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Erscheinung mag immer nur an einzelnen Stellen des Waldes aufgetreten
sein, verschonte aber kaum ein Individuum, und riß daher große Löcher in
den Bestand, wo nunmehr eine große Menge von totem
Material angehäuft wurde.
Zu anderen Zeiten herrschte wohl eine drückende
Schwüle im Bernsteinwald, und heftige Gewitter ent-
luden sich über demselben. Blitze schlugen in die Baum-
krone oder in einen alten Aststumpf und sprengten dann
aus weite Strecken hin die Rinde ab, deren Fetzen teil-
weise an den Wundrändern hängen blieben und frei in
die Luft hineinragten; auch der Holzkörper wurde ge-
spalten, und die herausgerissenen Holzsplitter flogen, samt
einzelnen Rindenfetzen, weit fort. Zuweilen fuhr ein
Blitzstrahl in einen absterbenden Baum oder auch in
pilzkrankes Holz und bewirkte hier eine Entzündung.
Das Feuer ergriff nicht nur den getroffenen Stamm
und die Nachbarstämme, sondern lief auch am Boden hin
und verzehrte das auf demselben lagernde, trockene Ma-
terial. Auch das von
Mulm und Moos
umgebene alte Harz
der Bäume wurde
vom Feuer erfaßt,
konnte aber nicht hell
aufflammen, sondern
schwelte unter der
schützenden Decke nur
langsam fort und
setzte eine schwärz-
liche Rinde an.
Der Bernstein-
wald wurde von
einer sehr reichen
Tierwelt belebt,denn
Insekten und Spin-
nen. Schnecken und
Krebstiere, Bögel
und Säugetiere hiel-
ten sich hier auf, ganz
wie in den Wäldern
der Jetztzeit. Das 2
Leben der meisten
stand in inniger Be-
ziehung zum Leben
der Bernsteinbäume,
und es gibt unter
ihnen^ viele, welche den grünenden Baum schädigten, während andere das
tote Holz angegriffen haben. Größere Tiere brachen mutwillig und unab-
sichtlich Aste ab und verletzten durch ihren Tritt die zu Tage liegenden
Flora des Bernsteins.
1. Männliches Blütenkätzchcii einer Eiche, Quercus piligera ( Vi);
2. Abdruck eines magnolienähnlichen Blattes.
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TM Hauptwörter (200): [T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T84: [Körper Kopf Tier Fuß Bein Insekt Eier Zahn Nahrung Haut], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund]]
43
führten mit ihrem langen Schnabel einen Stich ins Kambium, welcher nicht
ohne Nachteil für die Bäume blieb.
Auf Grund dieser Beschädigungen verloren viele Bäume teilweise oder
auch völlig ihre Nadeln. Wenn dieses frühzeitig im Jahre geschah und das
Individuum sonst lebensfähig war, wurden noch in demselben Jahre andere
Nadeln neu gebildet. Dieser Umstand rief aber eine örtliche Abweichung
im Bau des Holzes hervor, insofern unmittelbar nach der Entlaubung nur
wenige Schichten radial zusammengedrückter Zellen gebildet wurden, während
nach der Neubelaubung die Holzbildung mit radial gestreckten Zellen ihren
Fortgang nahm. Auf diese Weise sind auf kurzen oder längeren Strecken
des Umfanges im Holz der Bernsteinbäume Doppelringe entstanden. Im
anderen Falle konnte aber durch den Nadelverlust ein Absterben des be-
treffenden Astes oder des ganzen Baumes bewirkt werden, in Folge dessen
sich auch bald die Rinde vom Holzkörper abtrennte. So kam es, daß mitten
im grünenden Bernsteinwald einzelne Baumskelette stehen blieben und noch
lange den Einflüssen der umgebenden Natur Widerstand leisteten. Die Ober-
fläche solcher entrindeten Stämme verlor bald ihr frisches Aussehen und
wurde matt und grau. Durch Einwirkung der Atmosphärilien wurde der
Zusammenhang der Holzelemente immer mehr gelockert, bis sich schließlich
einzelne Zellkomplexe und Zellen an einem Ende ablösten, wodurch der
Oberfläche des Holzes eine feinsilzige Beschaffenheit und ein eigentümlicher
Seidenglanz verliehen wurde (Vergrauung).
Überall wo eine Beschädigung stattfand — und sie kam ja an jedem
Baum vielfältig vor — suchte die Natur durch Harzerguß die Wunde zu
heilen; dieser trat aber gewöhnlich nicht so schnell ein, daß nicht vorher
Pilzsporen anfliegen und zur Keimung gelangen konnten. Die weitere Ent-
wickelung der Pilze wurde um so mehr begünstigt, als Wärme und Feuchtig-
keit in reichem Maße vorhanden waren. Daher wurden nach und nach alle
Bäume von einem oder dem anderen, oft auch von mehreren Parasiten
gleichzeitig befallen, welche zwar langsam, aber mit tätlicher Gewißheit ihr
Zerstörungswerk fortsetzten und vollendeten. Durch ein Astloch oder eine
andere offene Wunde, zuweilen auch durch die Wurzel, drang das Mycel
immer weiter in das Innere und führte ein allmähliches Absterben des Holzes
von innen nach außen herbei.
Neben den Pilzen waren es höhere Pflanzen, welche auf den Bern-
steinbäumen lebten; so gab es damals auch schon mistelähnliche Gewächse,
welche hier und da die Einförmigkeit der Baumkronen unterbrachen. In
der Folge bewirkten sie ein örtliches Absterben der Rinde, was zu weiteren
Krankheitserscheinungen Anlaß gegeben haben mag.
Die Bernsteinbäume führten reichlich Harz in allen ihren Teilen, vor-
nehmlich aber in der Rinde und im Holz. Wenn man das normale Vor-
kommen der harzbildenden Organe, deren Größe und Verteilung ins Auge
faßt, kann man einen erhebliche^ Unterschied von unseren heutigen Kiefern
und Fichten nicht bemerken; ebenso finden die verschiedenen abnormen Bil-
dungsweisen des Harzes durchweg ihr Gegenstück bei den Nadelhölzern der
Jetztzeit. Was aber die Bernsteinbäume in hervorragendem Maße auszeichnete,
ist der Umstand, daß die ihnen so häufig zuteil gewordenen Beschädigungen
nicht allein den Harzausfluß, sondern auch die Neuanlage von Harzbehältern
wesentlich begünstigte. Die Bernsteinbäume befanden sich in einem andan-
TM Hauptwörter (100): [T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]
115
faite Küste jetzt genietzt. Eine mittlere Jahrestemperatur von 17 ° C (Danzig
jetzt 7,6 0 C) inu¡3 geherrscht haden, als dort lorbeerartige Gewachse und
Zimmtbaume gediehen, wie heute am Lago Maggiore. Auch Feigenarten
sind an ein dementsprechendes Klima gewohnt. Palmen wurden nicht ge-
funden, vbgleich sie im westlichen Dentschland im Miozan vorkommen. Sehr
haufig ist das Holz der Sumpfzypresse (Taxodium distichum), die nvch heute
in Nordamerika verbreitet ist. Eine grosse Menge von Sumpfpflanzen, wie
Erlen, Birlen, Seggen und Griiser, wurde in den dis 3 m machtigen Flozen
Zutagetretendes, steil aufgerichtetes Miozan (Braunkohlenschlucht) bei Lobeckshof
unweit Brentau (Kreis Danziger Höhe).
gefunden; meist sind es schöne Abdrücke der Blätter. Die Originalfunde
O. Heers sind im Königsberger Geologischen Museum aufbewahrt, aber auch
das Danziger Provinzialmuseum besitzt eine schöne Kollektion dieser Pflan-
zenreste.
Diese üppige Flora mußte allmählich den klimatischen Änderungen unter-
liegen, die schließlich zur Vereisung der einst von ihr bedeckten Gegenden
führte.
Paul Sonntag.
8*
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
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Nord- und Ostseeküste beeinflußte. Diese Senkung hielt also mit der Bildung
des alluvialen Schwemmlandes gleichen Schritt, so daß das Neuland von
dem benachbarten Meere nicht überflutet wurde. Bohrungen haben ergeben,
daß der Einfluß des Meeres während dieses Zeitraumes nur etwa eine Meile
landeinwärts (z. B. bis Gr. Zünder) gereicht hat.^ Nur in dieser Zvne
wurden dem diluvialen Sande aufgelagerte, marine Schichten beobachtet.
Die postglacialen Senkungen sind in den westlichen Gebieten unserer
Ostseeküste eingehender studiert worden. Bon der Kieler Föhrde will man
wissen, daß hier der Senkungsbetrag noch neun Meter erreichte, als bereits
der Mensch der älteren Steinzeit in der Nähe des Meeres Siedelungen an-
legte. Ja, ein kundi-
ger Geologe, der Ro-
stocker Universitäts-
Professor Geinitz,führt
sogar die Auswande-
rung der Kimbern auf
jene Senkungserschei-
nungen zurück. Wie
dem auch sei — unsere
Werder und mit ihnen
die anderenschwemm-
landgebiete der Ostsee
sind — geologisch ge-
sprochen — sehr jung.
Eine klare Beleuch-
tung findet diese Tat-
sache in einem instruk-
tiven Rechenexempel
des Berliner Landes-
geologen Jentzsch. „Nimmt man die Fläche der Niederung zu 1561 Quadrat-
kilometer und die mittlere Mächtigkeit der humosen Sedimente zu 8—9 Meter
an, so beträgt ihr Kubikinhalt 12^2 bis 14 Milliarden Kubikmeter. Dividiert
man diese Summe durch den auf 2,7 Millionen Kubikmeter geschätzten, jähr-
lichen Betrag der Weichselsedimente, so kommt die Zahl von 49<>0 Jahren
als Alter der Gesamtabsätze heraus." Das Alter der Werder würde dem-
nach auf 4000—6000 Jahre zu schätzen sein. In Anbetracht dessen, daß
große Sedimentmassen von dem Strom ins Meer hinausgetragen worden sind,
wird man nach Wolfs noch einige Jahrtausende höher rechnen müssen als Jentzsch.
Sehr bezeichnend für unsere Niederungen ist das völlige Fehlen der
Wälder. So war es aber nicht immer. Ehe der Niederdeutsche im Weichsel-
Nogatdelta festen Fuß faßte, zeigte das Gebiet ähnliche Begetationsverhült-
nisse, wie wir sie aus den Havel- und Spreegebieten kennen. Der altpreußische,
allerdings etwas berüchtigte Chronist Simon Grunau beschreibt uns die
Niederungen als gewaltige Bruchwälder, die sich bis vor Danzigs Tore
hinzogen. Und eine den Alluvionen des Havel- und Spreegebietes eigen-
tümliche Grasart, das rohrartige Schwingelschils (Scolochloa festucacea),
hat sich bis zum heutigen Tage in einigen Altwässern bei Danzig erhalten.
Noch die alten Karten weisen Waldsignatur auf (bei Neuhof, bei Neuteich,
bei Lupushorst und aus den Nogatkämpen), und der Herrengrebiner Wald
Weidentrist im Danziger Werder.
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117
Die Gebiete des norddeutschen Flachlandes, in welchen der obere Ge-
schiebemergel in ausgedehnten Flachen auftritt, zeigen zwei verschiedene
Landschaftstypen: einmal sind es ziemlich ebene bis flachwellig entwickelte,
zweitens starkwellige, mit zahlreichen Einsenkungen versehene Grund -
moränenlands ch asten.
Innerhalb des oft auf weite Strecken von Geschiebemergel bedeckten
Gebietes finden sich mehr oder weniger große Flächen, in denen der Ge-
schiebemergel völlig fehlt und ein geschiebeführender, ungeschichteter, mehr
oder weniger grober Sand an seine Stelle tritt. Zuweilen bedeckt dieser
in einer Mächtigkeit von nur */2—2 m den geschichteten, geschiebefreien
Diluvialsand, der auch das Liegende des oberen Geschiebemergels bildet,
während in anderen Fällen unter der Decke des oberen Sandes noch Reste
des oberen Geschiebemergels sich befinden. Der obere Geschiebesand ist ent-
weder als ein Answaschungsrückstand des oberen Geschiebemergels anzusehen
oder er ist als eine Faziesbildung des Geschiebemergels, als eine sandige
Grundmoräne, zu betrachten. Die sandige Grundmoränenlandschast weist in
manchen Gebieten auch endmoränenartige Aufschüttungen, Kieskuppen und
Sandrücken aus und erhält dadurch eine reichere Modellierung als ihr ge-
wöhnlich eigen ist. Solche Gebiete treten uns in der Tucheler Heide entgegen.
Wesentlich verschieden von den mehr gleichmäßig ausgebildeten Geschiebe-
mergelgebieten sind diejenigen, die eine sehr mannigfache Oberflächengliederung
besitzen und von mir als kuppige Grundmvränenlandschaften bezeichnet
worden sind. Zwischen den zahllosen, in ganz unregelmäßiger, wirrer An-
ordnung hervortretenden wall- und kuppenartigen Anschwellungen des Ge-
ländes liegen ebenso viele Einsenkungen. Die Bodenwellen umschließen un-
zählige kleine, meist mit Torf- und Moorbildungen erfüllte Pfuhle oder
Sölle und zahlreiche größere, mehr oder weniger unregelmäßig gestaltete
Moore und Seen. Der Typus unseres baltischen Landrückens!
Sowohl hier als auch in den flachen Grundmoränengebieten finden sich
außerdem langgestreckte Rinnenseen, die durch die Schmelzwasser des Inland-
eises zum Teil vor, zum Teil unter dem Eisrande entstanden sind.
Wir wollen uns nun dem baltischen Höhenrücken selbst zuwenden, der
nicht nur durch die in seinem Bereich ausgezeichnet entwickelten Moränen-
landschaften, sondern auch durch seinen ganzen geographischen Verlauf unsere
Aufmerksamkeit in hohem Grade in Anspruch nimmt. Das Inlandeis, das
nach Ausfüllung des Ostseebeckens gegen seine Süd- und Westküste heran-
slutete, übte infolge des Widerstandes, den die den Rand des Beckens bil-
denden älteren Schichten boten, eine zertrümmernde, abtragende, stauchende
und zusammenschiebende Wirkung aus, so daß die obersten Schichten der vor-
diluvialen Ablagerungen gefaltet, mitgeschleppt und überschoben wurden.
Der reichliche Kalkgehalt und die zahlreichen Feuersteine der norddeutschen
Diluvialbildungen sind ein Beweis dafür, daß die Kreide in hohem Maße
vom Inlandeise verarbeitet worden ist. Wie groß aber auch der Einfluß
vordiluvialer Schichten auf die Gestaltung des baltischen Höhenrückens ge-
wesen sein mag, so muß doch zugegeben werden, daß durch das Auftreten
des älteren Gebirges allein die Entstehung des baltischen Höhenrückens nicht
erklärt werden kann, da die Glazialbildungen oft eine außergewöhnliche
Mächtigkeit erreichen, vielmehr liegt die maßgebende Ursache dafür in der
großen zentralen Depression des skandinavisch-norddeutschen Glazialgebietes
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TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
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51
glänzen die silberfarbenen Blätter der Pestwurz. In dein Gesträuch fällt
uns ' die für das Weichfel-Nogat-Delta charakteristische Grauerle auf, die
gewiß schon vor langer Zeit in unser Gebiet eingewandert ist und wohl
kaum ehemaligen Anpflanzungen entstammt.
Von Dammfelde führt uns unser weiterer Weg über Mielenz nach dem
Durchbruch von 1825. Auf dem Wege dorthin haben wir Gelegenheit, einige
bedeutsame Glieder der Stromtalflora kennen zu lernen:
1. ein Schilfgras (Palamaarostm litoroa), das an zerstreuten Stand-
* orten das ganze Weichseltal begleitet, ja noch an der Mottlau bei Ohra
vorkommt und bei Kahlberg sogar Dünen besiedelt; dieses stattliche Gras
kehrt in Deutschland wieder im Rhein- und Elbtal und in den kiesigen
Gebirgsbächen Bayerns;
2. ein Schotendotter (Erysimum hieracifolium), den unser Gebiet
gemeinsam hat mit dem Memel-, Warthe-, Obra- und Netzetal, der im
arktischen Rußland auftritt und von Sibirien bis Südrußland reicht;
3. eine südeuropäische Spitzklette (Xanthium italicum), die wohl erst
neuerdings mit dem Strom ihren Weg zu uns gefunden hat.
In den die Dämme begleitenden Getreidefeldern sind unter gewöhnlichen
Unkräutern der durch seine blutroten Blüten auffallende Sommer-Adonis
und der durch eigentümlich geformte Fruchtbehälter ausgezeichnete Acker-
Hahnenfuß seltenere Erscheinungen. Im nahen Kleefelde träumt das
gabelige Leimkraut (Siiene dichotoma) von seiner südeuropäischen Heimat.
Am Durchbruch begegnen wir einer typischen Rohrsumpfformation, in
der die mehr als zwei Meter hohe Sumpf-Gänsedistel, Deutschlands größte
krautartige Pflanze, besonders augenfällig ist. — Im Außendeich bei Kunzen-
dors hat unser zierlichstes einheimisches Primelgewächs, der nordische Manns-
schild, ein stilles Plätzchen — nach weiter Wanderung mit dem Strome —
gefunden. Auf dem schlickigen Boden anderer Stellen fallen einige Pflanzen
durch ihre erstaunliche Höhe auf — eine Folge von überreichlicher Nahrungs-
aufnahme. Ihnen können wir Zwerge, die zu denselben Arten gehören und
auf den trockenen, sandigen Flußufern gewachsen sind, gegenüberstellen, Ergeb-
nisse der geologischen und physikalischen Verhältnisse der Bodenunterlage. —
Am Ufer überraschen uns große Mengen von Knöterich- und Ampferarten, die
der Gesamtflora streckenweise das Charakteristikum verleihen. In stillen Buchten
flutet ein Wasserhahnenfuß (Uanunauiuz ünitaos), der seine reinweißen Blüten
über dem Wasser wiegt. Auf erhöhten Stellen des Ufergeländes hat ein
Fremdling aus Nordamerika, der schöne Sonnenhut (Rudbeckia hirta), festen
Fuß gefaßt. Sicher hat der Strom seinerzeit diese in Gärten gehaltene
Zierpflanze hier angeschwemmt.
Der Glutball der Sonne neigt sich dem Westen zu — und es ist an
der Zeit, daß wir uns zu dem Kleinbahnhof in Liessau begeben. Noch
einmal genießen wir das Bild, das sich vor unseren Blicken ausbreitet: Im
Westen tauchen die diluvialen Weichselhünge von Warmhof und Sprauden
auf, steil nach dem Strombett abfallend; ostwärts dehnt sich gleich einem
grünen Plane das fruchtbare Werder, unterbrochen von freundlichen Siede-
lungen. Dazwischen zieht ruhig und gemächlich der Strom, der in seinem
Oberlaufe so temperamentvolle Sohn der Karpathen, belebt von den sich
blähenden weißen Segeln der Weichselkähne. — Beim Genießen dieses
Landschaftsbildes schweift unser Blick unwillkürlich zurück in jene Zeiten, in
4*
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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118
selbst, in dem Ostseebecken, Nach meiner Auffassung wurde das Inlandeis
beim Hindurchgehen durch die große Bodeneinsenkung zur Anhäufung und
Zusammenschiebung von Schnttmaterial an ihrem jenseitigen Rande veranlaßt,
wodurch der baltische Höhenrücken entstand, der in seinem ganzen Verlauf
zum West- und Südrande der Ostsee deutliche Beziehungen hat. Erhebungen
des älteren Gebirges haben wahrscheinlich teilweise den Verlauf der einzelnen
Teile des Höhenrückens beeinflußt. Die Landschwelle der Seenplatte selbst
aber entstand infolge der Schwierigkeiten, die das Ostseebecken der Ausbrei-
tung des Inlandeises entgegenstellte. Die durch das vorhandene Gefäll vom
skandinavischen Gebirgsmassiv her verstärkte Bewegung der Eismassen mußte
bei der Ersteigung des jenseitigen Randes mehr und mehr nachlassen, bis
dort, wo die größte Verlangsamung der Eisbewegung eintrat, die stärkste An-
häufung von Glazialbildungen und zu gleicher Zeit ihre Zusammenschiebung
stattfand.
Zu den wichtigsten Ergebnissen der Glazialforschung in den letzten
20 Jahren gehört die Auffindung und Verfolgung der Endmoränenzüge des
norddeutschen Flachlandes, die namentlich auf dem baltischen Höhenrücken in
vorzüglicher Weise entwickelt sind und beim Rückzüge der letzten Vereisung
während eines längeren Verweilens dort aufgeschüttet wurden. Charak-
teristische Merkmale der Endmoränen sind:
1. das wall- und rückenartige Auftreten von Blockpackungen (Geschiebe-
wälle), Staumoränen, Sand- und Kiesmoränen,
2. die Aneinanderreihung von konvex nach außen, d. h. nach dem eis-
freien Gebiete zu gekrümmten Bogenstücken der Endmoränenzüge,
ihr etappenweise vorkommendes Auftreten,
4. das flache, sandige Vorland (Sandr, Vorschüttungskegel),
5. die gestauchte Grundmoränenlandschaft hinter der Endmoräne, d. h.
in dem vom Eise bedeckten Gebiet, und das Vorkommen von Stauseen.
Als Endmoränenlandschaft sind die zugartig auftretenden End-
mvränenkämme, Rücken und Kuppen, sowie die sich anschließenden Sand-
und Kiesflächen zusammenzufassen; sie beweisen in ihrer Zusammengehörig-
keit, daß die Schmelzwasser bei ihrer Entstehung eine große Rolle gespielt
haben.
Der hinterpommersche Endmoränenzug ist östlich Bütow bis an die
Grenze von Westpreußen beobachtet worden. In unserer Provinz sind die
bisherigen Beobachtungen über die Endmoränen nicht ausreichend genug, um
das weitere Fortschreiten des großen baltischen Moränenzuges daraus zu
erkennen. Vor einigen Jahren sind im südlichen Westpreußen durch G. Maas
Endmvränenzüge nachgewiesen worden. Die von ihm in der Gegend von
Tuchel ausgeführten geologischen Aufnahmen haben ergeben, daß sich dieses
Gebiet in zwei deutlich entwickelte Staffeln gliedert, von denen die höhere
westlich vom Brahetal gelegen ist, während die niedrigere durch die Tucheler
Heide gebildet wird. An dem Aufbau der Stufen sind mehrere Abteilungen
des Tertiärs und Diluviums beteiligt, von denen ersteres auf der 12 km
langen Strecke zwischen Adl. Wodziwoda und Rudabrück fünf nordwestlich
streichende Sättel bildet. In der Gegend von Tuchel lassen sich bis in das
Gebiet von Crone a. d. Brahe und Vandsburg mehrere durch Endmoränen-
ziige charakterisierte Etappen im Rückzüge des Inlandeises verfolgen. In
der Gegend von Neukirch und Gr. Paglau, östlich von Konitz, erstrecken sich
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
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— 119 —
Endmoränenzüge, die mit denjenigen der Obkaser und Damerauer Berge in
Zusammenhang stehen und sich über den Schlangenberg und Weizenberg bei
Rakelwitz durch das Gebiet zwischen Lubierszin, Sehlen und Tuchel bis
östlich Kelpin verfolgen lassen. Die Liskau-Mangelmühler Endmoränen
legen sich südlich an und finden nach Ost iu mehreren Zügen ihre Fortsetzung
in der Tucheler Heide. Zu den durch Endmoränen abgedämmten Stauseen
gehören nach Maas der Abrauer und der Brahroder Stausee.
Zu den Endmoränen gehört nach einigen Geologen auch die Kamesland
schuft, zu der regellos angeordnete Hügel und kurze Rücken von geschichteten
Sauden und groben Kiesen zu rechnen sind, die durch tiefe tal- und wannen
förmige Einsenkungen voneinander getrennt sind und der Landschaft ein
eigentümlich unruhiges und doch einförmiges Gepräge geben. Sie sind in
Westpreußen nicht vorhanden.
Während uns die unmittelbar durch das Eis transportierten Schutt-
massen in der Form von Grundmvränen und den aus ihnen hervorgegangenen
Endmoränen und Ka-
mes entgegentreten, be-
sitzen wir, abgesehen
von dem noch kurz zu
erwähnenden Oser, in
dem norddeutschen Gla-
zialgebiete sehr mäch-
tige Schichtenkomplexe
fluvio - glazialer
Natur, die unter Ver-
mittlung der Gletscher- Diluviale Erosiouslandschaft bei Brentau, Kr. Danziger Höhe,
schmelzwasser aus den
Moränen ausgeschlämmt und im Vortande des Eises abgelagert worden sind.
Der Geschiebemergel bildet das Ursprungsmaterial für alle durch die Gletscher-
wasser abgesetzten Bildungen, deren verschiedenartige Ausbildung nur durch
den verschiedenartigen Schlämmprozeß bedingt ist. Die Ausschlämmungs-
produkte des Geschiebemergels sind entweder Sande und Kiese, die je nach
der Stromgeschwindigkeit der sie transportierenden Wasser eine verschiedene
Korngröße besitzen, oder Mergelsande und Tone, die wir als den feinsten
Abhub des Gletscherschlammes bezeichnen können. Auf die völlige Über-
einstimmung unserer Sande und Tone mit den Ablagerungen der isländi-
schen Gletscherschmelzwasser ist vielfach hingewiesen worden.
Eine Sonderstellung nehmen die Oser, Kiesrücken, ein. Unter der aus
der schwedischen Glazialliteratur entnommenen Bezeichnung Oser versteht man
auf weite Erstreckung hin sich fortsetzende, einer bestimmten Richtung folgende
wallartige Rücken, die aus Sand, Kies und Geröllmaterial bestehen, das
durch seine ausgezeichnete Schichtung und die vorzügliche Abrollung selbst
der größten Gerölle seinen flnviatilen Ursprung zu erkennen gibt. Diese
zuweilen wie Eisenbahndümme erscheinenden Rücken zeigen meist im Längs-
Profil eine nur mäßig aus- und absteigende Linie, sind einem Flußlauf ähn-
lich oft schwach gewunden und gekrümmt und besitzen seitliche Verästelungen.
In Westpreußen hat Jentzsch einen Os bei Zempelburg aufgefunden
und als Bvrvwker Os bezeichnet. Dieser bildet einen 10—15 m über den
anliegenden Torfniederungen aufragenden steilen Wall, dessen Böschungen
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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120
unter 25° geneigt sind und am Fuße etwas sanfter werden. Ihre Entstehung
verdanken die Oser subglazialen Büchen, die in Hohlräumen unter dem Eis-
rande ihre Aufschüttungen zurückließen.
Bon den erratischen Blöcken im Regierungsbezirk Danzig.
Welt erhalten werden sollen, wurden auf Veranlassung der „Staatlichen
Stelle für Naturdenkmalpflege" die beachtenswerten Blöcke zunächst int Re-
gierungsbezirk Danzig inventarisiert, kartiert und abgebildet. Für die Aus-
wahl der Blocke waren mehrere Gesichtspunkte maßgebend. Wenn auch im
allgemeinen unter eine Mindestgrenze von 7—8 m Umfang nicht herange-
gangen wurde, so ist doch in einem Kreise, der arm an erratischen Blöcken
ist, die Grenze weiter gefaßt als in einem blockreichen. Vereinzelt wurden
auch Blöcke von wesentlich geringerer Größe in das Inventar ausgenommen,
da sie durch geschichtliche Erinnerungen oder Sagen ausgezeichnet sind. Die
kioch vorhandenen bemerkenswerten 67 erratischen Blöcke verteilen sich fol-
gendermaßen auf die einzelnen Kreise: Berent 9, Stadtkreis Danzig 2,
Danziger Höhe 6, Dirschau I, Stadtkreis Elbing 1, Landreis Elbing 12,
Karthaus 8, Marienburg 2, Neustadt in Westpr. 20, Pr. Stargard 2, Putzig 4.
Indessen sind die beiden in Marienburg stehenden Blöcke nicht dort gefunden,
sondern aus weiter Entfernung herbeigeschafft, der eine ans dem Kreise Berent,
der andere aus Ostpreußen.
Zu den interessantesten Steinen gehört der Stoje (spr- Steutz), ein
Grenzstein zwischen Krockow und Odargau im Kreise Putzig, der noch immer,
trotzdem ein beträchtliches Stück abgetrennt ist, einen Umfang von 20 m,
eine Länge von 7 m, eine horizontale Breite von 4% m und eine Höhe
von 372 w aufweist. Die älteste Erwähnung des Blockes geschieht in einer
F. Wahnschaffe.
Urkunde vom 29. Juni
1277, nach der Herzog
Mestwin von Pommern
dem Kloster Zarnowitz
das Dorf Odargau frei
von allen Lasten in be-
stimmten Grenzen ver-
leiht. Auch eine andere
Urkunde aus dem Jahre
1312 erwähnt diesen
Riesen. Wie durch seine
Der große Stein von Owsnitz, Kr. Berent.
Größe und Geschichte
ist der Stoje auch aus-
gezeichnet durch seine
Lage. Von Süden blickt
man über den Block hin-
weg ans das ebene, von
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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Ackerflächen und rotbackigen
Häusern angenehm unter-
brochene Odargauer Bruch, aus
dein sich am Horizont westlich
ein schmaler bewaldeter Saum,
östlich die gelbweißen Dünen
scharf abheben. Und dahinter
wogt, soweit das Auge reicht,
die blaue Ostsee. — Aus der
großen Reihe bemerkenswerter
Blöcke seien nur noch die fol-
genden genannt: der große Stein
bei Mirchau im Kreise Karthaus
(17 m Umfang, 5 >>> Länge und
über 3 m Höhe), der Wingen-
stein bei Cadinen (Umfang
15.30 w, Länge 41/4 m, Breite
3.30 in, Höhe etwas über 3 in),
der große Stein von Owsnitz im Kreise Bereut (13,20 in Umfang, 41/2 ,»
Länge, 2v2 '» Breite und 2,20 ,» Höhe svgl. Abb.s), der Teufelsstein von
Schwetzin und Buchrode im Kreise Putzig (12,75 in Umfang, 5 m Länge,
5.30 in Breite und über 13/4 m Höhe (vgl. Abb.s), der Ziemannstein in der
Oberförsterei Sobbowitz (12 m Umfang, 474 m Länge, 3 m Breite und fast
2h2 m Höhe), der Kanzelstein bei Kvlkan im Kreise Neustadt (12 m Umfang,
472 m Länge, 23/4 m Breite und ungefähr l,20 in Höhe über der Erde), der
Stein am Marienfee (10v4 m Umfang, 4 m Länge, 3 in Breite und unge
fähr 3 m Höhe). Diese wenigen Zahlen vermögen uns ein Bild von der
Größe vieler Blöcke in Westpreußen zu geben.
Die Blöcke verteilen sich auf drei Hauptverbreitungsgebiete, das End-
moränengebiet bei Karthaus und Bereut, das Grundmoränengebiet bei Neustadt
und Putzig und das Grundmoränengebiet nordnordöstlich von Elbing. Das
völlige Fehlen erratischer Blöcke in den Kreisen Danziger Niederung und
Marienburg erklärt sich geologisch durch die ausgedehnten Schlickbildungen der
Weichselniederung zwischen Danzig, Dirschau, Marienburg und Elbing, die
„als ein altes Delta der Weichsel bei ihrer Einmündung in das früher bis
Dirschau und Marienburg sich ausdehnende Frische Hass anzusehen ist".
Während der Diluvialzeit rückte von Norden her in riesiger, vielleicht
einige tausend Meter betragender Mächtigkeit das Inlandeis vor und
bedeckte wie ein Schild das norddeutsche Flachland zeitweise bis zum Rande
der deutschen Mittelgebirge. Bei seinem Vorwärtsschreiten schob das
Gletschereis den Verwitterungsschutt des Untergrundes vor sich her, nahm
ihn als Grundmoräne in seinem Fuße auf und hobelte und schrammte damit
auch den festen, felsigen Untergrund. Beim Abschmelzen des Eises blieb
der Moränenschutt als Geschiebemergel mit zahlreichen, kantengerundeten,
kleinen und größeren Steinen und Blöcken zurück. An Stellen, wo der
Eisrand, abgesehen von kleineren Schwankungen, längere Zeit stetig ver-
harrte, entstanden die parallel dem konvexen Gletscherende gelagerten, bogen-
förmigen Endmoränen, wallartige Erhebungen, die aus dem am Rande des
Eises ausgeschmolzenen gröberen Schutt bestehen.
Der Teufelsstein von Schwetzin und Bnchrode
im Kreise Putziq.
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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