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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 170

1911 - Erfurt : Keyser
— 170 liehen, eisernen Gittertoren. Ein woblgcpslegier Laubgang führte nach der Windburg, dem Aussichtspunkte auf einer Anhöbe am Südwestende des Parkes. Behauene Hecken, regelmäßig geschnittene Tarnswände, Formbäume, Gebüfchgruppen und Wasserkünste vollendeten den damals in Deutschland beliebten französischen Parkstil. Den breiten Platz vor dem Schlosse schmückte im Sommer die reiche Orangerie (Gewüchshauspflanzen) des Grasen. Dahinter dehnte sich ein wohlgepflegter Rasengrund mit Prunkbeelen aus. Im Mittelpunkt des Gartens war ein großes Wasserbecken, in welchem sich das Standbild des Herkules erhob. Die Haut des nemei'fchen Löwen über die Schulter gehängt, die Keule zum tödlichen Schlage erhoben und unter dem Fuße die vielköpfige Hydra, aus deren einem Haupte ein starker Wasserstrahl emporstieg, so war der Held in seiner unüberwindlichen Stärke dargestellt. In den Anlagen waren fast alle Götter des Olymps versammelt. Auf hoben Sockeln standen in den Hauptgängen die obersten Gottheiten mit Ausnahme des häßlichen Vulkan. Dann folgten die neun Musen, von denen eine, die in Trümmer ging, durch einen Dudelsackspseiser ersetzt wurde, der jetzt im Ersurter Steigergarten den munteren Klängen der Sommerkonzerte lauscht. Wo ein stiller Winkel war, grüßte auch eine Flora oder Pomona (Göttin des Obstbaues), ein Standbild des Frühlings oder Herbstes. Spbinre lugten durch das Gebüsch, und Flußgötter und Nvmphen spendeten Wasser aus umgestürzten Urnen oder Mnfchelhörnern. Am Ende des Parkes war ein Teich, den fechs Wasserspeier umgaben, und aus dessen Flut ein Schwan aus dem Schnabel Fontänen steigen ließ. Ueber-all rauschte und plätscherte es, und zu all' den Wasserkünsten lieferten die Jchtershäuser Teiche ihren überflüssigen Inhalt. Luftiges Leben: Aus diesem Landsitz, aus welchem sich der ruhebedürftige Götter zu erholen gedachte, begann bald ein freudenreiches Leben. Aus der Ferne eilten die alten Freunde ber-bei, und fchöne Frauen erhöhten die Freude. Park und Schloß hallten wieder von dem Jubel der Gäste. Verlockend ertönte der Gesang der französischen Sängerinnen, und die graziösen -länze einer Varbcrina1) entzückten die Festteilnehmer. Und welche Genüsse bot die Gottersche Tasel! Neben den seltensten Speisen wurde eine Riesenpastete aufgetragen, der ein Zwerg entstieg, welcher der gefeiertsten Dame einen kostbaren Strauß überreichte. Schüsseln, gefüllt mit Uhren, Ringen, Ketten und anderen Schmucksachen, wurden ausgetragen, aus denen sich dann jeder ein Andenken an Molsdorf fischte. In großen Champagnergläsern ohne Fuß, die heute noch im Schlosse zu sehen sind, wurde der schäumende Wein geboten und mußte in einem Zuge getrunken werden. Eines Tages, als gerade der Graf nach Gotha zur Tafel geladen war, !) Berühmte italienische Tänzerin, die auch einige Jahre an der Königl. Over zu Berlin als Prima Ballerina (erste Tänzerin) tätig war.

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 20

1911 - Erfurt : Keyser
— 20 — In demselben Jahre wurde Heinrich Ii. zum Herrscher von Deutschland erwählt und vom Erzbischos Willegis von Mainz gekrönt. Er kam zur Huldigung nach Thüringen, wo er von den Thüringer Edlen unter der Führung des Grafen Wilhelm von Weimar und Orlamünde aufs ehrerbietigste begrüßt wurde. Erfreut darüber, übertrug er dem Grasen Wilhelm die Herrschaft in Thüringen und erließ den Thüringern den bisher gezahlten Schweinezins. Später wurden die Grasen von Weimar unter Wilhelm Ii., dem Solme des vorigen, auch Markgrafen von Meißen. Aber auch dem neuen Geschlechte gelang es nicht, die ausschließliche Herrschaft über Thüringen zu gewinnen. Zu dieser Zeit war die Besiedlung des Landes noch sehr ge ring. Sie erstreckte sich nur aus die flachen Täler des mittelthü-ringischen Beckens, der Werra und Saale. Große Teile des Landes waren noch mit Wald und Sumpf bedeckt und das Gebirge fast menschenleer. Ter bedeutendste Ort Thüringens war Ersurt. das aber schon unter Mainzer Herrschaft stand. (Nach Julius Koch, Tr. E. Devrient n. a.) ö. Die Religion der alten Chüringer. Tie Altthüringer waren Heiden wie alle Germanen. Sie dachten sich die Natur von unsichtbaren, lebenden Wesen bewohnt, die ihnen teils freundlich, teils unfreundlich gesinnt waren, und verehrten sie in Hainen, an Quellen und aus Höhen. Hier opserte der Hausvater sür die Familie oder der Edeling sür die Völkerschaft Feldfrüchte, Rinder und Pferde, um die guten Götter dem Spender wohlwollend zu erhallen, die bösen aber günstig zu stimmen. Tem Opfer folgte immer die Gilde oder der Opferfchmaus. Wodan: Gleich den übrigen Germanen verehrten die Alt- thüringer in Wodan den Göttervater und den Gott Himmels und der Erde. An ihn erinnern in unserer Gegend noch die Ortsnamen Utzberg (urkundlich Wodanesberg) und Udestädt. Möglich ist auch, daß der Name des Erfurter Abgottes Wage, dessen geweihte Eiche der Sage nach von Bonisaeins gefällt wurde, ein: Verunstaltung des Namens Wodan ist. Zur Zeit des Erntefestes opferten unsere Vorfahren dem Göttervater in der Wawet (Steigert am Ufer der Gera Rinder, Eber und Gänse und zündeten Fackeln und Lichter zu seiner Ehrung an. Diese Gebräuche haben sich in den Kirmesschmäusen und Martinsfeiern bis auf unsere Tage ertasten. Nach Einführung des Christentums wurde Wodan zum wilden Jäger und zum Knecht Ruprecht (hrudperat = der Ruhmglänzende, ein Beiname Wodans). Auch glaubte man statt seiner in den Wodensbergen berühmte Helden und Kaiser wohnen, so Friedrich Barbarossa im Kysshäuser, den eine alte Urkunde als Wodensberg bezeichnet. Unter den christlichen Heiligen wurde der reitende Skt. Martin mit dem Mantel, an dessen Kalendertage

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 21

1911 - Erfurt : Keyser
— 21 — heute noch der Wodansvogel verzehrt wird, der hauptsächlichste Stellvertreter des mit dem Wolkenmantel im Sturm dahinsahrenden obersten Gottes. Von den Wochentagen war der Mittwoch Wodan heilig. Frija: Hohe Verehrung wurde auch seiner Gemahlin Frija, der freundlichen Erdgöttin, zuteil. Ihr war der Freitag heilig. Die christliche Kirche setzte an die Stelle der Göttin die Mutter Maria, und die Sonnenkälbchen der Frija wurden zu Marienkäfern. Unsern Altvordern galten die ersten zwölf Tage des Maimonds wegen der in der Walpurgisnacht vollzogenen Vermählung des Götterpaares als eine besonders hohe Feierzeit, und heute noch besteht die uralte Sitte, den Anfang des Wonnemonats festlich zu begehen. So schmückt in manchem Thüringer Dorf der Bursche das Haus der Geliebten in der ersten Mainacht mit frischem Grün. Auch holt man heute noch den Maibaum ein und umtanzt ihn, nachdem er mit bunten Bändern geschmückt ist; und voller Sehnsucht erwartet der Erfurter die Maisonntage, um einen Spaziergang in den Steiger zu unternehmen. Dabei kommt es ihm jetzt wie ehemals nicht darauf an, einen Abend oder eine Nacht für einen Gang in den Maitau zu opfern. Walpe.rzug: Sicher ist diese Maifahrt noch der kümmerliche Rest jenes mittelalterlichen Volkssestes, das die Erfurter zu Walpurgis feierten und Walperzug nannten. Im Glanz der Waffen und mit fliegender Fahne zogen die Biereigen durchs Löbertor in die Wawet, wohin schon am Abend vorher die Bierträger Kuchen und Bier gebracht hatten. Sie hielten in der Walpurgisnacht am Lagerfeuer auf der Kuhweide strenge Wacht, um eine etwaige Rückkehr der Winterriefen zu verhindern, und fällten nach üblichem Brauch vier Eichen. Nachdem dann am Festmorgen der Zug der Gewappneten die Wawet erreicht hatte, lagerte man sich in bunten Gruppen unter die Bäume oder tat sich in den errichteten Zelten gütlich an Speise und Trans. Besondere Freude erregten bei alt und jung die Waffenspiele, die als Sinnbild eines Kampfes zwischen Winter und Frühling aufgeführt wurden. Spät am Abend kehrten die Bürger, beladen mit einer Bürde Maien, die zum Schmuck des Hauses dienen sollte, in die Stadt zurück. Matt führte aber im Zuge zwei Knaben zu Pserde mit sich, welche die beiden Jahreszeiten verkörperten. Das Frühlingsfest dauerte drei Tage; am Abend des dritten ging es mit dem Einziehen der Fahne durch die Walperherren, den 4 Vorstehern der Biereigen (für jedes Stadtviertel einen), zu Ende. Donar: Verehrt wurde von unsern Ururväteru auch Donar, der Sohn Wodans und der Frija. Er war der Gewittergott und der Donner das Rollen seines Wagens und der Blitz seine Waffe. Doch war er den Menschen auch freundlich gesinnt, schützte ihnen das Vieh, segnete ihre Feldarbeit und war ihnen ein lieber, hoher Familiengast, daher auch der Hochzeitsgott. Seine Farbe war

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 22

1911 - Erfurt : Keyser
— 22 — Not, und rot sind heute noch die Bänder am Hut des Hochzeits-bitters und der Festgäste bei einer echten Thüringer Bauernhochzeit. — Donar war der Donnerstag heilig, und abergläubische Erfurter erwarten heute noch am Himmelfahrtslage, wenn sie den ersten großen Ausflug in die weitere Umgegenb der Stadt unternehmen, des Gottes stürmische Rebe. Unter dem Christentum ist Petrus der hauptsächlichste Stellvertreter Donars geworben. Er soll, wie man oft, aber nicht sehr schön sagen hört, Wenns borniert, Kegel schieben. Die heutigen Petersberge waren früher Tonars-bercte, und Petersklöster und Peterskirchen erbauten die ersten christlichen Senbboten gern an Donar geweihten Opserstätten, wie es auch bei uns in Erfurt geschehen ist. Ostara: Donars Schwester Ostara, die Gemahlin des Frühlingsgottes Fro, war bett alten Thüringern besonders lieb, brachte sie ihnen boch nach langem, hartem Winter das neue Frühlingslicht. Ihr zu Ehren hielten sie an heiligen Orten Opferschmäuse und zünbeten Opserseuer an, in welche sie Frühlingsblumen warfen. Ostaras Verehrung war so allgemein verbreitet, daß die christlichen Priester das Auferstehungsfest des Herrn Ostern nannten, um bei unsern Altvorderen den Eingang des neuen Glaubens zu erleichtern und zu sichern. Mancher heutige Osterbrauch ist noch heidnischen Ursprungs, z. B. das Osterei. Wohl sagt man, das Osterei ist dem Christen das Sinnbild des aus dem Grabe zum Leben erstandenen Erlösers, doch war es den heidnischen Thüringern schon lange vorher ein Zeichen des wiedererwachenden Lebens im Frühling. Sie beschenkten sich mit Ostaraeiern, die sie der Göttin zu Ehren gelb, ihrem Bruder aber zu Ehren rot färbten. Auch kannten sie den Osterhasen, den Liebling der heutigen Kinderwelt, als ein der Lichtspenderin heiliges Tier. Tippia: Zn den guten Gottheiten, welche die Verehrung unserer Altvorderen erfuhren, gehörte auch Sippia, Donars Gemahlin, die Beschützerin der Freundschaft und Verwandtschaft und die Göttin der Fruchtbarkeit. Zu ihr veranstaltete man im Frühling Bittgänge, um Wachstum der Feldfrüchte und eine reiche Ernte zu erflehen. Das christliche Zeitalter behielt diese Bittgänge bei. In Erfurt bestehen sie heute noch als die Prozessionen nach Schmidt-stedt. An die Stelle der Sippia ist die Jungfrau Maria getreten, die sich der Deutsche am liebsten mit goldigem Haar, als dem Abbild des goldfarbigen Getreidesegens, dachte. Das Goldhaar der heiligen Jungfrau zeigen in besonderer Schönheit die Bilder eines Lucas Cranach, z. B. „die Verlobung der bl. Katharina" im Erfurter Domchor, auf welchem Gemälde das Haar der Madonna in schimmernden Goldfäden prangt. Ziu: Wenn wir auch feine Anklänge mehr an Zin, den Kriegsgott und den Hüter des Rechts, im heutigen Thüringen finden, so wurde ihm hier sicher dieselbe hohe Verehrung zuteil, die er überall bei den Germanen genoß. Bestimmt wissen wir, tz.

5. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 23

1911 - Erfurt : Keyser
— 23 — daß die Sachsen nach dem Siege bei Burgscheidungen ein ihm gewidmetes und nach Sonnenaufgang schauendes Siegeszeichen in Altthüringen errichteten. Ziu war der zistag — diestag, unser Dienstag, heilig. Seinen wichtigsten Vertreter erhielt er bei der Einführung des Christentums im Erzengel Michael. Die Zinhei-ligtümer wurden zu Michaeliskirchen und Michaelisbergen. Unsere Michaeliskirche aber ist nicht an einer solchen alten Opserstätte erbaut; sie trägt ihren Namen nur Skt. Michael zu Ehren, der als Stellvertreter des Kriegsgottes zum Schutzherrn Deutschlands wurde. Frau Holle: In hohem Ansehen stand bei unsern Vorsahren Frau Holle, die Führerin der den Verstorbenen entwichenen Seelen. Wegen dieser ihrer Tätigkeit hat man sie oft zur Gemahlin Wodans, des Totenführers (Walsadir — Totenvater), erhoben und mit Frija vertauscht. Die ausgehauchten Seelen, die sich im Flüstern der Blätter, im Rieseln des Wassers, im Sausen des Windes ver-nehmen ließen, konnten sich verwandeln und, wenn sie Anlaß zur Klage hatten, die Hinterbliebenen mit allerlei Spuk heimsuchen. Das Seeleutreiben fand in der Zwölstenzeit, die am 6. Januar zu Ende geht, statt. Noch heute glaubt mancher Ersnrter, daß ein Traum in diesen Nächten in dein bezüglichen Monat des solgenden Jahres in Erfüllung geht, und unterläßt nicht, in der Neujahrs-neicht Blei zu gießen, unl sich das Schicksal zu künden. Zu den Aufgaben der Göttin Holda gehörte es, sich um den Fleiß der Spinnerinnen zu kümmern. Die Flachsknoten der fleißigsten verwandelte sie in eitel Gold. In der Erfurter Sage lohnt sie die nie erlahmende Tätigkeit einer armen Wäscherin. Die Frau kehrte spät abends von der Arbeit heim und fand am Sockel der Andreaskirche eine Menge Maikäfer. Sie nahm eine Hand voll davon ihren Kindern zum Spielen mit und verwahrte sie zuhause in einem Topfe. Als sie jedoch am andern Morgen nachsah, waren sie in Gold verwandelt. — Bei Einführung des Christentums hat Frau Holle es sich gefallen lassen müssen, Anführerin der Hexen zu werden (Here = Zusammenziehung aus hagedisse — Hag- oder Buschwesen). Auf Besen oder sonstigem Gerät sitzend, ritt sie mit ihnen in der Walpurgisnacht um den Blocksberg. In dieser Nacht wurde früher nach uraltem Gebrauch in Erfurt von den Bürgersoldaten getrommelt, um ein Niederlassen des flüchtigen Hexenvolkes zu verhindern. Aus gleichem Grunde wurden auch die Haustüren mit drei Kreuzen bezeichnet. — In Thüringen war das Innere des Hörfelberges der Wohnort der mächtigen Holde, die, wenn sie die böse Seite ihres Wesens herauskehrte, eine Unholde sein konnte. Die Kirche des frühen Mittelalters hat sie bitter bekämpft. Sie bildete aus ihr eine Tenselin und wandelte das Berginnere zur Fegefeuerstätte um. Man wollte aus dem Hörselberge das Wimmern der gepeinigten Seelen vernehmen, daher fein Name Hör-Seelen-Berg. Das spätere Mittelalter war poetischer gesinnt.

6. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 24

1911 - Erfurt : Keyser
— 24 — Es bildete aus der Göttin Holde Frau Venu*, die Liebesgöttin. Hatte Die frühe deutsche Heldensage der greisen, grauen Holde aus ihren Zügen einen greifen Begleiter, den getreuen Eckart/gegeben, der zugleich ein Warneramt übte, so war der Begleiter der Frau Venus ein junger Geselle, der Ritter Tannhäuser, den sie in den Venusberg gelockt hatte (f. Nr. 17). sonstige Gottheiten: Außer diesen Hauptgottheilen gab es eine Menge von Seelenwesen, welche die Natur belebten, und eine Fülle von Hausgeistern, die Heiuzel- und Wichtelmännchen, die Kobolde und Butzemänner, von denen uns ein reicher Sagenschatz berichtet. Auch ihnen wurden Opfer gebracht, zumal den Naturwesen in den Wassern und Quellen. Man bekränzte diese und warf Blumen und grüne Zweige hinein. Ein solch' alter Brauch ist uns in dem Kinderbrunnenfest zu Mühlhausen t. Th. erhalten geblieben. (Unter Benutzung v. H. Kruspe „Sagen der Stadt Erfurt" u. Pros. Dr. Ed. Hehck „Deutsche Geschichte".) 7. Unter den Thüringen. 3m 3cihre 357. Am Grenzzaun: Auf der Berghöhe stand an dem Verhau, dei die Wälder der Thüringe von den Chatten fchied, der junge Wächter und hütete den steilen Psad, welcher aus den Gründen der Chatten nach der Höhe führte. Ueber ihm ragte der Wipsel einer mächtigen Buche, nach beiden Seiten lies der Grenzzaun den Kamm der Berge entlang. Der Jüngling trug den Wursspeer in der Hand, auf dem Rücken am Riemen ein langes Horn. Nachlässig lehnte er an dem Baum und horchte auf die Stimmen des Waldes. Plötzlich bog er sich vor und lauschte; aus dem Psade vor ihm klang leiser Fußtritt, durch das Laub wurde die Gestalt eines Mannes sichtbar, der mit schnellem Schritt zu ihm herausstieg. „Steh', Waldgänger, und singe den Spruch, der dich von meinem Eisen löst", ries er den Fremden an und hielt ihm die spitze des Wurfspeeres entgegen. Dieser blieb am Grenzrand stehen, streckte die geöffnete Rechte vor sich und sprach hinüber: „Ich grüße dich friedlich, ein Landfremder bin ich, unkundig der Losung." „Bist du ein wildfremder Mann, so mußt du harren bis meine Genomen dir das Land öffnen. Unterdes gib mir Frieden und nimm ihn von mir. Sei gegrüßt unter meinem Baum und ruhe, indes ich deine Ankunft melde." Während der Fremde sorglos der Einladung folgte, hob der Wächter fein Horn an den Mund und blies einen lauten Ruf in die Täler leines Volkes. Die wilden Klänge tönten im Widerhall von den Bergen. Der Wächter schaute nach den Hütten der fernen Lichtung und nickte zufrieden mit dem Kopf, denn um die

7. Lehrbuch der Geschichte des preußischen Staates für Schulen und den Selbstunterricht - S. 85

1826 - Erfurt : Müller
85 in Deutschland! Aber des Königs Tod .km Au- genblicke seines schwer errungenen Sieges über den s Nebenbuhler ward zum Vorläufer von Wallen-^ st ei ns Fall. Von nun an zeigte der Krieg nur noch ein gegenseitiges Abmühen der irdischen Gewalten in ihren endlichen Interessen; die geistigen Mächte tra- ten, sowie allmahlig die Körperkräfte beider Partheken sanken, nach und nach immer leitender und versöh- nender hervor, und wie ein Heldenpaar nach langem rühmlichem Zweikampfe mit dem Blute auch den Zwist hinsirömen läßt, sich sterbend die Hand zur Versöh- nung über den Sternen reicht und friedlich und ver- eint hinüberscheidet in ein neues Leben, — so ver- söhnten sich nach ausgckampftem Streit endlich Katho- iicismus und Protestantismus, ließen ihren Haß sammt allem, was sie bis dahin feindlich befangen, auf der blutigen und trümmcrvollen Wahlstatt zurück und walteten fortan geläuterter und friedlicher denn zuvor im Sinne christlicher Duldung neben einander in Deutschland. Jener niederer Gewalten wurde beim Friedensschlüsse nicht gedacht. Hätte man sie damals erkannt und gewürdigt, dann stände das deutsche Reich noch als Wächter und Schirmer des Westen gegen den Osten, des Norden gegen den Süden Europa'-. So aber ließ man sie wirken und walten wie vorher; ihr Treiben ging den ihnen eignen Gang der Engher- zigkeit und Sinnenlust. Als im Westen Europa's >40 Fahr später das Ungeheuer einer beispiellosen Revolution, aus Unglauben geboren und übermüthi- ger Aftervernunst, emporwuchs und sich heranwalzte über Deutschland, da mußte wohl die schwache, von der göttlichen Idee entfremdete Menschenkrast dem entzügelten Höllengeiste weichen. Das deutsche Reich versank um nimmer wieder zu erstehn, — deutsche- Leben aber und Wesen bürgerte sich in dem jugend- lich kräftigen Ostland ein. Dort, — in unserm preußi schen Vaterlande. — lebte das Dcutsch- tbum fort, trotz des Feindes Wüthen, — es lebt noch, und wird immer herrlicher sick sammeln zu starker und dauernder Einheit; denn bei uns hat es das ver- lorne Göttliche wiedergefunden, ausbewahrt von treuer Hand frommer und weiser Fürsten. — Darum aber bei ü tz e n , 6. Nov. 163*

8. Hilfsbuch zum Unterricht in der deutschen und brandenburgisch-preußischen Geschichte - S. 6

1869 - Erfurt : Körner
6 geführt wurde. Es wurde wahr, was Tertullianus*) gesagt hatte: „Unsere Zahl nimmt desto mehr zu, je mehr man uns zu dämpfen sucht." Das Blut der Märtyrer ward ein Same der Kirche. 2. Die erste Verfolgung unter Kaiser Nero. Nero hatte schon seit geraumer Zeit des Schrecklichen viel verübt. Eitelkeit und Wollust beherrschte sein Herz, und weil er fürchtete, daß man ihn in seinen Genüssen und Lüsten stören möchte, so ward er grausam. Seine Gemahlin verstieß er und ließ sie vergiften; seine eigene Mutter und sein alter Lehrer fielen als Opfer seines Mißtrauens. Er wollte lieber gehaßt, als geliebt werden. Endlich kam er auf den Einfall, Rom in Brand zu stecken, um eine Vorstellung von dem Brande Troja's zu haben und die Stadt zu seiner Lust und Ehre herrlicher aufzubauen. Es entstand eine furchtbare Feuersbrunst, die 6 Tage und 7 Nächte dauerte. Die herrlichsten Gebäude wurden vernichtet, viele Einwohner von den Flammen getödtet oder unter den Trümmern ihrer einstürzenden Wohnungen begraben. Als das Feuer am verderblichsten wüthete, stand der grausame Kaiser auf der Zinne seines Palastes im Gewände eines Saiten- spielers'und besang die Einäscherung Troja's^). Man erklärte ihn für den Brandstifter; aber er wußte die Schuld auf die unschuldigen Christen zu wäl- zen. Da brach die Wuth des Volkes gegen diese aus, und sofort wurde die Rache des Hasses vollzogen. Unter den furchtbaren Qualen der Folter gestan- den die Christen zu, was man von ihnen verlangte. Ihre Martern waren dem gottlosen Nero nun ein eben so angenehmes Schauspiel, wie der Braud der Stadt. Kreuzigung und Enthauptung genügten nicht; die Bosheit des Tyrannen ersann noch andere Mittel. Die armen Schlachtopfer wurden tu die Häute wilder Thiere genäht, um Hunde auf sie zu hetzen und sie von deren Bissen zerfleischen zu lassen. Andere wurden mit brennbaren Stoffen bestri- chen und angezündet, um in dunkler Nacht lebendige Fackeln zu sein, zwischen denen der Kaiser auf seinem Prachtwagen dahinfuhr. Unter den Opfern, welche in dieser Zeit fielen, befanden sich auch die Apostel Paulus und Petrus; jener wurde, weil er römischer Bürger war, ent- hauptet, dieser jenseits der Tiber gekreuzigt. Nach dem entsetzlichen Brande baute Nero die Hauptstadt des Reiches herrlicher aus, als sie gewesen war. Seine eitle Gesinnung gab sich auch noch auf andere Weise kund. Er nahm am großen Wagenrennen im Circus per- sönlichen Antheil und trat als Sänger und Dichter auf. Das ihm gespendet^ Lob machte ihn vollends verwirrt. Er unternahm eine Kunstreise nach Grie- chenland, um in den Kampfspielen den Preis zu erringen, den ihm die Grie- chen auch geru zuerkannten. Bei seiner Rückkehr brachte er 1800 Kronen mit, die ihm als dem besten Sänger, Dichter, Wagenlenker und Ringer gespendet worden waren. Auf dem prächtigen Wagen des Kaisers Augustus hielt er seinen glanzvollen Einzug, in Purpur gekleidet, die Stirn mit dem Laube des Oelbaumes geschmückt und auf seinem Haupte die pythische * 2 3) Krone tragend. 0 Tertullianuö war ein hervorragender lat. Kirchenlehrer, der das Christcnthum gegen die verschiedensten Feinde in Wort und Schrift vertheidigte (tz 220). 2) Troja lag unfern des ägäifchen Meeres und erhielt seinen Ruhm durch den sogenannten trojanischen Krieg, in welchem die Griechen die Stadt 1184 v. Chr. eroberten und zerstörten. 3) Pythia hieß die Priesterin des Orakels zu Delphi.

9. Hilfsbuch zum Unterricht in der deutschen und brandenburgisch-preußischen Geschichte - S. 35

1869 - Erfurt : Körner
35 berten Gemach stand gewöhnlich noch ein Webstnhl, auf welchem die Weiber für die Familie linnene und wollene Zeuge bereiteten. Das Heiligthum des Hauses, der Herd, stand in der Mitte des weiten Raumes; hier wurde ge- gessen und getrunken und von Abenteuern erzählt. 3. Religion der alten Deutschen. Die alten Deutschen waren Götzen- diener, dienten aber ihren Göttern nicht, wie andere heidnische Völker, in Tempeln, sondern auf heiligen Bergen oder in heiligen Hainen, besonders unter Eichen, zum Theil auch an Seen, Flüssen und Quellen. Der oberste Gott hieß Wuotan oder, wie die Niederdeutschen ihn nannten, Wodan, der'!'nordische Odin. Er ist der Lenker der Schlachten. Seine mächtige Ge- stalt in einen weiten, dunklen Mantel gehüllt, einen breiten Hut auf dem Haupte, den Speer in der Hand, reitet er auf seinem weißen Rosse im Sturm- winde oft durch die Lüste und hält fröhliche Jagd. Mit seinem hellleuchtenden Auge, der Sonne, schaut er durch das Himmelsfenster auf die Erde, deren Gedeihen von ihm abhängt. Durch ihn nur giebt es Sieg und Beute und ohne ihn keinen Himmel. Wer nicht im Kampfe sein Leben verliert, kann nicht nach Walhalla kommen. Das ist, meinte man, eine schöne Stadt mit 500 Thoren und 50 Pforten. Hier ist der Wohnsitz tapferer Männer, mit denen Wodan täglich vor die Thore der Stadt reitet. Dort tummeln sie ihre Rosse und ergötzen sich in lustigen Kämpfen. Sind diese aber beendet, so steigen Alle, als wäre nichts geschehen, wieder gesund und frisch auf ihre Rosse, und lustig geht es nach der Stadt zurück. Dort wartet ihrer ein reiches Mahl, bei welchem sie von den ewigen Jungfrauen (Walküren) bedient werden. Nur den Tapferen werden die Freuden Walhalla's zu Theil; die Feigen und Ehr- losen kommen in das Reich der bleichen Hela. Thor oder Donar ist der Sohn Wodan's. Er ist der Gewitter- oder Donnergott. Wenn am Himmel sich dunkle Gewitterwolken zeigen, dann fährt er auf seinem Wagen daher, und es donnert. Aus seinem rothen Barte fahren zuckende Blitze durch die Luft. Hertha war die Göttin der Erde, die Spenderin des Segens in Feld und Wald. Ihren Sitz hatte sie in der Herthaburg auf der Insel Rügen. Wenn mit dem wiederkehrenden Lenze die erstarrte Erde unter den erwär- menden Strahlen der Sonne erwachte, dann tauchten ganze Schaaren riesiger Männergestalten aus dem Dunkel der Wälder hervor, um das Frühlingsfest zur Ehre ihrer Göttin zu feiern. Schon ist diese — das haben die Priester geschaut und verkündigt — herabgestiegen aus ihren Wagen im heiligen Hain; schon haben die Priester den Wagen bespannt mit den weißen, geweihten Kühen und ihn bedeckt mit köstlichen Teppichen. Erwartungsvoll steht die Menge. Da nahet der Zug der Priester mit dem Wagen der Göttin, welche unbemerkt von dem Volke, über ihre Schöpfung und über die Zeichen der Ver- ehrung sich freut, die man ihr zollt. So fährt sie ans der Insel umher. In dieser Zeit gab es fröhliche Tage. Man zog in keinen Krieg, ergriff keine Waffen zum Kampf. War der Wagen mit der Göttin vorüber, so belustigte mau sich mit Spiel und Tanz. Wenn aber die Göttin des Umganges mit den Sterblichen müde war, so führten die Priester den Wagen zurück in das Innerste des Haines. Dort wurde sie nebst Wagen und Teppichen in dem geheimnißvollen See gebadet. Die Sklaven, welche man dabei gebrauchte, wurden in dem See ertränkt. 3"

10. Nebst einer römischen Eroberungs-Geschichte und Länder-Uebersicht - S. 552

1807 - Erfurt : Keyser
ss2 “■ Beschreibung des Zustandes dem Lächeln schuldloser Kinder, Natur, Freude und Einfalt verbindet. Dies und nicht mehr, suchten sie selbst in Bacchantinnen darzustellen. 109r " lu Daher sind denn auch die Bilder der Alten von ihren Gottheiten unter.'sich völlig gleich, und lche Gottheit hat ihre Kennzeichen, an denen ihre Abbn' dnng selbst in zerstümmelten (Ztatüen erkannt Zn den jugendlichen Gottheiten der niedrigsten w* gehören die jungen Satyrn. Sie stellen den gesiib ligen Wuchs gesunder und wohlgebildeter Landlentk dar, deren pl.tte Nase bey alledem dem Gesicht über welches eine gewisse Munterkeit sich verbreit^ noch viele Anmuth zurücklaßt. Die altern oder Gileni, und der eigentliche Barer Gilenus, vet fick an dem jungen Bacchus auf seinen Armen rtirt¡ terscheiden laßt, zeichnen das reifere Atter der bar'^ rischen Form an, das von einer vorzüglichen Foom lichkeit begleitet wird. Die vorzüglichste und schönst? Jugend, mit Stärke vermischt, oder der höchste &et griff männlicher Schönheit, liegt in den Bildern ve- Apollo; man verband damit den Begriff von ^ ewigen Jugend und Schönheit der Sonne. 2>on» Apollo geht die jugendliche Form fort zu vollends ten. Jahren in den Blidern des Mercurs und Mercur führt eine gewisse Feinheit im Gesichte E tragt kurze, krause Haare. Lnars ist als ein junger Held, ohne Bart, abgebildet. In ihm zeigt sick nichts von der Kühnheit, Stärke und dem , welches man dieser Gottheit zuschreibt. Ueberall M scheint er in einer ruhigen Stellung. Noch schildert sich diese Starke im Hercules, der so >ä)on ist, daß das Geschlecht zweydeñtig wird. Allein leme rundliche, völlige Stirne malt die Anstrengung Gottes.., der unter Beschwerden groß wurde, von einer andern Art, als die Schönheit der gedack^
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