Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 155

1911 - Erfurt : Keyser
- 155 - die anderen. (Sr trug einen Elenskoller und einen grauen Hui mit grüner Feder. Sein Haar war blond, und ein starker Schnurrbart und spitzer Kinnbart zierten sein Gesicht. Freundlich blickten seine blauen Augen umher, und deutsche Grußesworte kamen aus seinem Munde. Man sah, er freute sich herzlich über den warmen Empfang der Erfurter, die mit Hüteschwenken, Tücherwehen und Kränzewerfen sich nicht genug tun konnten. Aufenthalt in Erfurt: Vor seinem Absteigequartier wurde er vom Erfurter Rate aufs ehrerbietigste begrüßt. Dann begab sich der König in seine Gemächer. Doch er rastete nicht lange. Schon nach kurzer Zeit erschien er wieder im Sattel. Er stattete dem Petersberg einen Besuch ab. An der Schwelle des Klosters begrüßten ihn knieend die frommen Brüder mit ihrem Abte. Freundlich hieß er sie ausstehen, entblößte selbst sein Haupt und setzte sich mit ihnen zur Tafel, zwanglos sich unterhaltend. Noch drei Tage verweilte Gustav Adolf in der Stadt. In dieser Zeit umritt er einmal den Stadtwall und besichtigte die Eyriaksbnrg. Mancherlei Gedanken über eine stärkere Befestigung der Stadt sollen ihm dabei durch den Kops gegangen sein. Bevor er dann abreiste, mußte der Rat versprechen, solange der Religionskrieg dauern würde, ihm treu und untertänig zu sein. Weitermarsch: Am Montag wurde zum Ausbruch geblasen. Vormittags zwischen 8 und 9 gings mit klingendem Spiel zum Brühlertor hinaus durch den Treienbrunnen nach Süden. Der Weg führte über Molsdorf, Arnstadt, Ilmenau und Schlensingen ins Werratal und von da an den Main. (Nach Pros. Als. Kirchhofs.) 4-9. Gustav Adolfs Leutseligkeit. Heute noch bewahrt die Riemer-Jnnnng in Erfurt ein Andenken auf, das Zeugnis von Gustav Adolfs Leutseligkeit gibt. Als der König sich einmal von der „hohen Lilie" in den nahe gelegenen Gasthof „zum Propheten" (heute „Thüringer Hof") begab, um nach einem feiner Pferde zu sehen, hörte er aus einem Zimmer lautes Stimmengewirr. Er trat ein und erfuhr von den Versammelten, daß die Riemer-Innung soeben einen der Ihren zum Ritter schlage, d. h. nach bestandener Lehrzeit seierlich in die Gesellenschast ausnehme. Gustav Adols sragte, ob er zusehen dürste. Da dies aber nicht erlaubt war, wurde ihm bedeutet, daß er beiwohnen könne, wenn er selbst vorher zum Ritter geschlagen wäre. Der König willigte sreudig ein und wurde unter dem üblichen Gebrauch zum Ritter geschlagen. Er leerte auch den großen, tbm dargereichten Zinnpokal, den Willkommenbecher, und loste sich mit dem herkömmlichen Geschenk. Noch zur Stunde hängt am „Willkommen" der Erfurter Riemer das ovale, vergoldete Schaustück, welches damals die Innung wohl aus des Königs Hand erhalten hat. Es zeigt auf der einen

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 171

1911 - Erfurt : Keyser
— 171 fam vor der Abfahrt der kurfürstliche Koadjutor (hoher Geistlicher, der dem Erzbischof beigegeben ist) von Erfurt unvermutet zum Besuche. Der Koch, welcher zu einem Mittagsmahle nichts angeschafft hatte, war in größter Verlegenheit. Götter aber ließ ihm sagen, so lange noch ein Kalb sich finden lasse, dürfe man nicht ängstlich sein; seine Erfindungsgabe werde schon die nötige Anzahl Gerichte daraus zu bereiten wissen. Der Koch ließ das einzige im Stall vorhandene Kalb schlachten und brachte davon nicht weniger als zwanzig Gerichte aus die Tasel, während ein reitender Bote beim Herzog in Gotha eiligst den Besuch absagen mußte. — Bald zog eine Jagdgesellschaft unter Hörnerklang zum Tor hinaus, bald hallte der Park wieder von der derben Fröhlichkeit zusammengerufener Dorfbewohner, an deren Treiben sich die Schloßgefellfchaft ergötzte. Bei solch ausgelassener Freude wurde mancher unsinnige Scherz getrieben. So wurde einmal gewettet, daß ein Molsdorser Danerlänser den Weg nach dem 50 Stunden entfernten Hannover in 36 Stunden hin- und zurückkaufen werde. Die Wette wurde gewonnen, aber der Läufer brach bei der Rückkehr vor dem Dorfe tot zusammen. Der Einsiedler-Orden: Manches würden uns die alten Bäume, wenn sie plaudern könnten, noch zuflüstern von nächtlichen Sommergelagen und Göttersesten, vom Spiele der Reisröcke und Edelleute, der Schäfer und Schäferinnen, sie würden uns auch berichten, von den Versammlungen der Mitglieder des Einsiedleroder Eremiten-Ordens. Die feingebildete und sittlich reine Fürstin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha veranlaßte ihren Gemahl, den „Ordre Bes Hermites de bonne humeur“ zu gründen. „Weil die Freude am meisten zur Gesundheit beiträgt", sollte in dieser Vereinigung nach dem Wunsche der Fürstin nur die Freude gepflegt werden, die reine Freude, die ungetrübtes Glück bringt und frohe Erinnerung zurückläßt. Mit dem Rufe „Vive la joie“, dem Wabl-fprnch des Ordens, begrüßten sich seine Mitglieder auch in Mols-dors, dessen Besitzer ihm angehörte. Im braunen Seideugewande mit Gürtel, den Strohhul mit rosa Bändern geschmückt, aus der Brust das Ordenszeichen mit der Devise (Wahlspruch) „Vive la joie“ und in der Hand einen rosasarbig gebänderten Schäserstab, so erschienen Damen und Herren als Schwestern und Brüder ohne Rangunterschied zur verschwiegenen Freudenfeier bei Schmaus, Spiel, Gesang und Tanz. Die Unterhaltung wurde in französischer Sprache geführt, und jedes Mitglied erhielt einen sein Wesen bezeichnenden, französischen Namen. Götter war „Frere tourbillon“ «Bruder Sausewind). Mit dem Ausbruche des siebenjährigen Krieges erlosch dieser lustige Orden. Seine Devise aber und manche wunderliche Erzählungen über das Treiben seiner Mitglieder leben noch im Volke, und unter den Frauenbildnissen, die dem Damenzimmer im Molsdorser Schlosse den Namen gegeben, ist heute noch das Bildnis der Herzogin Luise Dorothea in der Tracht des

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 99

1911 - Erfurt : Keyser
— 99 — tränkchen an. Da war ein Zauberer, der die Kunst verstand, ganz neue Erfurter Pfennige aus der Luft zu holen. Trotzdem er das Kunststück unzählige Male wiederholte, verschmähte er es nicht, sich an die Gaffer heranzudrängen und um einen Scherf (Münze für den Kleinhandel statt der früher halbierten Grofchen) zu betteln. Daneben stand ein fahrender Geistlicher aus einem Gerüst und sang feine weltlichen Lieder zur Leier, daß die Leute, die ringsum standen, sich anstießen und schier vergehen wollten vor Entzücken. Das Spaßmachen aber hatte nur den Zweck, die Leute anzulocken. Sobald der würdige Mann genügend Volk um sich versammelt sah, hub er an, seine Wundersalbe gar gewaltig zu preisen. Das war eine Salbe, die Blinde sehend machen konnte, auch solche, die zwar helle Augen hatten, Verrat und Untreue jedoch nicht wahrzunehmen vermochten. Sie sollten, wenn sie daheim die Salbe sich auf die Augen schmierten, wirkliche Wunderdinge erleben. Mit solch einer Salbe konnte man in die Erde sehen und verborgene Schätze entdecken, ganz so, als stünde überall ein Laternlein, daß man sie ja sinde. Man konnte durch Mauern und Wälle, man konnte sogar in den Himmel sehen und sich davon überzeugen, wo die lieben Verstorbenen eigentlich saßen. Waren sie oben, dann konnte man Opfer und Messen als nutzlos sparen. Freilich: das zeigte sich alles erst nach vierundzwanzig Stunden, und dann war der Wundermann aus den Toren. Die Leute kauften, obgleich einer, der nebenan auf einem andern Gerüst stand, weidlich über den Geistlichen schimpfte und dringend empfahl, nicht die Salbe, sondern sein Fläschlein zu kaufen. Ein paar Tropfen aus ihm wandelten jedes Metall in echtes Gold. Der redliche Mann gab nur aus reiner Menschenliebe dem, der's haben wollte, ein Fläschlein ab. Denn das mußte doch jeder einsehen: ein Mann, der solch einen Schatz sein eigen nannte, hatte nicht notwendig auf dem Markte zu stehen und sich den Hals auszufchreieu. Er schrie sich aber trotzdem heiser nach Kräften und drängte Bauern, Bürgern und Edelleuten den besagten Schatz auf. Nahe dabei war in einem Zelt ein Wundertier zu sehen: ein Kalb, das zwei Leiber mit acht Beinen hatte, von denen zwei aus dem Rücken gewachsen waren und höchst zwecklos in der Luft baumelten. Die beiden Leiber aber hatten nur einen Kopf und ein Maul, dafür aber zwei Zungen. Schade nur, daß das Kalb tot war. Man hatte den Teufel gesehen, wie er dem Tier gleich nach der Geburt zum Halse herausgefahren war. Darauf hatte das Tierlein sich hingelegt und war stracks wieder aus der Welt geschieden. Es war also nur des Teufels Wohnstatt gewesen, und aus diesem klaren Grunde durfte man nicht zu nahe herankommen, solch eine Höllengebnrt mußte man hübsch aus der Ferne und mit Schaudern sehen. — Solcher Herrlichkeiten gab es noch viele. Dazwischen trieb sich allerlei Bettelvolk umher, das sich durch die Nähe des Henker* v

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 25

1911 - Erfurt : Keyser
— 25 — Käufer1) wurde eine Bewegung sichtbar; nach kurzer Zeit eilte ein Reiter der Höhe zu, ein stattlicher Jüngling, dem Wächter ähnlich an Antlitz und Gebäroe. Als er angekommen, schwang er sich vom Pserde und sprach leise mit seinem Gefährten. Der Wächier übergab ihm das Horn, wars die Ledertasche über die Schulter und bot das Pferd dem Fremden. Doch dieser lehnte es ab und wandte sich mit seinem Führer dem Tale zu. Auf dem Wege zum Dorfe: Steilab führte der schmale Psad zu dem gewundenen Laufe des Gießbaches. Mit beflügeltem Schritt eilten die Männer talab, sie sprangen von Baum zu Baum, von Stein zu Stein. Als der Psad wegsamer wurde, schwang sich der Fremde wuchtig aufs Pferd, das den Reiter in großen Sätzen talab trug; dann wählte sich auch der Wächter eins von den Rossen, welche in besonderen Gehegen sprangen. Die Sonne ging zur Rüste, und die Bäume warsen lange Schatten aus den Weg, als sie das Ende des Talgrundes erreichten. Vor ihnen lag bald das Dors, von Graben und baumbesetztem Wall umschlossen, durch die Lücken der Bäume sah man hier und da die weißen Giebel unter braunem Strohdach und kleine Rauchwölkchen, die aus den Dächern aufstiegen. Seilwärts vom Dorfe erhob sich auf kleiner Anhöhe der Herrenhof, mit besonderem Psahlwerk und Graben umgeben, über die zahlreichen Häuser und Ställe des Hofes ragte hoch das Dach des Saales, der First mit fchön geschnitzten Hörnern. Im Torfe: Auf dem Wiesengrund vor ihnen übte sich eine Schar Knaben im Kampfspiel, sie hatten ein Gerüst gestellt und schwangen sich der Reihe nach hinauf und jauchzend wieder herab. Der Wächter rief einen Knaben und sprach leise zu ihm; der Knabe flog wie ein junger Hirsch in großen Sprüngen dem Herren-bofe zu, während die Reiter mit Mühe den Schritt ihrer unruhigen Pserde bändigten. Auf der Dorfstraße tanzten im Staube die kleinen Kinder den Ringelreigen, die Knaben nackt bis aus die Wolljacke, die kleinen Mädchen im weißen Hemde, sie stapften bar-beinig im Staube und fangen. An den Lücken der Dorfhäuser wurden Frauenköpfe sichtbar, auch Männer traten an die Tür und musterten mit Falkenaugen das Aussehen des Fremden, und der Wächter verfehlte nicht, seinen Begleiter zu ermahnen, daß er hierhin und dorthin schaue und die Hausbewohner grüße, „denn", sagte er, „freundlicher Gruß öffnet die Herzen und du magst die Gunst der Nachbarn bald gebrauchen." Fürst und Herrenhof: Unterdes war der Knabe in den Herrenhof gelaufen und kündete leise seine Botschaft an. Fürst Ansgar saß in der Holztaube, dem schattigen Vorbau des Hauses. Er selbst war ein hoher Mann, breitschultrig mit offenem Antlitz unter seinem grauen Haar. Er trug die wollene Hausjacke über *) Im Eichwald der Haardt bei Schnepfenthal (Waltershausen); von Gustav Freytag als Schauplatz gewählt.

5. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 138

1911 - Erfurt : Keyser
— 138 — an der Leite trug, ein vertrauter Knecht. Oben auf der Burg aber wartete ihm ein Edelknabe auf. Der Schloßgast streifte zur Erholung am liebsten durch deu herrlichen Sommerwald und versuchte selbst, ein Weidmann zu werden. Doch er konnte der Jagd keinen Geschmack abgewinnen. Die armen, gehetzten Tiere taten ihm leid, und als die Hunde ein mal ein Junghäslein, das der Junker vor dem Tode gerettet und in seinem Mantel geborgen hatte, aufstöberten und zerrissen, warf er die Armbrust für immer fort. Viel lieber lauschte er den vielen Vogelstimmen des Waldes, erfreute er sein Auge an der Blumen Pracht des Sommers und an der herrlichen Aussicht von der Höhe der Burg. Als die verräterische Tonsur (geschorene Stelle aus dem Scheitel» von Haaren verdeckt war, ritt er, um sich Bewegung zu machen, zu Tal bis Gotha und Reinhardsbrunn, ia sogar bis nach Ersurt ist er von der Wartburg gekommen. Der Knecht, der ihn begleitete, hatte aber von dem Schloßhauptmann für diese weiten Ritte besondere Weisungen erhalten. Wenu der Ritter einmal mit den Leuten ein eifriges Zwiegespräch hielt, wenn er sich gar als Mönch oder Gottesmann zeigen wollte oder ein Buch aus der Tasche zog, führte der Knecht schleunigst das Pferd vor, und Luther folgte dem verständlichen Winke. In Erfurt: Also soll es einmal zu Erfurt in der „hohen Lilie" geschehen sein. Als da über der Mahlzeit Luthers gedacht wurde, fragte er: „Was hat denn Luther alles gesagt und ge- tan?" Darüber kam es zu einer scharfen Auseinandersetzung. Der Knecht aber ries ihn alsbald von der Tafel ab und erinnerte ihn, daß er sich nicht verraten, sondern bald sortreiten möchte, welchem Rat er auch folgte. Bibelübersetzung: Die meiste Zeit des Tages faß Luther aber auf dem Drehstuhle vor dem Schreibtisch. Er hatte ein schwieriges Werk begonnen, die Uebersetznng des Neuen Testamentes aus dem griechischen Urtext. In drei Monaten seines Ansenthaltes vollendete er das gewaltige Werk. Im September 1522 waren 5000 Stück gedruckt und trotz des hohen Preises von iy2 Gulden innerhalb derselben Zeit verkauft. Rückkehr: Am 1. März 1522 verließ er die gastliche Wart- burg und traf am 6. März in Wittenberg ein. Hoch zu Roß und ohne alle Heimlichkeit hielt er allda seinen Einzug. (Nach Joh. Dose.) 41. Die Einführung der Reformation in Erfurt. Verkündigung der Bannbulle in Erfurt: Luthers Thesen wurden am 11. November 1517 in Erfurt bekannt. Nun galt es auch hier, sich für oder gegen sie zu entscheiden. Luther selbst war viel daran gelegen, die Professoren der berühmten Universität auf seiner Seite zu haben. Doch sein Wunsch erfüllte sich

6. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 128

1906 - München : Oldenbourg
128 27. Eine Festschule der Meistersinger. die sagenhafte Überlieferung ohne sich um geschichtliche Widersprüche zu kümmern weiter berichtete. „Es waren teils Gelehrte teils Ritter und Bürger. Einer war ein Glasbrenner, einer ein Schmied, einer ein Musikant, einer ein Fischer, einer ein Leiler; aber von diesen ist nichts weiter zu erzählen, desto mehr aber von dem Ritter Wolfram von Eschenbach, von Nikolaus Klingsor, der freien Künste Magister, von Walter von der Vogelweide, von Heinrich von Ofterdingen aus Eisenach und von Heinrich Franenlob aus Meißen, der heiligen Schrift Doktor zu Mainz. Dieser erhob mit unsterblichen Gesängen der Frauen Schönheit und Sittigkeit und zum Dank trugen ihn dieselben in Mainz zu Grabe, denn nicht dem Lebenden allein sondern auch dem Toten sollte ihre Tugend offenbar werden. Im Dom zeigt man noch seinen Leichenstein, den die Frauen mit Lränen und Wein benetzten. Von ihm leiten wir unsere Kunst her; denn er stiftete einen Verein von Dichtern und Freunden des Singens, 'unterrichtete «Lchüler und die Schüler wurden wieder Meister und so bis auf den heutigen Tag." „Set, so ist es," fuhr wohl ein anderer fort; „wir sind Bürger und Handwerker und treiben nebenbei die Kunst; zu Siugergesellschafteu vereinigt haben wir unsere Regeln und richten uns nach den Vorschriften unserer löblichen Zunft. Wer die Kunst erlernen will, der geht zu einem Meister, der wenigstens einmal in der Singschule den Preis gewann, und dieser unterweist ihn unentgeltlich. Er lehrt, was es heißt zur Ehre der Religion singen, und weiht ihn ein in die Geheimnisse der Tabulatur, wie wir die Gesetze unserer Lingkuust nennen. Hat er sich wohlgehalten, die Lehrsätze und eine ziem-liche Anzahl von Tönen, insonderheit die vier gekrönten, begriffen, so wird er auf der Zech oder in dem Wirtshaus, wo die gewöhnlichen Zusammenkünfte geschehen, gemeinlich am St. Thomastage, der Gesellschaft durch den Lehrmeister vorgestellt mit der Bitte ihn aufzunehmen. Darauf stellen die „Merker" eine Prüfung mit ihm an und erforschen, ob er ehelicher Geburt, stillen und ehrbaren Wandels sei und die Singschule stets besucht habe; sie machen eine Probe mit ihm, ob er die Kunst genugsam gelernt und wisse, was es mit den Reimen nach Zahl, Maß und Bindung für eine Beschaffenheit habe, ob er mit der gehörigen Zahl von Tönen bekannt sei und im Notfälle ein Lied „merken" sönne. Man gibt ihm dabei im Singen sieben Silben vor; wenn er darüber vergingt, kann er nicht ausgenommen werden, gelingt ihm aber die Probe, so wird sein Wunsch gewährt. Feierlich gelobt er der Kunst stets treu zu sein, die Ehre der Gesellschaft wahrzunehmen, sich stets friedlich zu betragen und kein Meisterlied durch Absingen auf der Gaffe zu entweihen. Dann zahlt er das Einschreibegeld und gibt zwei Maß Wein zum besten. Hat er sich eine Zeitlang auf den Schulen zur Zufriedenheit der Meister hören lassen und auch sonst untadelhaft verhalten, kann er um die Freiung auf den Ätuhl anhalten, dal; er auf offener Singschule freigesprochen und für einen

7. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 96

1906 - München : Oldenbourg
96 22. Kloster Ettal und der Pfaffenwinkel. schießen, Birschen, Beizen und Jagen üben durften, so waren sie nicht minder-geistlicher Zucht unterworfen. Jeglicher hatte die Pflicht bei der Frühmette und bei allen Tageszeiten des Chores in der Kirche zu erscheinen und fünfmal im Jahre „unsers Herrn Leichnamen" zu empfangen. Kein Glücksspiel war erlaubt, „weder Wurfzabel uoch kheiu ander Spiel umb Gelt". Trunkenheit und wüstes Leben waren höchlich verpönt, bei Tische herrschte lautlose Stille, die nur des Vorlesers Stimme unterbrach, der in deutscher Sprache etwas berichten mußte „daz gütlich sei". Die Kinder, welche auf der Hofstatt geboren wurden, durften nur 3 Jahre bei ihren Eltern weilen, „nit länger", dann mußten sie auswärts in Pflege kommen. Die Ritter verpflichteten sich in ihrer Kleidung keine anderen Farben zu tragen denn blau und grau, die Frauen nur blan. Also war des Stiftes Leben geordnet bis zum kleinsten herab. Welchen Idealen wollte der Kaiser in dieser eigenartigen Stiftung feste Gestaltung verleihen? War es wirklich seine Absicht in der einsamen Bergeswildnis einen Gralstempel erstehen zu lassen? Sicherlich lebte noch in Ludwigs Brust die Erinnerung fort an den „Parzival" des Dichters Wolfram von Eschenbach, der ja selbst ein Ritter aus Bayerland gewesen, wohl mag auch er, gleich seinen Zeitgenossen, dieses hohe Lied des Rittertums wertgehalten haben, dessen bestrickender mystischer Zauber uns modernen Menschen durch die Werke des tongewaltigen Meisters von Bayreuth, durch „Lohengrin" und „Parsival" wieder so nahe gerückt worden ist und dessen geistigen Mittelpunkt der Gral und der Berg der Erlösung Murtsalväsche1) bilden. Der Gral, jene wuudersame Schüssel, welche Christi Hand beim Abendmahle berührte, in der Joseph von Arimathüa das Blut des Erlösers aufgefangen und zu der alljährlich vom Himmel eine Taube herniederstieg um ihre Wunderkraft neu zu stärken, die hochragende Heilsburg Munsalväsche mit ihrem weithinleuchtenden Tempel, wo die Templeisen des heiligen Hortes warten, ein auserwählter Kreis von geistlichen Rittern, welche aller weltlichen Minne entsagt haben und denen in keuscher Gemeinschaft eine Schar von edlen Jungfrauen und von Priestern zugesellt ist. Unwillkürlich schweifen unsere Gedanken in *) „Man darf mit Sicherheit annehmen, daß der Gedanke ein ,Monsalwcitsch* zu gründen schon in der Jugendzeit des hochgemuten Kaisers entstand, als ihn die Kenntnisnahme von Parzival und der Gralsage begeistert hatte, daß aber die poetische Idee erst auf seinem Römerzuge zur Reife gedieh, als er unter vielen anderen Baptisterialbauten namentlich die glänzenden Bauschöpfungen der Ghibellinenstadt Pisa kennen lernte. Die näheren Umstände der Gründung sind legendarisch, geradezu rührend aber ist die Sage, wonach der gebannte Kaiser das marmorne Weihebild, wohl ein piionisches Werk, auf dem Sattelbogen durch Oberitalien und Tirol herausbrachte und auf dem langen Wege den Plan der zwölfeckigen Rotunde ersann. Er scheint sich demnach, wie fünf Jahrhunderte später Kronprinz Ludwig in Tilsit, auch in schwerbedrängter Zeit mit Fragen der Kunst beschäftigt zu haben." Franz V. Reber, „Die Anfänge der Kunstpflege des Wittelsbachischeu Hauses." 1901.

8. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 103

1906 - München : Oldenbourg
24. Die Residenzen der bayerischen Herzoge. 103 erbaut haben; er hielt sich jedoch nur zeitweise in München auf, weilte vielmehr abwechselnd in den verschiedenen bayerischen und pfälzischen Städten oder auch am königlichen Hofe. Von seinen Söhnen und Nachfolgern, besonders von Kaiser Ludwig dem Bayern, erhielt München viele wichtige Privilegs. In Niederbayern regierten Heinrich und seine Nachkommen. Landshut blieb wohl die erste Stadt des Landes, ohne jedoch ständige Residenz des Herzogs zu sein. Eine Hofordnung vom Jahre 1293 bestimmt, daß der Herzog mit seinem Hofe „allermeist zu Landshut, Straubing und Burghausen wohnen soll". Indes wurde diese Verordnung keineswegs streng beobachtet. Die Herzoge — damals regierten die Söhne Heinrichs, Otto, Ludwig und Stephan gemeinsam — weilten mit ihrem Hofe nach wie vor hier und dort im Lande anf längere oder kürzere Zeit. Nicht selten wurden auch die Klöster mit einem Besuche bedacht. Vom Kloster Aldersbach bei Vilshoseu ist noch ein Rechnungsbuch vom Ende des 13. und Ansang des 14. Jahrhunderts erhalten, worin wiederholt Einträge über die Anwesenheit des herzoglichen Hofes und die dem Kloster dadurch erwachsenen Un- Der rate Hof. kosten sich finden. Mitunter scheinen diese Besuche sehr unerwartet gekommen zu sein. So wird uns einmal berichtet, daß Herzog Stephan, der seiner Gemahlin Jnta zu Ehren einen großen Jagdzug veranstaltete, am 14. September 1300 während des Hauptgottesdienstes unverhofft ins Kloster kam und mit seinem zahlreichen Gefolge, Männern und Frauen, die ganze Kirche bis zum Hochaltar vor erfüllte. Entrüstet unterbrach der zelebrierende Priester, der eben mit dem Gloria begonnen hatte, die Messe; die Mönche löschten alle Lichter aus und entblößten die Altäre. Der Herzog, darüber ausgebracht, verließ mit den Seinen die Kirche; doch gelang es später dem Abt, der zur Zeit des Vorfalles abwesend war, und einigen Edlen ihn wieder zu versöhnen. Übrigens erwiesen sich die bayerischen Herzoge gegen die Klöster auch erkenntlich; Güterschenkungen und Verleihung von Privilegien, besonders Zollfreiheit für die

9. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 272

1906 - München : Oldenbourg
272 50. Träume sind Schäume. Ohne die weiteren Entschuldigungen des Hofmannes anzuhören hatte sich Max ©mannet, von einer schrecklichen Angst ergriffen, ins Gemach des Herzogs begeben. Kaum aber war der Kurfürst dort angelangt, als die Kunde von der ernstlichen Wendung, welche das vermeintliche Unwohlsein des künftigen Königs von Spanien zu nehmen drohte, gleich einem Blitzstrahl in das fröhliche Treiben der Gäste drang. An Stelle des sorglosen Lächelns und der fröhlichen Festlaune war jetzt auf einmal Angst und Bestürzung auf allen Gesichtern zu lesen. In kurzer Frist waren die Festsäle, in denen soeben noch bei Kerzenglanz und Blumenduft und den lockenden Klängen der Musik die Siuue sich gesättigt hatten, verödet. Wie wenn der rauhe Herbstwind über die blumengeschmückten Fluren streicht 'und mit eisigem Hauche Duft und Farbe tütet, also war auch in den Palast des glücklichsten Mannes statt der alles belebenden Freude auf einmal die bleiche Sorge eingezogen. * Noch lag starre Finsternis über der Erde — man stand in den ersten Tagen des Februar — als in dem Palaste des königlichen Statthalters der Niederlande sich ein wahrhaft herzerschütterndes Ereignis vollzog. Der bayerische Erbprinz und künftige König Spaniens lag im Todeskampfe. Während ein ganzes Kollegium von Ärzten in den Nebenzimmern mit dem Aufgebote aller Kunst, die Wissenschaft und Erfahrung bot, dem Tode die vornehme Beute abzuringen bemüht war, kniete Max Emanuel am Bette des geliebten Kindes und mit tränenleeren Augen flehte er zu demjenigen um Erbarmen, der hier allein noch zu helfen vermochte. War es denn Wirklichkeit, was er da alles erlebte, oder hielt ein böser, entsetzlicher Traum die gemarterte Seele umfangen? Aber, bei Gottes Barmherzigkeit, es war kein Traum, es war grauenvolle Wirklichkeit. Fest hielt er die erkaltende Hand seines kleinen Lieblings in der seinigen. War denn all die Liebe seines väterlichen Herzens, das heiße, brennende Verlangen der sehnenden Brust nicht imstande den erbarmungslosen Tod von der Schwelle dieses Gemaches hinwegzubannen? „Mein Gott, mein Gott," rief der geängstete Vater aus und preßte die Hält de an die beiden Schläfen, als fürchtete er ein Zerspringen des im Fieber glühenden Hauptes, „nimm mich von dieser Welt hinweg, aber laß dies Kind, uuschuldsvoll wie deine Engel, am Lebeu und nimm mich dafür zum Opfer hin!" Aber die Bitte fand keine Erhörnng. Seit einer Stunde war Jofeph Ferdinand, der bayerische Kurprinz und Herzog von Asturien, tot. Aber Max Emanuel wollte nicht daran glauben. Wie geistesabwesend saß er noch in derselben Haltung ant Bette. Keiner der Höflinge wagte es, dem ungeheuren Schmerze diefes Mannes durch ein Wort des Trostes entgegenzutreten; so heilige Scheu hatte alles vor der Größe eines derartigen Schicksalsschlages.

10. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 537

1906 - München : Oldenbourg
112. Prinz Karl von Bayern. 537 sich in der Kunstgewerbeschule das Atelier Meister Krelings und die Sammlungen des Germanischen Museums, in welchem Direktor von Essenwein den Führer machte. Auch die Fleischmauusche Papiermachefabrik wurde der Ehre des allerhöchsten Besuches gewürdigt. Auf diesen Gängen war der König von seinem Bruder begleitet, welchen er, von dem Aufenthalte in der alten Noris so befriedigt, eingeladen hatte, an den letzten Tagen desselben noch teilzunehmen. Prinz Otto war am 5. dieser Einladung gefolgt und mittags auf der Burg eingetroffen. Das Interesse und die Huldiguugeu der Bevölkerung teilten sich nun zwischen den beiden fürstlichen Brüdern. Hatte schon die ideale Erscheinung des älteren, des Königs, alle Herzen erobert, so fielen dem jüngeren, der in noch größerer Schönheit zu blühen schien, fast noch mehr Triumphe zu. Auch Prinz Otto war, wo und mit wem er verkehrte, von bezaubernder Liebenswürdigkeit. So auch bei der großen Tafel, die am 8. gegeben wurde, und bei dem zweiten Konzerte im Rathanssaale, das am Abende desselben Tages König und Prinz besuchten. Am Samstag den 10. Dezember mittags 2 Uhr verließen die hohen Herrschaften Nürnberg unter den Versicherungen huldvollsteu Dankes für die Aufnahme, die sie dort gefunden, und dem Versprechen baldiger Wiederkehr, ein Versprechen, das dort und anderswo nie mehr eingelöst werden sollte. Reiche Geldspenden waren in allen vom Könige berührten Städten für die Armen und Kranken an die Bürgermeister ausgehändigt worden. Mit dem gleichen festlichen Gepräge, mit dem die Königsreise ihren Anfang genommen hatte, ging sie auch ihrem Ende zu. Auch auf dem Rückwege wurde der König an allen Stationen, namentlich in Augsburg, freudig begrüßt, in München selbst jubelnd empfangen. Und gleicher Empfang wurde ihm am Abende auch im Theater, das er noch besuchte. Dies war die einzige Königsreise, die König Ludwig in seinem Lande unternommen. Mochte er vielleicht auch in späteren Jahren noch ähnliche Entschlüsse gefaßt haben, zur Ausführung sind sie nicht mehr gekommen. 112. Prinz Karl von Bayern (f 16. August 1875). Von Karl Stieler. *) 3)te Zeit des Todes ist nicht der Augenblick um den historischen Inhalt eines Lebens zu erschöpfen, vor allem, wenn ein Leben über Generationen hinwegreicht. Aber es ist die Stunde, wo wir vielleicht am meisten das Bedürfnis fühlen die menschliche Gestalt, die ganze Persönlichkeit noch einmal voll zu l) „Aus Fremde und Heimat", S. 229 ff. Stuttgart 1886, A. Bonz.
   bis 10 von 4739 weiter»  »»
4739 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 4739 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 204
1 213
2 46
3 881
4 139
5 8793
6 40
7 710
8 40
9 153
10 1687
11 53
12 303
13 27
14 140
15 170
16 1666
17 9
18 27
19 228
20 77
21 94
22 127
23 33
24 147
25 68
26 301
27 277
28 163
29 109
30 304
31 63
32 46
33 1699
34 32
35 10
36 662
37 4241
38 175
39 994
40 23
41 30
42 57
43 400
44 36
45 2656
46 136
47 296
48 72
49 16

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 428
1 5977
2 196
3 1593
4 598
5 200
6 456
7 484
8 718
9 1301
10 167
11 406
12 1825
13 610
14 573
15 387
16 5065
17 28120
18 128
19 3059
20 471
21 5242
22 796
23 2749
24 1169
25 890
26 2318
27 304
28 2676
29 622
30 235
31 562
32 691
33 510
34 514
35 898
36 1261
37 807
38 2203
39 8119
40 499
41 720
42 6023
43 903
44 137
45 12041
46 765
47 168
48 382
49 702
50 532
51 331
52 2894
53 470
54 4178
55 537
56 781
57 230
58 695
59 922
60 628
61 300
62 432
63 214
64 513
65 693
66 857
67 577
68 1817
69 1036
70 744
71 2438
72 924
73 409
74 238
75 3021
76 1927
77 16376
78 248
79 406
80 123
81 1150
82 4781
83 1140
84 2156
85 662
86 713
87 4739
88 530
89 213
90 1545
91 2036
92 13930
93 254
94 17043
95 617
96 325
97 221
98 3790
99 63

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 553
1 82
2 266
3 526
4 39
5 78
6 349
7 23
8 27
9 45
10 101
11 17
12 775
13 419
14 22
15 60
16 62
17 110
18 77
19 92
20 27
21 35
22 99
23 17
24 206
25 400
26 464
27 35
28 192
29 94
30 109
31 41
32 57
33 2746
34 122
35 168
36 43
37 30
38 23
39 408
40 87
41 404
42 481
43 2320
44 45
45 30
46 271
47 60
48 176
49 337
50 2174
51 2687
52 144
53 16
54 64
55 98
56 17
57 42
58 271
59 2892
60 22
61 569
62 153
63 45
64 135
65 1477
66 15
67 22
68 44
69 43
70 41
71 40
72 323
73 149
74 83
75 231
76 36
77 101
78 16
79 40
80 122
81 5609
82 816
83 47
84 140
85 143
86 23
87 31
88 31
89 233
90 40
91 107
92 93
93 14
94 44
95 22
96 43
97 400
98 48
99 105
100 4199
101 14
102 2723
103 26
104 50
105 32
106 371
107 52
108 15
109 18
110 615
111 1269
112 444
113 81
114 540
115 97
116 1102
117 20
118 102
119 27
120 215
121 429
122 48
123 1021
124 403
125 635
126 14
127 122
128 41
129 303
130 19
131 975
132 108
133 56
134 27
135 15
136 612
137 153
138 14
139 7
140 90
141 23
142 337
143 645
144 12
145 109
146 37
147 66
148 19
149 35
150 46
151 363
152 1351
153 13
154 836
155 256
156 204
157 293
158 43
159 59
160 27
161 404
162 36
163 90
164 39
165 53
166 525
167 701
168 647
169 727
170 42
171 179
172 195
173 724
174 7
175 2057
176 12
177 919
178 22
179 957
180 15
181 93
182 192
183 1632
184 64
185 99
186 20
187 110
188 29
189 104
190 211
191 59
192 80
193 18
194 130
195 133
196 7952
197 22
198 46
199 143