-
derische Singerik ein Ende (415), welcher die Herrlichkeit, auf dem
Throne zu sitzen, nur 7 Tage genoss. Der nun gewählte Wallia er-
oberte als kaiserlicher Feldherr ganz Hispanien und gab das gewonnene
Land, treu seiner Verpflichtung, an Rom ab und erhielt zum Lohne die
schöne gallische Provinz Aquitania, welche das Stammland des bald
über ganz Spanien ausgedehnten westgothischen Reiches wurde.
Als Gallien von römischen Truppen entblößt war, breiteten sich
die am N ederrhein sitzenden salischen Franken weiter im nordwestlichen
Gallien aus. Am letzten Tage des Jahres 406 setzten Vandalen, Ala-
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Extrahierte Personennamen: Honorius Honorius Honorius Honorius Honorius Honorius
Extrahierte Ortsnamen: Rom Unteritalien Gallien Hispanien Rom Spanien Gallien
207
m
den Tod für das Vaterland nicht. Ueberdieß habe er sein
Wort gegeben, und dieses zu halten, sey ihm heilige Pflicht;
seine Sache sey, nach Karthago zurück zu kehren; was ihm
dort begegne, sey Gottes Sache. — Doch eben diese edelmü-
thige Selbstverleugnung erregte nur noch mehr den Wunsch der
Römer, einen solchen Mann zu behalten. Von allen Seiten
drang man in ihn, seinen Vorsatz zur Rückkehr aufzugeben, und
selbst der Oberpriester erklärte: er könne ohne alle Schwierigkeit
seines Eides gegen grausame Feinde entbunden werden. Da
überwallte den Edeln die Röche des Zorns und mit einem
mächtig erschütternden Tone versicherte er: ,,Jch will lieber alles
thun und alles leiden, als durch einen Meineid die Rache der
Götter auf mein Vaterland herabziehen. Nein, die Gottheit
ist kein leeres Gebilde der Einbildungskraft, das man unge-
straft beleidigen darf, oder das sich durch menschliche Vermit-
telung und mit dem Blute der Opferthiere versöhnen laßt!" —
Allein seine Standhaftigkeit hatte einen noch schwerern Kampf
zu bestehen. Denn eben hatte der Senat die Zurücksendung
der Gesandten mit abschlaglicher Antwort beschlossen und schon
war Regulus mit den Gesandten abgetreten, da stürzte seine
zärtlich geliebte Gattin nebst ihren Kindern herein. Mit fle-
hender Stimme und mit dem stärksten Ausdrucke der innigsten
Rührung bat sie um die Erhaltung ihres Gatten, des Vaters
ihrer verlassenen Kinder. Und als man ihr sagte, daß es al-
lein blos von Regulus abhänge, sich ihr und dem Vaterlande
zu erhalten: eilte sie diesem nach, warf sich m seine Arme, die
Kinder umfaßten seine Knie und baten mit lautem Weinen,
sie nicht zu verlassen. Bei diesem Auftritt stand er, den ab-
gewendeten düstern Blick an den Boden geheftet, lange unbe-
weglich ; jetzt, da die Geliebten ihn noch fester umarmen woll-
ten, riß er sich mit Gewalt aus ihren Umarmungen los,
mischte sich in das Gefolge der vorausgegangenen Gesandten
und trat mit ihnen die Rückreise nach Karthago an. Hier fand
der Edle auch bald nach seiner Ankunft den erwarteten Tod
unter den empfindlichsten Martern. Den Karthaginensern fehlte
es an Sinn für wahre Seelengröße; sie sahen in ihm nur den
Feind, der, anstatt ihre Absicht zu fördern, sie vereitelt hatte.
Aber die Frucht der Selbstaufopferung des Regulus und die
Rache für seinen schmählichen Tod blieb nicht aus. Die Kar-
thaginenser wurden nicht nur in diesem Kriege, sondern auch
trotz der ungeheuersten Anstrengungen noch in den beiden fol-
genden völlig und endlich bis zu gänzlicher Vernichtung über-
wunden.
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204
streben gewesen, ihren Beifall zu gewinnen, und jede Auszeich-
nung, die ihm späterhin zu Theil wurde, war vorzüglich auch
deshalb seinem edeln Herzen so werth, weil er sie auf dem Al-
tare der kindlichen Liebe niederlegen und dadurch den Lebens-
abend der theuren Mutter verschönern konnte. Wie viel sie
aber über ihn vermochte, das sollte sich bald auf recht auffal-
lende Weise zeigen.
Wiewohl Koriolans Verdienste allgemein anerkannt wa-
ren : so besaß er doch nicht die Liebe des Volks. Sein Stolz,
seine geringschätzige Behandlung der Niedrigen im Volke, sein
starres Festhalten an ererbten Vorzügen entfremdeten ihm die
Herzen.' Als er daher zum Consul, worauf niemand gerech-
tem Anspruch zu haben glaubte, als er, erwählt werden sollte,
widersetzten sich die Volkstribunen und hintertrieben die Wahl.
Dadurch erbittert, sprach er in de«»Senatsversammlung bei Ge-
legenheit einer Getreidevertheilung unter das Volk ganz unver-
hohlen und in den derbsten Ausdrücken seine Abneigung gegen
das wachsende Ansehen der Volkstribunen aus. Von diesen
ward er deshalb zur Verantwortung gezogen und durch einen
Volksbeschluß auf ewige Zeiten aus dem Vaterlande verbannt.
Racheglühend verließ er Rom und wandte sich zu den Volskern,
den mächtigsten und erbittertsten Feinden der Römer. Hier
wurde er als ein so erfahrner Feldherr, ' dessen Tapferkeit sie
selbst bei so vielen Gelegenheiten empfunden hatten, mit offe-
nen Armen aufgenommen. Seiner Ueberredungskunst gelang es
leicht, ihren gesunkenen Muth anzufeuern und sie zur Unter-
nehmung eines neuen Krieges gegen die Römer, der unter den
damaligen Umstanden den glücklichsten Erfolg versprach, zu be-
wegen. Ueber eine Heeresabtheilung, die größtentheils aus Frei-
willigen bestand und die sich bei jedem Schritte vorwärts ver-
größerte, ward ihm der Oberbefehl anvertraut. Unaufhaltsam
drang nun Koriolan vor, die wichtigsten Städte und Platze wa-
ren bald in seiner Gewalt, und nicht lange, so stand er im
Angesichte Roms. Je mehr er sich Rom näherte, desto mehr
nahmen in der Stadt Schrecken und Verwirrung zu; unfähig,
einen Entschluß zu ihrer Vertheidigung zu fassen, brachten das
Volk und dessen Häupter die Zeit mit vergeblichen Vorschlagen
und unnützen Vorwürfen zu, indeß das Geheul der Weiber und
Kinder in den Straßen der Stadt immer ängstlicher wurde
und die Greise mit den Priestern in den Tempeln der Götter
um Hülfe flehten. Zwei Gesandtschaften, welche.koriolan um
Beilegung des Kriegs und um friedliche Rückkehr in's Vater-
land bitten sollten, wurden fruchtlos in's Lager gesendet; die
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206
9. Treue gegen die Feinde.
Wie edel und erhaben der Charakter der Römer zur Zeit
ihrer schönsten Blüthe war, davon giebt auch Regulus ein
treffliches Beispiel, indem er nicht allein seinen Freunden, son-
dern auch seinen Feinden, selbst mit Aufopferung seines Lebens,
Wort und Treue halten zu muffen glaubte.
Die Römer waren mit den Karthaginensern in
den ersten punischen Krieg verwickelt. Die letztem waren noch
übermächtig zur See; wenn auch eine ihrer Flotten von den
Römern geschlagen oder genommen worden war: so besaßen sie
doch so viele Reichthümer und Hülfsmittel aller Art, daß sie
bald eine noch größere wieder herzustellen vermochten. Man
beschloß daher in Rom, eine Armee^in Afrika zu landen, um
den Krieg in die Nahe von Karthago zu spielen und ihn da-
durch desto schneller und glücklich zu beendigen. Den Oberbe-
fehl darüber erhielt Regulus. Es gelang ihm, nach einer ge-
wonnenen Seeschlacht die Landung glücklich auszuführen. In
Afrika machte er reißende Fortschritte; schon stand er in der
Nahe von Karthago und schon sahen sich die stolzen Karthagi-
nenser genöthigt um Frieden zu bitten, als durch eine herbei-
gerufene Hülfsarmee und durch das Talent ihres-Anführers
das Schicksal plötzlich gewendet ward. Es kam zu einer ent-
scheidenden Schlacht; die Römer wurden gänzlich geschlagen und
Regulus selbst gefangen genommen. Jetzt glaubten die Kar-
thaginenser, besonders durch die Vermittelung des Regulus,
mit den Römern einen vortheilhaften Vertrag über die Aus-
wechselung der Gefangenen machen zu können. Sie schickten
ihn daher, nachdem sie ihm alle Qualen der Gefangenschaft
hatten empfinden lassen und ihn, wenn der Vertrag nicht zu
Stande kommen sollte, auf sein Ehrenwort zur Rückkehr in die
Gefangenschaft verpflichtet hatten, in Begleitung ihrer Gesand-
ten nach Rom. Kaum war er aber hier angelangt: so bewies
er in der Rathsversammlung und im Beiseyn der Gesandten
mit so überzeugenden Gründen, daß die Auswechselung der Ge-
fangenen nicht erfolgen und noch viel weniger unter den jetzigen
Umständen Friede geschlossen werden dürfe, daß der Senat,
wiewohl ungern, seiner Meinung beitreten mußte. Dabei er-
klärte er: er werde bestimmt wieder nach Karthago zurückkeh-
ren, da er ohnehin die Schande nicht ertragen könne, als ein
ehemaliger Gefangener unter den Augen seiner Mitbürger zu
leben. Zwar wisse er wohl, daß dort die schmählichsten Mar-
tern und ein qualvoller Tod seiner warte; aber er fürchte
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