137
Denn du gebarst und erzogst mir den wackern Sohn Zacharias,
Der an Wuchs und Gemüt, wie er sagt, nachartet dem Vater. 215
Mütterchen, habe mich lieb; ich will auch artiges Kind sein.
Fröhliches Herz und rotes Gesicht, das hab' ich beständig,
Auch wenn der Ost nicht weht. Mein Väterchen sagte mir oftmals,
Klopfend die Wang', ich würde noch krank vor lauter Gesundheit."
Jetzo sagte der Sohn, sein Weib darstellend der Mutter: 220
„Mütterchen, nehmt sie auf Glauben! So zart und schlank, wie sie dasteht,
Ist sie mit Leib und Seele vom edelsten Kerne der Vorwelt.
Daß sie der Mutter nur nicht das Herz abschwatze des Vaters!
Komm denn und bring' als Gabe den zärtlichsten Kuß zum Geburtstag."
Schalkhaft lächelte drob und sprach die treffliche Gattin: 225
„Nicht zur Geburtstagsgabe! Was Besseres bring' ich im Koffer
Unserem Vater zur Lust und dem Mütterchen, ohne dein Wissen."
Sprach's und faßte dem Manne die Hand; die führende Mutter
Öffnete leise die Tür' und ließ die Kinder hineingehn.
Aber die junge Frau, voll Lieb' im lächelnden Antlitz, 230
Hüpfte voraus und küßte den Greis. Mit verwunderten Augen
Sah er empor und hing in der trautesten Kinder Umarmung.
2. Preis Italiens.
Aus der Übersetzung von Vergils Georgica, Ii, 140—174.
Herausgegeben von Otto Güthling, Leipzig (Reclam), 1886, S. 62.
Hier ward nicht von Stieren, die Glut ausschnoben, das Erdreich
Umgepflügt und mit Zähnen besäet der entsetzlichen Hyder H,
Daß von Helmen und Lanzen gedrängt aufstarrte die Mannsaat.
Doch schwerhangende Frücht' und massischer^) Trank des Lhäus^)
Füllten es; ringsum blühn Ölbäum' und fröhliche Rinder. 5
Hier wird Krieger das Roß und trabt hochhalsig ins Schlachtfeld;
Herden von hier, schneeweiß, und der Stier, o Clitumnusz, der Opfer
Größestes, oft in deinem geheiligten Strome gebadet,
Führeten Roms Triumphe hinauf zu der Himmlischen Tempeln.
Hier ist ewiger Lenz, und im fremdesten Mondes noch Sommer; 10
Zweimal trächtig das Vieh, zweimal auch ergiebig der Obstbaum.
Aber zerreißende Tiger sind fern, und grausamer Leuen
Schreckliche Brut; kein Giftkraut betrog unglückliche Sammler;
Nicht unermeßliche Kreise bewegt durch den Staub noch versammelt
Sich so^) mächtigen Zuges die schuppige Schlang' in Geringel. 15
Dazu prangender Städte so viel und Werke der Arbeit,
Festungen kühn mit der Hand auf Felsabhängen gebauet,
Und hinwallende Ströme durch altertümliche Mauern.
Ob ich des Meers dort oben 7) gedenk', und das unten8) heranspült?
Ob so gewaltiger Seen? Dein, großer Larius^), dein auch, 20 * 2
U Der Dichter denkt an das bekannte Abenteuer des Jason in Kolchis. —
2) der Wein vom Mons Massicus an der Grenze Kampaniens und Latiums. — 8) Lyäus:
Kultname des Weingottes. — 4) Fluß in Umbrien. — 5) in einem Monate, der anderswo
keine Sommertage mehr bringt. — 6) wie in anderen Ländern. — 7) des Adriatischen
Meeres. — 8) das Tyrrhenische Meer. — 9) Comersee.
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T33: [Stadt Meer Italien Neapel Hauptstadt Rom Insel Genua Spanien Land]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T149: [Stadt Rom Meer Tiber Italien Land Ort Arno Fluß See], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
Extrahierte Personennamen: Zacharias Vergils_Georgica Otto_Güthling Otto
138
Der du mit Wogen des Meers und Gebraus' aufsteigst, o Benacus^)!
Ob ich der Häfen gedenk' und des eingezwängten Lucrinus,
Und wie den Damm unbändig die zürnende Brandung umdonnert,
Dort, wo die jütische Flut von des Meers einstürzenden Wassern
25 Hallt und Tyrrhenergewog' in den Sund eindringt dem Avernus^)?
Silberne Büch' auch zeigte das Land und des Erzes Metalle
Hier in der Schachte Geäder und floß mit goldenem Reichtum.
Dieses erzog zu Helden der Marser Geschlecht und Sabeller,
Ligurer, trotzend der Not, und Speere schwingende Volsker;
30 Decier dies und Marierkraft und große Camille,
Streitbare Scipiaden und dich, o erhabener Cäsar,
Der du jetzt Obsieger an Asias äußersten Küsten
Ferne von Roms Berghöhen den zagenden Indier scheuchest.
Heil dir, Mutter der Frücht', o saturnische Erde^), der Männer Pflegerin!
Luöwig Heinrich Christoph Höltp.
Ludwig Heinrich Christoph Hölty, Sohn eines Predigers, geboren am
21. Dezember 1748 zu Mariensee bei Hannover, studierte in Göttingen
Theologie. Hier fing er an zu kränkeln, und sein Leiden verschlimmerte sich
infolge mehrerer harter Schicksalsschläge derart, daß er, noch nicht 28 Jahre
alt, am 1. September 1776 zu Hannover starb.
Er schrieb Lieder („Wer wollte sich mit Grillen plagen", „Üb' immer Treu' und
Redlichkeit"), Oden, Elegien und Idyllen („Das Feuer im Walde" 1772).
I. Das Feuer im Walde. Aufmunterung zur Freude. Lebensplau („Der alte Landmann an seinen Sohn").
1. Das Landleben.
(1776.)
Ausgabe von August Sauer, Stuttgart (Union), 1893, (Kürschner, Deutsckie Nationalliteratur, B- 50, l), S. 61.
1. Wunderseliger Mann, welcher der Stadt entfloh!
Jedes Säuseln des Baums, jedes Geräusch des Bachs,
Jeder blinkende Kiesel
Predigt Tugend und Weisheit ihm.
2. Jedes Schattengesträuch ist ihm ein heiliger
Tempel, wo ihm sein Gott näher vorüberwallt,
Jeder Rasen ein Altar,
Wo er vor dem Erhabenen kniet.
3. Seine Nachtigall tönt Schlummer herab auf ihn,
Seine Nachtigall weckt flötend ihn wieder auf,
Wann das liebliche Frührot
Durch die Bäum' auf sein Bette scheint.
4. Dann bewundert er dich, Gott, in der Morgenflur,
In der steigenden Pracht deiner Verkünderin,
Deiner herrlichen Sonne,
Die im Wurm und im Knospenzweig,
x) Gardasee. — 2) Der von C. Julius Caesar Octavianus 37 v. Chr. Geb. an-
gelegte Kriegshafen, Portus Julius, war zwischen Bajae und Puteoli in Kampanien
dadurch hergestellt worden, daß der Lucrinersee und der Avernersee miteinander ver-
bunden und durch Dämme gegen das Tyrrhenische Meer gesichert worden waren. —
3) Saturnus war der latinische Saatgott.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T33: [Stadt Meer Italien Neapel Hauptstadt Rom Insel Genua Spanien Land], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T149: [Stadt Rom Meer Tiber Italien Land Ort Arno Fluß See]]
Extrahierte Personennamen: Camille Cäsar Roms_Berghöhen Heinrich Ludwig_Heinrich_Christoph_Hölty Ludwig Heinrich August Wunderseliger Bachs Jedes_Schattengesträuch Gott C._Julius_Caesar_Octavianus Chr Julius