42 10. Kolonisierende und germanisierende Tätigkeit des bayerischen Stammes.
Von Norden her waren die Slaven bis in die Gegend von Eichstätt einerseits, von Premberg (B-A. Burglengenfeld) anderseits vorgedrungen. Von Osten her hatten sie zum mindesten den mittleren Regen erreicht; noch in der Karolingerzeit begegnen Slaven in der Gegend von Pösing bei Cham.
Hier nun setzt die bayerische Kolonisation ein und dringt Schritt für Schritt nach dem Norden vor, indem man teils die flavifchen Siedelungen besetzt teils auf neugerodetem Boden deutsche Kolonistendörfer anlegt. Noch in dem Kapitulare von 805 erscheint das uralte Premberg als Grenzpunkt deutschen Lebens. Gerade ein Jahrhundert später, 905, ist man über Nabburg hinaus bis an die Luhe vorgerückt; ein Vasall des Markgrafen Luitpold erhält hier eine Hufe, die vordem ein, Slave besessen. Um die Wende des 10. und 11. Jahrhunderts erreicht man die Waldnaab, einen der Quellflüsse der Nab; hier, in der Gegend von Falkenberg, Altneuhaus und Schwarzenschwal, scheint die deutsche Vorwärtsbewegung einige Zeit halt gemacht zu haben. Aber noch in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts gewinnt man dem Urwalde und der slavischen Rasse eines der schönsten deutschen Länder ab, das zwischen dem Böhmerwalde, Fichtelgebirge und Erzgebirge sich hinziehende Egerland; bereits in einer Königsurkunde von 1061 erhalten wir Kunde nicht bloß von der Existenz der Stadt Eger sondern auch von der Reichsstraße, die Eger mit Nürnberg verbindet. Am Schlüsse des 11., am Anfange des 12. Jahrhunderts ist man bis zur Grenze des Schönbacher Ländchens (im heutigen Vogtland), bis zum Fleisseubache vorgerückt. Ja bereits greift die Kolonisation nach dem sogenannten Regnitz lande bei Hos über.
Es war ein gewaltiges Resultat bajuwarischer Kulturarbeit; von Premberg bis zur Waldsteinkette und bis in das Vogtland bei Aadorf hinein erinnern heutzutage nur mehr slavische Orts- und Flußnamen daran, daß hier ehemals Slaven gesessen. Diese nationale Verschiebung vollzog sich teils durch deutsche Einwanderung teils durch Entnationalisierung der Slaven, nicht aber durch Vernichtung derselben. Daß in dem heutigen Sprachgebiet auch nach der bajnwarischen Einwanderung eine nicht unbedeutende slavische Bevölkerung zn-riickblieb, das beweist das Auftreten slavischer Personennamen in den Urkunden noch des 13. und 14. Jahrhunderts und die Menge der slavischen Ortsnamen vorbainwarischer Entstehung. Aber die Geschlossenheit der Ansiedelungen hält die bajuwarifche Kraft zufammen; nicht der Bayer wird zuletzt von dem Slaven assimiliert, sondern der Slave von dem Bayern.
Auch hier geht wie in Inner- und in Niederösterreich die Kolonisation vom Großgrundbesitz aus. Bis an die Wende des 11. und 12. Jahrhunderts sind die Führer vorwiegend Laiengewalten: die Krone, die Markgrafen, namentlich die babenbergischen, ferner die gräflichen und freiherrlichen Geschlechter, wie die Sulzbacher, Leuchtenberger, die Herren von Velbnrg, Altendorf und Laber, endlich ganz besonders die zahlreichen Ministerialengeschlechter.
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266
49. Elisabeth Charlotte.
In dem Zimmer des Museums im Otto-Heinrich-Bau, in dem wir Liselottes Bild gefunden, hängt an einem Pfeiler, abgesondert, als sollte es mit keinem andern in Berührung kommen, das Porträt eines Mannes mit einem Banditengesicht; das ist der Graf Melac, der Mann vom 2. Mürz 1689; Held kann man nicht sagen, denn Gott weiß es, das, was er an dem Tage getan hat, war kein Heldenstück.
Im September 1688 hatte Ludwig Xiv. sein Manifest erlassen:
„Daß weil der römische Kaiser mit verschiedenen Teutschen und „anderen Höfen heimliche Abrede und Anschläge gemacht, seine siegreiche „Waffen nach einem nun bald zu schließenden Frieden mit den Türken an „den Rhein und gegen Frankreich zu wenden, der König in Frankreich „sich gernüßiget sähe, sich aller der Orte am Rhein und Neckar zu versichern, „woraus ihm Schaden entstehen könne, bis der Madame von Orleans wegen „ihrer Erbschaft die Guüge an Geld, der ihr angestorbenen Väter- und „Brüderlicher Allodial-Güter und Fahrnuß geschehen rc. 2c. 2c."
Am 27. September wurde dieses Manifest übergeben, schon vorher aber, am 15. September, waren Bouflers und La Breteche mit dem französischen Heer vor Kaiserslautern erschienen, hatten die ganze Pfalz weggenommen, auch Speyer, Oppenheim, Worms und Mainz. Der Dauphin kam hinterdrein und nahm Philippsburg und am 24. Oktober kapitulierte Heidelberg vor dem Marschall Durras. In der von dem Dauphin ratifizierten Kapitnlationsurknnde hieß es: „Daß alle Mobilien im Schlosse unangetastet beibehalten, nichts am Schlosse veräußert, daß au allen Gebäuden in und vor der Stadt nichts veräußert, die Bürgerschaft mit Plünderung, Brandfchatznng oder anderer Beschädigung verschonet bleibe."
Kommandant von Heidelberg wurde der Geueral Gras Melac.
Am 14. Februar 1689 — o der sausenden Geschwindigkeit — wurde darauf zu Regensburg das Reichsgutachten abgefaßt:
„Daß die allen Glauben vergessende Cron Frankreich wegen der vielen friedbrüchigen Tätlichkeiten und Eingriffe in die Teutschen Lande, Rechte u. a. m. als ein Reichsfeind zu erklären und alle Reichsglieder gegen dieselbe mit zu gehen verbunden sein sollen."
Darauf, wie der alte Meister Gottfried in seiner „fortgesetzten historischen Chronik" berichtet, „zog der Graf Melac, als er von der Annäherung der Reichstruppen gehört, mit einiger Reuterey von Heidelberg ans, steckte Rohrbach, Laimen, Nußloch, Wiesloch, Kirchheim, Bruchhausen, Eppelheim, Neckar-Hansen, Neuen heim und Handfchnchsheim in Brand." Und als es nun kein Halten mehr in Heidelberg gab, beschloß er in einer Weise Abschied von der Stadt zu nehmen, daß seines „Daseins Spur" für immer sichtbar bleiben sollte. Schon feit einigen Tagen hatte man französische Minierer beschäftigt gesehen in Mauern und Türme des Schlosses Bohrlöcher zu treiben und sie mit Pulver zu laden. Am 2. März 1689, frühmorgens um 5 Uhr, stand
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Extrahierte Personennamen: Elisabeth_Charlotte Mürz Ludwig_Xiv Ludwig Marschall_Durras Gottfried Graf_Melac Reuterey_von_Heidelberg Rohrbach Kirchheim
Extrahierte Ortsnamen: Otto-Heinrich-Bau Graf_Melac Rhein Frankreich Frankreich Rhein La_Breteche Speyer Oppenheim Worms Mainz Philippsburg Heidelberg Heidelberg Frankreich Wiesloch Bruchhausen Eppelheim Heidelberg
72. Die Isar als Berkehrsstraße einst und jetzt.
391
bestandteile mit Ausnahme des sogenannten Floßhakens, mittels dessen beim Anländen das Seil am Floß befestigt wird. Neben dem Landseile ist des Floßmanns treuester Begleiter die Axt.
Wie sich nun das Wesen des Flusses seit alters gleichgeblieben ist und die Fahrzeuge unverändert sich erhalten haben, welche er zu Tal trägt, so auch der Floß mann, nicht bloß in seinen von einem altererbten Konservatismus herangezogenen Charaktereigenschaften, seiner stahlharten Geschmeidigkeit im Stampfe gegen Wasser und Wetter, seiner unverfälschten Anhänglichkeit an Heimat, Herrscherhaus und religiösen Glauben, sondern bis herab auf die Farbe der Tracht. Schon auf halbverblichenen Votivtafeln erscheint der Floß-lnann in dunkelblauem Gewand; heute noch trägt er dieses manchmal, wenn auch in anderem Schnitt, neben dem wärmenden grauen Lodenanzug.
Zur Leitung gewöhnlicher Fahrzeuge reichen meist zwei Flößer, der Ferge an der vorderen, der Steurer an der Hinteren Schmalseite. Dieser ist jenem untergeordnet und muß, wie das Volk sagt, „aus ihn achtgeben". Ist noch ein weiterer Fährmann zur Lenkung des Fahrzeuges nötig, so hat er seinen Platz gleichfalls am vorderen Teile desselben. Man hieß ihn früher Drittferge. Gegenwärtig verfrachten die Floßleute auf eigene Nechniuig nur eine verschwindend geringe Anzahl von Flößen. Sie stehen im Solde Münchener Firmen, sind also keineswegs selbständige Unternehmer, sondern bloß Akkordanten, welche die von Holzhändlern und Baumeistern im Gebirge angekauften Stämme, Bretter und Brennmaterialien mit Hilfe ihrer Knechte um vergleichsweise niedrigen Frachtlohn nach der Landeshauptstadt führen.
Der Schimmer einer besonderen sozialen Stellung, eines im wirtschaftlichen Leben des Bergvolkes scharf hervortretenden Standes, welcher früher ans der Flößerzunft und deren Meistern lag, ist gewichen; er ist bereits zu einer geschichtlichen Tatsache geworden.
*
Die Anfänge der Floßfahrt auf den füdbayerifchen Alpenflüssen liegen vollständig im Dunkel der Vorgeschichte begraben. Man hat nun zwar versucht durch Herleitung einer Anzahl von Orts-, Bach- und selbst Flößernamen ans dem Lateinischen ein sehr hohes Alter der vaterländischen Flößerei nachzuweisen. Indessen läßt sich mit Sicherheit nur annehmen, daß bei der Einfachheit eines so nahegelegenen und von der Natur zwanglos dargebotenen Verkehrsmittels, wie es einige roh aneinandergefügte Baumstämme darstellen, auch auf den alpinen Gewässern Altbayerns die Floßsahrt sehr bald begann.
Der älteste, vereinzelt stehende Hinweis auf die Befahrung der Isar mit Floß oder Kahn dürfte wohl in den Überlieferungen über die letzten Lebens-schicksale des hl. Emmeram enthalten sein. Die Leiche des Missionars wurde von dem schon zu Zeiten der Agilolfinger berühmt gewesenen Aschheim nordöstlich uon München aus an die Isar und bei Oberföhring (Emmeramskapelle) auf ein Fahrzeug gebracht, welches die Strömung des Flusses bis zur Donau trug.
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95
eler Hafen begrüßt den Kaiser.
mindestens 18 000 t (die Vereinigten Staaten neuerdings eins von 28 000 t). In Dienst gestellt
sind bereits vier: „Nassau", „Westfalen", „Rheinland", „Posen"; vier weitere sind vom
Stapel gelassen, fünf andere im Bau begriffen. (Bis zum Stapellauf eines Panzers vergeht
1 Jahr, von da bis zur völligen Fertigstellung etwa 2 bis 21/2 Jahre). Die der „Nassau"-Klasse
voraufgegangenen Klassen sind die „Deutschlaud"-Klasse („Deutschland", „Pommern",
„Hannover", „Schleswig-Holstein", „Schlesien", je 13 200 t, 1903/05 gebaut), die „Braun-
schweig"-Klasse (5 Schiffe, je 13 000 t, 1901/03 gebaut) und die „Wittelsbach"-Klasse
(5 Schiffe vou je 11 700 t, 1899/1900 gebaut). Das Ziel des deutschen Flottenbaues sind 4 Ge-
schwader von je 8 Linienschiffen (= 32, dazu 2 Admiralschiffe und 4 Reserveschiffe = 38).
9. Kolonien.
In der kurzen Zeit seit 1884 haben wir draußen einen Landbesitz erworben, der fünf-
mal so groß ist wie das Deutsche Reich. Über dieses „Größere Deutschlaud" s. Heft Ii, § 130
bis 135!
Es ist ein herrliches Gemälde, das wir vom deutschen Wirtschaftsleben, von deutscher Tat-
kraft, Leistung, Macht und Stärke aufrollen konnten! Und in wie kurzer Zeit ist das alles erreicht
worden! Was waren wir vor 100 Jahren (1806/07)! Und was galten wir selbst noch in den
60er Jahren, als man „Preußen den Großmachtskitzel austreiben wollte"! Aber ein Zweifaches
müssen wir uus fest einprägen. Erstens: Wir haben durch uusern bewundernswerten Aufstieg
an Beliebtheit nicht gewonnen; darum ziemt uns Ernst und Besonnenheit, nicht Dünkel und
Aufgeblasenheit. Und zweitens: Das deutsche Volk muß alle Kraft anspannen, das Errungene
zu halten und zu erweitern. Das Volk aber ist nichts als die Summe der einzelnen. Darum
soll jeder einzelne sich fühlen als ein verantwortliches Glied des Ganzen. Einerlei, ob er
mit dem Pfluge die Scholle ritzt oder am Amboß das Eisen schmiedet oder am Schreibtisch mit
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wurde. Vasco d a Gama setzte das Unternehmen fort und lan-bete in stlicher Fahrt an der Westkste Indiens; er hat den Ruhm, 1498 den Seeweg nach Indien gefunden zu haben.
Die Entdeckung Amerikas 1492. Whrend die Portugiesen durch die Umselegung Afrikas Indien zu finden hofften, suchte Ko-lumbus dasselbe Ziel auf einem anderen Wege zu erreichen. Er
Schiffe des Kolumbus.
hatte hierbei das Glck, auf einen neuen Erdteil zu stoen, der zwar schon vor Jahrhunderten von Wikingern betreten, dessen Kenntnis in spterer Zeit aber wieder verloren gegangen war.
Christoph Kolumbus, ein Genuese von Geburt, war bereits mit dem vierzehnten Lebensjahr auf die See gekommen und hatte sich zu einem khnen und geschickten Seefahrer ausgebildet. Nachdem er durch den Florentiner Gelehrten Toscanelli auf die Kugelgestalt der Erde aufmerksam gemacht war, schlo er sich der Meinung desselben an, da man auch auf westlicher Fahrt Indien erreichen knne. Er nahm sich vor, dafr den Beweis zu erbringen. Seltenes Rohr, knstlich gearbeitetes Holz, Leichen von ganz fremdem Aussehen, die an der Westkste Europas angetrieben
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Krieg in Portugal und Spanien 1808 — 1814. 79
Auch sein leidenschaftliches Verlangen, die Kontinentalsperre gegen England über ganz Europa auszudehnen und dadurch Englands Macht zu brechen, hatte Teil an seinem Vorgehen gegen Portugal und Spanien. Portugal stand ganz uuter dem Einflüsse Englands. Als nun der Hof zu Lissabon sich weigerte, dem englischen Handel die Häfen des Landes zu verschließen, schickte Napoleon den Marschall Juuot mit einem Heere nach Portugal. Die königliche Familie flüchtete aus englischen Schiffen mit vielen Schätzen nach Brasilien, und Juuot, zum Herzog von Abrantes erhoben, besetzte das ganze Land. Er erklärte im Namen seines Gebieters, das Haus Bragauza habe aufgehört zu regieren (1808).
Das gegen Portugal geschickte französische Heer hatte seinen Weg ungehindert durch Spanien genommen; denn Napoleon hatte den allmächtigen Günstling der spanischen Königsfamilie, den „Friedensfürsten" Godoy, der durch die Gunst der sittenlosen Königin vom Leibgardisten zum Minister und Großadmiral emporgestiegen war, ganz in sein Interesse gezogen. Napoleon konnte daher auch nach der Eroberung Portugals ein Heer von 100 000 Mann in Spanien einrücken lassen, unter dem Vorwande, die spanische Küste gegen die Engländer zu schützen. Als wegen des Verrates des Friedensfürsten ein Aufruhr in Madrid entstand, entsagte der schwache König Karl Iv. dem Thron zu Gunsten seines Sohnes Ferdinand, der mit seinen Eltern und Godoy zerfallen war und die Liebe des Volkes genoß. Napoleon aber benutzte die Mißhelligkeiten in der königlichen Familie; er ließ Madrid durch Mnrat besetzen und lockte den König Karl und seinen Sohn Ferdinand Vii. nach Bayonne, wo er beide nötigte, der spanischen Krone zu entsagen. Zum König von Spanien machte er seinen Bruder Joseph, den bisherigen König von Neapel. Neapel erhielt Napoleons Schwager Mit rat, der das Großherzogtum Berg an den unmündigen Kronprinzen von Holland abtrat.
Napoleon juchte die spanische Nation durch eine zeitgemäße Verfassung dem neuen König zu gewinnen, aber die Spanier wollten die fremde Zwingherrschaft nicht. Sie
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Godoy Napoleon Karl_Iv Karl Ferdinand Napoleon Karl Karl Ferdinand Joseph Napoleons Napoleons Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Portugal Spanien England Europa Englands Portugal Spanien Portugal Englands Lissabon Portugal Brasilien Haus_Bragauza Portugal Spanien Madrid Madrid Bayonne Spanien Neapel Neapel Großherzogtum_Berg Holland
&8 Siebenter Abschnitt.
Fahrt zeigte sich die Gebrechlichkeit der Fahrzeuge,
denen man sich für eine so große und ungewisse
Fahrt anvertraut hatte. Bei allen waren schon
Ausbesserungen nöthig, und doch hatte die Reise nur
erst vier Tage gedauert, und es war also die große
Entdeckungsreise kaum für begonnen zu achten. —
Als die Inseln aus ihrem Gesichtskreise verschwun-
den waren, schwand auch bei den meisten seiner Ge-
fährten auf einmal all' der Muth, dessen sie sich bis
dahin gerühmt hatten. Stets nur gewohnt, längs
der Küste, oder von einer Insel zur andern hinzu-
fegeln, fanden sie sich hier, wie Reisende in der
Wüste, — verlassen, verlohren. Eine stille, finstre
Schwermuth befiel die kräftigste» Gemüther. Einige
schlugen klagend an ihre Brust, und verwünschten
ihre Thorheit, sich auf ein so unsinniges Unterneh-
men eingelassen zu haben; andere weinten wie die
Kinder, und erklärten einmal über das andere, sie
wären rettungslos, verlohren. Colombo ging un-
ter ihnen umher, tröstete sie, gab ihnen aufmun-
ternde Versicherungen, machte sie auf kleine Anzei-
gen der Nähe eines Landes aufmerksam, reizte ihren
Stolz, ihre Eitelkeit, ihre Gewinnsucht — und so
gelang es ihm, bei den meisten, ihren gesunkenen
Muth wieder aufzurichten. — Dieß Betragen sei-
ner Gefährten ließ den Admiral eine der größesten
Schwierigkeiten, die ihm noch oft zu überwinden
seyn würde, ahnen; weckte aber auch eine, ihm bis-
her selbst unbewußte Kraft in seiner Seele: die der
Menschenbeherrschung ohne Gewalt, durch geschickte
Benutzung der menschlichen Schwächen; — ohne
die auch die höchste und beharrlichste Anstrengung
seiner übrigen großen Seelenkräfte sicher vergebens
geblieben seyn würde. — Mit welcher gespannten
Aufmerksamkeit achtete man nun auf die kleinsten,
unbedeutendsten 'Gegenstände und Wahrnehmungen,
um danach die gehoffte Annäherung des Landes zu
beurtheilen. Ein Stück Holz, ein Kraut, das ihnen
entgegen schwamm, ein Vogel, der vorüber flog,
waren ihnen die merkwürdigsten und zugleich erfreu-
lichsten Erscheinungen. Unablässig wurde, mit. dem
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Außereuropäische Erdteile.
A. Die Gebiete in der Nähe der Pole.
I. Die norwegische Polarerpedition unter Mausen von 1893—1896.
(„In Nacht und Eis/' Die Norwegische Polarexpedition 1893—1896*). Von
Fridtjof Nansen. Mit einem Beitrag von Kapitän Sverdrup, 211 Abbildungen,
8 Chromotafeln und 4 Karten. Autorisierte Ausgabe. 3 Bände, 30 Mark. Leipzig,
F. A. Brockhaus. 1897. Ii. Band S. 35, 38-40, 58, 61-63, 176, 226—228, 244
bis 247, 286—287.)
(1. Abschied von der „Fram".) Am 14. März (1895) endlich ver-
ließen wir um Mittag unter donnerndem Salut die „Fram", nachdem wir
zum dritten Male Lebewohl gesagt und gegenseitig die herzlichsten Glück-
wünsche ausgetauscht hatten. Einige der an Bord Bleibenden gingen noch
eine kleine Strecke mit, doch kehrte Sverdrup bald wieder um, weil er zum
Mittagessen um 1 Uhr an Bord sein wollte. Auf dem Gipsel eiues Eis-
Hügels sagten wir beide uns Lebewohl; die „Fram" lag hinter uns, und ich
erinnere mich noch, daß ich eine Zeitlang stehen blieb und Sverdrup nach-
blickte, der auf seinen Schneeschuhen gemächlich heimwärts zog. Beinahe
hätte ich gewünscht, mit ihm umzukehren, um wieder im gemütlichen, warmen
Salon ausruhen zu können. Ich wußte nur zu gut, daß eine lange Zeit
vergehen würde, bis wir wieder unter einem behaglichen Dache schlafen und
speisen würden. Daß aber die Zeit so lange dauern sollte, wie sie in
Wirklichkeit dauerte, hat damals keiner von uns auch uur geahnt. Wir alle
glaubten, daß die Expedition entweder glücken werde und wir dann noch in
demselben Jahre heimkehren würden, oder daß sie — nicht glücken werde.
(2. Mit Schlitten und Kajak dem Nordpol zu.) Sonntag,
17. März . .. Das Eis wurde während der folgenden Tage fortwährend
ebener, so daß wir an einem Tage oft 15 Kilometer und mehr zurücklegen
konnten. Hin und wieder pflegte ein Unfall vorzukommen, der uns auf-
hielt; so riß uns z. B. eines Tages eine emporragende scharfe Eisspitze ein
Loch in einen Sack mit Fischmehl, so daß der ganze kostbare Inhalt auslief
und wir länger als eine Stunde brauchten, um alles wieder zu sammeln
i) Nansen fuhr mit der „Fram" (norwegisch — Vorwärts) von Vardö (am Va-
ranger Fjord) aus, die sibirische Küste entlang, bis nahe au die Nen-Sibirische Insel-
gruppe und dann im Polareis nach X bzw. Nw. Am 14. März 1895 verließ er nebst
seinem Begleiter Johansen, mit Schlitten, Hunden, Kajak und Schneeschuhen ausgerüstet,
das unter 84° 4' n. Br. und 102° östl. L. liegende Schiff, um zu Fuß den Nordpol zu
erreichen. Am 8. April 1895 mußten beide unter 86° 13'36" n. Br. und 95° östl. L.
umkehren; sie erreichten Franz-Joseph-Land und traten auf der „Windward" die Heimreise
nach Vardö an. Die im Eis steckende „Fram" (Kapitän Sverdrup) trieb nach Nw und
gelangte 7 Tage nach Nansens Heimkehr, an der Westküste Spitzbergens entlang, am
20. August 1896 nach Skjärvö (zwischen Hammerfest und Tromsö).
Marquardt, Quellenlesebuch. 1
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Extrahierte Personennamen: Fridtjof_Nansen Kapitän_Sverdrup Sverdrup Nansen Johansen August Marquardt
Bewegung, und dieser stößt den Bohrmeißel mit großer Gewalt 300- bis
600mal in der Minute gegen das Gestein. Dieser also mit einer Kolben-
dampsmaschine annähernd zu vergleichende Apparat, der in sechs verschiedenen
Systemen am Oberharze im Gebrauche ist, arbeitet nicht nur rascher und
billiger als der Handbohrer, sondern die nach ihrer Verwendung entweichende
Luft verbessert und kühlt auch die Grubenluft.
(2. Transport der Erze.) Zur Förderung anf der Strecke dienen
bei geringer Entfernung Schiebkarren, sonst stets die Hunde oder Förder-
wagen. Dieser Hund (vom slavischen hintow, d. i. Wagen) besteht aus
einem eisernen oder eisenbeschlagenen Kasten, der mehrfach für jedes seiner
vier Räder eine besondere Achse hat, und der dadurch, daß die eine Haupt-
achse fest unter seiner Mitte liegt, zum Kippen eingerichtet ist.
In ältester Zeit lief der Harzer Hund auf sogen. Hundsgestängen, zwei
5 cm voneinander entfernten Bohlen, iu deren Abstand der „Spürnagel"
des Hundes eingriff. Durch Harzer Bergleute, welche die Königin Elisabeth
kommen ließ, wurde diese Einrichtung nach England, der Geburtsstätte der
Eisenbahnen, verpflanzt. Doch sollen auch schon am Harze im Jahre 1775
gußeiserne Schienen auf hölzernen Unterlagen angewandt sein. Im Jahre 1806
wurde die Dorotheer Halde mit der Dorotheer Erzwäsche durch einen solchen
Schienenweg verbunden, den man — wenn jene Nachricht nicht verfrüht sein
sollte — als die erste Eisenbahn auf dem Kontinent ansehen muß.
Zur Zeit als die Erze noch in der Tonne zu Tage gefördert wurden,
fuhren täglich 600 bis 800 beladene Erzwagen durch die Straßen Klausthals.
Jetzt ist es stiller geworden auf den Halden bei den Gruben, und die „Berg-
fnhrherren" sind bis auf einige ausgestorben.
In einer Tiefe von 400 m unter Tag bewegt sich auf schwer beladeuen
Schiffen der Eitransport von den Gruben zu der Aufbereitungsanstalt. Im
Jahre 1803 in Angriff genommen, wurde die schiffbare „Tiefe Wasser-
strecke" bei einem regelmäßigen Wasserstande von 1,5 m Tiefe schon seit
dem Jahre 1833 zum Transport eines Teiles der auf dem Burgstätter Zuge
gewonnenen Erze benutzt; seit dem Jahre 1878 aber, wo der neue Förder-
schacht Ottiliä auf der Bremerhöhe vollendet wurde, vermittelt sie den ge-
samten Verkehr zwischen Grube und Aufbereitung.
Die Schiffe, deren gegen 50 im Dienste sind, haben eine Breite von
etwas mehr als l1^ m und eine Tiefe von 1 m und die Holzschiffe eine
Länge von 9x/3, die Eisenschiffe von 9 m. Sie befördern das Erz in je
3—4 Küsten, welche im Ottiliäfchachte mittels Dampfkraft gehoben werden.
Die beiden Schiffer, von denen einer vorn, der andere hinten seinen Platz
hat, ziehen das Schiff an dem unter der First der Strecke hinlaufenden straff
gespannten Drahtseile. Zur Beförderung von Personen dienen die zierlicher
gebauten Jachtboote, welche sechs Personen fassen.
Die tiefe Wasserstrecke wird von den Grundwassern der Grube gespeist.
Nur in der ersten Kindheit des Bergbaues, als die Gruben nur sehr wenige
Teufe hatten, war es möglich, diese Wasser durch einfache Hebung unfchäd-
lich zu machen. Schon bald aber mußte man den Kampf mit ihnen durch
Anlage von Abzugsstollen aufnehmen. Von diesen ältesten Stollen sind
noch jetzt u. a. der 1525 in Angriff genommene Dreizehnlachterstollen, der
1548 getriebene Frankenscharner, der Neuzehnlachterstollen aus dem
Jahre 1551 und der Rabenstollen aus dem Jahre 1573 gangbar. Als
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