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Theodoros, Sohnes des Telekles von Samos. Da ihm nun gut dünkte,
diesen wegzuwerfen, machte er es also: Er bemannte einen Fiinfzig-
ruderer, stieg dann selber ein und befahl, in die hohe See zu stechen.
Wie er nun ferne von der Insel war, zog er den Siegelring ab und warf
ihn vor den Augen aller, die mit ihm zu Schiffe waren, in die See.
Alsdann fuhr er zurück und zu Hause angekommen, trug er Leid.
Den fünften oder sechsten Tag darauf begegnete ihm folgendes:
Ein Fischer hatte einen grossen, schönen Fisch gefangen und achtete ihn
wert, dem Polykrates geschenkt zu werden. Er ging damit an die Tkiire
des Palastes und sagte, er wünsche den Polykrates selbst zu sprechen.
Es ward ihm gewährt, und nun sprach er, den Fisch überreichend:
„König, den hab ich gefangen, und da hielt ich nicht für recht, ihn zu
Markte zu bringen, obgleich ich ein Mann bin, der von seiner Hände
Arbeit lebt, sondern ich fand ihn deiner wert und deiner Herrlichkeit;
und so bringe ich ihn dir zum Geschenke.“ Jener, dem die Rede gefiel,
antwortete: „Du hast sehr wohl gethan, du verdienst doppelten Dank
für deine Worte und für dein Geschenk, und wir laden dich zum Mahle.“
Der Fischer achtete dieses für etwas Grosses und begab sich hinein.
Als aber die Diener den Fisch aufschnitten, fanden sie in seinem Bauche
den Siegelring des Polykrates. Nicht so bald hatten sie ihn gesehen,
als sie ihn nahmen und mit grosser Freude dem Polykrates brachten,
und indem sie ihm seinen Siegelring gaben, sagten sie ihm auch, wie er
sich gefunden. Da gedachte er, das sei Götterfügung, und beschrieb den
ganzen Vorfall, was er gethan und wie es ihm damit ergangen, in einem
Briefe und schickte diesen nach Ägypten.
Als Amasis den Brief des Polykrates gelesen hatte, erkannte er, es
sei unmöglich, dass ein Mensch den andern seinem bevorstehenden Schick-
sale entziehe, und es stehe dem Polykrates kein gutes Ende bevor, da
er in allem Glück habe und auch, was er weggeworfen, wiederfinde. Da
liess er ihm durch einen Boten die Gastfreundschaft aufsagen. Dies
that er aber deswegen, damit nicht, wenn ein arges und gewaltiges
Geschick über Polykrates komme, dieses auch ihm in der Seele weh thue,
als um einen Gastfreund.
30. Brief Goethes an Schiller vom 27. Juni 1797.
Der „Ring des Polykrates“ ist sehr gut dargestellt. Der königliche
Freund, vor dessen, wie vor des Zuhörers, Augen alles geschieht, und
der Schluss, der die Erfüllung in Suspenso lässt, alles ist sehr gut. Ich
wünsche, dass mir mein Gegenstück eben so geraten möge!
Brief Goethes an Schiller vom 28. Juni 1797.
Der,,Ring“, den ich hier wieder zurückschicke, hält sich bei wiederholtem
Lesen sehr gut, er wird vielmehr besser, wie es jedes Gedicht von
Wert tliun muss, indem es uns in die Stimmung nötigt, die wir beim
ersten Hören und Lesen nicht gleich mitbringen.
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64
7. So fragt er, denn er liat der Rede Sinn,
Bethört von eitler Selbstsucht, nicht verstanden.
„Zwei Jünglingen in der Argiver Landen,“
Erwidert Solon, „ward der Hochgewinn.
8. Der Mutter Wagen zogen einst die Brüder
Bei Heres Fest mit kindlich frommem Sinn
Zum weit entlegnen Tempel treulich hin
Und sanken matt an dessen Stufen nieder.
9. Da wendete die Mutter sich zu Here
Und flehte, dass ihr waltendes Gebot
Den Guten das Beglückendste gewähre.
Die Göttin gab’s: die Söhne waren tot.
10. Noch lebt der Götterspruch in Hellas fort,
Und weise deutet ihn des Dichters Wort:
Dem edlen Sinn wird edles Los zu teil;
Zu sterben ist dem Frommen höchstes Heil.“
11. Da wrendet sich des Fürsten Angesicht,
Und seine Stirne kräuselt sich in Falten.
„Wie,“ spricht er zu sich selbst, „den Knaben nicht,
Nicht jenem Bürger will er gleich mich halten?'4
12. Und auf die Pracht, die ihn umblühte, deutend:
„So sind Dir,“ rief er, „diese Schätze nichts?
Nichts diese Strahlen, Glanz und Glück verbreitend,
Ein irdisch Bild des hehren Himmelslichts?“
13. Und Solon lächelte und sprach: „Geniesse,
Erhab’ner Fürst, der Fülle, die Dir ward!
Geniesse doppelt, wenn Du giebst! Doch wisse:
Der Menschen Glück ist wie der Menschen Art;
14. Dem Geiste wird das Dauernde gegeben,
Vergänglich ist und täuschend die Gestalt;
Ein zartes Schattenbild ist dieses Leben,
Leicht löschbar auf des Todes Grund gemalt;
15. Nur reine Thaten sind die ewr'gen Farben,
Sie blühn erst auf, wenn längst die andern starben.
Drum wirke, dass Dein Bild sich schön vollende,
Und keinen preise selig — vor dem Ende!“
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Xvi. Der .Ring' des Polykrates.
Vgl. : „Der reichste Fürst“ (Kerner).
38. Polykrates und Amasis.
Nach Herodot, Geschichte. 3. Buch, Kap. 39—44.
Während Kambyses gegen Ägypten zu Felde war, machten auch
die Lacedämonier einen Feldzug gegen Samos und Polykrates, des Äakos
Sohn, der sich in Samos durch Aufwiegelung zum Herrn gemacht. Dieser
hatte zuerst den Staat in drei Teile geteilt und zwei Teile seinen Brü-
dern Pantagnotus und Syloson gegeben; hierauf aber, nachdem er den
einen ermordet und den jüngern, Syloson, vertrieben hatte, beherrschte
er ganz Samos. Und nun machte er mit Amasis, dem Könige von
Ägypten, Gastfreundschaft durch Sendung von Geschenken und Empfang
von Gegengaben. Und in kurzer Zeit stieg des Polykrates Macht rasch
empor und war in aller Munde durch ganz Jonien und das übrige
Hellas. Denn wohin er seine Waffen richtete, ging ihm alles nach
Wunsch von statten. Er hatte 100 Fünfzigruderer und 1000 Bogen-
schützen, und da plünderte und beraubte er alle ohne Unterschied.
Denn dem Freunde behauptete er es mehr zu Danke zu machen, wenn
er wiedergäbe, was er genommen, als wenn er gar nichts nähme. So
hatte er eine gute Anzahl Inseln erobert und viele Städte des Fest-
landes. Die Lesbier namentlich, die mit ihrem gesamten Heere den
Milesiern zu Hilfe kamen, nahm er in einem Seesiege gefangen, und sie
haben den ganzen Graben um die Stadtmauer von Samos machen müssen.
Es entging aber dem Amasis nicht, welch grosses Glück Polykrates
hatte, vielmehr bekümmerte er sich darum, und da dessen Glück noch
immer höher stieg, schrieb er folgenden Brief und sandte ihn nach
Samos: „Amasis an Polykrates. Wohl ist es lieblich zu erfahren, dass
es einem Freunde und Gastverwandten wohl ergehe; doch gefallen mir
deine hohen Glücksstände nicht, nach meiner Kenntnis der Gottheit,
wie missgünstig sie ist. Und ich wünsche für mich und die mir am
Herzen liegen, Glück in einem Teil, in einem andern Anstoss zu finden
und so die ganze Lebenszeit im Wechsel zu sein, lieber, als in allem
Glück zu haben. Denn noch von keinem habe ich gehört, der nicht
zuletzt ein ganz und gar schlechtes Ende genommen, wenn er in allem
Glück hatte. Willst du nun mir folgen, so thue also gegen dein vieles
Glück : Besinne dich, und was du für dein teuerstes Gut hältst, dessen
Verlust dir am meisten in der Seele weh thue, das wirf so von dir,
dass es nie mehr in Menschenhände kommen kann. Und wenn von da
an dein Glück noch nicht mit Leiden abwechselt, so hilf auf die von
mir angegebene Weise nach.“ Als Polykrates dieses gelesen und erkannt
hatte, dass Amasis ihm einen guten Rat gegeben, untersuchte er, wessen
Verlust unter seinen Kleinodien ihn am meisten in der Seele schmerzen
würde. Da fand er nun dieses: Er hatte einen Siegelring, den er zu
tragen pflegte, in Gold gefasst, von Sma 'agdstein, ein Werk des
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scheint, zuletzt den Regeln der Schicklichkeit unterwirft und den End-
zwecken einer weisen und wohlthätigen Gesetzgebung anpasst.
So wie im Menschen selbst Instinkt und Leidenschaft nach und
nach in vernünftige Überlegungen, zu Erreichung eben der Endzwecke,
welche die Leidenschaft sucht, und in freie Entschlüsse, nach ihnen zu
streben, übergeht, so verfeinern und vervollkommnen sich, in eben der
Stufenfolge, die Begriffe von denjenigen Eigenschaften, welche der Mensch
von sich selbst auf höhere Wesen überträgt. Der Same der reinen und
vernünftigen Gottesverehrung entwickelt sich aus jenen rohen Vorstellungen
des Altertums, von welchen selbst die Weisheit des Solon nicht frei
war, eben so natürlich, wie sich das System unsrer moralischen und
politischen Kenntnisse überhaupt aus den Eindrücken der Sinnlichkeit,
den Phantomen der Einbildungskraft und den Trieben unsrer tierischen
Natur entwickelt.
42. Die Glücklichen.
Von Ernst von Feuchtersieben.
1. Umringt von Sardes’ wundervollen Schätzen
Auf Asias höchstem, üppig stolzem Thron,
Sprach Krösus, sich an fremdem Lob zu letzen,
Behaglich kühn zu Hellas’ weisem Sohn:
2. „Man nennt mit Recht, o Solon, Dich den Weisen;
Blick’ auf zu meinem Thron! Ich frage Dich —
Du sahst die Welt auf Deinen weiten Reisen —
Wen rühmst Du als den Höchstbeglückten? Sprich!“
3. Und Solon sprach: „Es lebte zu Athen
Ein Mann, der Tellus hiess; ihm ward beschieden,
Zu schöner Zeit durch Wohlfahrt und durch Frieden
Die liebe Vaterstadt beglückt zu sehn.
4. Drei wackre Söhne wurden ihm geboren,
Sie haben rühmlich so wie er gestrebt;
Auch seine Enkel hat er noch erlebt,
Und nichts Geliebtes hat er je verloren.
5. Und als Athen begann den schweren Krieg,
Da zog er aus, stritt und erstritt den Sieg,
Und siegend ward es ihm gegönnt zu fallen.
Den rühm ich Dir den Glücklichsten von allen.“
6. Ltnd Krösus drauf mit eifersücht’gen Mienen:
„Den Landsmann stellst Du billig obenan;
Doch wen nächst ihm mit vollstem Strahl beschienen
Das Glück — entscheide, weisheitreicher Mann!“
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Extrahierte Personennamen: Ernst_von_Feuchtersieben Ernst Sprach_Krösus
Die Griechen als Meister der Kolonisation.
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Nachdem die Gewaltpolitik des Themistokles aufgegeben war, kam
durch Aristeides und Kimon eine ganz neue Art von Kolonialverbaltd
zu stände. An Stelle der Blutsverwandtschaft trat ein geistiges Band,
auf freiem Anschluß beruhend, eine ans den verschiedensten Stämmen
zusammengesetzte Bnndesgenossenschaft, um den Tempel des Apollon
vereinigt; an Stelle einer ans Geldwirtschaft gegründeten Kaufmanns-
politik eine nationale Aufgabe ersten Rangs, die Freiheit des griechischen
Mannes, die Sicherheit hellenischer Kultur den lündergierigen Barbaren
gegenüber. Es war das verklärte Bild eines Kolonialreichs, in welchem
dem anerkannt ersten Staate die mutterstädtischen Rechte als Ehren-
gabe freiwillig übertragen wurden.
Es liegt in der Natur der menschlichen Dinge, daß dieser ideale
Zustand nicht lange ungetrübt dauern konnte. Die Verhältnisse waren
so zart und schwierig, daß sie nur von der Hand eines überlegenen
Staatsmanns glücklich behandelt werden konnten. Nur ein Mann wie
Perikles war im stände, milde Schonung mit unerbittlicher Strenge
richtig zu verbinden. Er verfolgte auch zuerst den großen Gedanken,
die Wahl-Mntterstadt so mit Kunst und Weisheit auszustatten, daß sie
gleichsam die Sonne wurde, um welche sich wie nach einem Natur-
gesetze die Insel- und Küstengemeinden ordneten. Er sorgte dafür, daß
mehr und mehr Landgebiet, entweder solches, das nach Kriegsrecht ein-
gezogen oder durch besondere Verträge erworben war, in Ackerlose
geteilt, zur Ansiedelung attischer Kolonisten benutzt wurde. Dadurch
wurde Athen nachträglich eine wirkliche Mutterstadt der Insel. Diese
Neubürger gingen aber nicht in die ältere Bevölkerung auf, sondern sie
blieben Bürger von Athen. Die Hauptstadt wurde vor Übervölkerung
beschützt; Mitglieder der untersten Vermögensklassen wurden Grund-
besitzer und ihre Ansiedelungen die festesten Stützpunkte attischer See-
macht; es waren überseeische Gaue von Attiea.
Als Vorort zur See konnte Athen auch die westlichen Golfe und
Meere nicht außer acht lassen. Korinth, der einzige gefährliche Neben-
buhler, mußte in Schach gehalten werden. Seine abtrünnigen Kolonieen
wurden in Bundesgenossenschaft aufgenommen und am Ausgange des
Golfs von Lepanto erwuchs in dem mit Messeniern bevölkerten Naupak-
tos Korinth gegenüber ein attischer Waffenplatz.
In Großgriechenland hatte sich das Hellenentum auf eigentümliche
Weise entwickelt. Weise Gesetzgeber hatten hier aus den bürgerlichen
Satzungen der einzelnen Staaten des Mutterlandes das Beste vereinigt,
um solche Verfassungen herzustellen, in denen jede hellenische Be-
völkerung ihre Befriedigung finden konnte. Das war ein ungemein
wichtiger Fortschritt griechischer Kultur, wie er nur in den Kolonien
zu stände kommen konnte. Hier knüpfte Perikles an. Alt-Sybaris
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24
Ernst Curtius.
der Tiefe des Golfs ein Reichsgebiet, das sich über drei Breitengrade
nach Norden erstreckte und feine Handelsverbindungen bis an den Älpen-
fuß ausdehnte.
Korinth war das antike Venedig. Durch alle Stadien feines Ver-
fasfungslebens war die Politik des Staats wesentlich Kolonialpolitik.
Während der Geschlechterherrschaft dienten die überseeischen Plätze, um
die Elemente der Gärung zu entfernen; die Tyrannen errichteten
Secnndogenituren in den bestgelegenen Küstenorten und die Republik
förderte dieselbe Seepolitik im Geiste kaufmännischer Spekulation. Aus
den bäuerlichen Umlanden sammelte sich das wanderlustige Volk, wenn
eine neue Gründung angesagt wurde; die Pflanzbürger bildeten Handels-
gesellschaften, welche zu bestimmten Zeiten Kommissare ausschickten, die
mit einem karawanenartigen Gefolge in das Binnenland zogen, um im
Interesse der Gesellschaft korinthische Manufakturen gegen die Rohstoffe
umzutauschen, welche die Eingeborenen auf den Markt brachten.
Auch die in der Heimat Zurückbleibenden konnten sich an über-
seeischen Gründungen beteiligen, indem sie Geldbeiträge einzahlten.
So wurde auch das kleine Kapital herangezogen und die Kolonisation
wie ein Aktiengeschäft behandelt; so nahm auch die ländliche Bevölkerung
an den wichtigsten Unternehmungen des Staats mittelbaren Anteil.
Das weite Handelsgebiet der Kaufmannstadt wurde durch Münzeinheit
zusammengehalten, und kluge Schonung der Pflanzstädte mit festem
Zusammenhang nach Möglichkeit vereinigt. Die Politik war ihrem
Wesen nach eine Friedenspolitik. Aber das Meer läßt sich nicht sperren
wie ein Gebirgskanton. Drangen fremde Mächte in den Insel- und
Küstenbezirk der Seestadt ein, so mußte sie sich mit voller Energie zur
Wehr setzen, der Löwin gleich, der man die Jungen raubt — und
dieser Einbruch erfolgte von Athen.
Athen war kein Staat, dem die Seemacht etwas Unentbehrliches
war, wie Korinth. Athen konnte als Landstadt bestehen, und was in
Korinth sich von selbst machte, war in Athen ein neuer, schöpferischer
Gedanke hervorragender Staatsmänner und das Ergebnis ganz be-
sonderer Verhältnisse. Als aber Athen aus seinen engeren Kreisen
heraustrat und seemächtig wurde, waren nach zwei Jahrhunderten rast-
loser Kolonisationsthätigkeit alle wohlgelegenen Küsten dicht besetzt. Es
kam also darauf an, andere Ansprüche als die der Mutterstadt geltend
zu machen, um weitzerstreute Küstenorte zu einem Ganzen zu vereinigen.
Das war der nationale Gedanke, den die kleine Bürgergemeinde am
Jlissos aufnahm; es war die heilige Pflicht der Abwehr gegen das
Vordringen der Barbaren, die nur gelingen konnte, wenn die vereinzelt
wehrlosen Städte den einzigen, zur Führung berufenen Staat als Vor-
ort anerkannten.
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6
Ernst Curtius.
Muße in der angelehnten Gestalt des Apollon, dessen Ausruhen nur
die geistige Sammlung ist, welcher neue Lieder entkeimen.
Ja, die Muße ist der gesegnete Mntterschoß alles dessen, wodurch
die Hellenen vorbildlich geworden sind; sie ist die notwendige Voraus-
setzung ihrer Geisteskultur, wie der Marmor für ihre Tempel. Aber
auch in Griechenland war ein großer Unterschied nach Zeiten und
Orten.
Viele Stämme sind immer auf dem Standpunkte geblieben, wie
die binnenländischen Peloponnesier. Bei anderen machte sich der
semitische Erwerbstrieb in vorherrschender Weise geltend; so namentlich
in Korinth und Aigina. Die richtige Ausgleichung ist nur in Athen
ernstlich erstrebt und eine Zeitlang einzig gelungen. Das zeigt schon
Solon, der Kaufmann, Dichter. Philosoph und Gesetzgeber.
Im Leben der Athener ist aber keine größere Epoche eingetreten,
als die siegreiche Beendigung der Perserkriege, und zwar deshalb, weil
sie, wie Aristoteles sagt, nach denselben „mehr Muße gewannen."
Von dem Maß der Muße macht also der große Geschichtskenner die
eigentümliche Entwickelung Athens abhängig, indem die Bürger nun
mit kühnem Selbstgefühl über den Notbedarf des Lebens hinausgingen
und jedem geistigen Fortschritt folgten.
Niemals aber ist das Verhältnis von Arbeit und Muße in
gleichem Grade ein Gegenstand der Staatskunst geworden wie im
perikleischen Athen. Hier wurde einerseits jeder Arbeit die volle Ehre
gegeben und des Bürgers Kraft in Krieg und Frieden angespannt,
andererseits eine Fülle des geistigen Genusses dargeboten als wohl-
verdienter Lohn der Tapferkeit, um der steigenden Unruhe des Lebens
durch eine auf das würdigste angewandte Muße das Gleichgewicht zu
halten, um die Athener zu gewöhnen, das Schöne ohne Verweichlichung
zu lieben und mit dem offnen Sinn für Wissenschaft und Kunst die
pflichttreue Arbeitsamkeit des Bürgers zu verbinden.
Alt-Italien ist im ganzen der arischen Lebensauffassung treuer
geblieben als die griechische Halbinsel mit ihrer mehr zersetzten und
tiefer durchwühlten Bevölkerung. Der Italiker blieb in näherm
Zusammenhange mit dem Boden und richtete darnach Arbeit und
Muße ein. Darum tritt auch die Freude an der Natur und an
dem stillen Zusammenleben mit ihr viel kräftiger hervor. Sie wurde
auch festgehalten, als mit der griechischen Bildung der Genuß
griechischer Muße sich einbürgerte und als man, wie Seneca thut,
Muße ohne Wissenschaft mit dem Zustand eines lebendig Begrabenen
verglich. Man machte in Italien einen stärkeren Unterschied zwischen
Stadt und Land, als es bei den Griechen der Fall war. Man ge-
wöhnte sich, Geschäft und Muße räumlich zu trennen, und glaubte,
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Extrahierte Personennamen: Ernst_Curtius Ernst Aristoteles
aß Beer' auf Beerlein wohlgemut,
und durch die Süßigkeit im Lssen
war alle seine Furcht vergessen.
Du fragst: „wer ist der töricht'
Mann,
60 der so die Furcht vergessen kann?"
So wiss', o Freund, der Mann bist du;
vernimm die Deutung auch dazu.
Ls ist der Drach' im Brunnengrund
des Todes aufgesperrter Schlund;
65 und das Kamel, das oben droht,
es ist des Gebens Angst und Not.
Du bift's, der zwischen Tod und Leben
am grünen Strauch der Welt mußt
schweben.
Die beiden, so die Wurzel nagen,
205. Der Ring
h Lr stand aus seines Daches Zinnen,
er schaute mit vergnügten Sinnen
auf das beherrschte Sainos hin.
„Dies alles ist mir untertänig,"
begann er zu Ägyptens König,
„gestehe, daß ich glücklich bin!"
2. „Du hast der Götter Gunst er-
fahren;
die vormals deinesgleichen waren,
sie zwingt jetzt deines Zepters Macht.
Doch einer lebt noch, sie zu rächen;
dich kann mein Mund nicht glücklich
sprechen,
solang' des Feindes Auge wacht."
7). Und eh' der König noch geendet,
da stellt sich, von Milet gesendet,
ein Bote dem Tyrannen dar:
„Laß, bjerr, des Opfers Düfte steigen,
lind mit des Lorbeers muntern Zweigen
bekränze dir dein festlich Haar!
Getroffen sank dein Feind vom
Speere;
nnch sendet mit der frohen Märe
dein treuer Feldherr st)olydor."
Und nimmt aus einem schwarzen Becken,
noch blutig, zu der beiden Schrecken,
ein wohlbekanntes Haupt hervor.
70 dich samt den Zweigen, die dich tragen,
zu liefern in des Todes Macht,
die Mäuse heißen Tag und Nacht.
Es nagt die schwarze wohl verborgen
vom Abend heimlich bis zum Morgen,
75 es nagt vom Morgen bis zum Abend
die weiße, wurzeluntergrabend.
Und zwischen diesem Graus und Wust
lockt dich die Beere Sinnenlust,
daß du Kamel, die Lebensnot,
80 daß du im Grund den Drachen Tod,
daß du die Mäuse Tag und Nacht
vergissest und aus nichts hast acht,
als daß du recht viel Beerlein haschest,
aus Grabes Brunnenritzen naschest.
Friedrich Nückert.
des polykrales.
5. Der König tritt zurück mit Grauen.
„Doch warn' ich dich, dem Glück zu
trauen,"
versetzt er mit besorgtem Blick.
„Bedenk, auf ungetreuen Wellen,
wie leicht kann sie der Sturm zerschellen,
schwimmt deiner Flotte zweifelnd Glück."
6. Und eh' er noch das Wort ge-
sprochen,
hat ihn der Jubel unterbrochen,
der von der Neede jauchzend schallt.
Mit fremden Schätzen reich beladen
kehrt zu den heimischen Gestaden
der Schisse mastenreicher Wald.
7. Der königliche Gast erstaunet:
„Dein Glück ist heute gut gelaunet;
doch fürchte seinen Unbestand.
Der Kreter wasfenkund'ge Scharen
bedräuen dich mit Kriegsgefahren;
schon nahe sind sie diesem Strand."
8. Und eh' ihm noch das Wort ent-
fallen,
da sieht man's von den Schiffen wallen,
und tausend Stimmen rufen: „Sieg! '
von Feindesnot sind wir befreiet,
die Kreter hat der Sturm zerstreust;
vorbei, geendet ist der Krieg."
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Nückert Friedrich
147
in tiefem Schlafe alle Leiden vergaß, die er je im Kriegsgetümmel und
auf den ungetreuen Meereswellen erduldet hatte. J. C. Andrä,
90. Solon und Krösus.
1. Nachdem Krösus alle Völker, die diesseit des Halys wohnten,
unter seine Botmäßigkeit gebracht hatte, und Sardes auf dem höchsten
Gipfel seiner Herrlichkeit stand, kamen nach dieser Stadt alle Weisen
der damaligen Zeit aus Hellas, heute dieser und morgen jener, unter
andern auch Solon von Athen, der den Athenern auf ihr Geheiß Ge-
setze gegeben hatte und nun zehn Jahre außer Landes ging, um
die Welt zu sehen, wie er sagte, eigentlich aber, daß er nicht genötigt
würde, seiner Gesetze eines oder das andre wieder aufzuheben. Denn
für sich allein konnten die Athener dies nicht, weil sie sich durch
einen Eid verpflichtet hatten, zehn Jahre hindurch den Einrichtungen
nachzuleben, die ihnen Solon verordnet.
Darum also und auch wohl, um die Welt zu sehen, reiste Solon
außer Landes und kam nach Ägypten zu Amasis und dann auch nach
Sardes zu Krösus. Und wie er ankam, bewirtete ihn Krösus freund-
schaftlich in der königlichen Burg. Sodann, am dritten oder vierten
Tage, führten die Diener auf Krösus Gebot den Solon in allen Schatz-
kammern umher und zeigten ihm alle Herrlichkeiten, und da er alles
gesehen und ganz nach seinem Gefallen beschauet, fragte ihn Krösus
also:
„Mein Freund von Athen, man hat uns schon viel von dir erzählt,
von deiner Weisheit und deiner Wandrung und wie du, die Welt zu
sehen, voll Wißbegierde umhergereist. Nun hab’ ich groß Verlangen,
dich zu fragen, wen du von allen Menschen, die du kennst, für den
glücklichsten hältst."
Also fragte er, in der Meinung, daß er der glücklichste wäre.
Solon aber schmeichelte gar nicht, sondern redete die Wahrheit und
sprach: „Herr, den Tellus von Athen."
2. Das nahm den Krösus wunder, und er fragte voll Eifers: „Und
warum hältst du den Tellus für den glücklichsten Menschen?" Und
Solon sprach: „Zum ersten, so hatte Tellus bei dem blühendsten
Zustand der Stadt edle und vortreffliche Söhne, die alle wieder Kinder
hatten, und die waren alle am Leben; und zum andern, da er, nach
menschlicher Kraft, ein glückliches Leben geführt, so kam noch dazu
ein glänzendes Ende. Denn als die Athener wider ihre Nachbarn
in Eleusis stritten, eilte Tellus zur Hilfe herbei und schlug die Feinde
in die Flucht und starb den schönsten Tod. Und die Athener bestatteten
10*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König]]
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taner ward erst mit dem dreißigsten Jahre Mann genannt, vom acht-
zehnten bis zum dreißigsten Jahre, bis zu welchem Jahre sich die
Erziehung ausdehnte, hieß er Jüngling. Nirgends ward das Alter
so geehrt wie in Sparta. Ein bejahrter Fremder rief, da ihm selbst
vielfache Zeichen der Ehrerbietung zuteil wurden, gerührt aus: „Nur
in Sparta ist es angenehm, alt zu werden!" Zwei junge Spartaner,
die sich als Gesandte nach Athen begeben hatten, besuchten daselbst
das Theater. Ein Greis, der eintrat, fand sämtliche Plätze besetzt.
Sogleich erhoben sich die Spartaner und boten dem Greise ihre Plätze
an. Als die Athener ihnen Beifall zuriefen, sagte der Greis: „0,
die Athener wissen auch, was schicklich ist; sie tun es nur nicht!" —
5. Der Staat brauchte aber auch kräftige und gesunde Mütter.
Deshalb ward die Erziehung der Mädchen ebenfalls von Staats wegen
überwacht und geleitet. Auf besondern, für sie eingerichteten Plätzen
wurden die Mädchen geübt im Hüpfen und Anfersen, im Laufen,
Hingen, Springen, im Wurf mit dem Diskus und dem Speer. Das gab
dem Lande ein Geschlecht von Heldenjungfrauen. Bei Aristophanes
ruft eine Athenerin einer jungen Spartanerin zu: „Wie schön bist du,
wie blühend, wie voll Kraft; du könntest einen Stier erwürgen!"
Solche Jungfrauen wurden die Mütter des jungen Geschlechts.
Ferdinand Schmidt.
92. Die hellenischen Nationalfeste.
1. Die Versammlungen zu den Festen der Götter bildeten mannig-
fache Vereinigungspunkte, bald für einzelne Landschaften, bald für
ganz Hellas. Unter diesen Nationalfesten, die besonders durch Kampf-
spiele verherrlicht wurden, waren vor allem die olympischen Fest-
versammlungen oder Spiele, welche in der Landschaft Elis begangen
wurden, berühmt und ausgezeichnet.
Ihre Stiftung wurde in eine ganz mythische Zeit hinaufgerückt,
bald diesem, bald jenem Heros, sogar dem obersten Gotte Zeus selbst,
am öftesten aber dem Herakles zugeschrieben; neugestaltet wurden
sie von Iphitus, König in Elis, in Gemeinschaft mit seinem Zeitgenossen,
dem Gesetzgeber Lykurg. Damit die Spiele so ungestört als möglich
stattfinden könnten, wurde von diesen Männern ein Gottesfrieden
daran geknüpft; das ganze Gebiet von Elis sollte beständig von Ein-
fällen und Verwüstungen frei bleiben, und während der Festzeit sollten
die Waffen auch im übrigen Peloponnes ruhen. Zur Teilnahme waren
alle Hellenen berechtigt, Barbaren aber ausgeschlossen.
2. Die eigentlichen Spiele waren zu Iphitus’ Zeiten noch sehr
einfach; sie bestanden bloß im Wettlauf zu Fuß, die andern Übungen
TM Hauptwörter (50): [T14: [Athen Stadt Athener Sparta Spartaner Griechenland Krieg Perser Flotte König], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T2: [Athen Stadt Sparta Griechenland Insel Krieg Korinth Peloponnes Theben Staat], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T167: [Fest Tag Kirche Jerusalem Spiel Stadt Hofer Volk Jahr Zeit], T22: [Athen Athener Sparta Solon Spartaner Staat Jahr Stadt Krieg Mann], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T108: [Stadt Korinth Griechenland Peloponnes Insel Landschaft Name Athen Sparta Argos], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil]]
Extrahierte Personennamen: Aristophanes Ferdinand_Schmidt Ferdinand Gotte_Zeus