§. 10, 7. Ludwigs Xiv. Hof- und Privatleben. 157
Rocke mit leichter Stickerei, in einer reich verbrämten Atlasweste und
in Schuhen. Ringe trug er nicht, aber kostbare Steine an den Schuh-, Knie- und Hutschnallen. Ihr Wert ward aus acht Millionen Franken geschätzt. Den Kops bedeckte ein dreieckiger Hut mit Federn, unter welchem eine ungeheure Perrücke saß, die in gewaltigen Locken über den Rücken herabhing und das Gesicht fast ganz unkenntlich machte. Goldtressen, Halskrausen und Manschetten hoben den feinen Anzug, welcher den übrigen Kavalieren als Muster galt. Ebenso großartig war der Putz der Hofdamen, welche von Gold und Edelsteinen fast erdrückt wurden und dabei durch künstliche Mittel ihre Schönheit zu heben eifrig bemüht waren. Unter den Frauen bei Hose waren
außer der Königin Maria Theresia noch besondere Günstlinge und
Freundinnen (§. 17), wie die Marquise von Montespan, Fräulein von Iontagnes und Frau von Maintenon, die einflußreichste von allen.
Ludwigs Tagesordnung war genau bestimmt. Infolge der Nachtschwärmereien verließ Ludwig nie vor neun Uhr das Lager. Nachdem er vom ersten Kammerdiener geweckt worden war, trat die Oberhofmeisterin herein und küßte ihn nach einem alten abergläubischen Brauch. Bald erschienen eine ziemliche Anzahl von Hofleuten, teils um den König zu unterhalten, teils um ihm bei der Toilette behilflich zu sein, oder mit ihm zu beten. Nach der Messe ging der König ins Kabinett, wo Ministerrat gehalten wurde. Er speiste allein; sein Bruder, seine Söhne und Enkel sahen ihm stehend zu. Nach Tische wurden die Hunde gefüttert; Spiel oder Ausfahrten kürzten den Rest des Tages. Das Abendessen war glänzender als das Mittagessen; es begann um zehn Uhr. Ein Kammerdiener las die Namen deret vor, welche zur Tafel gezogen wurden. Gewöhnlich waren zu dieser Ehre außer den Prinzen und Prinzessinnen die ersten Hofchargen ausersehen. Nach Tische unterhielt sich der König im Speisesaale noch einige Zeit, dann zog er sich in sein Schlafzimmer zurück, wohin ihm die nämlichen Diener und Priester folgten, welche ihm beim Ausstehen und Ankleiden behilflich gewesen waren.
In den letzten Jahren seines Lebens mußte Ludwig noch die traurigsten Erfahrungen machen. 1711 starb sein ältester Sohn Ludwig in seinem 50. Jahre an den Blattern. Seine Enkel, welche der gelehrte A666 Fenelon erzogen hatte, folgten dem Vater 1712 und 1714 in den Tod. Ein dritter Enkel, Philipp V., saß auf dem spanischen Throne und war deshalb von der Thronfolge in Frankreich ausgeschlossen. So blieb zuletzt nur ein Erbe übrig, Ludwigs Urenkel, Ludwig Xv., ein Knabe von fünf Jahren. Der
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Niedersachsen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Neuzeit
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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zwischen denselben die reich betreßten Diener umher, jedes
Winkes der hohen und höchsten Herrschaften gewärtig.
In dem großen Empsangsaale stand der Kurfürst mit dem Kurprinzen und verschiedenen Herren des Hofes und des hohen Adels in lebhafter Unterhaltung. Dieselbe drehte sich um die neuesten Ereignisse auf dem Kriegsschauplätze in Ungarn und am Rhein, wo auch kurhannoversche Truppen zusammen mit kurbraudeuburgischen und kaiserlichen gegen die gemeinsamen Feinde fochten. Graf Königsmark befand sich ebenfalls unter dieser Gruppe. Er war heute strahlender als jemals. Die knappe, stattliche Uniform mit der breiten gelb-weißen
Schärpe stand vorzüglich zu dem jugendfrischen Gesichte; die linke Hand ruhte auf dem Degenknopfe, während er mit der rechten die Enden seines Schnurrbartes drehte. Ja, zweifellos, er war die herrlichste Erscheinung am ganzen Hofe, und es war kein Wunder, daß die Augen der Damen mit Wohlgefallen auf ihm ruhten.
Ein heiterer Tusch verkündete jetzt die Ankunft der Kurfürstin und der Damen des Hofes. Galant ging der Kurfürst seiner Gemahlin entgegen, reichte ihr die Hand und geleitete sie zu ihrem Sitze, und dasselbe that der Kurprinz mit seiner Gemahlin. War Königsmark unter den Herren, so war gewiß Sophie Dorothea die glänzenbste Erscheinung unter den Frauen. Wunberbar herrlich kleibete sie das langschleppende Gewand aus hellblauer Seide; in ihren Haaren schimmerten, gleich Tautropfen, glänzende Diamanten, den schönen Hals schmückte eine Perlenschnur. Aber ihr Gesicht war, wie gewöhnlich, ernst, mit einem Zuge der Trauer, der nur verschwanb, wenn ihr Auge dem des stattlichen Offiziers begegnete, welcher wohl der einzige in dieser Gesellschaft war, der ein Verständnis hatte für ihren Kummer. Daun begannen die bei solchen Gelegenheiten üblichen Begrüßungen und Vorstellungen, während welcher Zeit die Musikanten ihre Instrumente stimmten, um gleich darauf die erste Polonaise zu beginnen.
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Regionen (OPAC): Niedersachsen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Neuzeit
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Konfession (WdK): offen für alle
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Die Paare ordneten sich zum Rundgang durch den Saal. Die Hofsitte erforderte es, daß jeder der verheirateten Herren den ersten Tanz mit seiner Gemahlin tanzte, während es der ledigen Jugend überlassen blieb, sich eine Tänzerin unter den vorhandenen Damen auszuwählen. Voran schritt der Kurfürst mit seiner Gemahlin, ihm folgten der Kurprinz und die Kurprinzessin, an welche sich alsdann in langer Reihe die übrigen Damen und Herren anschlossen. Königsmark reichte dem Fräulein von dem Knesebek seine Hand. Sie war freilich wohl am einfachsten gekleidet von sämtlichen Hofdamen, aber dennoch war sie es, die dem Grafen am besten gefiel. Er hatte in dem langen Umgange mit ihr ihre hohen Tugenden schätzen gelernt und fühlte eine herzliche Zuneigung zu der Jungfrau, die mit ihm eins war in der Liebe und Verehrung der unglücklichen Prinzessin, ihrer Herrin. Ein holdes Lächeln umspielte die Lippen Eva's, als sie an der Seite des schonen Mannes durch den Saal schritt; leicht zitterte ihre Hand in der seinigen. Königsmark fühlte es; er beugte sich zu ihr und flüsterte: „Sie zittern, mein Fräulein; droht von irgend einer Seite Gefahr?" Eva schlug errötend die Augen zu ihm auf. „Die Lnst am Tanze ist's, die mich vor Freude zittern macht", sagte sie. „Ach schelten sie mich, Herr Graf; ist es nicht Unrecht, an mich zu denken, wo ich nur Augen haben sollte für meine Gebieterin? Ich kann Ihnen jetzt nicht viel sagen; versuchen Sie aber nach dem Tanze sich mir in unauffälliger Weise zu nähern; ich habe Ihnen etwas mitzuteilen". Königsmark nickte leise mit dem Kopfe; es war im Augenblicke nicht möglich,_ nähere Aufklärung zu erhalten. Nach dem Tanze geleitete er seine Dame zu ihrem Sitze und blieb hinter ihrem Stuhle stehen, und Eva flüsterte: „Seien Sie auf der Hut, Königsmark. Die Platen führt Böses im Schilde. Zwar weiß ich nicht, was sie plant; aber ich sah sie vorhin mit ihrer Schwester sprechen, und wenn die beiden sich beraten, so ist es nichts Gutes, was sie vorhaben. Sie schwiegen beide, als ich mich ihnen näherte, aber ich merkte wohl
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Niedersachsen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Inhalt: Zeit: Neuzeit
Geschlecht (WdK): koedukativ
Konfession (WdK): offen für alle
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den spöttischen, boshaften Blick, den sie mir zuwarfen. Darum Vorsicht, Graf, halten Sie die Augen offen!" „Seien Sie ohne Sorge, gnädiges Fräulein", erwiderte Königsmark; „ich habe meine Augen überall. Ich werde die Gräfin um den nächsten Tanz bitten, und mich bemühen, recht liebenswürdig zu sein; wer weiß, ob sie mich dann nicht zur Mitwisserin ihres Geheimnisses macht. Ich danke Ihnen für den Wink". Mit diesen Worten verbeugte er sich vor Eva und schritt geradeswegs auf die Gräfin Platen zu, und seiner Bitte um den nächsten Tanz wurde von der eitlen Frau mit Freuden entsprochen. Alsdann begab er sich zu einigen Herren, die seitwärts in einem Nebensaal bereits am Spieltische saßen, während die Gräfin sich einer Gruppe von Damen näherte, die sich in der Nähe der Kurprinzessin befanden.
Zufällig geschah es, daß eine der Damen die prächtigen gestickten Handschuhe bewunderte, welche die Prinzessin trug. Dieselben waren ein Geschenk des Kurprinzen an seine Gemahlin, und Sophie Dorothea hielt dieselben besonders wert, weil sie noch aus der Zeit stammten, wo sie gehofft hatte, ein reines, ungetrübtes Glück an der Seite ihres Gatten zu genießen. Diese Hoffnung war zwar längst begraben, aber dennoch — oder deshalb — bewahrte sie die Andenken aus dieser Zeit als eine Art Heiligtum. Da auch die andern Damen die Handschuhe zu sehen wünschten, so streifte die Prinzessin in leutseliger Weise einen derselben von ihrer Hand und reichte ihn herum. So gelangte das kleine Kunstwerk auch in die Hände der Gräfin Platen. Kaum hatte diese einen Blick darauf geworfen, als auch schon der finstere Plan in ihr entstand, diesen Handschuh zu gebrauchen, um die Prinzessin zu verdächtigen. Sie trug Handschuhe von ähnlicher Farbe und mit ähnlicher Stickerei; unbemerkt streifte sie einen derselben ab und vertauschte ihn geschwind, und als nun der Handschuh zu der Prinzessin zurückgelangte, nahm diese denselben arglos hin, ohne ihn weiter zu beachten. In diesem Augenblicke stimmte das Orchester den folgenden Tanz an, und Königomark
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Extrahierte Personennamen: Königsmark Eva Sophie_Dorothea
50
Bürgermeister Knipperdolling selbst übernahm hierbei die Stelle
des Scharfrichters. Das Volk zitterte, wenn der Schneider-
könig in voller Majestät durch die Straßen daherzog. In der
Rechten trug er das goldene Scepter, sein scharlachrother
Mantel blitzte von Gold und Juwelen. Ihm zur Seite gingen
schön geschmückte Edelknaben, die ein Schwert, eine Bibel, den
Reichsapfel und die Krone feierlichst vortrugen. Eine große
Schar bewaffneter Trabanten bildete die Leibwache.
'Der König erließ den Befehl, sein neues Reich Israel
durch die Gewalt des Wortes und der Waffen über den ganzen
Erdkreis auszubreiten. Und sofort wurden zu diesem Zwecke
Apostel nach allen Weltgegenden ausgesandt. Fast alle aber
wurden, statt Bürger sür das neue Reich zu gewinnen, vom
Schwerte der Gerechtigkeit erreicht.
Das Belagerungsheer des Bischofes und einiger benach-
barten Fürsten machte unterdessen nur geringe Fortschritte.
Um so verderblicher aber wüthete der Hunger unter den Auf-
rührern, und die Grausamkeit des Königs, der jeden Tag mit
Hinrichtungen bezeichnete. Der ärmere Theil des Volkes,
welcher schon mit Wurzeln, Kräutern, Rinden und Baumblät-
tern sich behelfen mußte, umschwärmte mit bleichen, hohläugigen
Gesichtern den König, wenn er in seiner Pracht und Herr-
lichkeit durch die Straßen zog, und heulte um Vrod. Endlich
erbarmten sich zwei Bürger der unglücklichen Stadt. Sie
öffneten heimlich in der Nacht dem Belagerungsheere des
Bischofs und seiner Verbündeten die Thore, und die Aufrührer
erlagen nach verzweiflungsvoller Gegenwehr. Rottmann fiel
im Kampfe, der König Johann von Leiden, wie auch sein
Scharfrichter Knipperdolling und sein Minister Krechting
wurden in ihren Verstecken ergriffen, unter großen Martern
hingerichtet, und ihre Leichname in eisernen Käfigen, der König
in der Mitte, an dem höchsten Thurm der Stadt aufgehängt.
Das war der Ausgang des Aufruhres. Diese Vorgänge
hatten die völlige Unterdrückung der Reformation und die
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Extrahierte Personennamen: Apostel Rottmann Johann_von_Leiden Johann Knipperdolling
87
Der achte Februar 1587 war der Tag ihrer Hinrichtung.
Die Nacht zuvor brachte sie größtenteils im Gebete zu. Um
acht Uhr Morgens trat ein Diener in den Kerker und zeigte ihr
an, daß die Stunde geschlagen habe. „Ich bin bereit!" war ihre
Antwort, und ihr Auge stralte Frieden. Sie bat flehentlichst um
einen Priester, der sie auf des Lebens letzten Gang begleite; allein
auch diese Tröstung ward ihr versagt. Mit einer Miene voll
Ruhe und Majestät durchschritt sie die Halle, die zu dem Saale
führte, wo das Blutgerüst ausgeschlagen war. Sie hatte ihre
reichste Kleidung angelegt, wie sie sich für eine verwittwete Kö-
nigin geziemte. Um den Hals trug sie eine Kette, an der ein
goldenes Kreuz befestigt war, am Gürtel hing ein Rosenkranz. In
ihrer Hand hielt sie ein Crucisix von Elfenbein. Aus dem Wege
fand sie ihren Haushofmeister Melville, dem seit mehren Wochen
der Zutritt zu ihr verboten war. Der alte Diener siel in die
Knie und weinte laut. Sie bot ihm liebreich die Hand. „Klage
nicht, — sprach sie — ehrlicher Mann, freue dich vielmehr;
denn Du wirst das Ende sehen von Maria Stuart's Leiden. Die
Welt, mein guter Melville, ist nur Eitelkeit, und ein Meer von
Thranen würde nicht hinreichen, ihre Trübsale zu beweinen. Gott
vergebe denen, die seit so langer Zeit nach meinem Blute dürsten,
wie der Hirsch nach der Quelle." — Dann brach sie in Thra-
nen aus und sprach: „Lebe wohl, guter Melville, lebe wohl!"
Als sie die Blutbühne bestiegen hatte, trat der Dechant von
Petersborugh zu ihr und ermahnte sie im Namen der Königin
Elisabeth, die katholische Religion abzuschwören. Maria bat ihn
wiederholt, sich selbst und sie nicht zu belästigen; er aber hörte
nicht auf zu reden und mit dem ewigen Höllenfeuec zu drohen.
Entschlossen, in der Religion, in welcher sie geboren und erzogen
war, zu sterben, sank sie auf ihre Kniee und betete voll Inbrunst
für die bedrängte Kirche, für ihren Sohn Jakob und für Elisa-
beth. — Dann wurden ihr die Augen verbunden, und die Henker
ergriffen sie bei den Armen und führten sie zum Blocke. Hier
kniete sie nieder und sprach wiederholt mit fester Stimme: „In
deine Hände, o Herr, befehle ich meinen Geist!" Das Schluchzen
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Extrahierte Personennamen: Melville Maria_Stuart's Maria Petersborugh Maria Jakob
— 204 —
Straßen mit Backwerk gehandelt. Le Fort, dessen Aufmerksamkeit er als ein munterer und kluger Bursche auf sich zog, hatte ihn zu seinem Diener angenommen; dann aber ihn, als er ausgezeichnete Talente verrieth, für den Staatsdienst herangebildet. Er nahm ihn mit sich auf Reisen und machte ihn auf alles Wichtige aufmerksam. Dieser neue Günstling des Czar schwang sich von Stufe zu Stufe empor; er wurde in der Folge erster Minister, Feldmarschall und Herzog; fast alle europäischen Höfe beeiferten sich, diesen mächtigen Günstling des russischen Kaisers durch glänzende Ehrenbezeugungen sich geneigt zu machen. Aber eben so tief sank er am Ende wieder.
Menzikow unterstützte den Czar bei seiner rastlosen Geschäftigkeit, die in der Fremde eingesammelten Erfahrungen in seinen Staat zu verpflanzen. Mit dem Aeußereu machte Peter den Anfang und verbot die langen Kleider und Bärte. Wenn einer mit einem langen Kleide nach alter Art durch's Thor gehen wollte, so mußte er entweder einen Zoll bezahlen, oder unter dem Thore niederknien und sich den Rand so weit abschneiden lassen, als er beim Knien auf der Erde schleppte. Nur die Geistlichen und Bauern durften Bärte tragen; Jeder andere aber mußte für diese Erlaubniß jährlich hundert Rubel zahlen. Ja,, auch jeder Bauer, der mit einem Barte in die Stadt kam, mußte unter dem Thore einen Zoll entrichten. Frü-her durfte keine russische Frau in die Gesellschaft der Männer kommen, sie war bloß auf ihr Haus beschränkt. Peter aber brachte die Sitte auf, daß jede Russin freien Zutritt in dieselbe hatte, sobald sie ausländische Kleidung trug, und führte so durch Annäherung der beiden Geschlechter einen feineren geselligeren Ton ein. Auch legte er Schulen und Buchdruckereien an, ließ die vorzüglichsten Werke des Auslandes in die russische Sprache übersetzen, munterte seine Russen auf, ihrer Bildung wegen in's Ausland zu reifen, so wie er es auch gern sah, daß gebildete Fremde in sein Reich kamen. Viele unter den alten Russen konnten sich anfangs in seine Neuerungen nicht finden und murr*
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dem Mädchen, daß es ihn vor einer Blutschuld bewahrt habe. Erließ aber, zu einer furchtbaren Warnung, vor ihrem Kloster acht und zwanzig Galgen ausrichten und hunbertfünfzig Schulbige aufhängen. Unter bicfen würden brei, welche überführt waren, sie in einer Bittschrift zur Besteigung des Thrones eingelaben zu haben, vor bett Fenstern ihrer Zelle, mit der Bittschrift in den Hänben, aufgeknüpft. Fast zweihunbert fielen als Opfer der Empörung; die unruhige Schar der Strelitzen warb ganz aufgehoben.
Nicht lange nachher starb Le Fort. Der Tod bieses ebelen Mannes versenkte den Czar in tiefe Trauer. Nun warb Menzikow sein Liebling. Dieser war der Sohn eines Lanbmannes in der Nähe von Moskau und hatte früher in den Straßen mit Backwerk gehanbelt. Le Fort, bessen Aufmerksamkeit er als ein munterer und kluger Bursche auf sich zog, hatte ihn zu seinem Diener angenommen, dann aber ihn, als er ausgezeichnete Talente verrieth, für den Staatsbienst herangebilbet. Er nahm ihn mit sich auf Reisen und machte ihn auf alles Wichtige aufmerksam. Dieser neue Günstling des Czar schwang sich von Stufe zu Stufe empor; er würde in der Folge erster Minister, Felbmarschall und Herzog; fast alle europäischen Höfe Geeiferten sich, biefen mächtigen Günstling des russischen Kaisers durch glänzenbe Ehrenbezeugungen sich geneigt zu machen. Aber eben so tief sank er ant Ende wieber.
Menzikow unterstützte den Czar bei seiner rastlosen Geschäftigkeit, die in der Fretnbe gesammelten Erfahrungen in seinen Staat zu verpflanzen. Mit dem Aeußeren machte Peter den Anfang und verbot die langen Kleiber und Bärte. Wenn einer mit einem langen Kleibe nach alter Art durch’s Thor gehen wollte, so mußte er entiveber einen Zoll bezahlen, ober unter dem Thore nieberfnien und sich den Ranb so weit abschneiben lassen, als er beim Knien auf der Erbe schleppte. Nur die Geistlichen und Bauern bürsten Bärte tragen; Jeber anbere aber mußte für diese Erlaubniß jährlich hunbert Rubel zahlen. Ja, auch jeber Bauer, der mit einem Barte in die Stadt kam, mußte unter dem Thore einen Zoll entrichten. Früher bürste keine russische Frau in die Gesellschaft der Männer kommen, sie war auf ihr Haus beschränkt; Peter aber brachte die Sitte auf, daß jebe Russin freien Zutritt in bieselbe hatte, so-balb sie auslänbische Kleibung trug, und führte so durch Annäherung der beiben Geschlechter einen feineren geselligeren Ton ein. Auch legte er Schulen und Bnchbrnckereien an, ließ die vorzüglichsten Werke des
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Extrahierte Personennamen: Menzikow Menzikow Peter Peter
Die Zeit der staatlichen Umwälzungen.
571
ihr gereicht, aus Furcht, sie könnte sich damit das Leben nehmen. Ihr einziger Zeitvertreib war, ihren Kerkermeistern beim Kartenspiel zuzuschauen oder einige Bücher zu lesen, die das Mitleid eines menschlicheren Wächters ihr zu verschaffen gewußt.
Trotz der strengen Überwachung war es einigen Freunden doch gelungen, Befreiungspläne ins Werk zu setzen, die freilich zweimal im letzten Augenblick an den überwachenden Polizisten scheiterten. Ans diesem Grunde wurde die Gefangene in einen anderen Raum gebracht und die Bewachung verschärft. Es wurde keine Frau mehr zum Dienst zugelassen, der Thorwächter mußte die Stelle versehen. Die Gendarmen blieben Tag und Nacht im Zimmer, durch eine einfache spanische Wand abgesondert; zwei Schildwachen standen unter den Fenstern im Hofe, unaufhörlich wurden Durchsuchungen im Kerker vorgenommen, abends gab es kein Licht mehr. Die Kleider der Königin sielen in Fetzen, sie hatte nur zwei, ein schwarzes und ein weißes,' beide gleich abgetragen, nur drei Hemden, von denen sie alle zehn Tage ein anderes anzog. Die Aufregungen, die Entbehrungen, die schlechte Luft und der Mangel an Bewegung hatten die Gesundheit der Gefangenen im hohen Grade angegriffen.
3. Prozeß der Königin. Schon seit zwei Monaten befand sich die Königin in dem Gefängnis, um vor das Revolutionstribunal geführt zu werden, aber noch hatte der Haß ihrer Feinde keine Anklage gegen sie versassen können. Endlich hatte der öffentliche Ankläger Beweise ihrer Schuld gefunden, am 14. Oktober begannen die Verhandlungen. Die Königin wurde angeklagt, daß sie
„1. boshafterweise und absichtlich im Einverständnis mit den Brüdern des Louis Capet und dem Eymimster Ealonne auf furchtbare Art die Finanzen Frankreichs verschleudert und unberechenbare Summen dem Kaiser habe zukommen lassen.
2. Sowohl selbst als durch ihre Agenten Verbindungen und Briefwechsel mit den Feinden der Republik unterhalten und ihnen die im Rate beschlossenen Angriffsund Feldzugspläne mitgeteilt zu haben.
3. Durch ihre Umtriebe und Ränke und die ihrer Agenten Verschwörungen gegen die innere und äußere Sicherheit Frankreichs angezettelt, zu diesem Zwecke auf verschiedenen Punkten der Republik den Bürgerkrieg entzündet und die Bürger gegen einander bewaffnet und dadurch das Blut einer unberechenbaren Zahl von Bürgern vergossen zu haben."
Die Beweise für diese Anklage hat der Ankläger nicht erbringen können, die Zeugen sollten sie bringen. Aber auch diese vermochten keine Beweise, sondern nur Verleumdungen vorzubringen, doch genügte es dem Gerichtshof, daß ein Zeuge aussagte, er hätte im Temple ein Gesangbuch mit einem Lesezeichen gefunden, auf welchem ein flammendes Herz mit einem Pfeil gemalt war und die Worte zu lesen waren: Jesu, miserere mei, und ein andrer Zeuge bekundete, der Königin wäre eines Tages eine Nelke zugesteckt worden, darin hätte sich ein Zettel gefunden, der sie zur Flucht ermunterte.
Trotzdem nichts erwiesen war und die Verteidiger der Königin ihre Schuldlosigkeit klarlegten, sprachen die Geschworenen das Schuldig aus und der Gerichtshof erkannte, daß Marie Antoinette von Österreich-Lothringen, Witwe nach Louis Capet, zum Tode verurteilt wird.
Die Königin blieb unempfindlich; kein Zucken in ihrem Gesichte, keine Thräne in ihren Augen. Gebrochen vor Ermüdung, durch Blutverlust erschöpft, durch Mangel an Nahrung geschwächt, hielt sie dennoch ihre Willenskraft aufrecht. Sie sprach kein
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