124
Vi. Das Zeitalter Kaiser Wilhelms Ii.
Sühne zu fordern. Die vereinigten Truppen haben die Ordnung wiederhergestellt; ein chinesischer Prinz erschien in Berlin, um Abbitte zu leisten; eine entsprechende Entschädigungssumme wurde festgesetzt.
Eine andre friedliche Erwerbung war 1890 gemacht worden. England trat an das Deutsche Reich die Insel Helgoland ab im Austausch gegen einige Besitzungen in Deutsch-Ostafrika.
Rußland hat seinen großen asiatischen Besitz durch die Sibirische Überlandbahn mit dem europäischen verbunden. Die Fahrt von Berlin bis Wladiwostok am Stillen Ozean dauert zwölf Tage.
Frankreich hat sich von den schweren Schlägen des Jahres 1870/71 überraschend schnell erholt. Besonders glücklich ist seine Kolonialpolitik. Es ist die vorherrschende Kolonialmacht in Nordwestafrika geworden;' die übrigen Mächte sind von der französischen umschlossen. Die Handelsstraßen der Sahara sind in Frankreichs Händen. Dazu kommt der ganze Osten von Hinterindien. Die Republik kann sich rühmen, daß sie 800 000 qkm Kolonialbesitz vom Kaiserreich übernommen hat und heute 10 Million qkm besitzt.
Eine Streitfrage um Marokko, wo Frankreich eine Schutzherrschaft begründen wollte, wurde 1906 durch die Konferenz von Algeciras in der Straße von Gibraltar beigelegt. Die deutsche Reichsregierung setzte mit Unterstützung Österreichs durch, daß Marokko dem Handel aller Völker offen blieb. Trotzdem sucht Frankreich dort ein Übergewicht zu bekommen.
Die erste Weltmacht der Erde ist England. Ihr Gebiet beträgt ein Sechstel der Erdoberfläche. Durch Gibraltar, Malta und Cypern beherrscht die englische Flotte das Mittelmeer; die meisten Aktien des Sueskanals hat die englische Regierung angekauft. Von Vorderindien und dem Westen Hinterindiens führt der englische König den Kaisertitel; der Zusammenhang der englischen Besitzungen in Ostafrika vom Kapland bis zu den Katarakten des Nil ist nur durch Deutsch-Ostafrika unterbrochen; dazu kommen die Kolonien in Westafrika, das nordamerikanische Kanada, ganz Australien und eine große Anzahl von Inseln und Inselgruppen. Australien, Kanada, Englisch-Südasrika haben eigne Ministerien und Volksvertretungen. Im Jahre 1901 folgte der Königin Viktoria ihr Sohn Eduard Vii., der meisterhaft verstanden hat, freundschaftliche Beziehungen zu Frankreich, Rußland und Japan zustande zu bringen. Der Gegensatz des Deutschen Reiches zu England ist wirtschaftlicher Art. Der Aufschwung unsrer Industrie hat England Abbruch getan. Deutsche Handelsschiffe gehen nach den Häsen der ganzen Erde, in denen bis vor kurzem Englands Schiffahrt, Handel und Industrie alleinherrschend waren. Ein deutsches Kabel wird von Emden über die Inseln Borkum, Teneriffa nach Brasilien gelegt. Den Freistaat Liberia in Westafrika berührend, wird eine Zweiglinie nach den deutschen Kolonien Togo, Kamerun und Südwestafrika weitergeführt, wodurch der deutsche Kabelverkehr nach Afrika unabhängig von der englischen Kabellinie wird. England war die Bank
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westlich an Algerien grenzenden, erzreichen und zum Teil fruchtbaren Sultanat hatten (1880) eine Anzahl Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, einen Vertrag geschlossen, der allen gleiche Gerechtsame einräumte. Unbekümmert darum einigte sich (1902) Frankreich mit Italien, daß jenes sich Marokko, dieses Tripolis sollte nehmen dürfen (s. 3), und (1904) mit England, das sich für die Zulassung der Franzosen in Marokko freie Hand in Ägypten ausbedang. Da landete (1905, Quf einer Mittelmeerreise) der deutsche Kaiser in der marokkanischen Stadt Tanger, um aller Idelt zu zeigen, daß Deutschland sich nicht bet= leite schieben lasse. Das hätte leicht zum Krieg führen können. Hb er Frankreich hielt sich noch nicht für stark genug, und Deutschland war friedliebend. Unter Zuziehung anderer Großmächte einigte man sich ^it knapper Not (1906) in einer zehnwöchigen Verhandlung zu Alge= faas (bei Gibraltar). Drei Jahre später schlossen sogar Deutschland Frankreich einen Sondere ertrag, der den Deutschen gestattete, die Eichen (Erzlager in Marokko auszubeuten und ungehindert Handel zu Reiben, den Franzosen aber die Sorge um Ruhe im Lande übertrug, °Qs heißt nötigenfalls die militärische Gewalt. Schon sehr bald (1911) 9ab den Franzosen ein Aufstand der (Eingeborenen den willkommenen "Nlaß, mit Heeresmacht von Casablanca nach Fes einzudringen. Da ^sandte Deutschland warnend das Kanonenboot „Panther" nach ^9<tdir. Wieder war Krieg in Sicht, und diesmal schien England den Franzosen beistehen zu wollen. Aber nochmals blieb der Friede erhalten, r^ch langen Verhandlungen überliefe Deutschland den Franzosen Marokko, wogegen ihm diese den südlich an die deutsche Kolonie ^merun grenzenden Teil von Französisch-Kongo abtraten, an Flächen« ^fang beinahe so groß wie das Königreich Preußen (It. 87, 4).
Die Franzosen waren nun nach (England die größte Kolonialmacht, Namentlich beherrschten sie von Tunis bis zum Atlantischen (Dzean das ,J|nen so bequem gelegene nordafrikanische Küstenland. Das sollte %en auch, so dachten die Franzosen, die schwarzen Hilfstruppen gegen eut!chland liefern. Denn unverhohlen, durch den Marokkohandel nur Noch verstärkt, blieb ihr Sinn auf Vergeltung, auf Edieber* e t oberung von€lfaß*£othrtngen gerichtet, ja, wie schon seit Jahrhunderten, auf (Erlangung desganzenltnfeenrheinufers. !& 6 e^ene ®ren3e gegen Deutschland hatten sie seit 1871 durch eine zu bezwingende Reihe großer und kleiner Festungen gesichert, k en^ger ihre belgische Grenze. Durch Belgien hindurch konnten also utlche Heere leichter nach Frankreich hinein als weiter südlich. So
Erzählungen aus der Weltgeschichte. Ii. flusg. A. 15
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Jahren nach dem Kriege freilich hatten die Franzosen noch genug mit sich selbst zu tun; aber ihr von der Natur so begünstigtes fruchtbares Land erholte sich erstaunlich schnell. Schon 1873 war die anfangs für fast unerschwinglich gehaltene Kriegsentschädigung von fünf Milliarden Franken bezahlt (vergl. Hr. 84, 2), schon 1878 konnte Frankreich eine tdeltausstellung in Paris veranstalten. Sein Geldüberfluß wurde so groß, daß es anderen Staaten wiederholt gewaltige Summen darleihen konnte, so an Rußland nach und nach für Rüstungen gegen Deutschland etwa 20 Milliarden Franken. Huch das französische £jeer und die Flotte Karnen schnell wieder in Ordnung. Mit den Deutschen aber nochmals allein anzubinden, wagten die Franzosen nicht, und Bundesgenossen hatten sie noch nicht.
Da begannen sie denn einstweilen die Gründung der neufranzösischen Kolonialmacht, ein um so merkwürdigerer Ehrgeiz, als die Bevölkerung Frankreichs immer mehr abnimmt, es ihm also nicht möglich ist, die neu gewonnenen Gebiete zu besiedeln und richtig auszunutzen. Zunächst (1881) legte Frankreich die Hand auf Tunis, das seiner älteren (1830—57 eroberten) Kolonie Algerien östlich benachbart ist; in einem kurzen Feldzug wurde der Bey zur Unterwerfung genötigt. Der Erfolg machte Lust nach weiterem, von 1882—1885 nahmen die Franzosen, aber unter schweren Kämpfen, den Chinesen Rnnam und Tonkin in Hinterindien ab. 1885—1895 eroberten sie die große schöne Insel Madagaskar und 1893 das Negerreich D a h o m e in Guinea. Die Entdeckungsreisen des Grafen de Brazza (1875—1892) führten zur Gründung von Französisch-Kongo. Die zu diesen Feldzügen in einem oft mörderischen heißen Klima nötigen Truppen stellte die französische Fremdenlegion, gebildet aus abenteuerlustigen Angehörigen aller Länder. Unter diesen leichtsinnigen und törichten Leuten, die für ein Spottgeld Gesundheit und Leben verkauften, befanden sich leider auch viele Deutsche. Über alle diese Eroberungen haben sich die Franzosen mit den (Engländern und Deutschen leicht verständigt. Rls aber (1898) eine französische Truppe vom Senegal her am oberen Nil, infaschoda, erschien, da widersprachen die (Eng* länder, die soeben den Sudan erobert hatten. Die sonst so stolzen Franzosen gaben demütig nach; sie versprachen, die Wasserscheide zwischen Kongo und Nil nicht mehr zu überschreiten, denn sie rechneten für ihren Vergeltungskrieg gegen Deutschland auf Englands Freundschaft. Diese wurde ihnen auch gewährt, schon in dem deutsch-französischen Wettbewerb ummarokko. Mit diesem von jeher unabhängigen.
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I. Das Deutsche Reich in seinem Verhältnis zum Auslande. 179
Später aber hat sich Ferdinand dem Zaren unterworfen und (1908) den Königstitel angenommen.
Frankreich hat seit 1881 seinen auswärtigen Besitz bedeutend erweitert: es hat sein Protektorat über Tunis errichtet, hat Tongking (unter der Verwaltung Ferrys), sowie Landstriche am Senegal und obern Niger bis Timbuktu und n. vom Congo erworben und Dahome und Madagaskar unter französische Schutzherrschaft gestellt. Im April 1904 traf Frankreich (Delcasse) mit England ein Abkommen, das diesem in Ägypten, jenem in Marokko, wo ziemlich verworrene Zustände herrschen, freie Hand ließ. Der Umstand, daß dieser Vertrag Deutschland nicht in der üblichen Form mitgeteilt wurde, veranlaßte dessen Einspruch, und eine zeitlang schien ein Krieg ausbrechen zu sollen.
Die Beschlüsse der internationalen Konferenz in Algeciras (unweit Gibraltar) (April 1906) ordneten die Angelegenheiten Marokkos; bei den Verhandlungen zeigte es sich, daß Deutschland nur Österreich-Ungarn auf seiner Seite hatte.
Auch Italien hat trotz den schweren Schäden seiner Volkswirtschaft koloniale Eroberungen gemacht und Assab und Massaua am Roten Meer besetzt, hat aber dann in einem Kriege mit Abessynien eine schwere Niederlage erlitten. Über die deutschen Kolonien s. § 149.
Die Vereinigten Staaten sind seit der siegreichen Beendigung ihres Krieges mit Spanien (1898), der ihnen die Herrschaft über Cuba und den Besitz von Puertorico und den Philippinen einbrachte, in das System der Großmächte eingetreten.
3. Der russisch-japanische Krieg und die russische Revolution. § 142. a) Das Vordringen Rußlands in Asien und die Wirren in Ostasien. Seit den 50er Jahren war Rußland in Zentralasien stetig vorgedrungen. Die Russen hatten ihre Macht über Turkestan {Samarkand, Buchara, Chiwa) ausgedehnt, das Gebiet von Merw bis zur Grenze von Persien und Afghanistan (1884) und den größten Teil des Pamirplateaus (1893) besetzt, wo ihre Macht sich mit der englischen berührte, und begannen (1896) mit dem Bau der sibirischen Eisenbahn. In Ostasien erwarben sie (1858/60) von China das Amurgebiet und die Küstenprovinz, wo
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Autor: Borries, Emil von, Pfeifer, Wilhelm, Henkelmann, Karl, Brandt, Paul, Kienitz, Otto
Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
Regionen (OPAC): Hessen
Inhalt: Zeit: Neuzeit
Geschlecht (WdK): Jungen
222
Die neueste Zeit.
Erffnung des ersten hier abgehaltenen Parlaments das Werk seines Lebens, die Einigung Italiens, fr vollendet. Die Unabhngigkeit des Papsttums wurde durch das Garantiegesetz" gesichert.
Schwieriger war es, die innere Ordnung herzustellen. Die glck-liche Einigung des Landes hatte dem Lande eine groe Schuldenlast auf-geladen, und erst vor kurzem ist es gelungen, die Finanzen in Ordnung zu bringen.
Die Beziehungen zu Frankreich gestalteten sich ungnstig. Als 1881 die Republik das Gebiet von Tunis besetzte, das Italien zu seiner Jnter-essensphre rechnete, nherte sich die Regierung der deutschen und der sterreichischen und schlo mit ihnen 1883 ein Bndnis. Frankreichs Kn-digung des Handelsvertrags schlug dem Handel Italiens schwere Wunden.
1885 besetzte Italien den Hafen Massaua am Roten Meere, aber erst nach groen Opfern gelang es, die Kolonie Eritrea hier einzu-richten. Als es 1896 Abessinien angriff, erlitten seine Truppen mehrere sehr schwere Niederlagen, und es mute sich mit dem Kstengebiete begngen.
Da sich die Bevlkerung trotz starker Auswanderung sehr vermehrt und im Lande nicht gengend Arbeit findet, ist Unzufriedenheit weitver-breitet; sie hat sich wiederholt, zumal auf Sizilien, in Unruhen geuert.
Umberto (18781900), der Nachfolger Viktor Emanuels, erlag in Monza dem Attentat eines Anarchisten. Ihm folgte Viktoremanneliii.; unter seiner Regierung bewegt sich das Land in aufsteigender Entwicklung.
135. Frankreich. In Frankreich hat sich die Republik, die am 1. Mrz 1871 durch einen Beschlu der Nationalversammlung zu Bordeaux endgltig als die Regierungsform Frankreichs angenommen worden war, bis jetzt erhalten, und das reiche Land hat die Leiden des Krieges schnell berwunden. Der Wunsch, an Deutschland Rache zu nehmen, ist noch nicht erloschen. Die Republik ist zu einer der grten Militrmchte geworden und besitzt eine starke Flotte.
Seit 1880 etwa hat Frankreich angefangen, sich ein Kolonial-reich zu schaffen. Es verstrkte seine Stellung in Nordafrika durch die Besitzergreifung von Tunis und brachte Westafrika nrdlich vom Kongo zum grten Teile an sich, erwarb nicht ohne groe Opfer Tong-king und Annam in Hinterindien (1884) und Madagaskar (1896). Seine Stellung im Mittelmeer ist durch einen Vertrag mit England geregelt.
136. England im 19. Jahrhundert. Nach der napoleonischen Zeit war England der reichste Staat in Europa, dessen Industrie und Handel die Mrkte beherrschte.
Aus seiner inneren Entwicklung mgen folgende Punkte hervor-gehoben werden:
1801 kam die Union zwischen Grobritannien und Irland zustande; doch blieb ein scharfer Gegensatz zwischen der irischen Bevlkerung und den herrschenden Englndern bestehen.
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Die Entstehung des britischen Weltreichs. V 7281.
Ihre groe Eisenbahn haben die Englnder trotzdem schon bis der die Hlfte ausgefhrt.
5. Auch Italien hat sich eine Kolonie gesichert: Eritrea, am West-ufer des Roten Meeres. Der Kaiser von Abessinien hat sie anerkannt und den Italienern in seinem ganzen Reiche Handelsfreiheit gewhrt, ihnen spterhin auch einen groen und fruchtbaren Landstrich kuflich abgetreten. Neuerdings hat Italien die trkischen Wirren bentzt, um dem Osmotischen Reich in unerwartetem berfall Tripolitanien abzunehmen, in dessen 1911 Handelspltzen lngst italienischer Handel und italienische Schulen blhten.
Frankreich aber verstand nicht nur seinen Besitzstand in Hinter-asien (Tongking) bedeutend zu erweitern: es setzte sich auch auf der Insel Madagaskar fest und fate den ganzen Westen Nordafrikas, einschlie-lich der Sahara, von Algerien bis zum Niger, vom Senegal bis in den Sudan zu einem ungeheuern Kolonialreich zusammen.
8. Das britische Weltreich und der Burenkrieg (18991902).
1. In England war die politische und die wirtschaftliche Freiheit seit Jahrhunderten eingebrgert: die Selbstverwaltung der Gemeinden, die in Preußen erst durch Stein und Hardenberg eingefhrt worden ist, T;atte den Englndern schon die englische Revolution vom Jahre 1688 gebracht. Die Englisch-ostindische Handelsgesellschaft hat die vorderindische Halbinsel selb-stndig erobert und verwaltet und sie erst nach dem Krimkrieg dem Staat abgetreten; ein Vierteljahrhundert spter hat die Knigin Viktoria den Titel einer Kaiserin von Indien angenommen.
Dagegen fand die religise Duldung in England erst im neunzehnten Jahrhundert eine Sttte. Der eiserne Herzog" Wellington hat als leitender Minister den Katholiken, besonders den Irlndern, den Zutritt zum Parlament und zu den meisten Staatsmtern erffnet.
Die Irlnder waren von England hart behandelt worden. Der Druck der englischen Grundherren (Landlords), denen ihre Lndereien zugefallen waren, wurde noch lange schwer empfunden; noch in den achtziger Iahren des vorigen Jahrhunderts sah sich der besonders harte Kapitn Boycott ge-zwungen, das Land zu verlassen, weil kein Handwerker, kein Arbeiter mit ihm verkehrte. Fr die Selbstverwaltung der grnen Insel", die Home rule, die irische Abgeordnete im Parlament verlangten, hat sich der libe-rale Staatsmann Eladstone, der great old man, wiederholt eingesetzt,
ohne den Widerspruch des Unterhauses (House of Commons) und namentlich des Oberhauses (House of Lords) berwinden zu knnen. Erst in unseren Tagen scheint die Einfhrung des Heim-Regiments" zu ge-lingen, nachdem die Rechte des Oberhauses durch eine Verfassungsnde-rung stark beschrnkt worden sind.
Keller, Geschichte. Teil Iv 10
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238
Das Deutsche Reich und die Weltpolitik
Kolonial- Trotz der schweren inneren Wirren schritt die Vergrößerung des
reich französischen Kolonialbesitzes rüstig vorwärts. In Asien erhielt Frankreich Cochinchina und das Protektorat über Anam und Tongking. In Afrika stellte es 1881 Tunis unter seine Schutzherrschaft; dadurch fühlte sich Italien verletzt und schloß den Dreibund. Madagaskar wurde französisch, ebenso Timbuktu und Dahomey. Bei dem Vordringen weiter nach Osten geriet Frankreich in Englands ägyptische Interessensphäre (Faschoda). In einem Vertrag überließ es 1898 den Osten des Sudans uneingeschränkt an England und erhielt dafür den Westen mit Marokko als ausschließliche Interessensphäre. Diese Abmachungen haben 1911 zu einem Konflikt mit Deutschland geführt.
Äußere Seit 1893 ist Frankreich mit Rußland zum Zweibunde ver-
Polltlk einigt. Durch die Entente cordiale auch mit England befreundet, könnte es sich genügend gegen Deutschland gesichert glauben.
Ende des § 208. Italien. Auch nach der Begründung des Königreichs
staates Italien hörte auf der Apenninenhalbinsel die nationale Bewegung nicht auf. Die Niederlage Napoleons Iii. im deutsch-französischen Kriege beraubte den Papst seines mächtigsten Beschützers. Garibaldi nahm am 20. September 1870 Rom. Der Papst wurde mit einem Jahreseinkommen von 3 Mill. Franken zum „Gefangenen“ im Vatikan Nationale gemacht und der Kirchenstaat säkularisiert. Die nationale Bewegung rungen nahm seitdem immer mehr einen chauvinistischen Charakter an. Die Irredentisten verlangten die Erlösung aller italienisch sprechenden Gebiete Südtirols, der Ostküste des Adriatischen Meeres, der Südschweiz, der italienisch sprechenden Mittelmeerinseln und der Grenzgebiete in Frankreich von der Fremdherrschaft. Die von König Humbert^ Humbert begonnene Kolonialpolitik war nicht besonders fruchtbar Koloniale un<^ vermochte daher die nationalistischen Regungen nicht in andre Politik Bahnen zu lenken (Besetzung Massauas 1885, Eroberung Abessiniens 1889, Rückzug 1896). Versuche in Tripolis Fuß zu fassen haben 1911 zu einem Kriege mit der Türkei geführt, innere Die innere Kraft Italiens ist seit der Einigung beständig ge-
zustande wacfosen Regierung hat planvoll das Eisenbahnnetz ausgebaut, Sümpfe ausgetrocknet, die Kampagna angebaut und die neue Hauptstadt Rom mit Prachtbauten ausgestattet. Freilich wird die Sicherheit des Staates durch die Neigung der Italiener zu anarchistischen Umtrieben gefährdet (Ermordung König Humberts in Monza).
Politik Der Haupthaß der Bevölkerung richtet sich noch immer
Viktorema-gegen Österreich, wenn auch der neue König Viktor Emanuel Iii.
sich öffentlich zum Dreibund bekannt hat. Da Italien wegen seiner langen Küstenlinie auf die Freundschaft Englands angewiesen ist und es von altersher als romanischer Staat zu Frankreich neigt, treibt es eine Schaukelpolitik, die es nicht mit den Westmächten
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134.
England.
227
kommen schien: aber nach dem Kriege 1870/71 hrte Frankreich zunchst auf, fr England gefhrlich zu fein. Dieses fing alsbald an, den Hafen von Aden, den es seit 1839 besa, aber lange unbeachtet gelassen hatte, als Kriegshafen auszubauen und ihm dadurch die grte Bedeutung fr den Seeverkehr zwischen Indien und Europa zu verschaffen. Im Jahre 1882 tat es einen weiteren Schritt zur Ausbreitung seiner Herrschaft,
indem es sich nach der Beschieung von Alexandria in gypten festsetzte gypten und den Khedive von sich abhngig zu machen wute. Von hier aus drang es weiter sdwrts vor. Aber der Mahdi, ein mohammedanischer Prophet, der die Bevlkerung von Dar For und Kordofan gewann und gegen die Europer aufwiegelte, vernichtete ein von englischen Offizieren gefhrtes gyptisches Heer, schlo den englischen General Gordon in Chartum ein, eroberte die Stadt und ttete ihn (1885).
Die mohammedanischen Bewegungen bedeuten fr England eine groe Gefahr, da der König von England derjenige Herrscher ist, der die meisten Untertanen mohammedanischen Glaubens hat, die Welt des Islam aber unter sich in enger religiser Verbindung steht und fr Glaubenskriege noch heute zu gewinnen ist, endlich weil die Mohammedaner Anwohner der Strae durch das Rote Meer sind und durch eine Seemacht nicht niedergeworfen werden knnen. Es war daher zu erwarten, da England alles aufbieten wrde, um den Mahdi zu besiegen.
Erst 1898 fhrte der von General Kitchener sorgfltig vorbereitete Feldzug zur Vernichtung des Mahdi und seiner Anhnger in der Schlacht bei Omdnrman und zur Wiedergewinnung des gyptischen Sudan.
Seitdem ist die englische Macht in den quatorialen Gebieten vorge-drnngen, um einen berlandweg zum Viktoria-See und von da nach der Kste von Britisch-Ostasrika und dem Kaplande zu schaffen. Infolge der Kriegsdrohung Englands gab Frankreich feinen Versuch auf, sich in Faschoda (am oberen Nil) festzusetzen.
In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gewann Afrika fr England erhhte Bedeutung teils aus rnilitrifch-politifchen Grnden, da von Afrika aus die Verbindung zwischen dem Mutterlande und den Kolonien bedroht werden kann, Deutschland und Frankreich aber hier groe Besitzungen erworben haben, teils aus wirtschaftlichen Grnden, da der Goldreichtum des Sdens ungeheuer ist und diese weiten reichen und noch fast unberhrten Gebiete dem nach Beschftigung suchenden Kapital Gelegenheit zu lohnenden Anlagen bieten. Diese Grnde fhrten um die Wende des 19. Jahrhunderts zur Vernichtung des Oranjefreistaates und der Sdafrikanischen Republik durch den Burenkrieg. Seiner alten ^renweg Erfahrung in kolonialen Angelegenheiten, seinen hochentwickelten Trans-Portmitteln zur See und dem Reichtum der privaten Unternehmer ver-dankt es England, da die von ihm in Besitz genommenen Kolonien schnell emporblhen.
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230 Die Kolonialpolitik der Gromchte seit 1871. 136.
Frankreich. 136. Die brigen Kolonialmchte. Whrend England besonders seine afrikanischen Besitzungen vermehrte und Rußland seine Stellung in Asien zu verstrken suchte, ist Frankreich, namentlich seit dem Jahre 1880, in beiden Erdteilen bemht gewesen, sein Kolonialgebiet zu ver-grern. Nachdem es bereits 1881 Tunis, spter den grten Teil Westafrikas nrdlich vom Kongo und 1896 nach langen Kmpfen Madagaskar in Besitz genommen hat, sucht es neuerdings sich auch in Marokko den ausschlaggebenden Einflu zu sichern. Im Jahre 1883 ntigte es das Kaiserreich Ann am zur Abtretung der Provinz Tong-king, dehnte seine Schutzherrschaft auch der dieses Reich (wie schon frher der Cochiuchiua und Kambodscha) aus und fate schlielich (1887) seine hinterindischen Besitzungen zu einem einheitlichen Kolonialgebiet Frauzsisch-Jndochina" zusammen. Seine Stellung im Mittellndischen Meere ist durch einen Vertrag mit England geregelt.
Italien. Italien besetzte 1885 den Hafen Massaua am Roten Meere, ver-mochte aber erst nach groen Opfern daselbst die Kolonie Eritrea ein-zurichten. Bei einem Angriff auf Abessiuien (1896) erlitten seine Truppen so schwere Niederlagen, da es sich mit dem Kstengebiete begngen mute.
Union. Endlich sind auch die Bereinigten Staaten von Amerika in die
Reihe der Kolonialmchte eingetreten. Das unberhrte Land lieferte dem Ackerbau hohe Ertrge, der Reichtum an Bodenschtzen, Petroleum, Kohle, Eisenerzen, Silber und Gold ist fast unerschpflich, und unter hohen Schutzzllen entwickelte sich eine starke Industrie. Nachdem so die Vereinigten Staaten das reichste Land der Erde geworden waren, er-warben sie 1897 die Hawaii-Inseln und zwei Jahre spter einen Teil der Samoa-Jnseln. Unterdessen untersttzten sie auch Aufstnde, die kurz vorher auf Kuba und den Philippinen gegen die spanische Herr-
Krieg mit schaft ausgebrochen waren, und ntigten durch zwei siegreiche Seetreffen
0i898m die Spanier, im Frieden zu Paris gegen eine Geldentschdigung auf diese Inseln und auf Porto Rico zu verzichten (1898). Seitdem hat die Union mit rastlosem Eifer eine gewaltige Kriegsflotte gebaut.
Panama. Von den Vereinigten Staaten von Kolumbien in Sdamerika ri sich 1903 Panama als selbstndiger Staat los und stellte sich unter den Schutz der Union. Sie beabsichtigt, hier einen Kanal zwischen dem Groen und dem Atlantischen Ozean zu bauen, ein Werk, das eine franzsische Gesellschaft unter Lesseps vergeblich versucht hat. Dieser Seeweg wird fr den Handel mit den Pltzen an der Westkste von Nordamerika die grte Bedeutung haben und es den Vereinigten Staaten ermglichen, ihre pazifischen und atlantischen Geschwader im Kriegsfalle rasch zusammen-zuziehen.
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Extrahierte Personennamen: Porto_Rico
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich England Asien Frankreich Tunis Westafrikas Madagaskar Marokko Cochiuchiua Kambodscha England Italien Italien Massaua Eritrea Amerika Kuba Paris Panama Kolumbien Sdamerika Panama Atlantischen_Ozean Nordamerika
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b) europäische Schutzgebiete und Tributstaaten, (französische
Schutzstaaten sind das Königreich Madagaskar und das dem Namen nach
von einem Bey regierte Tunis; italienischer Schutzstaat ist das Kaiser-
reich Abessinien; türkischer Tributstaat ist das von den Engländern besetzte,
durch einen „Kedhive" regierte Ägypten und türkisches Vilajet ^Provinz^
das einem Pascha untergebene Tripolis mit Barka und Femn*),
c) europäische Besitzungen, Kolonien und Interessensphären
(der sieben europäischen Mächte England, Frankreich, Belgien, Spanien,
Portugal, Italien und des deutschen Reiches^).
Klima, llaturprobnhte und Kmohner.
§ 163. 1. Afrika verdient wegen der hohen Temperatur seines Innern
und weil es zu 4/5 in der heißen Zone liegt, den Namen des „Tropen-
kontinents". Die heißesten Striche liegen einige Grade nördlich vom Äquator.
Empfindlich für Eingeborene und Reisende sind die im Gegensatz zu dieser
Wärme merkwürdig tiefen Nachttemperaturen, die es im Winter in der heißen
Zone sogar zu Eisbildung kommen lassen. Die Jahreszeiten gliedern sich in
eine Regenzeit (während des höchsten Standes der Sonne: Oktober bis April
nördlich und April bis Oktober südlich vom Äquator; wo die Sonne zweimal
kulminiert, giebt es zwei Regenzeiten) und eine Trockenperiode. Am regen-
reichsten sind die Gebiete des südlichen Sudan, des Kongobeckens und der
großen Seen, am regenärmsten die Wüstengebiete unter den beiden Wende-
kreisen.
2. An Mineralien liefert der Erdteil besonders Gold, Diamanten,
Kupfer, Kohlen (Südafrika) und Salpeter, Natron, Salz, Schwefel, fchöne
Bausteine (Mittelmeerländer). — Diepflanzenwelt ist nicht sehr reich (s.abb.41).
Im tropischen Afrika wechseln ausgedehnte, mit Affenbrotbäumen oder Baobabs,
Sykomoren, Mimosen, Akazien und Gräsern bestandene Savannen (ostafrikanisches
Seenhochland, nördlicher Sudan, N. des südafrikanischen Festlandes) mit uu-
durchdriuglicheu Urwäldern (Kongobecken, südlicher Sudan, Guineaküsten) und
*) Europäische Schutzgebiete sind Staaten, welche freiwillig oder gezwungen die
Oberhoheit einer europäischen Macht anerkannt haben und von dieser nach außen vertreten
und beschützt werden. Die Tribut st aateu (Vasallenstaaten) stehen ebenfalls unter der Ober-
Hoheit eines europäischen Staates und sind ihm zu materiellen Leistungen (Steuer- oder
Tributzahlung, Truppenstellung) verpflichtet. Als Interessensphären bezeichnet man die
Gebiete, welche den einzelnen europäischen Staaten bei der Verteilung Afrikas zur fried-
lichen Erwerbung und zukünftigen Kolonisation zugewiesen sind.
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Extrahierte Ortsnamen: Madagaskar England Frankreich Belgien Spanien Portugal Italien Afrika Afrika Afrikas