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212. Die Kaiserproklamation zu Versailles.
Bernhard Rogge.
Bei der Garde. Erlebnisse und Eindrücke 1870/71. Hannover 1895. 8. 15.
Am 18. Januar morgens erdröhnten die Kanonenschüsse von
den Pariser Forts, insbesondere vom Mont Valerien mit seinen
schweren Geschützen; aber auch die Batterien unserer Belage-
rungsartillerie läuteten den großen Tag statt der Festglocken
ein, die einst von den Krönungsdomen zu Aachen oder Frank-
furt erklangen, wenn die deutschen Kaiser den Thron Karls
des Großen bestiegen. Die Bewohner von Versailles wußten und
ahnten nichts von dem großen geschichtlichen Vorgang, der sich
unter ihren Augen vollziehen sollte; denn das strengste Ge-
heimnis war darüber bewahrt worden. Die wenigsten wußten,
warum heute die Reveille lauter als sonst erschallte, warum das
,,Preußenlied“ mit dem „Heil dir im Siegerkranz“ verbunden
und die Klänge des Arndtschen Prophetengesanges: „Was ist
des Deutschen Vaterland ?“ von den anwesenden Musikkorps
geblasen, feierlich durch die Straßen tönten.
Gegen 10 Uhr wurden die Fahnen und Standarten, durch
welche die vor Paris liegenden Truppen der Iii. Armee und
der Maasarmee bei der Feier vertreten sein sollten, — 56 an
der Zahl, darunter 18 bayrische — unter klingendem Spiel über
den schönen Paradeplatz am Standbild Ludwigs Xiv. vorüber
in das ehemalige Königsschloß gebracht und auf einer am Ende
des Spiegelsaals errichteten Estrade aufgestellt, von der herab
die Proklamation der mit der Krone Preußens fortan verbundenen
Kaiserwürde vor sich gehen sollte. Der langgestreckte Saal, in
dessen Mitte an einer der Langseiten ein Feldaltar errichtet war,
begann sich mit den zur Feier befohlenen Deputationen der in
und um Versailles liegenden Truppen, mit Offizieren aller Waffen-
gattungen und Grade, mit den Oberbefehlshabern der Belage-
rungskorps und allen zum königlichen Hauptquartier gehörigen
Offizieren und Beamten zu füllen. Den mit der roten Felddecke
der ersten Garde-Infanterie-Division bekleideten Altar, dessen
Tisch dem Audienzzimmer Ludwigs Xiv. entnommen war, um-
standen neben mir die in Versailles und Umgegend liegenden
Feld-, Divisions- und Lazarettpfarrer.
Punkt 12 Uhr verließ König Wilhelm in dem einfachen
offenen Wagen, der zu seinen täglichen Spazierfahrten diente,
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Extrahierte Personennamen: Bernhard_Rogge Karls Ludwigs Ludwigs Wilhelm
„Sei Lob und Ehr' dem höchsten Gut,
Dem Vater aller Güte,
Dem Gott, der große Wunder tut,
Dem Gott, der mein Gemüte
Mit seinem reichen Trost erfüllt,
Dem Gott, der allen Jammer stillt:
Gebt unserm Gott die Ehre!"
Kräftig war dieser schöne Choral erklungen, war doch ein jeder von dem
Ernst, der Größe des Festes ergriffen. Der König stand, gesenkten
Blickes, den er auch während der ganzen folgenden Predigt nicht aufschlug,
inmitten seiner Getreuen in Rat und Tat, derjenigen, die das Vaterland
stark, einig, kampfbereit zu machen, und derer, die Siege ohnegleichen
zu erfechten ihm geholfen. Sie alle aber umfing die Prachthalle, in
der der selbstbewußteste aller Herrscher, Ludwig Xiv., seine Feste gefeiert
und die Huldigungen der Völker angenommen hatte. Dort in der
Mitte, hinter dem König, hatte sein Thronsessel gestanden. Wann aber
hätten ihn, den Roy-Soleil, je so zahlreiche erlauchte Fürsten und ver-
diente Heerführer und Staatsmänner, so tapfere Krieger, alle einmütig in
der Liebe zum Vaterlaude, wie dieser Tag sie hier versammelte, umgeben?
Von all den Deckengemälden, die Ludwigs Triumphe verherrlichten,
zog das stolzeste und größtö gerade in der Mitte, zu Häupten des Königs,
die Blicke auf sich: man sah den jugendlichen französischen König thronend,
von Genien umgeben, aufblickend zu der Götterschar des Olymp, von
denen Merkur hinüberfliegt Zu drei Frauengestalten, den Sinnbildern der
Nachbarreiche Deutschland, Spanien und Holland — Deutschland empor-
ragend in ihrer Mitte und kenntlich an der Kaiserkrone und dem Adler —-
ihnen allen die Selbstherrlichkeit Ludwigs Xiv. anzukündigen. Man las
die hierauf bezügliche Inschrift: Re roi gouverne par lui-même. Welch
ein Gegensatz — jene Zeit und dieser Tag! Welche Schicksalsschläge,
welche Siege waren nötig gewesen, den Weg hierher zu bahnen!
Der Kronprinz kommandierte: „Helm ab zum Gebet!" Hofprediger
Rogge trug die Liturgie nach dem Militär-Kirchenbuche vor, in die sich
der vierstimmige Chor der Soldatensänger schön einfügte, und schloß sie
mit Vorlesung von Psalm 21, dessen auf die Feier dieses Tages und
auf die persönlichen Erlebnisse des Königs beziehungsreiche Worte großen
Eindruck auf die Anwesenden machten. Sodann hielt er mit kräftiger
Stimme die Weiherede.
Nun erklangen, von den Musikkorps begleitet, die drei Verse des
Chorals: „Nun danket alle Gott!" von den Lippen — und wahrlich
aus dem Herzen aller Anwesenden. Der Kronprinz und Graf Bismarck
sangen mit kräftiger Stimme mit. „Bleich, aber fest auf beit starken
Beinen, wie ein Mann von Eisen" — so schildert der Berichterstatter
der Times, Russell, beider Erscheinung — „stand während der kirch-
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Extrahierte Personennamen: Ernst Ludwig_Xiv. Ludwig_Xiv. Ludwigs Ludwigs Rogge Graf_Bismarck Russell
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Spanien Holland Deutschland Ludwigs_Xiv
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„Sei Lob und Ehr' dem höchsten Gut,
Dem Vater aller Güte,
Dem Gott, der große Wunder tut,
Dem Gott, der mein Gemüte
Mit seinem reichen Trost erfüllt,
Dem Gott, der allen Jammer stillt:
Gebt unserm Gott die Ehre!"
Kräftig war dieser schöne Choral erklungen, war doch ein jeder von dem
Ernst, der Größe des Festes ergriffen. Der König stand, gesenkten
Blickes, den er auch während der ganzen folgenden Predigt nicht aufschlug,
inmitten seiner Getreuen in Rat und Tat, derjenigen, die das Vaterland
stark, einig, kampfbereit zu machen, und derer, die Siege ohnegleichen zu
erfechten ihm geholfen. Sie alle aber umsing die Prachthalle, in der
der selbstbewußteste aller Herrscher, Ludwig Xiv., seine Feste gefeiert
und die Huldigungen der Völker angenommen hatte. Dort in der Mitte,
hinter dem König, hatte sein Thronsessel gestanden. Wann aber hätten
ihn, den Roy-Soleil, je so zahlreiche erlauchte Fürsten und verdiente
Heerführer und Staatsmänner, so tapfere Krieger, alle einmütig in der
Liebe zum Vaterlande, wie dieser Tag sie hier versammelte, umgeben?
Von all den Deckengemälden, die Ludwigs Triumphe verherrlichten,
zog das stolzeste und größte gerade in der Mitte, zu Häupten des Königs,
die Blicke auf sich: man sah den jugendlichen französischen König
thronend, von Genien umgeben, aufblickend zu der Götterschar des
Olymp, von denen Merkur hinüberfliegt zu drei Frauengestalten, den
Sinnbildern der Nachbarreiche Deutschland, Spanien und Holland -
Deutschland emporragend in ihrer Mitte und kenntlich an der Kaiser-
krone und dem Adler — ihnen allen die Selbstherrlichkeit Ludwigs Xiv.
anzukündigen. Man las die hierauf bezügliche Inschrift: Le roi gou-
verne par lui-meme. Welch ein Gegensatz — jene Zeit und dieser Tag!
Welche Schicksalsschläge, welche Siege waren nötig gewesen, den Weg
hierher zu bahnen!
Der Kronprinz kommandierte: „Helm ab zum Gebet!" Hofprediger
Rogge trug die Liturgie nach dem Militär-Kirchenbuche vor, in die sich
der vierstimmige Chor der Soldatensänger schön einfügte, und schloß sie
mit Vorlesung von Psalm 21, dessen auf die Feier dieses Tages und
ans die persönlichen Erlebnisse des Königs beziehnngsreiche Worte großen
Eindruck auf die Anwesenden machten. Sodann hielt er mit kräftiger
Stimme die Weiherede.
Nun erklangen, von den Musikkorps begleitet, die drei Verse des
Chorals: „Nun danket alle Gott!" von den Lippen — und wahrlich
aus dem Herzen aller Anwesenden. Der Kronprinz und Graf Bismarck
sangen mit kräftiger Stimme mit. „Bleich, aber fest auf den starken
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