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Mit der ganzen Wildheit jener Zeiten brach nun der Haß der
Heiden in die grausamsten Verfolgungen gegen die Christen aus.
Den Anfang machte Kaiser Nero, der Muttermörder, eines der
größten Scheusale, von welchen die Weltgeschichte erzählt. Wir
haben schon früher gehört, daß er Rom anzünden ließ und die Schuld
davon auf die Christen schob. Eine Menge derselben wurden den
wilden Thieren vorgeworfen; Viele, und unter diesen selbst der
heilige Petrus, wurden gekreuzigt; der heilige Paulus wurde
mit vielen Andern durch das Schwert hingerichtet; noch Andere
wurden in Säcke genäht, die man mit Werg ausstopfte und von
außen mit Pech übergoß; so grub man sie in die Erde und zündete
sie an, um des Nachts den kaiserlichen Garten zu beleuchten (J34).
Nach Nero's schmachvollem Ende genossen die Christen unter
den Kaisern Vespasicm und Titus Ruhe, bis nach dem frühen
Tode des Letzteren dessen Bruder Domitian den Thron bestieg und
den Nero an Grausamkell noch zu übertreffen suchte. Der folgende
Kaiser Newa that den Christen Nichts zu leid, aber der auf ihn
folgende Kaiser Trajau glaubte die Christen schon aus Klugheit
verfolgen zu müssen, um sich bei dem Volk nicht verhaßt zu machen.
Unter seiner Regierung wurden Viele, die sich weigerten den Götzen
zu opfern, gemartert und getödtet, unter diesen auch die römischen
Bischöfe Clemens und Evaristus, der 120 Jahre alte Bischof
Simeon von Jerusalem, ein Anverwandter Jesu, und der heilige
Ignatius, Bischof von Alexandrien, ein Schüler der Apostel Pe-
trus und Johannes.
Der folgende Kaiser Hadrian milderte nach und nach die Ver-
folgung, die mehr durch die Bosheit der Statthalter, als nach des
Kaisers Willen noch fortdauerte. Unter feiner Regierung errangen
der heilige Eustachius mit seiner Gattin und seinen beiden Söhnen,
sowie Symphorosa mit ihren sieben Söhnen die Märtyrerkrone.
Unter dem Kaiser Antonius Pins, der dem vorigen im Jahre
138 n. Chr. folgte, genossen endlich die Christen eine längst ersehnte
Ruhe; aber schon im Jahre 161 begannen unter seinem Nachfolger
Marc Aurel, der sonst mit vielen trefflichen Eigenschaften begabt
war, die Christenverfolgungen mit erneuter Wuth, weil der Kaiser
glaubte, daß nur in dem Heidenthume für Rom Heil zu finden sei.
Statins, der Statthalter zu Smyrna, begann die Verfolgung,
indem er alle nur erdenkliche Martern gegen die Christen anwandte.
Er ließ unter andern auch den 86jährigen Greis Polykarp ns,
der seit 70 Jahren der Kirche von Smyrna als Bischof vorstand,
vor sich rufen und befahl ihm, den Götzen zu opfern und Jesum
zu lästern. Allein Polykarpus sprach: „Wie soll ich meinen Herrn
lästern, der mich selig gemacht hat?" — Der Statthalter drohte
ihm mit den furchtbarsten Qualen; allein Polykarpus blieb stand-
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Extrahierte Personennamen: Petrus Domitian Clemens Apostel Johannes Hadrian Antonius Marc_Aurel
Extrahierte Ortsnamen: Rom Jerusalem Rom Smyrna Smyrna
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haft und erlitt mit freudigem Muthe den Märtyrertod. So starben
in allen Theilen des Reiches Tausende als Bekenner der heiligen
Lehre Jesu.
Von jetzt an gieng das römische Reich unter einer Reihe von
elenden Regenten immer mehr feinem Verfalle entgegen. Die Chri-
stenverfolgungen, deren man bis zum Jahre 312 zehn große zählt,
dauerten fort, besonders unter den Kaisern Decins und Diokletian.
Allein das Blut der Märtyrer wurde stets zur Aussaat für neue
Bekenner. Die Freudigkeit, mit welcher diese Glaubenshelden,
ja selbst zarte Kinder ihren Glauben an Jesus bekannten; die
Standhaftigkeit, mit der sie alle Qualen und Martern er-
trugen; die Zuversicht, mit welcher sie von dem ewigen Leben
sprachen, und oft in den letzten Augenblicken noch, Psalmen singend
oder für ihre Peiniger betend, Gott dankten, daß er sie gewürdigt,
zu seiner Ehre zu leiden — dieses Alles bewog viele Tausende zur
Annahme der göttlichen Lehre, und unter allen Verfolgungen blühte
die Kirche Jesu stetssort herrlicher auf.
26. Eonsiantin der Große.
Zur Zeit des Kaisers Diokletian herrschten vier Regenten
über das römische Reich. Einer derselben war Constantinus
Ch lorus, der im Jahr 306 zu Jork in England starb und seine
Würde seinem Sohne Eonstarttiii hinterließ. Da nun einer der
zuvor abgetretenen Kaiser, Maximian mit Namen, den Purpur
wieder anlegte, und seinen Sohn Maxentius zum Mitregenten
ernannte, so gab es sogar sechs Herrscher im römischen Reiche, welche
einander wechselseitig bekriegten und zu stürzen suchten.
Maxentius hatte sich mit einem ungeheuren Heere gegen
Constantin gewendet, dessen Heer durch Mühsale und Kämpfe er-
schöpft und durch zurückgelassene Besatzungen äußerst geschwächt war.
Seine Soldaten murrten laut, die Heerführer riethen zum Rückzüge
und Constantin befand sich somit in der schwierigsten Lage. Da
erschien auf ein Mal am hellen Mittage hoch über der Sonne aus
einer dunkeln Wolke ein leuchtendes Kreuz mit der Umschrift: „In
diesem Zeichen wirst du siegen." Constantin und das ganze Heer
sahen diese Erscheinung mit größtem Erstaunen. In der folgenden
Nacht erschien ihm Jesus mit dem gleichen Zeichen und befahl ihm,
dasselbe nachmachen und dem Heere vorantragen zu lassen. Dieses
geschah; und mit der Kreuzesfahne voran stürzten sich die Soldaten
Constantin's auf die Feinde und errangen den vollständigsten Sieg.
Maxentius floh und ertrank in der Tiber, die er so oft mit dem
Blute schuldloser Gläubigen geröthet hatte.
So wurde Constantin nach und nach Alleinherrscher, nachdem
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Extrahierte Personennamen: Constantinus
Ch Maximian Constantin Constantin Constantin Constantin
Extrahierte Ortsnamen: England Maxentius Maxentius Maxentius
er auch den letzten seiner Mitkaiser besiegt hatte, worauf er den
Christen vollkommene Religionsfreiheit gewährte und ihnen selbst
prächtige Kirchen erbaute. Seine Mutter Helena hatte 'im hei-
ligen Lande nach langen Nachforschungen das Kreuz des Erlösers
aufgefunden und ließ auf der Stätte, wo es verscharrt gewesen war,
eine prachtvolle Kirche erbauen. Constantin wählte Byzanz, das er
mit herrlichen christlichen Tempeln schmückte, zu seiner Residenz; er
setzte das Kreuz aus seinen Palast und ließ sich endlich taufen, nach-
dem er schon vorher seine Kinder hatte christlich erziehen lassen.
Constantin, der mit Recht den Beinamen „der Große" erhielt, starb
im Jahre 337, betrauert von seinem ganzen Reiche, besonders aber
von den Christen, die endlich ungescheut ihren Gott öffentlich an-
beten durften, nachdem das Kreuz über das Heidenthum gesiegt hatte.
27. Theodosius der Große und Ambrosius.
Theodosius, ein ausgezeichneter Feldherr, war von dem Kaiser
Gratianus zum Mitregenten erwählt worden. Dieser große
Mann wurde nach Constantin der eifrigste Beförderer des Christen-
thums, indem er im Jahr 380 das Gesetz erließ, daß alle seine
Böller derjenigen Religion zugethan seyn sollten, welche der Apostel
Petrus die Römer gelehrt habe. Er verbot alle Arten des Götzen-
dienstes und ließ überall die Denkmäler desselben wegräumen. Bei
Vollziehung dieses Gebotes sahen die Aegypter mit Entsetzen und
Beschämung, daß ihre Priester sich hohler Bildsäulen zum Betrüge
bedient und ans denselben heraus ihre Sprüche verkündigt hatten,
gleich als hätten die Götter selber gesprochen.
Schon im Jahre 311 hatte Arius, ein Priester aus Alexan-
drien, die Irrlehre aufgestellt: Jesus Christus sei zwar vor der
Welt, aber doch, wie diese, von Gott aus Nichts erschaffen wor-
den; Er sei daher keineswegs mit Gott dem Vater von gleicher
Wesenheit, sondern ihm nur ähnlich und der erhabenste unter
den erschaffenen Geistern.
Diese Irrlehre wurde auf einem Concil zu Alexandrien, dem
an 100 Bischöfe beiwohnten, mit Abscheu verworfen und Arius aus
der Kirche gestoßen. Seine Anhänger hießen Arianer, und durch
sie wurden viele Streitigkeiten, Verfolgungen und Gewaltthätigkeiten
gegen die rechtgläubigen Christen veranlaßt.
Diese Sekte hob zur Zeit des Theodosius ihr Haupt wieder
empor, und kurz zuvor hatte Macedonius, der Patriarch von
Constantinopel, die Kirche mit einer neuen Ketzerei zu verwirren ge-
sucht. Er läugnete nämlich die Gottheit des heiligen Geistes und
behauptete, er sei tief unter dem Vater und dem Sohne. Diese
Irrlehren, welche schon früher der heilige Athanasius verdammt
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Extrahierte Personennamen: Helena Constantin Constantin Theodosius Gratianus Constantin Apostel Petrus Arius Jesus_Christus Gott
89
i
hatte, wurden auch jetzt wieder auf einem Concil zu Constantinopel
unter der Regierung des Theodosius verworfen (381).
Der Kaiser Gratian wurde bald nachher in einer Empörung
getödtet, und Theodosius war jetzt Alleinherrscher.. Da empörten sich
die Einwohner von Thessalonich gegen den kaiserlichen Statt-
halter, den sie mit vielen seiner Leute ermordeten. Der sonst so
edle Kaiser ließ sich in der Hitze seines Zornes zu dem grausamen
Befehle verleiten, die Empörer niederzuhauen, und es wurden 7000
Menschen, Schuldige und Unschuldige getödtet. Mit Entsetzen ver-
nahm das ganze Reich die Kunde von dieser grausamen That. Der
Kaiser hielt sich damals zu Mailand auf, wo der heilige Ambro-
sius Bischof war. Dieser schrieb an den Kaiser, stellte ihm die
Größe seines Verbrechens vor, forderte ihn auf, dasselbe durch die
strengste Buße zu tilgen und erklärte ihm, daß — wofern dies nicht
geschehen würde, er dem heiligen Abendmahle nicht beiwohnen könne.
Als nun Theodosius, durch dieses Schreiben gerührt, bald nachher
in der Hauptkirche seine Andacht verrichten wollte, trat ihm der
ehrwürdige Bischof entgegen, und nachdem er ihm noch einmal die
Größe seines Verbrechens vorgehalten, ries er aus: „Wie willst du
die Hände zum Gebet aufheben, die noch von dem Blute der Er-
mordeten triefen? — Gehe also hinweg und vermehre nicht die be-
gangenen Sünden mit neuen! Nimm den Bann willig an, den
Gott der Herr aller Herren billigt. Dieser Bann hat eine heilende
Kraft und vermag die Gesundheit der Seele wieder herzustellen."
Theodosius sagte, sich entschuldigend: „Auch David hat gesündigt!"
Allein Ambrosius erwiderte: „Hast du David in der Sünde nach-
geahmt, so folge ihm auch nach in der Buße." Reuig und mit
einer Demuth und Selbstverläugnuug, die ihn mehr zierte, als die
Krone des Reichs und der Ruhm seiner Thaten, that der Kaiser
Buße, acht Monate lang in Abgeschiedenheit, in Gebet und Fasten
zubringend. Als ihn sein Minister Rufinus bat, seinen Kummer zu
mindern, sprach Theodosius: „Ach, du kennst die Größe meines
Kummers nicht! Siehe den Sklaven und Bettlern steht das Heilig-
thum des Herrn offen und sie gehen ungehindert hinein und beten zu
ihrem Gott; mir aber ist der Eintritt versagt und verschlossen sind
mir die Pforten des Himmels, denn ich gedenke des Wortes, das der
Herr geredet: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das soll
auch im Himmel gebunden seyn."
Auf die inständigen Bitten des Kaisers nahm Ambrosius end-
lich dm Bann von ihm, und als er zum ersten Male die Kirche
wieder betrat, zog er seinen Kaisermantel aus, warf sich zur Erde
nieder, und unter Thränen rief er aus: „Meine Seele klebt am
Staube; erquicke Du mich nach Deinem Worte!" — Das Volk
weinte und betete mit dem büßenden Kaiser, und Ambrosius reichte
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Extrahierte Personennamen: Theodosius Gratian Theodosius Theodosius Theodosius David David David David Demuth Rufinus Theodosius
90
ihm endlich die heilige Eommunion; er aber setzte seine Buße
stille fort bis an sein Ende und erließ auf Verlangen des heiligen
Bischofs das Gesetz, daß kein Todesurtheil mehr vor dreißig Tagen
vollzogen werden dürfe, damit der Kaiser Zeit gewinnen möge, vor-
eilige Todesnrtheile zu widerrufen.
Theodosius starb 395 und hinterließ das Reich seinen zwei
Söhnen, welche sich in die Regierung theilten. Are ad ins erhielt
das Morgenland mit der Hauptstadt Constantinopel und Ho-
norins das Abendland mit der Hauptstadt Rom. Von nun
an gab es also zwei römische, von einander ganz unabhängige
Kaiserreiche, von denen jedoch das abendländische unter meh-
reren schwachen Regenten bald seiner Auslösung entgegen gieng. Im
Jahre 476 setzte nämlich Odoaker, der Anführer deutscher Volks-
stämme, die den Römern als Hilfsvölker dienten, den letzten Kaiser
Romulus Angustulus ab, und gründete so das erste deutsche
Königthum in Italien. Nach 17 Jahren wurde ihm jedoch sein
Reich durch die Ostgothen, die damals in Pannonien oder Ungarn
wohnten, wieder entrissen, indem diese ihn besiegten, zum Tode ver-
urtheilten und ihren geliebten Theodorich zum Könige von Italien
ausriefen.
Das morgenländische Kaiserthum erhielt sich fast 1000
Jahre länger und wurde besonders durch Iustinian wieder zu
großer Macht erhoben. Seine Feldherrn Narfes und Belisar
zerstörten das vand alische Reich in Afrika und eroberten das nach
Theodorich wieder tiefgesunkene ostgothische Reich, welches aber später
von den Langobarden in Besitz genommen wurde. Auf Iustinian
folgten meistens Regenten, die keiner besondern Erwähnung werth
sind und unter denen nach und nach die schönsten Provinzen an aus-
wärtige Feinde verloren giengen. Dennoch erhielt sich das ost-
römische Kaiserthnm bis zum Jahre 1453, wo es die Türken
zerstörten und auf seinen Trümmern das türkische Reich gründeten.
28. Die altcu Deutschen.
Deutschland, unser Vaterland, war vor 2000 Jahren ein un-
freundliches, rauhes und kaltes Land, voller Sümpfe und Wal-
dungen, welch' letztere vielen wilden Thieren, wie z. B. Bären, Wöl-
fen und Auerochsen zum Aufenthalte dienten. Sogar das Rennthier,
das nur in einem kalten Klima leben kann und jetzt nur noch in
den nördlichsten Erdgegenden heimisch ist, wurde ehemalsin Deutsch-
land häufig gefunden. Auch die Bewohner unseres Vaterlandes,
unsere Urväter, die alten Deutschen, waren damals so wild und
rauh, wie ihre Heimat. Sie wußten Nichts von Wissenschaft und
Bildung; sie kannten keine Schrift, trieben keine Gewerbe, hatten
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Extrahierte Personennamen: Romulus_Angustulus
Extrahierte Ortsnamen: Constantinopel Rom Italien Pannonien Ungarn Italien Afrika Deutschland
91
keine Münzen, ja nicht einmal ordentliche Wohnungen und Kleider.
Sie wohnten in Höhlen und Hütten, die sie aus Baumstämmen er-
bauten und mit Rasenstücken oder Thierfellen bedeckten. Die Häute
von Thieren, die sie auf der Jagd erlegt hatten, dienten ihnen als
Kleider und zur Nachtzeit als Betten. Sie scheuten die Arbeit und
lagen oft ganze Tage aus ihrer Bärenhaut in ihren Hütten, woher
es auch kommt, daß man jetzt noch einen faulen Menschen einen
Bärenhäuter nennt.
Die angenehmste Beschäftigung war für sie die Jagd; auch
liebten sie das Spiel so sehr, daß Mancher all' seine Habe, seine
Waffen, seine Kinder, ja sogar seine eigene Freiheit verspielte und
dem Gewinnenden willig als Sklave folgte. Auch die Liebe zum
Trünke war ein Hauptfehler unserer Vorväter. Man bereitete näm-
lich schon damals aus Gerste ein dem Bier ähnliches Getränke, mit
welchem sie sich öfters berauschten. — Bei diesen Fehlern besaßen
die alten Deutschen aber auch eben so große Tugenden. Ihre Auf-
richtigkeit, Redlichkeit und Treue dürften uns jetzt noch zum
nachahmungswürdigen Muster dienen. Nie brach der deutsche Mann
sein Wort; es wurde treuer gehalten, als jetzt manchmal der hei-
ligste Eid. Die Tapferkeit unserer Väter, bei ihrer körperlichen
Größe und Stärke, machte sie gefürchtet und berühmt bei allen um-
wohnenden Völkern.
«schon im Jahre 113 v. Chr. wollten mehrere germanische
Volksstämme in das römische Gebiet eindringen, um ihre rauhe und
kalte Heimat mit wärmeren und gesegneteren Gegenden zu vertau-
schen. Die Römer geriethen in Schrecken über das Aussehen und
die Tapferkeit dieser Barbaren, wie sie die Germanen nannten.
Fünf gegen sie gesandte römische Heere wurden geschlagen und un-
aufhaltsam drangen die Deutschen vorwärts. Da rettete Marius,
ein rauher, kriegerischer Mann, das Vaterland. Er schlug die Teu-
tonen bei Aquä Sextiä (jetzt Aip in Südfrankreich) und ein Jahr
später die Cimbern in der Gegend von Verona, und Rom war
von der drohenden Gefahr wieder befreit.
Dies sind die ältesten Nachrichten, die wir über das deutsche
Volk besitzen. Als Cäsar Gallien unterworfen hatte, gieng er selbst
zwei Mal über den Rhein, um Gallien gegen die Einfälle der ge-
fährlichen Nachbarn zu schützen. Er schätzte die Deutschen wegen
ihrer Treue und Tapferkeit und nahm Viele von ihnen gegen die
Gallier und nachher gegen andere Feinde Noms in Sold. Als aber
Augustus die Herrschaft über die Römer erlangt hatte, ließ er Fe-
stungen am Rhein anlegen, und Drusus, sein Stiefsohn, machte
bedeutende Eroberungen im Westen und Norden Deutschlands. Nach
ihm führte Tiberius zwei Jahre lang den Oberbefehl über das
römische Heer in Deutschland. Er suchte die Deutschen mehr durch
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Cäsar Augustus Drusus Tiberius
Extrahierte Ortsnamen: Südfrankreich Verona Rom Gallien Rhein Gallien Rhein Deutschlands Deutschland
92
List als Gewalt zu unterwerfen und wußte, wie früher Cäsar, sie
zu Kriegsdiensten im römischen Heere zu bereden; auch die kaiser-
liche Leibwache war fast ganz aus Deutschen gebildet. So kamen
viele junge Deutsche, unter diesen auch Hermann oder Armin, der
Sohn eines.cheruskerfürsten, nach Rom, lernten dort die römische
Kriegskunst näher kennen, und Letzterer erwarb durch seine Tapfer-
keit sogar die römische Ritterwürde.
29. Die Hermannsschlacht.
Als Hermann wieder in sein Vaterland zurückkehrte, führte
der römische Feldherr Varus den Oberbefehl in Deutschland und
gab sich alle Mühe, römische Gesetze, Sitten und Sprache daselbst
einzuführen. Er zog die Deutschen vor sein Gericht, legte ihnen
entehrende Strafen auf und erlaubte sich Bedrückungen aller Art.
Mit tiefem Schmerz sah Hermann die schmähliche Erniedrigung sei-
nes Vaterlandes und befürchtete die baldige vollständige Unterjochung
seines sonst so hochherzigen und freiheitsliebenden Volkes. Mit ge-
wandtem Geiste und kühnem Muthe faßte er den großen Plan zur
Befreiung Deutschlands, verband sich im Geheimen mit den Häupt-
lingen mehrerer deutschen Volksstämme und trat selbst an die Spitze
der Verschwörung.
Als nun die Deutschen gerüstet waren, mußten die Völker an
der Ems, Lippe und Weser Unruhen erregen. Hermann, zum
Scheine noch immer ein Freund der Römer, befand sich, als die
Nachrichten hievon im Lager anlangten, selbst bei dem Feldherrn
Varus und beredete diesen, in Person mit seinem ganzen Kriegs-
heere gegen die Aufrührer zu ziehen, um diese empfindlich zu züch-
tigen. Varus folgte diesem Rath, obwohl S egest es, Hermann's
Schwiegervater, aus Haß gegen seinen Schwiegersohn, den Feldherrn
warnte und ihm sogar rieth, Hermann und alle übrigen Anführer
der Deutschen, die noch im römischen Heere dienten, fesseln zu lassen,
weil er wisse, daß sie den Römern Verderben geschworen hätten.
Varus gab jedoch dieser Warnung kein Gehör. Mit seinem ganzen
Heere, bestehend aus 3 Legionen und 6 Cohorten (ungefähr 21,000
Mann) der besten römischen Soldaten nebst vielen Wagen, brach er
auf, um die entstandenen Unruhen mit Gewalt zu unterdrücken.
Hermann erhielt sogar den Befehl über die Nachhut des Heeres,
welche ganz aus deutschen Hilfstruppen bestand. Er benützte hie
ihm dadurch gegebene Gelegenheit sogleich, um im Rücken des Heeres
die Straßen und Brücken zu zerstören und dadurch den Rückzug
unmöglich zu machen. Hierauf vereinigte er sich mit andern Deut-
schen, und als die Römer durch wilde, morastige Gegenden, mitten
im Teutoburger Wald, gekommen waren, stürzten die Deutschen von
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Extrahierte Personennamen: Cäsar Hermann Armin Hermann Varus Hermann Hermann Varus Varus Hermann Varus Hermann
Extrahierte Ortsnamen: Rom Deutschland Deutschlands Häupt-
93
allen Seiten auf sie los, während sie von Hermann im Rücken an-
gegriffen wurden. Vergebens suchte Varus sein zerstreutes Heer zu
sammeln, umsonst ließ er seine überflüssigen Packwagen verbrennen;
weder das Fußvolk noch die Reiterei fand in dieser Wildniß Raum,
um die römische Kriegskunst zu bewähren. Zwei Tage und zwei
Nächte lang, unter fortwährendem Regen, dauerte der schreckliche
Kampf und endete mit der vollkommensten Niederlage der Römer,
von denen nur wenige den deutschen Schwertern entrannen, um die
Schreckensbotschaft nach Rom zu bringen. Varus wurde selbst
schwer verwundet und stürzte sich in sein eigenes Schwert, um den
Feinden nicht lebendig in die Hände zu fallen.
Dieses große Ereigniß im Jahr 9 nach Christus rettete die
Freiheit unserer Väter, und dem kühnen deutschen Helden Hermann
verdanken wir, daß wir noch Deutsche sind und daß noch deutsch
auf der Erde gesprochen wird. In Rom aber verbreitete die Nach-
richt von dieser Niederlage Angst, und Schrecken, und der Kaiser
Augustus war darüber so bestürzt, daß er gleich einem Wahn-
sinnigen den Kopf an die Wand stieß, seine Kleider zerriß und mehr-
mals verzweifelnd ausrief: „Varus, Varus, gieb mir meine Le-
gionen wieder!" Die Römer fürchteten sogar, daß die Deutschen
nach Italien vordringen und Rom angreifen würden; allein diese
freuten sich, ohne ihren Sieg weiter verfolgen zu wollen, der wieder-
erlangten Freiheit, und der Name ihres hochherzigen Retters
wurde hoch gefeiert.
30. Die Völkerwanderung.
In dem Zeitraume von dem Siege über die Römer bis gegen
Ende des vierten Jahrhunderts bekriegten deutsche Volksstämme sich
oft wechselseitig, und es war keine Eintracht mehr unter ihnen wahr-
zunehmen. Mehrere Völkerschaften trachteten nach fruchtbareren Wohn-
plätzen unter einem milderen Himmel. Von jetzt an wurden die
Römer öfter durch vereinigte deutsche Stämme innerhalb ihrer Gren-
zen angegriffen, und diese Einfälle wurden für das römische Reich
bald um so gefährlicher, weil die Deutschen selbst von einem neuen
furchtbaren Feinde in ihrem Rücken gedrängt wurden.
Um das. Jahr 375 brachen die Hunnen, ein mongolischer
Volksstamm, aus Asien herüber und setzten über die Wolga, wo sie
die Alanen trafen und mit sich fortrissen. Im südlichen Rußland
stießen sie auf die Ostgothen, welche sich theils mit ihnen vereinig-
ten, theils zu den Westgothen zurück wichen. Diese zogen von Ruß-
land und Polen her gegen das oströmische Reich, schlugen den Kaiser
Valens, durchstreiften ganz Griechenland, wendeten sich gegen Rom,
welches sie im Jahr 410 eroberten, und gründeten einige Jahre
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Extrahierte Personennamen: Hermann Varus Varus Christus Hermann Augustus Augustus Varus Valens
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Italien Rom Asien Griechenland Rom
94
später in Spanien und Südgallien ein Reich, das längere Seit stark
und mächtig blieb.
Die Sueben, Burgunder und Vandalen, die an den Küsten
der Ostsee gewohnt hatten, zogen ebenfalls nach dem Süden. Die
Vandalen setzten später nach Afrika hinüber und gründeten dort, wo
ehemals die Carthager geherrscht, ein deutsches Reich unter ihrem
König Geiserich. Von hier aus zogen sie nach'italien hinüber und,
erstürmten und plünderten Rom 14 Tage lang. Mit furchtbarer
Wuth zerstörten sie die schönsten und herrlichsten Kunstwerke, und
daher wird noch jetzt jede rohe Zerstörung eines Kunstgegcnstandes
„Vandalismus" genannt. Das vandalische Reich wurde endlich
von Belisar, einem Feldherrn des oströmischen Kaisers Justinian
zerstört.
Die Angeln und Sachsen setzten nach England hinüber, das
von ihnen den Namen erhielt. Sie hatten den Briten gegen die
Pikten und Schotten Hilfe geleistet, behielten aber nachher das be-
freite Land für sich.
Die Langobarden waren von den Usern der Nordsee nach dem
nördlichen Italien gezogen, wo sie das mächtige Longobardenreich
mit der Hauptstadt Pavia gründeten. Die Franken, welche bisher
an der rechten Seite des Rheins wohnten, besiegten unter ihrem
König Chlodwig die Römer, die bis dahin Gallien beherrschten,
nahmen dasselbe in Besitz und machten sich auch die Alemannen,
Thüringer und Burgunder zinsbar.
So wurde durch die Völkerwanderung eine mächtige Ver-
änderung aller Verhältnisse fast aller Länder der damals bekannten
Erde veranlaßt. Die Völkerwanderung veränderte Staaten und
schuf neue Sprachen; durch sie entstanden neue Sitten, Verfassungen
und Gesetze; sie erzeugte eine neue Ordnung der Dinge und gab
allen menschlichen Verhältnissen einen neuen Umschwung, wodurch
die Zukunft der Völker bis auf die spätesten Zeiten vorausbestimmt
und vorbereitet wurde.
31. Attila, die Geißel Gottes.
Die Hunnen, die sich seit ihrem ersten Erscheinen in Europa
in den weidereichcn Gegenden Südrußlands umhergetrieben und so-
dann in Ungarn niedergelassen hatten, waren mit einem Heere von
700,000 Streitern unter ihrem König Attila, der sich selbst die
Geißel Gottes nannte, durch Deutschland gezogen und unter
schrecklichen Verwüstungen über den Rhein nach Frankreich einge-
drungen. Schon das Aeußere dieser häßlichen Menschen war schrecken-
erregend. Ein alter Schriftsteller schildert dieselben in folgender
Weise: „Die. Hunnen sind klein und dick, haben fleischige Hälse
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Extrahierte Personennamen: Belisar Chlodwig Attila Attila
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Afrika Rom Sachsen England Nordsee Italien Pavia Rheins Gallien Gottes Europa Ungarn Deutschland Rhein Frankreich
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und breite Schultern; der Kopf ist übermäßig groß, und das Ge-
sicht, aus dem die kleinen Augen wild herausblitzen, ist ungewöhnlich
breit. Sie zerschneiden sich in ihrer Kindheit mit unzähligen Rissen
Kinn und Wangen, um durch die vielen Narben das Wachsen des
Bartes zu unterdrücken. Lue leben von Wurzeln und rohem Fleisch,
das sie als Sattel auf das Pferd legen und durch Reiten mürbe
machen. Von ihrer Kindheit an streifen sie auf Bergen und in
Wäldern umher und lernen Hunger und Kälte ertragen. Sie tragen
leinene Kittel und Pelze von Waldmäusen; die Beine aber umwickeln
sie mit Bocksfellen. Von ihren Pferden sind sie unzertrennlich; sie
essen, trinken und schlafen daraus. Ackerbau und Handwerke, Re-
ligion und Gesetze kennen sie nicht. Treu' und Glauben sind bei
ihnen unbekannte Dinge; sie wissen, wie die wilden Thiere, Nichts
von Recht und Unrecht. Der Krieg ist ihr Leben, und es folgen
ihnen dahin ihre schmutzigen Weiber und ungestalteten Kinder aus
zahllosen, mit Fellen überzogenen Wagen. Die Schlacht beginnen
sie mit einem fürchterlichen Geheul. Wie der Blitz fliegen sie herbei
und kehren eben so schnell wieder zurück; kaum wird man sie gewahr,
so sind sie auch schon da und stürmen die Verschanzungen oder plün-
dern- das Lager."
Diesen wilden und gefürchteten Horden stellte sich in Frankreich
ein römischer Feldherr, mit dem sich einige deutsche Volksstämme
verbunden hatten, entgegen. Aus den catalaunischen Feldern kam es
zur Schlacht, der blutigsten vielleicht, die je in Europa geschlagen
wurde; denn fast 200,000 Leichen bedeckten die Wahlstatt, und den-
noch war der schreckliche Hunnenkönig nicht besiegt, sondern nur zu-
rückgedrängt.
Das nächste Jahr brach Attila von Pannonien aus in Italien
ein. Die rauchenden Trümmer zerstörter Städte bezeichneten den
Weg des häßlichen, wilden Menschenschwarmes und Furcht und
Schrecken giengen vor ihnen her. Viele Bewohner der adriatischen
Meeresküste flüchteten sich auf die nahen Inseln, bauten sich später
dort an und legten so den Grund zu der nachmals durch Handel
und Schifffahrt so berühmt gewordenen Stadt und Republik Vene-
dig. Rom selbst schwebte in größter Gefahr; da zog Papst Leo
der Große an der Spitze einer Gesandtschaft dem unwidersteh-
lichen Sieger entgegen, sein Leben wagend für die ihm anvertraute
Heerde. Aber siehe da! die Bitten des gottbegeisterten Oberhirten
rührten das eisenumpanzerte Herz des Wütherichs; die ihm ange-
drohte Rache des Himmels schreckte ihn; die Schrecken des Todes
wandelten ihn an; er kehrt plötzlich mit all seinen Schaaren um,
und Rom ist gerettet!
Bald darauf starb Attila, der Schreckliche! Seine Hunnen
legten ihn in einen goldenen Sarg, diesen in einen silbernen und
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Extrahierte Personennamen: Attila_von_Pannonien Leo
der_Große Leo Attila
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Europa Italien Rom