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24 Ein Gang im Gebirge.
Es war schönes, liebes Sonntagswetter. Ich bestieg Hügel und
Berge, betrachtete, wie die Sonne den Nebel zu verscheuchen suchte,
und wanderte sreudig durch die schauernden Wälder. In ihren weißen
Nachtmänteln standen die Berge, die Tannen rüttelten sich den Schlaf
aus den Gliedern, der frische Morgenwind frisirte ihnen die herab-
hängenden grünen Haare, die Vöglein hielten Betstunde, das Wiesen-
thal blitzte wie eine diamantenbesäete Golddecke, und der Hirt schritt
darüber hin mit seiner läutenden Heerde. — Bald umfing mich eine
Waldung himmelhoher Tannen, für die ich in jeder Hinsicht Respekt
habe. Diesen Bäumen ist nämlich das Wachsen nicht so ganz leicht
gemacht worden, und sie haben es sich in der Jugend sauer werden
lassen. Der Berg ist hier mit vielen großen Granitblöcken übersäet,
und die meisten Bäume mußten mit ihren Wurzeln diese Steine um-
ranken oder sprengen, und mübsam den Boden suchen, woraus sie Nah-
rung schöpfen können. Hier und da liegen die Steine, gleichsam ein
Thor bildend, über einander und oben daraus stehen die Bäume, die
nackten Wurzeln über jene Steinpsorte hinziehend und erst am Fuße
derselben den Boden erfassend, so daß sie in der freien Luft zu wachsen
scheinen. Und doch haben sie sich zu jener gewaltigen Höhe empor-
geschwungen und, mit den umklammerten Steinen wie zusammengewachsen,
stehen sie fester als ihre bequemen Kollegen im zahmen Forstboden des
flachen Landes. So stehen auch im Leben jene großen Männer, die
durch das Ueberwinden früher Hemmungen und Hindernisse sich erst
recht gestärkt und befestigt haben. — Aus den Zweigen der Tannen
kletterten Eichhörnchen und unter denselben spazirten die gelben Hirsche.
Wenn ich solch ein liebes, edles Thier sehe, so kann ich nicht begreifen,
wie gebildete Leute Vergnügen daran finden, es zu hetzen und zu tödten.
Allerliebst schossen die goldenen Sonnenlichter durch das dichte
Tannengrün. Eine natürliche Treppe bildeten die Baumwurzeln. Ueber-
all schwellende Moosbänke; denn die Steine sind fußhoch von den schön-
sten Moosarten, wie mit hellgrünen Sammetpolstern, bewachsen. Lieb-
liche Kühle.und träumerisches Quellengemurmel. Hie und da sieht man,
wie das Wasser unter den Steinen silberhell hinrieselt und die nackten
Baumwurzeln und Fasern bespült. Wenn man sich nach diesem Treiben
hinabbeugt, so belauscht man gleichkam die geheime Bildungsgeschichte
der Pflanzen und das ruhige Herzklopfen des Berges. An manchen
Orten sprudelt das Wasser aus den Steinen und Wurzeln stärker her-
vor und bildet kleine Kaskaden. Da läßt sich gut sitzen.
Je höher man den Berg hinaufsteigt, desto kürzer, zwerghafter
werden die Tannen, sie scheinen immer mehr und mehr zusammenzu-
schrumpfen, bis nur Heidelbeer- und Rothbeersträuche und Bergkräuter
übrig bleiben.
H. H eine.
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Holzart ist vorherrschend auf dem Unterharze, wie man die Ostseite des
Berges nennt, im Gegensatz zur Westseite desselben, die der Oberharz
heißt und wirklich viel höher ist, und also auch viel geeigneter zum
Gedeihen der Nadelhölzer.
Es ist unbeschreibbar, mit welcher Fröhlichkeit und Anmuth die.
Ilse sich hinunter stürzt über die abenteuerlich gebildeten Felsstücke, die
sie in ihrem Laufe findet, so daß das Wasser hier wild emporzischt oder
schäumend überläuft, dort aus allerlei Steinspalten, wie aus tollen
Gießkannen, in reinen Bögen sich ergießt und unten wieder über die
kleinen Steine hintrippelt, wie ein munteres Mädchen. Ja! die Sage
ist wahr: die Ilse ist eine Prinzessin, die lachend und blühend den
Berg hinabläuft. Wie blinkt im Sonnenschein ihr weißes Schaumge-
wand! Wie flattern im Winde ihre silbernen Busenbänder! Wie fun-
keln und blitzen ihre Diamanten! Die hohen Buchen stehen dabei, gleich
ernsten Vätern, die verstohlen lächelnd dem Muthwillen des lieblichen.
Kindes zusehen; die weißen Birken bewegen sich tantenhaft vergnügst
und doch zugleich ängstlich über die gewagten Sprünge; der stolze Eich-
baum schaut drein, wie ein verdrießlicher Oheim, der das schöne Wetter
bezahlen soll; die Vöglein in den Lüsten jubeln ihren Beifall; die
Blumen am Ufer flüstern zärtlich: ,,O, nimm uns mit, nimm uns mist
kieb' Schwesterchen!" H. Heine.
60. Die Baumannshöhle.
(Beschreibung einer Höhle.)
Die Baumannshöhle liegt in einem Kalkfelsen des linken Bode-
ufers. Der Weg dahin führt eine ziemliche Strecke weit bergauf. Vor
dem Eingänge wölbt sich ein weiter, jedoch nicht sehr hoher Bogen,
-eine Art Thor darstellend, unter dem Tische und Bänke für die Besucher
der Höhle angebracht sind. Da der Tag ziemlich heiß war und die Er-
steigung des Berges unser Blut etwas in Wallung gebracht hatte, so
ermahnten uns die Führer, hier ein wenig Platz zu nehmen, um uns
abzukühlen, indem es in der Höhle ziemlich kühl sei. Sie selbst zün-
deten Lampen an und überreichten auch jedem von uns eine. Mir
wurde ein wenig unheimlich zu Muthe, als es hieß: „Nun kann's
losgehen!" Der Vater faßte mich indeß bei der Hand, und so ging
Alles gut.
Der eigentliche Eingang zur Höhle ist kaum etwas breiter, als
eine gewöhnliche Hausthür, und dabei so niedrig, daß große Leute sich
bücken müssen, wenn sie nicht anstoßen wollen. Man gelangt durch
denselben nicht sogleich in die Höhle, sondern geht erst in einem schmalen,
finstern Gange 80 Lachter 30 Zoll (1 Lachter hat 80 Zoll zehntheilig
Maß) weit bis zu einer kleinen verschlossenen Thür. Nachdem der voran-
gehende Führer diese geöffnet, traten wir in die wirkliche Höhle, welche
ungefähr die Ausdehnung eines ziemlich großen Zimmers hat. Dev
Fußboden ist durch aufgeschüttete Sägespäne seinem größten Theile nach
eben, die Decke hoch gewölbt, fast nach Art der Kreuzgewölbe in alten
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Die unteren Gebirgsseen unterscheiden sich vielfach von jenen
höher gelegenen Alpenseen. Sie sind fast nach allen Seiten malerisch
und reizend geschmückt. Ihre Färbung ist nicht beständig und nicht er-
klärt; oft sind sie tiefblau, oft dunkel-, oft hellgrün, oft trübe weißlich.
Ihre Tiefe und der Grund ihres Beckens ist wenig genau untersucht;
aber wahrscheinlich ist letzterer voller Felsen und Klüfte und gewöhnlich
auch quellenreich. Die Bergbewohner rühmen den Fluthen ihrer Seen
gern eine unergründliche Tiefe nach und beleben diese, den Zug der
Natur zum Geheimnißvollen und Wunderbaren theilend, mit monströsen
Fischgestalten. Von den Hängen der nahen Felsenmauern brausen bald
wilde Runsen (Bergbäche) in das Becken des stillen Sees und ziehen
weithin schmuziggelbe Streifen in die Fluthen; bald schwanken die flat-
ternden Schleier dünner Wasserfälle am Felsufer, und rieseln dann
als klare und stete Bäche farblos in das geebnete Wellenreich hin.
Einzelne Hügelvorsprünge oder felsige Fortsetzungen des Gebirgszuges
ragen in die Beckenmündung hinein und bilden verborgene, trauliche
Buchten, selten grüne Inseln, einzelne Hirten- oder Fischerwohnungen,
manchmal kleine Dörfchen siedeln sich am Gestade an und die fleißigen
Menschen suchen ihr Brot bald in der Tiefe des Wassers, bald an den
grünen Gallerten der nahen Gebirge. Fr. v. Tschudi.
73 Der Fön.
Im ganzen Bergrevier der Schweiz ist mit Ausnahme weniger
Gebiete kein Wind bekannter, und von großartigerer Wirkung als der
Fön. Es ist nicht ein Local-, sondern ein allgemeiner, europäischer
oder vielmehr afrikanischer Wind. Wie die Quellen des kalten Nord-
windes wahrscheinlich die Polareisgebiete, die der feuchten, regenbringen-
den Westwinde der atlantische Ocean, so sind die der oft glühend heißen
Südwinde (Fön) die brennenden Sandwüsten Afrika's. Nun scheint
zwar der Zug der Alpen uns gehen diese zu schützen; aber sie ver-
stärken dieselben in der That. Ist der heiße Luststrom über den Alpen
angelangt, so möchte er wohl über diese und ihre Thäler hoch hingehen;
aber die Kälte des Schnees kühlt einen Theil seiner Randwellen ab,
so daß er sofort schwerer wird und in die Thäler niederstürzt. Dies
ist dann um so mehr der Fall, wenn die Gletscher am kältesten sind
und die Thalluft von der Sonne nicht erwärmt ist, wo also die Aus-
gleichung der Luftwärme auf eine gewaltsame Weise vor sich gehen muß.
Darum ist der Fön nach genauen Beobachtungen im Winter und An-
fangs Frühlings in den Bergthälern am häufigsten; sowie die Sonnen-
wärme die Thäler aber erwärmt, so haust er noch in den kältern Hoch-
alpen. Aus dem gleichen Grunde tritt er oft auch in der Nacht weit
heftiger, als am Tage auf. Die atmosphärischen Erscheinungen, die
ihn begleiten, sind sehr hübsch. Am südlichen Horizonte zeigt sich leich-
tes, sehr buntes Schleiergewölk, das sich an die Bergspitzen setzt.
Die Sonne geht am starkgerötheten Himmel bleich und glanzlos unter.
Noch lange glühen die Wolken in den lebhaftesten Purpurtinten. Die
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Der König spricht es und wirst von der Höh'
Der Klippe, die schroff und steil
Hinaushängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
„Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in diese Tiefe nieder?"
Und die Ritter, die Knappen um ihn her
Vernehmens und schweigen still,
Sehen hinab in das wilde Meer,
Und Keiner den Becher gewinnen will.
Und der König zum dritten Mal wieder fraget:
„Ist Keiner, der sich hinunter waget?"
Doch Alles noch stumm bleibt wie zuvor;
Und ein Edelknecht, sanft und keck,
Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
Und den Gürtel wirst er, den Mantel weg,
Und alle die Männer umher und Frauen
Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.
Und wie er tritt an des Felsen Hang
Und blickt in den Schlund hinab:
Die Wasser, die sie hinunter schlang,
Die Charybde jetzt brüllend wiedergab.
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzen sie schäumend dem finstern Schooße.
Und es wallet und siedet und brauset und zischt.
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
Und Fluth auf Fluth sich ohn' Ende drängt,
Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,
Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.
Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt,
Und schwarz aus dem weißen Schaum
Klafft hinunter ein gähnender Spalt,
Grundlos, als ging's in den Höllenraum,
Und reißend sieht man die brandenden Wogen
Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.
Jetzt schnell, eh' die Brandung wiederkehrt,
Der Jüngling sich Gott befiehlt,
Und — ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört.
Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült!
Und geheimnißvoll über dem kühnen Schwimmer
Schließt sich der Rachen, er zeigt sich nimmer.
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