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1. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 61

1867 - Rostock : Hirsch
61 die Glocken erfunden und sogleich zum kirchlichen Gebrauch verwandt. Damit ihr Schall weithin zu hören sei, wurden Thürme an die Kirchen gebaut und die Glocken hineingehängt, daß sie von oben herab der Gemeinde zurufen sollten: „Kommet, denn es ist alles bereit." Als Gesänge dienten die Psalmen und Loblieder der Bibel. Eigene Ge- sänge zu dichten, galt anfangs für ungeziemend und unwürdig. Nur die Heiligen wagte man mit selbstgedichteten Liedern zu preisen, weil die Bibel derartige Lieder, wie sie für diesen Zweck gesucht wurden, nicht enthielt. Auf solche Weise aber gewöhnten sich die Christen daran, noch andre Lieder als die Psalmen der Bibel bei ihren Gottesdiensten zu singen, so daß man bald auch Lieder zu Ehren des großen Gottes dichtete. Manch köstliches Lied ist damals gesungen worden. Viele unsrer schönsten Gesänge, z. B. „Allein Gott in der Höh sei Ehr", „O Lamm Gottes unschuldig", „Herr Gott, dich loben wir" und andere sind alte lateinische Gesänge gewesen und später nur ins Deutsche übertragen. 8. Wie die Christen mit Ernst auf Zucht und gute Ordnung gehalten haben. Die Gemeinde des Herrn soll nicht Flecken oder Runzeln haben, sondern herrlich, heilig und unsträflich sein, weil Christus sich selbst für sie gegeben und sie gereinigt hat. Also lautet der Wille Gottes an sein Volk. Diesem Willen Gottes geniäß trachteten die Christen mit großem Ernst dahin, Zucht und Ordnung aufrecht zu halten und die Sünde aus ihrer Mitte zu entfer- nen. Alle, welche beharrlich irrige Lehre vortrugen oder durch grobe Sün- den das Taufgelübde gebrochen hatten, wurden von der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen und nicht eher wieder aufgenommen, als bis sie ein öf- fentliches Bekenntniß ihrer Sünden abgelegt und durch ihren Wandel bewie- sen hatten, daß es ihnen mit ihrer Buße ein rechter Ernst war. Hierfür nur ein Beispiel. Unter dem Kaiser Theodosius war in Thessa- lonich ein Aufstand ausgebrochen, und mehrere kaiserliche Beamte waren da- bei getödtet worden. Da das dem Kaiser angesagt ward, wurde er sehr zor- nig und gab Befehl, die Stadt ans das härteste zu strafen. Doch der Bi- schof Ambrosius trat zu ihm und sprach: „Riein Herr und mein Kaiser, ver- gieb dem Volke und tobte nicht die Gerechten mit den Gottlosen!" — und der Kaiser verzieh den Aufrührern. Doch als seine Räthe ihm nachher vor- stellten , daß solch eine Übelthat ernste Strafe verdiene, gab er wiederunl Befehl, daß das Kriegsvolk über die Thessalonicher herfiel und sie züchtigte, und es wurden 7000 Menschen vom Schwerte erwürgt. Ambrosius schrieb darüber an den Kaiser ehrerbietig, aber ernst, hielt ihm sein Unrecht vor und erinnerte ihn des Wortes: „Die Rache ist mein, spricht der Herr, ich will vergelten." Der Kaiser aber antwortete ihm kein Wort. Am nächsten Sonntage wollte der Kaiser mit seinem ganzen Gefolge zur Kirche gehen und mit der Gemeinde das Abendmahl feiern. Da trat ihm an der Schwelle des Gotteshauses Ambrosius entgegen, hielt ihn zurück und sprach: „Du

2. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 62

1867 - Rostock : Hirsch
62 darfst nicht eingehen zu diesem Hause; denn ein Mann, des Hand mit Blut befleckt ist, ist nicht werth, zu der Gemeinschaft Jesu Christi zu gehören." Und da sich der Kaiser auf das Beispiel Davids berief, sprach er: „Folge ihm in seiner Reue, wie du ihm folgtest in seiner Sünde!" Acht Monate lang hat der Kaiser sich dessen geweigert. Da hat er seinen kaiserlichen Sckmuck abgelegt und hat öffentlich in der Kirche Buße gethan und hat ge- betet: „Meine Seele liegt im Staube; erquicke mich nach deinem Wort!" Und nun erst ward er wieder in die Kirchengemeinde aufgenommen. Wer des Wolfes schont, gefährdet die Schafe. 9. Wie Gott der Herr der Christenheit eine Zuchtruthe erweckt hat. Muhammed. Während im Abendlande das kirchliche Leben immer mehr erstarkte und sich in würdiger Ausstattung des Gottesdienstes, in Eifer für die Bekehrung der Heiden und vielen andern Dingen kund that, erschlaffte die Kirche des Morgenlandes zusehends und sank von Jahr zu Jahr in tiefere Entartung. Das einzige Lebens- zeichen, welches sie gab, waren die unaufhörlichen Streitigkeiten, die die Kirche in eine Unzahl von Rotten und Sekten zerrissen. Die umwohnenden Heiden, wenn sie das Gebahren der Christen ansahen, konnten keine Achtung vor der christlichen Kirche und so- mit auch kein Verlangen gewinnen, zu derselben überzutreten. Da that Gott ein Einsehen und erweckte einen Mann, der für die erschlaffte Christenheit eine Zuchtruthe sein sollte. Der Mann hieß Muhammed und wurde im Jahre 570 zu Mekka in Arabien geboren. Seine Eltern, die einem vornehmen Geschlechte des Lan- des angehörten, starben früh. Ein Oheim nahm den verwaisten Knaben ins Haus und bildete ihn zum Kaufmann aus. Als solcher machte Muhammed weite Reisen und lernte viele Menschen und ihre Gebräuche und Sitten kennen. Häufig und gerne verkehrte er mit Christen und sprach mit ihnen über Gott und göttliche Dinge. In diesen Gesprächen wurde er zuerst darüber gewiß, daß der Götzen- dienst eine Thorheit sei, und kam schließlich dahin, daß er sich ganz von dem heidnischen Aberglauben lossagte. Aber wo sollte er Er- satz für das Verlorne suchen? Die Christen in ihrer Zerrissenheit flößten ihm keine Achtung ein, und die Juden trugen zu deutlich die Zeichen des göttlichen Gerichtes an sich, als daß er bei ihnen hätte Rath suchen mögen. Ob seine Seele dabei in Unruhe versetzt worden ist? Genug, von der Zeit an zog er sich häufig in die Einsamkeit des Gebirges zurück und blieb Wochen lang dort, um

3. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 63

1867 - Rostock : Hirsch
63 eifrig und ungestört nach der wahren Religion zu forschen. Meh- rere Jahre vergingen in solcher Weise; da kehrte Muhammed eines Tages wieder und erklärte, daß er von dem Engel Gabriel die Offenbarung erhalten habe, er solle den alten Glauben des Erz- vaters Abraham wiederherstellen. Er predigte: „Es ist nur ein Gott, Allah, und Muhammed ist sein größter Prophet; Moses und Christus sind auch Propheten gewesen, aber kleiner, als ich; denn ich bin der Tröster, den Christus verheißen hat." So stellte sich der verblendete Mensch über den eingebornen Sohn Gottes. Von einer Taube ließ er sich Erbsen aus seinem Ohr fressen und sagte, sie bringe ihm Botschaft vom Himmel. Auch behauptete er, über Nacht reite er öfter aus einem weißen Rosse in den Himmel, um mit Gott zu reden. Wenn er Anfälle von der Fallsucht bekam, an der.er litt, so gab er vor, Gott rufe seine Seele in den Him- mel, um ihm etwas Neues zu offenbaren. Anfangs fand er wenig Glauben; denn außer seinen Haus- genossen wollte ihn fast niemand sür einen Propheten gelten lassen. Und als endlich die Zahl seiner Anhänger sich mehrte, erhoben sich seine eigenen Stammesgenossen gegen ihn und nöthigten ihn, aus Mekka zu fliehen, im Juli 622. Von dem Tage dieser Flucht (Hedschra) zählen die Muhammedaner ihre Jahre. Sie war auch der Ansang seines Sieges; denn nun mehrten sich seine Anhänger reißend schnell. Nach wenigen Jahren war Muhammed so stark, daß er zurückkehren und Mekka wieder erobern konnte. Von da an war er das anerkannte weltliche und geistliche Oberhaupt seiner Gemeinde. Abermals vergingen wenige Jahre, da war Muham- med Herr über ganz Arabien geworden. Was ihm so großen Zulaus verschaffte, war theils seine Lehre selbst, theils die Weise, wie er sie ausbreitete. Seine Lehre war ganz so, daß sie dem natürlichen Menschen Wohlgefallen konnte. Sie deckte das sündliche Verderben im Innern des Herzens nicht aus, sondern suchte nur durch eine schöne äußerliche Zucht das Le- den von offenbaren groben Sünden rein zu halten und behauptete, der Mensch müßte sich durch seine Tugenden die Seligkeit verdienen. Täglich sollte der Gläubige oder Moslem fünfmal beten, das Ge- sicht nach Mekka gekehrt. Schweinefleisch sollte er nicht essen. Wein nicht trinken; dagegen könne er mehrere Frauen nehmen, wie Muhammed selbst deren 22 gehabt hat. Wenigstens einmal in seinem Leben sollte jeder eine Wallfahrt nach der heiligen Stadt Mekka machen. Beten führte ans halbem Wege zu Gott, Fasten brächte an den Eingang des Himmels, Almosen eröffneten

4. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 64

1867 - Rostock : Hirsch
64 die Thür. Als vornehmste Tugend pries er kriegerische Tapfer- keit. Das größte Verdienst vor Gott sollte sich ein Mensch erwer- den , wenn er am Kriege für die Ausbreitung des muhammeda- nischen Glaubens theilnähme. „Der Glaubenskämpfer wird ein- gehen unter die schattigen Bäume des Paradieses, wo von himm- lischen Rosen ewiger Wohlgeruch strömt, und seine Wunden wer- den anl Tage des Weltgerichts wie Bisam duften und wie Leucht- käfer glanzen." Für solche Lehre zog inan in den „heiligen Krieg", um sie mit dem Schwerte auszubreiten. Die unterworfenen Völ- ker behielten nur die Wahl, entweder sich niederhauen zu lassen, oder den Glauben Muhammeds anzunehmen. Da ist nicht zu ver- wundern , wenn die neue Lehre sich schnell ausbreitete und sogar über die Grenzen Arabiens hinaus Eingang gewann. Der Tetifel ist unsers Herrgotts Affe. Die muhammedanischen Völker. Muhammed starb im Jahre 632. Seine Nachfolger, die man „Chalifen" nannte, setzten sein Werk fort. Überall, wohin sie kamen, verwandelten sie die christlichen Kirchen in Moscheen und zwangen die Christen zum Islam. In Ägypten, wie an der ganzen Nordküste Afrikas, zerstörten sie die da so blühenden Pflanzstätten des Christenthums: in Spanien vernichteten sie das christliche Reich der Westgothen: sie unterwarfen sich das heilige Land und rissen in Jerusalem das Kreuz Christi nieder; sie eroberten Syrien und über- schwemmten Kleinasien. Merkwürdig ist das Schicksal der 7 kleinasiatischen Gemeinden, die wir ans der Offenbarung Johannis kennen. Auch sie waren, nachdem der Herr sie so lange mit göttlicher Geduld getragen hatte, durch Unglauben, Gleichgültigkeit und Sünde reis zum Gericht geworden. Hundert Jahre lang streiften die Muhammedaner an ihren Grenzen umher und thaten einzelne Einfülle; aber die Christen dort verstanden die Warnungsstimme des Herrn nicht. Da ging denn die Drohung Offenb. Johannis 2, 5 in Erfül- lung : ihr Leuchter ward umgestoßen: sie selbst kamen auch um, und ihre Wohnstätte ward zur Wüste. Im Abendlande half Gott der Herr der Christenheit gegen die Araber. In Frankreich, in das sie von Spanien aus einfielen, wurden sie von Karls des Großen Großvater Karl Martell gänzlich geschlagen. Allein im Morgen- lande gebrauchte Gott die Muhammedaner noch weiter als eine Zuchtruthe für die Christen. Ein rohes, kriegerisches Volk aus Hochasien, die Türken, kam nach Vorderasien, nahm den muhammedanischen Glauben an, schob die Araber bei Seite und machte sich zum Herrn des ganzen Landes. Von da an sind die Türken das eigentliche Volk des falschen Propheten. Von Asien • gingen sie nach Europa hinüber, eroberten 1453 Konstantinopel und machten dem christlichen Reiche des griechischen Kaisers ein Ende. In den folgenden Jahrhunderten drangen sie durch Ungarn gegen Deutschland vor und legten

5. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 65

1867 - Rostock : Hirsch
65 sich mit ihren zahllosen Heeren vor Wien. Die Christenheit fing an zu zit- tern. Täglich wurde beim Schall der Betglocke in allen deutschen Ländern die Hülsedes barmherzigen Gottes angerufen, und sonntäglich zählten unsere Väter unter den Übeln, um deren gnädige Abwendung sie Gott in der Li- tanei baten, auch die Türken auf. Denn der Türke war ein schrecklicher Feind, der kein Erbarmen kannte, und dem nichts heilig war. Was den Türken unter die Hände kam, das verwüsteten sie mit roher, thierischer Lust. Die Menschen aber schlugen sie mit der Schürfe des Schwertes oder schlepp- ten sie fort in schmachvolle Sklaverei. Vor „der Türken Mord" gabs nur eine Rettung: Christum zu verleugnen und sich zum Glauben Muhammeds zu bekennen. Im Laufe der Jahre hat Gott die Macht der Türken gebrochen, daß die christlichen Völker Europas nicht mehr vor ihr zu zittern brauchen. Aber ein „Zeichen" bleibt es immer, daß das heilige Land der Christenheit bis zu dieser Stunde den Türken gehört, und daß dort, wo Christus und seine Apostel gewandelt haben, der falsche Prophet jetzt die Herrschaft führt. 10. Wie das Christenthum in Deutschland gepflanzt ist. Die erste Arbeit. Was die Kirche im Morgenlande verlor, gewann sie im Abendlande wieder. Als bereits im Süden und Westen von Europa das Wort des Lebens gepredigt war und sichtlich angefangen hatte, Frucht zu bringen, lag unser deutsches Vaterland noch in Finsterniß und Todesschatten und hatte kein Wort davon vernommen, daß das Licht in die Welt gekommen ist, das alle Menschen erleuchten soll. Da schlug endlich auch Deutschlands Stunde. Mönche aus den irländischen und englischen Klöstern trugen die erste Kunde von der Barmherzigkeit Gottes in die Wälder Deutschlands. C o lum b an und Gallus, zwei Irländer von vornehmer Herkunft, machten sich mit mehreren jungen Leuten auf, dem Herrn unter den Heiden in Deutschland zu dienen. In einem öden Felsenthale des Elsasses ließen sie sich nieder und wirkten dort unter solcher Noth und Entbehrung, daß sie oft nichts als Wurzeln und Baumrinde fanden, ihren Hunger zu stillen. Von hier vertrieben, trennten sich beide. Columban zog weiter nach Oberitalien; Gallus aber ging den Rhein in die Höhe und schlug in einer wilden Einöde der himmelhohen Schweizerberge seine Hütte auf, um von da aus das Evau- gelium in den umliegenden Ländern zu verkündigen. Gott segnete die Arbeit seines treuen Knechtes, daß viele kamen und das Wort aufnahmen mit Freu- den. Die Bekehrten siedelten sich um seine Hütte an und legten den Grund zu Stadt und Kloster St. Gallen. Nach einem bewegten, mühevollen, aber in der Liebe Christi reichen Leben ging Gallus am 16. Oktober 640 zu seines Herrn Ruhe ein. Sein Tag ist ein wohlbekanntes Zeichen in unserm Kalender. Andere Glaubensboten arbeiteten in Süd- und Mitteldeutschland und wirkten zur Ehre Gottes unter unsern heidnischen Vorfahren. Sie alle ha- o

6. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 66

1867 - Rostock : Hirsch
kn fleißig die Wege geebnet, indem sie hin und her das Licht des Evange- liums anzündeten. Die von ihnen gegründeten Klöster mären die Sitze des Friedens, der Arbeit, der Gelehrsamkeit, die Zufluchtstätten der Armen, der Kranken, der Bedrängten und der Bekehrten. Rings um die Klöster, welche häufig tief in Wildnissen lagen, bauten ihre Bewohner das Land im Schweiße ihres Angesichts, unter harten Kämpfen mit Bären und Wölfen und mensch- lichen Räubern. Sie standen unter strenger Zucht, und ihre Nahrung war die allerdürstigste. An die meisten dieser Klöster sind hernach Kirchen ange- baut: an viele haben sich Städte und Dörfer angeschlossen. Winfried. Für ganz Deutschland aber brach der Tag des Heils erst an, als Bonifacius, der Apostel der Deutschen, den vaterlän- dischen Boden betrat, mit hier sein Missionsmerk zu beginnen. Bo- nifacius, ursprünglich Winfried genannt, stammte aus einer vor- nehmen Familie Englands und sollte nach dein Willen der Eltern etivas Großes in dieser Welt werden. Der Wunsch ist überreich- lich in Erfüllung gegangen, aber in anderer Weise, als jene dach- ten. Seine Jugend fiel in die Zeit, da Gott die Herzen vieler Christen in England rührte, daß sie ausgingen, den Heiden in Deutschland das Evangelium zu predigen. Da machte sich auch Bonifacius auf, in den deutschen Wäldern den Gekreuzigten zu verkündigen. Unterwegs übernachtete er in einent Kloster in der Nähe von Trier. Bei Tische mußte ein fünfzehnjähriger Knabe, der eben ans der Schule zurückgekommen war, einen Abschnitt aus der la- teinischen Bibel vorlesen. Winfried sagte zu ihm: „Du kannst schön lesen, mein Sohn; aber verstehst du denn auch, was du gelesen hast?" Der Knabe fing an, den Abschnitt noch einmal zu lesen. „So meine ich nicht," fuhr Winfried fort, „ich möchte gerne wissen, ob du mir auf deutsch sagen kannst, was du gelesen hast." Der Knabe gestand, daß er das nicht könne. Nun übersetzte ihm Win- fried die Bibelstelle ins Deutsche und hielt über dieselbe eine ein- dringliche Anrede an die Tischgesellschaft. Seine Worte drangen dem Jüngling so ins Herz, daß er sogleich seiner Muhme, der Äbtissin, erklärte, mit diesem Manne wolle er gehen, um von ihm die heilige Schrift verstehen zu lernen. Er ließ sich auch durch keine Vorstellungen in diesem Entschlüsse wankend machen und sagte zur Äbtissin: „Wenn du mir kein Pferd geben willst, mit ihm zu reiten, so werde ich ihm zu Fuße nachfolgen." Die Äbtissin sah, daß etwas Höheres das Herz des Knaben bewege, und ließ ihn ziehen. Dieser Knabe hieß Gregor und wurde später eins der

7. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 67

1867 - Rostock : Hirsch
67 ausgezeichnetsten Werkzeuge Christi für die Ausbreitung des Evan- geliums im nördlichen Deutschland. Winfried kam nach dem Hessenlande und arbeitete dort in so großem Segen, daß in kurzer Zeit Tausende dem Heidenthume ent- sagten und sich zu dem Herrn Christo bekannten. Der Ruf von seinen außerordentlichen Erfolgen drang bis nach Rom und bewog den Papst, ihn zum Bischof über die von ihm bekehrten Christen zu weihen. Die Zahl der Christen mehrte sich täglich; aber bei der Menge der Übertretenden konnten unmöglich alle Bekehrungen gründlich sein. Viele nahmen äußerlich den Christenglauben an, blieben aber in ihrem Leben und Wesen ganz, wie sie vorher gewesen wa- ren. Bonifacius hatte oft große Noth, einzelne Stücke des heid- nischen Aberglaubens zu vertilgen. Da stand z. B. im Hessenlande eine große, uralte Eiche, welche dem Donnergotte Thor heilig war. Selbst die Getauften konnten sich nicht überwinden, die Scheu vor dem heiligen Baume abzulegen. Deshalb beschloß Bonifacius, die Eiche zu füllen. In Gegenwart einer großen Versammlung zeugte er zuerst von Gott, der die Eichen geschaffen hätte und von den Menschen verehrt werden wollte; dann hob er die Axt auf und führte den ersten Streich gegen den Baum. Lautlos stand das Volk umher und wartete mit klopfendem Herzen, ob nicht der Frevler von beut Donnergotte zerschmettert werden würde. Aber alles blieb ruhig in: Himmel und aus Erden. Als der letzte Hieb gethan war und der Baum mit Krachen umfiel, ohne daß die Blitze des zürnenden Gottes den Missethäter getroffen hätten, war für die Heiden die Nichtigkeit des heidnischen Götzendienstes erwiesen. Von hier aus durchzog Bonifacius das mittlere Deutschland nach allen Richtungen, nach Ost und West, nach Süd und Nord; überall predigte er, taufte er, baute er Kirchen und setzte Prediger ein. Sobald der Papst erkannte, welcher Segen von Gott auf deul Werke dieses Mannes ruhte, ernannte er denselben zum Erz- bischof und Haupt der ganzen deutschen Christenheit. In dieser Hoheit Würde that Bonifacius alles Mögliche, mit die zerstreuten Glieder der Kirche in Deutschland zusammenzubringen; er richtete allenthalben kirchliche Ordnungen auf, stellte die vergessenen Syno- den wieder her, machte häufig Visitationsreisen und suchte überall zu bessern, wo Besserung noth that. Er hat eine gemeinsame deutsche Kirche und damit erst ein deutsches Volk geschaffen. Vor Bonifacius gab es in dem jetzigen Deutschland eine Menge ein- zelner Völkerschaften, die wenig oder gar keine Gemeinschaft mit 5*

8. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 68

1867 - Rostock : Hirsch
08 einander hatten. Erst dadurch, daß alle verschiedenen Stämme unter eine und dieselbe kirchliche Ordnung traten, wurden sie eng mit einander verbunden mtb wuchsen heran zu dem großen, mäch- tigen deutschen Volke. Winfrieds Ende. In seinen alten Tagen hätte Bonifacius wohl mögen Ruhe haben; aber er gedachte an den Wunsch seiner Jugend, den Friesen das Evangelium zu predigen. So legte er denn sein Bischofsamt nieder, bestimmte seinen treuen Mitarbeiter Lullus zu seinem Nach- folger, sorgte für die Zukunft seiner Jünger und Mitarbeiter und versammelte noch einmal etliche seiner Freunde und Genossen um sich mtb sprach zu ihnen: „Liebe Brüder, lasset uns noch einmal hin- ausziehen zu den: Volke der Friesen, ob wir noch unter ihnen eine Frucht haben möchten, ihre Seelen zu gewinnen und zu erretten von der Finsterniß zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott!" Begleitet von 52 Männern reiste er nach Friesland ab und wirkte dort etliche Zeit in großem Segen. Seine Erfolge er- regten indes den Haß der Heiden, daß sich ihrer viele verschworen, den Feind ihrer Götter zu ermorden. Bonifacius hatte auf das Fest der Pfingsten, den 5. Juni 755, die Menge der Neugetauften nach Dokkum in Nord-Friesland, wo er seine Zelte aufgeschlagen hatte, beschieden, um sie dort durch Handauflegnng zu confirmiren. Aber statt ihrer erschienen in der Frühe des Morgens seine Feinde, mit Lanzen und Schwertern und Schilden bewaffnet. Seine Diener eilten in ihre Zelte, ihre Waffen zu holen, und schickten sich zur Gegenwehr an; aber Bonifacius wehrte ihnen und sprach: „Liebe Brüder, hebet nicht den Arm auf wider sie! Meinet ihr, daß der Herr uns nicht erretten könnte aus der Hand dieser Feinde, wenn es also bei ihm beschlossen wäre? Ist aber die Stunde gekommen, daß wir um seines Namens willen nufer Leben lassen sollen, wohlan, so wollen wir seinem Rufe nicht widerstreben. Sein Wille geschehe!" Darnach wandte er sich zu den Priestern und sprach: „Unser Herr Christus spricht: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tobten, aber die Seele nicht können tobten! Seid getreu bis in den Tod, auf daß euch droben die Krone der Gerechtigkeit beigelegt werde!" Und als er das gesagt hatte, trat er, das Evangelienbuch in der Hand, den Heiden entgegen und empfing betend den Todesstreich, 75 Jahre alt. Seine Leiche wurde nach seinem eignen letzten Willen nach Fulda, dem bedeutendsten der von ihm gegründeten Klöster, gebracht und

9. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 69

1867 - Rostock : Hirsch
69 unter großem Geleite beigesetzt. Also ist Bonifacius gestorben, der treue Knecht Gottes, der in unserm Gedächtnisse oben an stehen sollte, wenn wir Gott danken, daß wir Deutsche und Christen sind. Das Gedächtniß seines Todestages bewahrt der Kalender uns auf. Gott, Eltern und Lehrern kann man nimmer genug danken. Die flsekeliriiug der Sachsen. Im nordwestlichen Deutschland, von Holstein bis ins Thüringische hinein, labte ein Volk, die Sachsen genannt, welches bisher von dem Christenthum noch nichts hatte wissen wollen. Sie waren gewaltthätige Leute und machten in althergebrachter Weise beständig Raubzüge in die umliegenden Länder. Was sie fortschaffen konnten , schleppten sie mit fort. Von den Gefangenen schlachteten sie einige als Opfer für die Götter, die andern führten sie in eine schwere, drückende Sklaverei. Ihre Raubzüge wurden insonderheit ihren westlichen Nachbarn, den Franken, so unerträglich, dass deren König Karl, um seine eigenen Unterthanen zu schützen , einen Kriegszug gegen die Sachsen unternahm. Mit wohl- geübten Heeren rückte er ein und schlug die Feinde in mehreren grossen Schlachten. Weil er wohl wusste , dass die Roheit nicht mit dem Schwerte , sondern mit dem Worte Gottes gebrochen wird , so nahm er Priester und Missionare mit , welche das Volk belehren und ihm milde Sitten bringen sollten. Aber kaum war Karl mit seinem Heere abgezo- gen , so standen die Sachsen wieder auf, ermordeten die Priester und fielen raubend in das Land der Franken ein. Karl eilte schnell herbei und unterwarf die Sachsen von neuem. Aber dreissig Jahre wiederholten sich diese Auftritte. Die Sachsen kämpften für ihre Freiheit und ihre Götter gegen ihre Unterdrücker; die Franken kämpften für Christi Reich gegen Barbarei und Menschenopfer. Auf beiden Seiten nahm die Erbit- terung von Jahr zu Jahr zu und rief schreckliche Grausamkeiten hervor. Die Sachsen opferten die gefangenen Franken den Göttern; die Franken nahmen für ihre geschlachteten Brüder blutige Rache an den gefangenen Sachsen. Endlich wurden die Sachsen gänzlich unterworfen und mit Gewalt zur Taufe getrieben. Lange hatten sie sich gewehrt. Nachdem sie aber in Christo den Herzog ihrer Seligkeit gefunden hatten, dienten sie ihm bald eben so herzlich, so innig, so treu, wie nur irgend ein andrer deutscher Stamm. Ii. Wie Mecklenburg ein christliches Lund geworden ist. Die Wenden und ihre Götzen. Von allen Ländern Deutschlands ist Mecklenburg zuletzt eilt christliches Land geworden. In der Zeit, in welcher wir die erste Kunde von unserm Vaterlande erhalten, wohnte hier ein nichtdentsches, ein slavisches Volk,

10. Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin - S. 70

1867 - Rostock : Hirsch
70 Wenden genannt, welches vor langen Jahren von Osten her eingewandert war, als die frühere deutsche Bevölkerung das Land verlassen hatte. Die Wenden zerfielen in zahlreiche größere und kleinere Stämme, von denen die Obotriten im Westen und die Milzen oder Lutizier im Osten die be- deutendsten waren. Sie verehrten eine große Menge von berathenden und helfenden Göttern. Glicht bloß jeder Ort, auch jedes Geschäft und jede Ge- nossenschaft hatte ihren eigenen Schußgott. Einige Götzen, z. B. der „Do- beran", „Perkun", „Godebuz" und andere wurden nur an einzelnen Orten verehrt, andere im ganzen Wendenlande angebetet. Zu letzteren gehörten die „Siwa", welche der Stadt Schwaan lsywan) den Namen gegeben hat, und „Rad eg äst", der seinen Haupttempel in Rh etra an der Tollense hatte. Das größte Ansehen unter allen aber besaß der Götze „Sw ante- wit", dessen Tempel zu Arkona auf Rügen stand. Sein Bild war von übermenschlicher Größe und hatte'4 Köpfe. Ihm wurden Schafe und Rinder, bei außerordentlichen Gelegenheiten auch Menschen geopfert. Seit das Christenthum iu Mecklenburg Eingang fand, wurden oft gefangene Christen den Göttern dargebracht. Außerdem unterschieden die Wenden den B e l b o g, d. i. weißen oder guten Gott, und den Zerneb o g , d. i. schwarzen oder bösen Gott, und leiteten von ersterem das Glück, von letzterem das Unheil ab, welches det^Menschen widerfährt. Die erste vergebliche Arbeit. Als Kaiser Karl d. Gr. die schweren Kriege gegen die Sachsen führte, gelang es ihin, die Obotriten zu seinen Bundesgenossen äit machen und da- durch deu Sachsen einen Feind üit Rücken zu erwecken. Das war für ihn ein großer Gewinn; denn die Obotriten waren wackere Streiter und standen dem Kaiser getreulich bei. Karl hat dies auch wohl erkannt und hat sie als Freunde gehalten; aber für ihre Bekehrung hat er nichts gethan. Sein Nachfolger, Kaiser Ludwig, setzte nach Hamburg einen Bischof, Ansgarius mit Namen, und trug ihm auf, nach Möglichkeit die Mission unter den Wenden zu betreiben. Der Bischof Ansgarius aber, der für Dä- nemark, Schweden und Norwegen dasselbe gewesen ist, was Bonifaeius für Deutschland, that für das benachbarte Mecklenburg weiter nichts, als daß er einige gefangene Wendenknaben loskaufte und sie im Christenthum unter- richtete, damit sie künftig als Missionare unter ihr Volk zurückkehren könnten. Über bunbert Fahre vergingen, bevor ein ernster Versuch gemacht wurde, unseren Vorfahren das Evangelium zu predigen. Die unruhigen, räuberi- schen Wenden lebten von der Zeit Karls des Großen her in beständigen Feh- den mit ihren Nachbarn, den Sachsen. Aber das Blatt hatte sich gewandt. Die Sachsen waren jetzt Christen und Freunde des Kaisers und konnten auf die Hülfe der übrigen Deutschen rechnen. Wenn nun die Wenden in da-- Sächsische einfielen, rückten schnell die deutschen Heere zum Schutz des Lan- des heran. Dann zogen sich die Wenden in ihre Wälder zurück, aber nur, um verheerend wieder in das deutsche Gebiet einzufallen, sobald jene sich entfernt hatten. Lange Zeit dauerte das gegenseitige Morden imb Rauben.
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