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Eherecht, die Toleranz und die Erziehung. Die Volksschulen, teilweise auch die Mittelschulen, waren der Aufsicht der Kirche untergeordnet. Das kaiserliche placet für kirchliche Verfügungen, die in das Gebiet des Staates Übergriffen, war ebenso beseitigt, wie alle der Kirche unbequemen Bestimmungen aus der Zeit Josephs Ii. Mancherlei Folgen, auch politischer Art, hatten diese Zugeständnisse an die Kirche.
Zu den nachteiligen Wirkungen gehörte auch namentlich die, daß es einen Riß unter den Deutschen Oesterreichs hervorbrachte. Der Klerus und der hohe Adel fügten sich den Bestimmungen gern. Der deutsche Bürgerstand aber, besonders soweit er liberalen und nationalen Anschauungen zugetan, wurde der Kirche und auch dem reaktionären Staate dadurch zweifellos fremder. Warum sollte der Deutschösterreicher, wenn der Tscheche, der Ungar und der Slowene den Wert seiner Nationalität so viel höher bewerten durfte, die eigene geringer einschätzen ? Die Kirche aber, die alle ändern Nationen in ihrem Emporstreben unterstützte, tat dies nicht bei den Deutschen.
Die Ereignisse der Jahre 1859 bis 186b hatten nun auch den österreichischen Staat veranlaßt, das bürgerliche und nationale Element mehr zu würdigen und nicht bloß auf die Kirche sich zu stützen. In diesem Sinne erfolgten 1874 die kirchenpolitischen Gesetze, denen die Kündigung des Konkordats vorausging. Der Papst, hieß es, sei seit 1870 infolge der Unfehlbarkeitserklärung ein anderer geworden, als er es 1855 gewesen. Mit einem unfehlbaren Papste sei das Konkordat nicht geschlossen. Einem solchen wolle man es nicht weiter zugestehen.
Und nun wurde auch in Oesterreich das Verhältnis nach dem Beispiele Preußens neu geregelt. Es wurde nicht bloß die Anzeigepflicht bei Ernennung von Pfarrern durchgesetzt, sondern auch das alte placet wieder eingeführt. Der Staat erhielt aufs neue die Aufsicht über die Klöster und auch die Anerkennung der Religionsgenossenschaften wurde gesetzlich geregelt.
So herrscht seit 1874 ein freierer Geist, der auch den Nichtkatholiken zugute kommt. In Kirche und Schule hat die Kirche noch immer ihre Selbständigkeit und ihren Einfluß, aber der einzelne ist in seinem Bekenntnis viel freier geworden.
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Die einzelnen Völker nach dem Ausgleich 1867.
So ist in Oesterreich vieles besser geworden. Nach außen und wirtschaftlich ist das Land zweifellos erstarkt. Um so unbefriedigender ist die Stellung der Nationalitäten zueinander. Die Verständigung ist um so schwieriger geworden, als die Bewegung der Zeit immer mehr darauf ausgeht, dem natürlichen Führer, dem Deutschen, die Leitung zu entziehen. Der Ruf der Gegenwart geht dahin, ein allgemeines und gleiches Recht allen zu gewähren. Das ist aber den Deutschen in doppeltem Sinne nachteilig; einmal in bezug auf die Verschiedenheit der Völker, indem die slavischen Massen der deutschen Minderzahl gegenüberstehen, und dann in Rücksicht auf die wirtschaftliche Stellung, indem der größere Wohlstand der Deutschen nicht mehr wie früher zur Geltung kommt.
Und wirklich hat jetzt das Wahlrecht eine Verschiebung nach unten erfahren.
Im Jahre 1860 war, wie schon berührt, dem sonst unbeschränkt regierten Lande eine Verfassung gegeben. Die Volksvertretung bestand aber nur aus den Abgeordneten der einzelnen Landtage. Wollten diese, der eine oder der andere, keine Vertreter schicken, so war der allgemeine Reichstag gelähmt und das Fassen von Beschlüssen vielleicht unmöglich. 1872 wurde deshalb, um von den Landtagen unabhängig zu werden, statt der Delegierung von ihnen die Berufung unmittelbar Gewählter bestimmt. In vier Kurien sollten sie ernannt werden; 85 von den Großgrundbesitzern, 116 von den Städten und Marktflecken, 21 von den Handelskammern und 131 von den Landgemeinden. Diese Volksvertretung wtar somit noch eine ständische. 1896 erweiterte man die Zahl der Kurien durch Hinzufügung einer fünften, in der jeder erwachsene Oesterreicher wählte, der in den vier ersten nicht enthalten war; er wählte aber nur mittelbar durch Wahlmänner. 1906 endlich wurde unter Aufhebung ■der Kurien das allgemeine Wahlrecht eingeführt.
Zu dieser Verschiebung des Wahlrechtes nach unten kam nun noch die Spaltung der Nationen.
Früher hatte man die Nationen gegeneinander ausspielen können, so 1848/49 die Kroaten gegen die Ungarn, die Polen gegen die Italiener. Das war nun anders geworden.
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Verbände bereit waren. Gemeinsam geblieben sind nur drei Gebiete: Aeußeres, Heerwesen und Finanzen. Ueber die gemeinsamen Ausgaben verständigen sie sich alle zehn Jahre durch die Delegierten der beiden Reichstage. Und beide Teile gedeihen dabei. Für Ungarns wirtschaftliches Gedeihen spricht, daß sein Anteil zu den gemeinsamen Ausgaben noch schneller gewachsen ist als der österreichische. Anfänglich zahlten sie 30 °/o, die Zisleithaner 70. Jetzt ist das Verhältnis 333/49 zu 6646/49. Die Brüche zeigen, daß man in den Delegationen scharf rechnet.
Trotzdem nun die gemeinsamen Bande zwischen Trans- und Zisleithanien so auf das Allernötigste beschränkt sind, suchen die Ungarn auch sie noch zu beseitigen und zu einer bloßen Personalunion zu gelangen. So will es die Unabhängigkeitspartei. Etwas gemäßigter in ihr ist die Gruppe der Anhänger Kossuths und Andrassys, als wie die der Leute Jusths. Mit jenen kann sich der Kaiser vielleicht verständigen, aber immer neue Zugeständnisse verlangen auch sie. Der Streit bewegt sich augenblicklich um weitere Trennung im Heere (Abzeichen, Verkehrssprache) und um Geldfragen. (Fortdauer der gemeinsamen Bank.) — Wenn die Verständigung mit den Führern nicht mehr möglich ist, muß der Kaiser sich an die Massen des Volkes wenden. Und das könnte die Einführung des allgemeinen Wahlrechts beschleunigen. Sobald dies geschehen ist, wird auch das Lebergewicht der nichtmagyarischen Völker zum Ausdruck kommen müssen; denn nur 43 °/o der Bevölkerung sind magyarisch, 57 °/o gehören ändern Nationen an. Und in der heutigen Zeit ist es nicht wahrscheinlich, daß auf die Dauer die Minderheit die Mehrheit niederdrücken kann.
Die Tschechen.
Nach dem Ausscheiden der Magyaren hatte man erwartet, daß nunmehr in Oesterreich die Deutschen die Führung bekämen. Gar bald aber zeigten die Tschechen, daß sie jetzt dieselben Vorrechte beanspruchten, wie ihre glücklichen Nachbaren im Osten. So verlangten sie die gleiche Selbständigkeit für die Länder der Wenzelskrone und rechneten dahin zunächst Böhmen, Mähren und österreichisch Schlesien. Die Deutschen, die in Böhmen 2/s der Bevölkerung ausmachen und den Rand des Landes bewohnen, werden von ihnen als Eindringlinge
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betrachtet. Ihre eigene Macht wird dadurch noch größer, daß sie dicht beieinander wohnen.
Nun steigern aber noch zwei Umstände ihre Macht.
Die Ungarn standen für sich allein; die Tschechen aber fanden und finden Unterstützung, teils bei den russischen Slaven, die sie als die Vorposten gegen den gehaßten deutschen Feind betrachten, teils auch seltsamerweise bei dem überreichen, deutschen Adel, der in Böhmen die eigene Nation bekämpft. An der Spitze stehen die Schwarzenberg, die 3 % des böhmischen Bodens besitzen; dazu kommen die Taxis, die Grafen Harrach, Schönborn, Clam-Martinitz, Thun-Tetschen und wie sie alle heißen.
Sind da die Ansprüche der Tschechen so unbegreiflich?
Die Tschechen weisen aber, abgesehen von ihrer großen Zahl (sechs Millionen), noch auf mancherlei für ihre Forderungen hin. Sie berufen sich ebenso, wie die Ungarn, auf ihre große Vergangenheit. Schon 1409 entschied das Kuttenberger Dekret Wenzels, daß die Tschechen das Uebergewicht haben sollten. Daraufhin konnten sie damals die deutschen Studenten zur Auswanderung nach Leipzig zwingen. Die folgenden husitischen Kämpfe und der 30jährige Krieg haben dann freilich gewaltsam manche Verhältnisse geändert, aber die glänzende Darstellung ihrer Geschichte (Palacky, Gindely) und eine rührige Agitation haben ihnen doch das alte Vertrauen zurückgegeben, und mit größter Leidenschaft kämpfen sie heute in dem gemischten Lande für ihre Nationalität; auch bekräftigen sie ihre Ueberzeugung durch namhafte Opfer. So brachten sie für die tschechische Volksschule in einem Jahre 701 757 Kronen auf, denen nur 78 783 Kronen von seiten der Deutschen gegenüberstehen. Auch ihre höheren Schulen mehrten sie fleißig, und 1882 erreichten sie sogar, daß die bis dahin deutsche Universität Prag ihnen zur Hälfte wieder eingeräumt werden mußte.
Durch ihr leidenschaftliches Fordern haben die Tschechen • es erreicht, daß sie, obschon die Deutschen von der Steuerleistung Böhmens 65 °/o aufbringen, doch weitaus die meisten Beamtenstellen ihren Landsleuten zuwenden konnten, ja, daß sogar der Staat, der doch die Unterdrückten schützen will, von 213 Beamtenstellen nur 54 den Deutschen zugewendet hat.
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Lm die so schwierige Nationalitätenfrage auf einem neuen Wege zu lösen, kam der Pole Badeni 1897 auf den Vorschlag seiner Sprachenverordnungen. Er verlangte darin von den Beamten, daß sie, je nach dem Wunsche der Parteien, tschechisch oder deutsch sprechen sollten. Das schien eine billige Lösung des Streites zu sein, war es aber nicht. Denn da die meisten Tschechen aus guten Gründen deutsch lernen und deutsch verstehen, die Deutschen aber kein größeres Interesse haben, die Sprache eines Sechsmillionenvolkes zu lernen, so mußte dies Gesetz die fraglichen Gebiete noch viel mehr den tschechischen Beamten überliefern.
So geht der Sprachenkampf in Böhmen weiter. Hier können die Deutschen den Landtag durch Ausbleiben beschlußunfähig machen. Das tun sie auch; es ist aber ein trauriges Kampfmittel und keine Verständigung.
In anderer Form spielt derselbe Gegensatz auch in den vier deutschen Provinzen: Lnter- und Oberösterreich, Salzburg und Tirol. Viele Tschechen sind hierhin gekommen, namentlich nach Wien, wo sie stark verteilt in untergeordneten Stellungen leben und nun auch politisch sich zum Kampf zusammenschließen möchten. Das wird ihnen aber einstweilen noch unmöglich gemacht.
Die Polen und die ändern Völker.
Was den Tschechen recht ist, kann natürlich auch den Polen nur billig sein. Sie klagen nicht gerade, daß sie unterdrückt werden und haben dazu auch wahrlich keinen Grund, denn nirgends werden sie so rücksichtsvoll behandelt, wie in Oesterreich. Selbst im Reichsministerium sind sie immer gut vertreten (Badeni, Goluchowski). Aber in Galizien haben sie die alte Krönungsstadt Krakau, dazu zwei polnische Universitäten (Lemberg und Krakau) und das muß ihren Erinnerungen zu Hilfe kommen. Ihr letzter und begreiflicher Wunsch geht doch auf die Wiedereinrichtung des alten Polenreiches. Schwerer zu rechtfertigen ist ihre Unterdrückung derruthenen, die ihre Landsleute und nicht viel geringer an Zahl sind und doch schon lange schlecht behandelt werden.
Andere Nationalitätsklagen kommen von den Südslaven und Italienern.
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Extrahierte Ortsnamen: Salzburg Wien Oesterreich Goluchowski Galizien Krakau Lemberg Krakau
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So erwiesen sich die Zustände auch ausreichend gesichert, als 18 Jahre später Boulanger den Versuch machte, sich dadurch an die Spitze des französischen Staates zu bringen, daß er einen Krieg mit Deutschland aufnahm. Alle Vorbereitungen, wie Truppenansammlungen, Barackenlager im Osten u. a., waren getroffen; Frankreich aber wollte keinen Krieg, dessen Ernst es genug gekostet hatte, und Boulanger mußte zuletzt als Abenteurer ins Ausland flüchten. Hier endete er durch Selbstmord am Grabe seiner Geliebten.
Aehnlich ging es wieder 18 Jahre später, als Delcasse aus Anlaß der Marokkowirren einen feindlichen Bund zu stiften versuchte und mit seinen „Ententen“ Deutschland zu reizen und zu vergewaltigen gedachte. Auch Delcasse wurde gestürzt. Frankreich wollte ebensowenig wie Deutschland einen Krieg, dessen Erfolg mindestens unsicher gewesen wäre und dessen Schwere es vermutlich allein zu tragen hätte.
Für Deutschland aber hat die Gewißheit, im Westen einen Nachbarn zu haben, der durch unsere Uneinigkeit und Schwäche so bedrohlich geworden und dem unsere vereinigte Macht alle Achtung einflößt, auch einen großen Vorteil. Immer wieder regt seine Nähe uns zum festen Zusammenhalten an und diese Einwirkung kann uns noch lange die wertvollsten Dienste leisten.
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Extrahierte Personennamen: Boulanger Ernst Boulanger
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Einige Urteile über Rotherts Karten und Skizzen:
Zeitschrift für lateinlose höhere Schulen: Dann wird ein
Werk vollendet sein, welches zu den besten gehört, die für den geschichtlichen Unterricht bearbeitet worden sind. ... In einer Klasse zu unterrichten, in der sich jeder Schüler dieses Hilfsmittels bedienen kann, müßte für jeden Lehrer der Geschichte eine wahre Freude sein.
Direktor Dr. Holzmüller, Hagen i. W.
Pädagogische Zeitung, Berlin: . . . Wir können diesem Werk die wärmste Empfehlung mit auf den Weg geben. An der Hand solcher Hilfsmittel ist es ein Vergnügen, Geschichte zu studieren. Die Kollegen, welche sich auf die Mittelschullehrer-Prüfung in der Geschichte vorbereiten, seien noch besonders auf diesen vortrefflichen Atlas hingewiesen.
„Lehrproben und Lehrgänge“, Halle: Durch dieses Werk hat sich der Verfasser um den Geschichtsunterricht unbestreitbare Verdienste erworben und manchem Amtsgenossen ein sehr willkommenes und brauchbares Hilfsmittel geliefert.
Neue Bahnen, Wiesbaden: Das vorliegende Wterk bildet ein Hilfsmittel für den Geschichtsunterricht, wie es zweckmäßiger kaum gedacht werden könnte.
Kath. Schulblatt: Wir können diesen Atlas sowohl als Vorlage zu den Tafelskizzen im Geschichtsunterricht, wie auch zur Fortbildung sehr empfehlen.
Zeitschrift des evangel. Lehrerbundes: . . . Ein vorzügliches Lehrmittel zur Einprägung und Wiederholung des im Unterricht vorgeführten Stoffes.
Lehrerzeitung für Thüringen: ... Noch nirgends ist seither die
geographische Anschauung in dieser Weise dem Erfassen geschichtlicher Vorgänge zu Hilfe gekommen. Alles in allem ein Buch voll schlichter historischer Plastik.
Akademische Blätter, Berlin: . . Es ist schon ein großes Verdienst Rotherts, hier ein vortreffliches Hilfsmittel für den Geschichtsunterricht geschaffen zu haben; aber wichtiger noch erscheint es uns, daß jedem Gebildeten hier die Möglichkeit geboten wird, sich, wie man das so häufig als Bedürfnis empfindet, rasch wieder einmal über einen bestimmten Zeitabschnitt, über eine Bewegung, eine in sich mehr oder weniger geschlossene Gruppe von Vorgängen oder den allgemeinen Gang der politischen Entwicklung eines Landes zu unterrichten.
Dresdener Anzeiger: Diese Karten und Skizzen sind in der Tat anschaulich im besten Sinne des Wortes. Besitzveränderungen, Kriegszüge, Schlachten, politische Vorgänge, zu deren anschaulicher Darlegung sonst ein großer und nicht selten unverhältnismäßiger Aufwand von W orten nötig ist. werden hier oft durch einen einzigen Blick auf diese klaren und großzügigen Karten dem der Belehrung Bedürftigen klar, und sie prägen sich dem Gedächtnis unwillkürlich und ohne besondere Anstrengung ein.
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Extrahierte Personennamen: Hagen W.
Pädagogische Schulblatt Lehrerbundes
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erwecken, daß hier die Entscheidung gesucht werde. Damit wollte Napoleon wieder, wie so oft, die Handlungen des Gegners beeinflussen und ihn veranlassen, seine Reserven nach links hinzuschieben. Gleichzeitig war aber Ney, der mit 40 000 Mann über Torgau nach Berlin hin geschickt und bereits bis Luckau gekommen war, jetzt nach Bautzen gerufen, um hier in die rechte Seite der Verbündeten einzufallen. Der Stoß, der verhängnisvoll hätte werden können, wurde ungeschickt ausgeführt. Deshalb hatte er nicht die Wirkung eines vollen Sieges, aber doch das Ergebnis, daß die Verbündeten aufs neue zurückgehen mußten. Zunächst gings auf Breslau zu. Trotz des glücklichen Reitergefechtes bei Haynau, mußte dann noch weiter ostwärts gewichen werden. Schon planten die Russen den Rückzug in die Heimat; was lag ihnen auch an der Rettung Preußens? Die Preußen dagegen wollten bei Schweidnitz und den oberschlesischen Festungen einen letzten Widerstand versuchen. Gneisenau, der an die Stelle des gebliebenen Scharnhorst getreten, hatte die erforderlichen Befestigungen entworfen. Auch eine bessere Fühlung mit Oesterreich war hier möglich und so von dieser Seite vielleicht noch ein Glückswechsel denkbar. Die Aussichten standen demnach überaus schlecht.
In diesem verzweifelten Augenblicke kam der überraschende Vorschlag eines Waffenstillstandes von — Napoleon selber.
Vielleicht hoffte er bei seinem Schwiegervater mit diplomatischen Mitteln besser zum Ziele zu kommen, vielleicht auch drängte ihn die Erschöpfung seiner jungen Krieger, tatsächlich aber sollte ihm dieser Schritt verhängnisvoll werden, denn es beginnt mit dieser Waffenruhe die Wende im Kriege. Jetzt trat auch Oesterreich auf die Seite der Verbündeten und sein Beitritt gab diesen ein solches Uebergevvicht in der Zahl, daß auch das Genie Napoleons das Machtverhältnis nicht mehr zu Frankreichs Gunsten umzugestalten vermochte.
Der Herbstfeldzug 1813.
Der Kriegsschauplatz war wie im Frühjahr das Königreich Sachsen und seine nächste Umgebung. Napoleon verfügte im ganzen über 500 000 Mann, von denen 310 000 unter ihm und Oudinot unmittelbar für die Feldunternehmungen verwendbar
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und Norddeutschland heimkehren. Napoleon rechnete wohl, daß der Eindruck auf alle Schwankenden zunächst wenigstens ein gewaltiger sein werde. Was sonst Tollkühnheit erscheine, werde bei ihm, dem Sieggewohnten, der so oft neue Wege eingeschlagen, anders beurteilt werden und neue Erfolge bringen.
Und war seine Kriegsführung nicht auch darin eine ganz neue, daß der Raum für ihn nicht mehr die Bedeutung hatte wie für alle ändern Feldherren? Die weitesten Entfernungen wurden mit Sicherheit überwunden, und wenn er Truppen, die am Kanal, an der Nordsee oder gar in Spanien standen, etwa an der obern Donau brauchte, so konnte er darauf rechnen, sie zur bestimmten Zeit auch hier zu finden. Seinen Kriegern konnte er jede Anstrengung und jede Entbehrung zumuten. Sein bloßer Wille genügte, das Menschenmögliche auch zu erreichen. Und diese Disziplin zeigte sich selbst noch in den Unglückstagen an der Beresina und beim Abzug von Wilna, als keine Abteilung durch Ergebung dem Elend zu entgehen versuchte; bei ihm wußte jeder einzelne die eigenen Interessen am sichersten geborgen.
Allerdings traf Napoleon auch für die Marschfähigkeit seiner Krieger die besten Maßregeln. In den Beinen stecke die Gewähr des Erfolges. Darum veranlaßte er allerorten im westlichen Deutschland den Bau fester Straßen. Und diese Chausseen, die man bis dahin in Deutschland noch kaum kannte, wurden rasch und nach großen Gesichtspunkten unter dem Zwange der zunächst Beteiligten ausgeführt. Aber im östlichen Deutschland kannte man sie 1813 doch noch nicht und nun wußte Napoleon auch da sich zu helfen, ja seine Marschtechnik gestattete, an einem Tage so viel zu leisten, wie heute bei den viel besseren Wegen an dreien geleistet wird. Seine Kolonnen waren, wenn man dem Feinde nahe war, viel breiter als heutzutage, aber auch viel weniger tief. Nur die Artillerie und der notwendigste Troß benutzte die Wege. Infanterie konnte und mußte nebenher auf den ebenen Flächen sich bewegen. Der einzelne mochte sehen, wie er über die Hindernisse hinwegkam. Natürlich fehlten auch alle die humanen Einrichtungen der Neuzeit, wie Kranken-, Arzneiwagen und dergleichen, und wenn jetzt mancher Kranke und Verwundete dem Leben zurückgegeben werden kann, so überließ man sie damals hauptsächlich der eigenen Fürsorge. Sie mochten sehen, wie sie auch ohne Hilfe fertig würden.
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Es liegt auf der Hand, daß die damaligen Kriege unendlich viel grausamer waren, den Zweck aber — und darauf kam es Napoleon ausschließlich an — erreichte er bei seiner Art, die ein sofortiges Uebergehen vom Marsch zum Kampf gestattete, vielleicht doch besser. Und wie er bei Groß-Görschen sofort vom Marsche mit bestem Erfolge zum Kampf übergehen konnte, mochte „ein rascher Gang nach Berlin“ für ihn doch nicht ein solches Wagnis sein, wie es uns jetzt erscheinen muß.
Napoleon durfte also schon etwas wagen. Aber wahrscheinlich wäre es ihm, wenn er mit Sack und Pack ostwärts auf Berlin zu gegangen wäre, nicht viel besser geglückt wie im folgenden Jahre, als er nach den Vogesen zog. Seine Meinung, die verbündeten Armeen würden nur nach seinen Anordnungen die eigenen treffen und hinterher kommen, sollte sich bei dieser Gelegenheit doch als trügerisch erweisen.
Napoleons Erwägungen wurden jedoch sofort praktischer, als er am 14. Oktober von dem Reiterkampf bei Liebert-wolkwitz vernahm. Damit wußte er, daß die Hauptarmee des Feindes ganz nahe sei und daß die große Völkerschlacht nunmehr beginne.
Die Völkerschlacht bei Leipzig, 16.—19. Oktober.
Die Ebene um Leipzig herum wird durch die Elster und Luppe, die Parthe und Pleiße in vier verschiedene Ebenen getrennt, die einen einheitlichen Kampf um so mehr erschwerten, als die vorangegangenen Regentage die Wasserläufe und ihre Umgebung recht sumpfig gemacht hatten. Die Hauptarmee der Verbündeten hatte sich am 16. Oktober in einer Anfangsstärke von 72 000 Mann im Westen und Süden der Stadt aufgestellt und unter Wittgenstein den Kampf eröffnet, den Napoleon mit ganzer Wucht sofort annahm. Dazu hatte er 138 000 Mann. Sein Plan war hier, während schwächere Abteilungen unter Bertrand und Marmont Leipzig nach Westen und Nordwesten deckten, die langgezogenen Linien der Hauptarmee mit aller Gewalt zu durchbrechen und so vor allem den stärksten Gegner zu überwinden. Dann war ja nach seinem Grundsätze die Hauptarbeit getan und die große Schlacht gewonnen. Zu diesem Zwecke wurde namentlich um 2 Uhr der furchtbare Reiterangriff Murats
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