339
samkeit und glühend für die Freiheit, gewann er leicht die Herzen aller
deutschen Männer und Jünglinge und ward der Stifter eines großen
Bundes. In einer nächtlichen Versammlung im Walde schwuren sie allen
Römern in Deutschland den Untergang. So geheim indes das Unter-
nehmen betrieben wurde, so wurde es doch dem Varus verraten. Aber
Varus hielt die Deutschen für zu dumm und sich für zu mächtig, als daß
er irgend eine Gefahr hätte fürchten dürfen.
Als der Herbst des Jahres 9 n. Chr. gekommen war, schritt Hermann
zur Ausführung seines Planes. Varus wurde von seinem festen Lager-
plätze weg und immer tiefer in die deutschen Wälder hineingelockt. Er be-
fand sich mitten in den Wildnissen des Teutoburger Waldes in einem
Thale. Da ward auf einmal jeder Busch lebendig. Aus jeder Bergschlucht
raschelte es wie viele hundert Schlangen empor, und die uralten Bäume
schüttelten, wie sonst nach dem Wetter Regentropfen, jetzt Pfeile ohne Zahl
auf die Römer herab. Der Himmel wollte auch nicht feiern und half den
Deutschen mit Sturm und Regen. Von den Güssen unterwühlt, sank die
deutsche Erde unter den Füßen des Römers ein; im losen Erdreiche schwan-
kend, vom Sturm gerüttelt, stürzten die deutschen Eichen über die Unter-
drücker hin und zermalmten sie im Falle. Jetzt nahmen die Deutschen in
Weidmannslust so recht die fremden Eber aufs Korn, die ihnen die heilige
Erde des Vaterlandes so lange aufgewühlt. Pfeil an Pfeil, Fall an Fall!
Schritt für Schritt kämpft der Feind um den Boden, auf dem er steht,
um den Weg, um jeden Baum, um jeden Stein, und kommt nicht eher zu
Atem, als bis die Nacht hereinbricht. Da läßt Varus Lager schlagen, und
ermattet sinken die Römer hin; in jedem Augenblicke scheucht der Deutschen
Kriegsgeheul sie aus der kurzen Nachtruhe empor. Wie der Tag sich lich-
tet, entdecken sie erst, wie licht es in ihren Reihen geworden. Mann an
Mann geschlossen, brechen sie auf und kommen aufs offene Land. Da
sehen sie mit Grausen die ganze Macht der Deutschen vor sich entfaltet.
Rings umher Deutsche, nirgends ein Ausweg. Für alle Tapferkeit ist
nichts mehr seil als der Tod. Jauchzend stürzen jetzt die Deutschen in
der verzweifelten Römer starre Reihen. „Die Freiheit! die Freiheit!"
schallt es wie Donner des Himmels den Römern in die Ohren. Wie die
Saat unter Hagelschloßcn sinken die Tapfern unter den deutschen Hieben hin.
Hermann selbst ist überall. Hier ordnet er als Feldherr die Schlacht und
ruft: „Drauf, Brüder, drauf!" Dort kämpft er mit der Kraft von zehn
Männern, Stirn an Stirn; kein Deutscher, der nicht mit ihm um den
Preis wetteiferte. Des Feindes Scharen sind zersprengt; nur wenige
wilde Haufen ragen noch aus dem Meere der Schlacht empor. Jetzt wird
die Flucht allgemein; doch wer sich retten will, rennt wie blind gerade recht
in die Spieße der Deutschen. Da faßt den Varus Verzweiflung, und um
sein Unglück nicht als Schmach überleben zu müssen, stürzt er sich in sein
Schwert. Nur wenige von dem ungeheuren Römerheere entrinnen glücklich
nach der Feste Aliso, die meisten liegen auf dem Wahlplatze. Wer in Ge-
fangenschaft kam, ward entweder den Göttern zum Danke für die wieder
errungene Freiheit geopfert, oder zum gemeinen Frohndienste in die Gauen
der Deutschen geschleppt.
Das war die große Schlacht im Teutoburger Walde, die geschlagen
ward im neunten Jahre nach Christi Geburt. Als der Kaiser Äugustus
die Kunde erhielt, daß die drei Legionen gefallen, stieß er in Verzweiflung
22*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T56: [Römer Rhein Varus deutsche Armin Jahr Hermann Land Deutschland Tiberius], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
Extrahierte Personennamen: Varus Varus Hermann Varus Varus Hermann Varus
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Weidmannslust Christi
229
und an ihren Mündungen breit, und die Meeresflut dringt weit in sie
hinein, was auch zur Förderung der Schiffahrt gereicht. ....................
Die Ebenen, Thäler und niederen Hügel in England sind sorgfältig
angebaut, und aus den fetten Wiesengründen grasen Herden von Pferden
und Rindern, auf den Hügeln Schafe und Ziegen. Große Städte, zahl-
reiche Dörfer und einzeln liegende Schlösser und Meierhöfe sind durchhin-
gestreut. Die großen Waldungen sind durch den Ackerbau verdrängt; doch
findet man nirgend ganz baumlose Gegenden. Wo nur der Schatten er-
wünscht sein kann, hat der Engländer Bäume stehen lassen, so daß^ das
Land einern gelichteten Haine gleicht. Überall in Park und Wiesen zerstreut
mischen sich Hirsche, Rehe und Kaninchen zutraulich unter das Getümmel
der Rinder und Schafe. Alle Flüsse, Bäche und Meeresnfer sind mit
Gärten, Parks und Schlössern umsäumt, und Landsitz reiht sich an Land-
sitz. An Holz ist sehr fühlbarer Mangel; doch helfen als Brennmaterial
die Steinkohlenschätze reichlich ans. Das gute Stammholz gebraucht man
zum Schiffsbau. — In Irland ist der Boden nicht so reich angebaut als
in England; an manchen Stellen hindern weite Moräste daran. Schott-
land hat noch spärlicheren Anbau. Selbst die Gebirge, ehemals dicht be-
waldet, stehen in Schottland meist kahl, nur mit Gestrüpp und Heide be-
deckt; um die malerischen Bergseen erheben sich noch schöne Hochwaldungen.
Bei der großen Einwohnerzahl von 33 Millionen reicht das Getreide
nicht aus, das im Lande selber gebaut wird. Aber der Boden Englands
birgt in seinem Innern unermeßliche Mineralschätze: 12/i3 alles Zinnes,
die Hälfte alles Kupfers und ein Drittel alles Eisens, das überhaupt in
Europa gewonnen wird, wird aus den englischen Bergwerken gewonnen,
und aus seinen gewaltigen Steinkohlenlagern versorgt es zum Theil
noch andere Länder. Wo die Fundorte der Kohlen und Erze sind, wimmelt
es von Hütten- und Hammerwerken, von Dainpfmaschincn und Fabriken,
und von Städten, die aus kleinem Anfange zu großer Bevölkerung und
großem Reichtum gekommen sind. Die hier verfertigten Metall-, Baum-
wollen-, Leder- und Seidcnwaaren werden aus den Eisenbahnen, Kanälen
und Flüssen durch das ganze Land befördert, in den Küstenstädten ans
Seeschiffe geladen und nach allen Erdtheilen ausgeführt, wogegen deren
Erzeugnisse zurückgebracht werden. So sind viele Einwohner dieser Länder
durch Gewerbfleiß und Handel überaus reich geworden; aber daneben
gibffs auch eine bittere Armut, namentlich in den großen Städten. Am
meisten ist dies der Fall in der gewaltigen 4 Millionen Menschen bergen-
den Hauptstadt London.
Durch seine Lage ist Großbritannien auf die Schiffahrt angewiesen;
sie steht von hier aus nach allen Ländern der Erde hin offen. Das
haben^ die Engländer zu benutzen verstanden. Sie haben die stärkste Kriegs-
und Handelsflotte, und ihre Niederlassungen erstrecken sich über die ganze
Erde. Aber ihr Verkehr ist auch der Verbreitung des Evangeliums viel-
fach zu gute gekommen. Wie schon in alten Zeiten Missionare von diesen
Ländern ausgingen und auch unsern Vätern das Evangelium predigten, so
sind auch bis auf den heutigen Tag viele Missionare von dort ans zu den
Heiden in allen fremden Erdtheilen gegangen, und durch die große englische
Bibelgesellschaft ist die heilige Schrift in unzählige Familien gekommen,
d:e sonst ihrer wohl entbehrt hätten. Flügge.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Dainpfmaschincn
Extrahierte Ortsnamen: England Irland England Schottland Englands Europa London
1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
Geschlecht (WdK): koedukativ
169
11. Der Herr schaut ihm herüber: „Es ist mein Lieblingsroß;
Doch das verstehst du besser, so reit' es nur zum Troß."
Sie wechseln still; dann sprenget rasch, ohne Gruß und Wort,
Den Zügel lang verhänget, der edle Froben fort.
12. Und weit von seinem Herren hält er zu Roste nun,
Für wenig Augenblicke scheint das Geschütz zu ruh'n;
Der Kurfürst selber sinnet, warum es jetzt verstummt,
Und: „Wacker war's gemeinet!" der alte Dörffling brummt.
13. Da plötzlich donnert's wieder gewaltig über's Feld,
Doch nur nach einem Punkte ward das Geschütz gestellt.
Hoch auf der Schimmel setzet, Herr Froben sinkt zum Sand,
Und Roß und Reiter netzet mit seinem Blut das Land.
14. Die Reiter alle schauen gar ernst und treu darein, —
O Froben dort am Boden, wie glänzt dein Ruhmesschein!
Der Kurfürst ruft nur leise: „Ha! war das so gemeint!"
Und dann nach Feldherrn Weise! „Run vorwärts in den Feind!"
Minding.
37. Noch Einiges vom großen Kurfürsten.
1. Seine Standhaftigkeit. Nachdem seine erste Bildung vollendet
war, sandte der Vater den 15 jährigen Kurprinzen nach den Niederlanden, wo
er sich auf der damals berühmten Hochschule zuleyden weiter ausbilden sollte.
Als hier aber die Pest ausbrach, ging er nach dem Haag, der Residenz des
Statthalters der Niederlande. Hier genoß er des belehrenden Umgangs staats-
kluger und kriegserfahrener Männer; aber es fehlte auch nicht an Versuchungen
zur Ueppigkeit und Sünde, und leichtsinnige junge Leute suchten ihn in ein
ausschweifendes Leben hineinzuziehen. Siegreich widerstand er und sprach das
schöne Wort: „Ich bin's meinen Eltern, meiner Ehre und meinem Lande schuldig."
Sofort verließ er den Haag und begab sich in das Kriegslager des Prinzen
von Oranien, welcher die Spanier in Breda belagerte. Der klopfte ihm
freundlich auf die Schulter und sprach: „Vetter, Eure Flucht ist ein größerer
Sieg, als wenn ich Breda erobere. Wer sich selbst überwindet, von dem ist
Großes zu hoffen." — Zu seinem Regierungsantritt ließ er eine Münze schlagen
mit der Inschrift, die sein tägliches Gebet war: „Weise mir, Herr, deinen Weg,
daß ich ihn wandle!" und auf eine andere ließ er seinen Wahlspruch setzen:
„Gott ist meine Stärke!" —
2. Seine Großmuth. Gegen den Feind handelte er großmüthig und
edel. Als er am Rhein gegen die Franzosen kämpfte, bot ihm ein französischer
Offizier an, gegen eine Belohnung den französischen Feldherrn Türen ne zu
vergiften. Aber mit Abscheu und Verachtung wies er den Verräther von sich
und schrieb dem feindlichen General: „Nehmen Sie sich in Acht, es giebt Leute
in Ihrem Lager, welche Ihnen nach dem Leben trachten."
3. Seine Glaubenstreue und Duldsamkeit. Friedrich Wilhelm
war ein treuer evangelischer Christ und seinem Glauben von Herzen zugethan;
aber gegen Andersgläubige duldsam. Das wilde, lieblose Gezänk zwischen
Lutheranern und Reformirten, welches damals die Gemüther heftig erregte, war
ihm sehr zuwider. Er erließ deshalb die Verordnung, daß man sich alles
Verketzerns und Gezänks über die streitigen Artikel des Glaubens von den Kan-
zeln herab enthalten sollte, und bedrohte die Widerspenstigen sogar mit Amts-
entsetzung. Da das aber nichts half, forderte er von sämmtlichen Geistlichen
eine schriftliche Verpflichtung, seiner Verordnung getreu nachkommen zu wollen.
Seine Forderung fand einen heftigen Widerstand, und mancher Prediger verließ
lieber sein Amt, als daß er sich fügte, weil er befürchtete, er möchte sein Ge-
wissen beschweren. Unter diesen war auch der Dichter des schönen Liedes:
„Befiehl du deine Wege," — Paul Gerhard. —
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Seine_Großmuth Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Paul_Gerhard
1877 -
Ruhrort
: Selbstverl. W. Ricken und C. Schüler
Autor: Schüler, C., Ricken, W. M.
Auflagennummer (WdK): 28
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
Geschlecht (WdK): koedukativ
75
141. Der Hahn.
Ern recht schöner, stolzer Hahn ist unter allen Vogeln der an-
genehmste. Hoch trägt er sein gekröntes Haupt, nach allen Seiten
spähen seine feurigen Augen, unvermuthet überrascht ihn keine Gefahr,
und jeder möchte er Trotz bieten. Wehe jedem fremden Hahne, der
es wagt, sich unter seine Hühner zu mischen, und wehe jedem Men-
schen, der sich erkühnt, in seiner Gegenwart ihm eine seiner Lieben zu
rauben! Alle seine Gedanken weiß er durch verschiedene Töne und
verschiedene Stellungen des Körpers auszudrücken. Bald hört man
ihn mit lauter Stimme seine Lieben rufen, wenn er ein Körnchen ge-
funden hat, denn er theilt mit ihnen jeden Fund; bald sieht man ihn
in einem Eckchen kauern, wo er eifrig bemüht ist, ein Nestchen für
die Henne zu bilden, die er vor allen liebt; jetzt zieht er an der
Spitze seiner Schaar, deren Beschützer und Führer er ist, hinaus in's
Freie; aber kaum hat er hundert Schritte gethan, so hört er vom
Stalle her den freudigen Ruf einer Henne, welche verkündet, daß sie
ein Ei gelegt hat. Spornstreichs kehrt er zurück, begrüßt sie mit zärt-
lichen Blicken, stimmt in ihren Freudenruf ein und eilt dann in vollem
Laufe dem ausgezogenen Heere nach, um sich wieder an dessen Spitze
zu stellen. Die geringste Veränderung in der Luft fühlt er und ver-
kündet sie durch ein lautes Krähen; mit lautem Krähen verkündet er
den anbrechenden Morgen und weckt den fleißigen Landmann zu neuer
Arbeit. Ist er auf eine Mauer oder ein Dach geflogen, so schlägt er
die Flügel kräftig zusammen und kräht und scheint sagen zu wollen:
Hier bin ich Herr; wer wagt's mit mir? Ist er von einem Men-
schen gejagt worden, so kräht er wieder aus Leibeskräften und verhöhnt
wenigstens den Feind, dem er nicht schaden kann. Am schönsten ent-
faltet er seine Pracht, wenn er früh morgens, der langen Ruhe
müde, das Hühnerhaus verläßt und vor demselben die ihm nachfolgen-
den Hühner begrüßt; aber noch schöner und stolzer erscheint er in dem
Augenblicke, wo das Geschrei eines fremden Hahnes seine Ohren
trifft. Er horcht, senkt die Flügel, richtet sich kühn empor, schlägt mit
den Flügeln und fordert mit lautem Krähen zum Kampfe. Erblickt
er den Feind, so rückt er ihm, sei er groß oder klein, muthig entgegen,
oder stürzt in vollem Laufe auf ihn zu. Jetzt treffen sie zusammen,
die Halsfedern sind aufgerichtet und bilden einen Schild, die Augen
sprühen Feuer, und jeder sucht den andern niederzuschmettern, indem
er mit aller Macht gegen ihn springt. Wer wird Sieger sein? Beide
scheinen an Muth, an Kräften gleich. Jeder sucht ein höheres Plätz-
chen zu gewinnen, um von dort aus mit größerer Gewalt fechten zu
können. Lange währt die Schlacht, aber immer kann sie nicht dauern.
Die Kräfte nehmen ab; es tritt eine kurze Ruhe ein; mit gesenktem
Haupte zur Vertheidigung und zum Angriff jederzeit bereit, mit dem
Schnabel Erdkrümchen aufpickend, als wollten sie den Feind dadurch
verhöhnen, daß sie mitten im Kampfe sich's wohlschmecken lassen, stehen
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
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TM Hauptwörter (200): [T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
2. Attila.
217
Sieg zu Sieg und von Raub zu Raub führte, verehrte ihn fast abgöttisch. Über
seinen Getreuen waltete er gnadenvoll; höflich, freigiebig, gastfrei, verstand er immer
aufs neue sie an sich zu fesseln. Eine halbe Million Krieger folgte seinem Ruf. Als
Feldherr aber und Staatsmann tvar er rücksichtslos und kannte kein Erbarmen.
Seine wandernde Hofhaltung in der ungarischen Ebene >var die größte,
bunteste und reichste jener Zeit. Häuptlinge und Königskinder deutscher und
slavischer Stämme bildeten neben den Fürsten der Hunnen und der stammver-
wandten Völker seinen Hofstaat. Unter der Leibwache, die im Ringe um den
schön geschnitzten Zaun seines Hofes lag, dienten Männer aus fast allen Völkern
zwischen Persien und den Pyrenäen; edle Gotenfürsten neigten ehrfurchtsvoll ihr
Haupt vor seinem Befehl; Königskinder aus Thüringen und fremden Landen
wurden als Geiseln an seinem Hofe erzogen neben Sprößlingen der Wander-
stämme an der Wolga und der tatarischen Ebene; unterworfene Völker der Ostsee
führten ihm Zobel- und Otternfelle aus dem Eise des Nordens zu; Gesandte
aus Rom und Kvnstantinopel harrten furchtsam am Hofthor, um seine zornigen
Befehle entgegenzunehmen oder ihm demütig kostbare Geschenke zu Füßen zu legen.
Nachdeni er zuerst sich gegen Osten gewandt und Griechenland verwüstet
hatte, aber durch ein unermeßliches Lösegeld zum Abzüge bewogen war, zog er
im Jahre 451 durch Deutschlaiid nach Gallien (dem heutigen Frankreich), in
dessen südlichem Teile inzwischen die Westgoten nach gewaltigen Wanderungen ein
geordnetes Reich gegründet hatten. Deutschland ward auf diesem Durchzuge der
Hunnen furchtbar verwüstet, rvie ein Heuschreckenschwarm verheerten sie alles Land.
Am Rheine warfen sich 10 000 Burgunden dem Weltstürmer Attila entgegen,
aber vergeblich; in heldenmütigem Kampfe gingen sie ruhmvoll unter. Nun aber
vereinigten sich die Westgoten und die Römer, um durch gemeinsame Anstrengung
die Bildung des Abendlandes und das Christentum zu schützen. Der römische
Feldherr Astius und der Gotenkönig Theodorich brachten ein gewaltiges Heer
zusammen und trafen in den weiten Ebenen von Chalons an der Marne, wo-
hin Attila sich gezogen hatte, um für seine zahllose Reiterei Raum zu gewinnen,
mit dem Feinde zusammen. Dort sammelten sich die Völker des Morgenlandes
und die Völker des Abendlandes und standen sich gegenüber in heißer Erwartung
des Kampfes, der das Schicksal Europas entscheiden sollte. Attila hatte die
Übermacht der Masse, der Einheit und der Feldherrngabe; aber auf der Seite
der Abendländer stritt die Begeisterung für alles Große der alten Welt, für das
Christentum, für die Freiheit und den eigenen Herd. Deutsche aber fochten aus
beiden Seiten, ja, der Kern aller deutschen Völker stand hier feindlich gespalten
sich gegenüber, und welches Heer den Sieg gewann, die Deutschen wurden immer
geschlagen. Das mörderische Schlachten begann; mit der höchsten Erbitterung
kämpften beide Heere. Der tapfere Theodorich kam ums Leben, aber sein Sohn
Thorismund nahm blutige Rache. Die Westgoten entschieden die Schlacht.
Nachdem schon gegen 200 000 Menschen gefallen waren, wich Attila zurück,
und das Abendland war gerettet. Attila hatte schon einen großen Scheiterhau-
fen von Pferdesätteln errichten lassen, um sich darauf zu verbrennen, wenn er
verfolgt worden und unterlegen wäre. Aber er entkam. Thorismund ward
auf den noch blutigen Schild erhoben, und unter dem Jauchzen der Sieger zum
Könige der Westgoten ausgerufen. Aber die, welche das lliiglück verbundeii,
TM Hauptwörter (50): [T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Attila Attila Attila Attila Attila Attila
Extrahierte Ortsnamen: Persien Rom Griechenland Gallien Frankreich Deutschland Rheine Europas
Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
87. Blick ins Weltall.
393
die Körper durch ihre Schwere an die Erde angezogen und können ihr nicht
entlaufen. Überall nennt man unten, was man unter den Fußen hat, und
oben, was über dem Haupte hinaus ist. Niemand merkt oder kann sagen, daß
er unten sei. Alle sind oben, so lange sie die Erde unter den Füßen und den
Himmel voll Licht oder Sterne über dem Haupte haben.
Aber der Leser wird nicht wenig erstaunen, wenn er's zum ersten Male hören
sollte, wie groß die Kugel sei; denn der Durchmesser der Erde beträgt in gerader
Linie von einem Punkt der Oberfläche durch den Mittelpunkt hindurch zum andern
Punkt reichlich zwölftausend siebenhundert, der Umkreis der Kugel aber beträgt
vierzig tausend Kilometer. Das haben die Gelehrten mit großer Genauigkeit aus-
gemessen und ausgerechnet und sprechen davon wie von einer gemeinen Sache.
Aber niemand kann die göttliche Allmacht begreifen, die diese ungeheure, große
Kugel schwebend in der unsichtbaren Hand trägt, und jedem Pflänzlem darauf
seinen Tau und sein Gedeihen giebt und dem Kindlein, das geboren wird, einen
lebendigen Odeni in die Nase. Man rechnet, daß 1460 Millionen Menschen zu
gleicher Zeit auf der Erde leben und bei dem lieben Gott in die Kost gehen,
ohne das Getier. Aber es kommt noch besser. Denn zweitens: Die Sonne, so
nahe sie zu sein scheint, wenn sie früh hinter den Bergen in die frische Morgen-
luft hinaufschaut, so ist sie doch ungefähr zwanzig Millionen Meilen weit von
der Erde entfernt. Weil aber eine solche Zahl sich geschwinder anssprechen, als
erwägen und ausdenken läßt, so merke: Wenn auf der Sonne eine große, scharf
geladene Kanone stände und der Kanonier, der hinten steht und sie richtet, zielte
auf keinen andern Menschen, als auf dich, so dürftest du deswegen in dem näm-
lichen Augenblicke, als sie abgebrannt wird, noch herzhaft anfangen, ein neues
Haus zu bauen, und könntest darin essen, trinken und schlafen. Denn wenn
auch die Kugel in schnurgerader Richtung und gleicher Geschwindigkeit immer
fort und fort flöge, so könnte sie doch erst nach Verfluß von ungefähr zehn
Jahren von der Sonne hinweg auf der Erde anlangen, so doch eine Kano-
nenkugel einen scharfen Flug hat und zu einer Weite von 500 Meter nicht mehr
als den sechzigsten Teil einer Minute bedarf, nämlich eine Sekunde.
Daß nun ferner die Sonne auch nicht bloß eine glänzende Fensterscheibe
des Himmels, sondern, wie unser Erdkörper, eine schwebende Kugel sei, begreift
man schon leichter. Aber wer vermag mit seinen Gedanken ihre Größe zu um-
fassen, nachdem sie aus einer so entsetzlichen Ferne solche Kraft des Lichts und
der Wärme noch auf die Erde ausübt und alles segnet, was ihr mildes Antlitz
bescheint? Der Durchmesser der Sonne ist einhundertzwölfmal größer, als der
Durchmesser der Erde. Wenn sie hohl wäre inwendig, so hätte nicht nur unsere
Erde in ihr Raum, auch der Mond, der doch fast 50 000 Meilen von uns absteht,
könnte darin ohne Anstoß auf- und untergehen: ja, er könnte fast noch einmal
so weit von uns entfernt sein, als er ist, und doch ohne Anstoß um die Erde
herumspazieren, wenn er wollte. So groß ist die Sonne und geht aus der
nämlichen, allmächtigen Hand hervor, die auf der Erde das Mohnsamenkörnlein
in seiner Schale bildet und zur Reife bringt, eins so unbegreiflich wie das andere.
Die Erde dreht sich in vierundzwanzig Stunden um sich selber. Nämlich
man stelle sich vor, wie wenn von einem Punkt der Erdkugel durch ihre Mitte
bis zum entgegengesetzten Punkt eine lange Axe gezogen wäre. Diese zwei
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Hrsg.: Keck, Heinrich, Sach, August, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
299
42. Preußens Erhebung.
hatte er niedergeworfen in blutigen Schlachten; die deutschen Fürsten mußten
thun, wie er wollte, und auch Preußen hatte er an den Rand des Verderbens
gebracht. Nun gelüstete es ihn, auch Rußland seiner Herrschaft zu unterwerfen,
Im Sommer des Jahres 1812 brach er mit Viermalhunderttausend auserlesenen
Kriegern zu Fuß und sechzigtausend zu Roß nebst 1200 Stück Geschütz in das
große russische Reich ein. Er hatte die besten Scharen ans allen Ländern
Europas gesammelt. Sie waren in allen Künsten der Waffen wohl geübt und
mit allem Kriegszeuge aufs beste versehen. In mehreren blutigen Schlachten
zeigten sich zwar die Russen tapfer, aber sie mußten das Schlachtfeld räumen
und zogen sich tief in das Land hinein nach Moskau, der alten Hauptstadt des
Reiches, indem sie alles hinter sich her verheerten. Napoleon folgte ihnen gegen
den Rat der Generale. Da ereilte ihn in der alten Zarenstadt die göttliche
Gerechtigkeit. Am 14. September war er siegestrunken in das ehrwürdige
Schloß der russischen Kaiser, den Kreml, eingezogen; aber schon in der folgenden
Nacht brachen dort über seinem Haupte die Flammen aus, welche vier Tage
lang wüteten und die ganze Stadt in Asche legten. Unsäglicher Schrecken
ergriff das französische Heer, welches in Moskau sichere Winterquartiere zu
finden gehofft hatte. Ende Oktober mußte Napoleon den Rückzug durch das
feindliche Land antreten. Hierauf hatten die Russen gewartet. Mit den Schwärmen
ihrer Kosaken verfolgten sie den fliehenden Feind, ließen ihm keine Ruhe, weder
bei Tag noch bei Nacht, und wer sich nur von dem Hauptheere entfernte,
wurde niedergemacht. Da brach Tod und Verderben noch furchtbarer über das
gewaltige Heer herein. Früher als gewöhnlich begann der in den öden Steppen
Rußlands so harte Winter. Die fliehenden Scharen hatten keinen Schutz gegen
seine Strenge: ihre Kleider waren zerrissen, die Füße, halb entblößt, zitterten
auf dem kalten Schnee; die Dörfer und Städte waren verwüstet, nirgends ein
Obdach gegen den furchtbar schneidenden Wind, kein Bissen Brot, den nagenden
Hunger zu stillen. Da ergriff Verzweiflung ihre Herzen. An jedem Morgen
lagen Haufen Erfrorener um die ausgebrannten Wachtfeuer. Die ermatteten
Krieger konnten sich kaum weiter schleppen; Tausende blieben zurück und wurden
eine Beute der russischen Wölfe. Als das erschöpfte Heer über die Beresina
zog —hinter ihm her waren die russischen Scharen —, da brachen die Brücken,
und Tausende fanden in den Fluten ihr Grab. — Da verließ Napoleon heim-
lich das Heer, und in einem Schlitten fuhr er nach Frankreich. Die Hand des
Herrn hatte ihn getroffen. Der hatte gesagt: „Bis hierher und nicht weiter;
hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!" Wetzet.
42. Preußens Erhebung.
& in Häuflein nur von der „großen Armee" zog durch Preußen. Sein An-
blick erregte Entsetzen und Mitleiden. Halbnackt, zerlumpt, mit erfrorenen
Gliedmaßen, ausgehungert, krank und elend erschienen die wieder, welche erst
vor wenig Monaten in stolzem Übermut und des Sieges gewiß ausgerückt
waren. Da ergriff das preußische Volk die Überzeugung, daß nun die Stunde
der Erlösung aus schwerer Knechtschaft geschlagen habe. „Das ist Gottes
Finger!" ging es von Munde zu Munde. Es gab nux ein Gefühl im Vater-
lande: glühenden Haß gegen die Franzosen. Es war das erklärlich. Sie hat-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Europas Moskau Moskau Frankreich Häuflein Gottes
Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 9
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
2. Attila.
217
ehrte ihn fast abgöttisch. Über seinen Getreuen waltete er gnadenvoll; höflich,
freigiebig, gastfrei, verstand er immer aufs neue sie an sich zu fesseln. Eine
halbe Million Krieger folgte seinem Ruf. Als Feldherr aber und Staats-
mann war er rücksichtslos und kannte kein Erbarmen.
Seine wandernde Hofhaltung in der ungarischen Ebene war die größte,
bunteste und reichste jener Zeit. Häuptlinge und Königskinder deutscher und
slavischer Stämme bildeten neben den Fürsten der Hunnen und der stamm-
verwandten Völker seinen Hofstaat. Unter der Leibwache, die im Ringe um den
schön geschnitzten Zaun seines Hofes lag, dienten Männer aus fast allen Völkern
zwischen Persien und den Pyrenäen; edle Gotenfürsten neigten ehrfurchtsvoll
ihr Haupt vor seinem Befehl; Königskinder aus Thüringen und fremden Lan-
den wurden als Geiseln an seinem Hofe erzogen neben Sprößlingen der Wander-
stämme an der Wolga und der tatarischen Ebene; unterworfene Völker der Ost-
see führten ihm Zobel- und Otternselle aus dem Eise des Nordens zu; Gesandte
aus Rom und Konstantinopel harrten furchtsam am Hofthor, um seine zornigen
Befehle entgegenzunehmen oder ihm demütig kostbare Geschenke zu Füßen zu legen.
Nachdem er zuerst sich gegen Osten gewandt und Griechenland verwüstet
hatte, aber durch ein unermeßliches Lösegeld zum Abzüge bewogen war, zog
er im Jahre 451 durch Deutschland nach Gallien (dem heutigen Frankreich),
in dessen südlichem Teile inzwischen die Westgoten nach gewaltigen Wande-
rungen ein geordnetes Reich gegründet hatten. Deutschland ward auf diesem
Dnrchzuge der Hunnen furchtbar verwüstet, wie ein Henschreckenschwarm ver-
heerten sie alles Land. Am Rheine warfen sich 10 000 Burgunden dem Welt-
stürmer Attila entgegen, aber vergeblich; in heldenmütigem Kampfe gingen
sie ruhmvoll unter. Nun aber vereinigten sich die Westgoten und die Römer,
um durch gemeinsame Anstrengung die Bildung des Abendlandes und das
Christentum zu schützen. Der römische Feldherr Astius und der Goten-
könig Theodor ich brachten ein gewaltiges Heer zusammen und trafen in
den weiten Ebenen von Eh alo ns an der Marne, wohin Attila sich gezogen
hatte, um für seine zahllose Reiterei Raum zu gewinnen, mit dem Feinde
zusammen. Dort sammelten sich die Völker des Morgenlandes und die Völker
des Abendlandes und standen sich gegenüber in heißer Erwartung ches Kampfes,
der das Schicksal Europas entscheiden sollte. Attila hatte die Übermacht der
Masse, der Einheit und der Feldherrngabe; aber auf der Seite der Abend-
länder stritt die Begeisterung für alles Große der alten Welt, für das
Christentum, für die Freiheit und den eigenen Herd. Deutsche aber fochten
auf beiden Seiten, ja, der Kern aller deutschen Völker stand hier feindlich
gespalten sich gegenüber, und welches Heer den Sieg gewann, die Deutschen
wurden immer geschlagen. Das mörderische Schlachten begann; mit der
höchsten Erbitterung kämpften beide Heere. Der tapfere Theodorich kam ums
Leben, aber sein Sohn Thorismund nahm blutige Rache. Die Westgoten
entschieden die Schlacht. Nachdem schon gegen 200000 Menschen gefallen
waren, wich Attila zurück, und das Abendland war gerettet. Attila hatte
schon Zeinen großen Scheiterhaufen von Pserdesätteln errichten lassen, um sich
darauf zu verbrennen, wenn er verfolgt worden und unterlegen wäre. Aber
er entkam. Thorisinnnd ward ans den noch blutigen Schild erhoben, und
unter dem Jauchzen der Sieger zum Könige der Westgoten ausgerufen. Aber
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Extrahierte Personennamen: Attila Attila Astius Attila Attila Attila Attila
Extrahierte Ortsnamen: Persien Rom Konstantinopel Griechenland Deutschland Gallien Frankreich Deutschland Rheine Europas
Autor: Sach, August, Keck, Heinrich, Johansen, Christian, Meyn, Ludwig
Auflagennummer (WdK): 9
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
42. Preußens Erhebung.
299
hatte er niedergeworfen in blutigen Schlachten; die deutschen Fürsten mußten
thun, wie er wollte, und auch Preußen hatte er an den Rand des Verderbens
gebracht. Nun gelüstete es ihn, auch Rußland seiner Herrschaft zu unterwerfen.
Im Sommer des Jahres 1812 brach er mit Viermalhunderttausend auserlesenen
Kriegern zu Fuß und sechzigtausend zu Roß nebst 1200 Stück Geschütz in das
große russische Reich ein. Er hatte die besten Scharen aus allen Ländern
Europas gesammelt. Sie waren in allen Künsten der Waffen wohl geübt und
mit allem Kriegszeuge aufs beste versehen. In mehreren blutigen Schlachten
zeigten sich zwar die Russen tapfer, aber sie mußten das Schlachtfeld räumen
und zogen sich tief in das Land hinein nach Moskau, der alten Hauptstadt des
Reiches, indem sie alles, hinter sich her verheerten. Napoleon folgte ihnen gegen
den Rat der Generale. Da ereilte ihn in der alten Zarenstadt die göttliche
Gerechtigkeit. Am 14. September war er siegestrunken in das ehrwürdige
Schloß der russischen Kaiser, den Kreml, eingezogen; aber schon in der folgenden
Nacht brachen dort über seinem Haupte die Flammen aus, welche vier Tage
lang wüteten und die ganze Stadt in Asche legten. Unsäglicher Schrecken
ergriff das französische Heer, welches in Moskau sichere Winterquartiere zu finden
gehofft hatte. Ende Oktober mußte Napoleon den Rückzug durch das feindliche
Land antreten. Hierauf hatten die Russen gewartet. Mit den Schwärmen ihrer
Kosaken verfolgten sie den fliehenden Feind, ließen ihm keine Ruhe, weder bei
Tag noch bei Nacht, und wer sich nur von dem Hauptheere entfernte, wurde
niedergemacht. Da brach Tod und Verderben noch furchtbarer über das gewaltige
Heer herein. Früher als gewöhnlich begann der in den öden Steppen Rumnds
so harte Winter. Die fliehenden Scharen hatten keinen Schutz gegen seine
Strenge: ihre Kleider waren zerrissen, die Füße, halb entblößt, zitterten auf dem
kalten Schnee; die Dörfer und Städte waren verwüstet, nirgends ein Obdach
gegen den furchtbar schneidenden Wind, kein Bissen Brot, den nagenden Hunger
zu stillen. Da ergriff Verzweiflung ihre- Herzen. An jedem Morgen lagen
Haufen Erfrorener um die ausgebrannten Wachtfeuer. Die ermatteten Krieger
konnten sich kaum weiter schleppen; Tausende blieben zurück und wurden eine
Beute der russischen Wölfe. Als das erschöpfte Heer über die Beresina zog —
hinter ihm her waren die russischen Scharen —-, da brachen die Brücken, und
Tausende fanden in den Fluten ihr Grab. — Da verließ Napoleon heimlich das
Heer, und in einem Schlitten fuhr er nach Frankreich. Die Hand des Herrn
hatte ihn getroffen. Der hatte gesagt: „Bis hierher und nicht weiter; hier
sollen sich legen deine stolzen Wellen!" Wetzcl.
42. Preußens Erhebung.
(sin Häuflein nur von der „großen Armee" zog durch Preußen. Sein Anblick
^ erregte Entsetzen und Mitleiden. Halbnackt, zerlumpt, mit erfrorenen
Gliedmaßen, ausgehungert, krank und elend erschienen die wieder, tvelche
erst vor wenig Monaten in .stolzem Übermut und des Sieges gewiß aus-
gerückt waren. Da ergriff das preußische Volk die Überzeugung, daß nun
die Stunde der Erlösung ans schwerer Knechtschaft geschlagen habe. „Das ist
Gottes Finger!" ging es von Munde zu Munde. ° Es gab nur e i n Gefühl
im Vaterlande: glühenden Haß gegen die Franzosen. Es war das erklärlich.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon Wetzcl
Extrahierte Ortsnamen: Europas Moskau Moskau Frankreich Gottes
640
142. Kolumbus.
gehörte dazu, ein so abergläubisches, furchtsames Schiffsvolk
zu beschwichtigen, das schon den feuerspeienden Pik von
Teneriffa und das Zerbrechen eines Steuerruders für eine
höchst üble Vorbedeutung ansah! Mit großer Bestürzung
bemerkten die Steuerleute, daß die Magnetnadel von ihrer
gewöhnlichen Richtung abwich. Als man die Passatwinde
erreicht hatte, die beständig von Osten nach Westen gehen,
glitten die Schiffe schnell über den ruhigen Ozean dahin.
Die Luft war so rein und so mild, daß man sie mit Lnst
einatmete, das Wetter so schön wie an einem hellen Früh-
lingsmorgen. Als aber der Wind fortwährend derselbe blieb,
geriet das Schiffsvolk wieder in Angst und Zagen; es
fürchtete bei diesem beständigen Ostwinde den Rückweg nach
Spanien nicht wieder antreten zu können. Zum Glück wich
der Wind etwas nach Südost, und die Mannschaft beruhigte
sich wieder. Es kamen auch Vögel, eine Bachstelze und
eine Meerschwalbe, das Meer füllte sich mit Seepflanzen.
Aber bald darauf trat völlige Windstille ein, und die Massen
der Seepflanzen wurden so dicht, daß es den Schiffen fast
unmöglich schien, sich einen Weg durch sie zu bahnen. Da
fürchtete das Schiffsvolk, mitten im Ozean im Moraste stecken
zu bleiben und eines elenden Todes zu sterben. Es rotteten
sich die Kühnsten zusammen und machten den Vorschlag,
den Admiral ins Meer zu werfen und nach Spanien zurück-
zukehren. Aber den unerschütterlichen Kolumbus vermochten
keinerlei Drohungen von feinem Vorhaben abzubringen.
Unermüdet stand er Tag und Nacht auf dem Hinterteil
seines Schiffes, schlief nur wenige Stunden, zeichnete jede
Beobachtung auf und wußte die Ordnung und den Gehorsam
wieder herzustellen. Als aber die Sonne immer wieder aus
dem küstenlosen Ozean emporstieg, nachdem es schon manchen
Abend geschienen, als ob man Land vor sich gesehen, da ver-
mochte die Mannschaft ihren Ingrimm nicht länger znrück-
zudrängen und verlangte mit Ungestüm die Rückkehr. Kolum-
bus blieb fest und bat, noch drei Tage zu warten.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
TM Hauptwörter (200): [T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T83: [Klima Winter Sommer Land Meer Wind Regen Niederschlag Zone Gebirge], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]