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1. Von der Zeit Karls des Großen bis zum Westfälischen Frieden - S. 69

1900 - Leipzig : Hirt
Die Jungfrau von Orleans. 69 Im Sommer 1425 vernahm sie im Garten ihres Vaters eine Stimme, die sprach: Ich komme zu dir und befehle dir im Namen des Herrn, da du nach Frankreich dem Könige zu Hilfe ziehst, damit er sein Knigreich wiedergewinne." So taucht ihr zum erstenmal der groe Gedanke ihres Lebens auf. Was sie gesehen und gehrt, und was sie von da an hufiger sah und hrte, wagte sie ihren Eltern nicht anzuvertrauen. Als aber die Stimmen dringender sie an die Erfllung ihrer Sendung mahnten, vertraute sie ihr Geheimnis ihrem Oheim an. Dieser wohnte in einem benachbarten Dorfe. Er war der erste, der an sie glaubte. Da erscholl die Kunde von der Belagerung von Orleans, und die Stimmen mahnten dringend: Eile, Johanna, eile, geh nach Vanconleurs, melde dich beim Hauptmann; zweimal wird er dich zurckweisen, zum drittenmal wird er dich zum Könige senden!" Johanna ging mit ihrem Oheim nach Vau-couleurs. Frankreich," sagte sie zum Hauptmann, ging durch ein Weib zu Grunde und wird durch eine Jungfrau gerettet werden; das Weib ist die Knigin Jsabeau, die Jungfrau bin ich!" Hhnisch wies sie der Hauptmann ab und riet ihrem Oheim, sie mit ein Paar tchtigen Ohrfeigen heimzusenden; aber sie lie sich nicht beirren; sie blieb in Vancouleurs bei der Frau eines Brgers und fand allmhlich Glauben. Als sie zum drittenmal zum Hauptmann ging, sagte dieser: Va donc, advienne que pourra" und gab seine Zustimmung zu ihrer Abreise an das knigliche Hoflager. Dieses befand sich zu Chinon. Erst am vierten Tage nach ihrer Ankunft daselbst erlangte sie Zutritt zum Könige. Um den prophetischen Geist des Mdchens zu prfen, stellte der König sich in schlichter Kleidung unter die dreihundert edlen Ritter, welche die Neugierde im Saale versammelt hatte. Johanna schritt geradeswegs auf den König zu und begrte ihn. Als der König sie an einen Hfling wies und sagte: Dort ist der König," entgegnete sie: En noin de Dien, gentil piince, c'est vous et non autre!" Der König zog sie nun beiseite und sprach leise mit ihr, und die Anwesenden bemerkten das Staunen und die Freude, die sich im Antlitz des Knigs wiederspiegelten, der dann feierlich erklrte, Johanna habe fein Vertrauen. Spter hat sie erzhlt, sie habe dem Könige ein sicheres Zeichen ihrer Sendung gegeben. Sie legte nun mnnliche Kleider und kriegerische Rstung an; sie verengte ein Schwert, das in der Kirche zu Fierbois aufbewahrt wurde, und eine weie Fahne, best mit goldenen Lilien und dem Bilde des Heilandes auf der einen, dem der Gottesmutter auf der andern Seite. Die Fahne trug sie in den Gefechten voran; das Schwert hat sie niemals gebraucht. Zuerst zog sie an der Spitze einer Heerschar nach Orleans. Es sollte der Versuch gemacht werden, eine Sendung Lebensmittel in die Stadt zu schaffen; die Einschlieung durch die Englnder war nicht so vollstndig, um dies ganz unmglich zu machen. Sie entsandte einen Herold mit einem von ihr diktierten Briefe, worin sie in derselben stolzen Sprache, die ihr Schiller in den Mund legt, den englischen Feldherren Frieden anbot unter der Bedingung, da sie aus Frankreich abzgen.

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1. Von der Zeit Karls des Großen bis zum Westfälischen Frieden - S. 69

1900 - Leipzig : Hirt
Die Jungfrau von Orleans. 69 Im Sommer 1425 vernahm sie im Garten ihres Vaters eine Stimme, die sprach: Ich komme zu dir und befehle dir im Namen des Herrn, da du nach Frankreich dem Könige zu Hilfe ziehst, damit er sein Knigreich wiedergewinne." So taucht ihr zum erstenmal der groe Gedanke ihres Lebens auf. Was sie gesehen und gehrt, und was sie von da an hufiger sah und hrte, wagte sie ihren Eltern nicht anzuvertrauen. Als aber die Stimmen dringender sie an die Erfllung ihrer Sendung mahnten, vertraute sie ihr Geheimnis ihrem Oheim an. Dieser wohnte in einem benachbarten Dorfe. Er war der erste, der an sie glaubte. Da erscholl die Kunde von der Belagerung von Orleans, und die Stimmen mahnten dringend: Eile, Johanna, eile, geh nach Vaueouleurs, melde dich beim Hauptmann; zweimal wird er dich zurckweisen, zum drittenmal wird er dich zum Könige senden!" Johanna ging mit ihrem Oheim nach Vau-couleurs. Frankreich," sagte sie zum Hauptmann, ging durch ein Weib zu Grunde und wird durch eine Jungfrau gerettet werden; das Weib ist die Knigin Jsabeau, die Jungfrau bin ich!" Hhnisch wies sie der Hauptmann ab und riet ihrem Oheim, sie mit ein paar tchtigen Ohrfeigen heimzusenden; aber sie lie sich nicht beirren; sie blieb in Vaueouleurs bei der Frau eines Brgers und fand allmhlich Glauben. Als sie zum drittenmal zum Hauptmann ging, sagte dieser: Va donc, advienne que pourra" und gab seine Zustimmung zu ihrer Abreise cm das knigliche Hoflager. Dieses befand sich zu Chinon. Erst am vierten Tage nach ihrer Ankunft daselbst erlangte sie Zutritt zum Könige. Um den prophetischen Geist des Mdchens zu prfen, stellte der König sich in schlichter Kleidung unter die dreihundert edlen Ritter, welche die Neugierde im Saale versammelt hatte. Johanna schritt geradenwegs auf den König zu und begrte ihn. Als der König sie an einen Hfling wies und sagte: Dort ist der König," entgegnete sie: En nom de Dien, gentil prince, c'est vous et non autre!" Der König zog sie nun beiseite und sprach leise mit ihr, und die Anwesenden bemerkten das Staunen und die Freude, die sich im Antlitz des Knigs wiederspiegelten, der dann feierlich erklrte, Johanna habe sein Vertrauen. Spter hat sie erzhlt, sie habe dem Könige ein sicheres Zeichen ihrer Sendung gegeben. Sie legte nun mnnliche Kleider und kriegerische Rstung an; sie ver-langte ein Schwert, das in der Kirche zu Fierbois aufbewahrt wurde, und eine weie Fahne, best mit goldenen Lilien und dem Bilde des Heilandes auf der einen, dem der Gottesmutter auf der andern Seite. Die Fahne trug sie in den Gefechten voran; das Schwert hat sie niemals gebraucht. Zuerst zog sie an der Spitze einer Heerschar nach Orleans. Es sollte der Versuch gemacht werden, eine Sendung Lebensmittel in die Stadt zu schaffen; die Einschlieung durch die Englnder war nicht so vollstndig, um dies ganz unmglich zu machen. Sie entsandte einen Herold mit einem von ihr diktierten Briefe, worin sie in derselben stolzen Sprache, die ihr Schiller in den Mund legt, den englischen Feldherren Frieden anbot unter der Be-dingung, da sie aus Frankreich abzgen.

2. Von der Bildung des Fränkischen Reiches bis zum Westfälischen Frieden - S. 78

1905 - Leipzig : Hirt
78 Das Deutsche Reich des Mittelalters. Stimmen dringender sie an die Erfllung ihrer Sendung mahnten, der-traute sie ihr Geheimnis ihrem Oheim an. Dieser wohnte in einem benachbarten Dorfe. Er war der erste, der an sie glaubte. Da erscholl die Kunde von der Belagerung von Orleans, und die Stimmen mahnten dringend: Eile, Johanna, eile, geh nach Vaucouleurs, melde dich beim Hauptmann; zweimal wird er dich zurckweisen, zum dritten Male wird er dich zum Könige senden!" Johanna ging mit ihrem Oheim nach Vaucouleurs. Frankreich", sagte sie zum Hauptmann, ging durch ein Weib zugrunde und wird durch eine Jungfrau gerettet werden; das Weib ist die Knigin Jsabeau, die Jungfrau bin ich!" Hhnisch wies sie der Hauptmann ab und riet ihrem Oheim, sie mit ein paar tchtigen Ohrfeigen heimzusenden; aber sie lie sich nicht beirren; sie blieb in Vaucouleurs bei der Frau eines Brgers und fand allmhlich Glauben. Als sie zum dritten Male zum Hauptmann ging, sagte dieser: Va donc, advienne que pourra" und gab seine Zustimmung zu ihrer Abreise an das knigliche Hoflager. Dieses befand sich zu Chinon. Erst am vierten Tage nach ihrer Ankunft daselbst erlangte sie Zutritt zum Könige. Um den prophetischen Geist des Mdchens zu prfen, stellte der König sich in schlichter Kleidung unter die dreihundert edlen Ritter, welche die Neugierde im Saale versammelt hatte. Johanna schritt gerades-wegs auf den König zu und begrte ihn. Als der König sie an einen Hfling wies und sagte: Dort ist der König", entgegnete sie: En nom de Dien, gentil prince, c'esfc vous et non autre!" Der König zog sie nun beiseite und sprach leise mit ihr, und die Anwesenden bemerkten das Staunen und die Freude, die sich im Antlitze des Knigs widerspiegelten, der dann feierlich erklrte, Johanna habe sein Vertrauen. Spter hat sie erzhlt, sie habe dem König ein sicheres Zeichen ihrer Sendung gegeben. Sie legte nun mnnliche Kleidung und kriegerische Rstung an; sie verlangte ein Schwert, das in der Kirche zu Fierbois aufbewahrt wurde, und eine weie Fahne, best mit goldnen Lilien und dem Bilde des Heilandes auf der einen, dem der Gottesmutter auf der andern Seite. Die Fahne trug sie in den Gefechten voran; das Schwert hat sie nie-mals gebraucht. Zuerst zog sie an der Spitze einer Heerschar nach Orleans. Es sollte der Versuch gemacht werden, eine Sendung Lebensmittel in die Stadt zu schaffen; die Einschlieung durch die Englnder war nicht so vollstndig, um dies ganz unmglich zu machen. Sie entsandte einen Herold mit einem von ihr diktierten Briefe, worin sie in derselben stolzen Sprache, die ihr Schiller in den Mund legt, den englischen Feldherren Frieden anbot unter der Bedingung, da sie aus Frankreich abzgen. Die Heerschar, die sie geleitete, gelangte glcklich durch die englischen Wachtposten hindurch auf Booten der die Loire in die Stadt, wo alt

3. Geschichts-Bilder - S. 195

1865 - Langensalza : Greßler
195 der Gras Dunois machte, die halb verhungerten Einwohner von Orleans mit Lebensrnitteln zu versehen. Ein Haufen Soldaten rvar versammelt, den Zug nach Orleans zu beschützen. Vorher befcchl die Jungfrau, daß alle Soldaten beichten müßten; dann führte sie Zucht und Ordnung wieder ein. Jetzt schrieb sie an die Anführer der Engländer, die vor Orleans starrden, und befahl ihnen, sogleich die Belagerung aufzuheben und Frankreich zu verlassen. »Gebt heraus«, ließ sie ihnen sagen, »die Schlüssel alle von den Städten, die ihr bezwungen wider göttliches Recht. Die Jungfrau kommt vom Könige des Himmels, euch Frieden zu bieten oder blutigen Krieg. Wählt! denn das sage ich euch, dauüt ihr's wißt: das schöne Frankreich ist nicht für euch beschieden!« — Die Engländer lachten. »Nun!« sagten sie, »Karl muß doch sehr in Noch sein, daß er zu Weibern seine Zuflucht nimmt!« — Aber im Herzen war ihnen ganz anders zu Muthe. Abergläubisch waren sie so gut wie die Franzosen, und dachteil voll Angst daran, wo das Alles noch hinaus wolle. Der Zug mit den Lebensmitteln brach auf; die Jungfrau führte die Soldaten an mit der weißen Fahne, und sie sehen und die Waffen wegwerfen, war bei beu Engländern eins. Ohne Schwie- rigkeit wurden die Vorräthe in die Stadt geschafft; Johanna selbst, die nun das Mädchen von Orleans genannt wurde, hielt ihren Ein- zug in die befreite Stadt, deren Einwohner sie als ihre Retterin empfingen. Man richtete ihr eine gute Wohnung ein bei dem Schatz- meister des Herzogs von Orleans, entfieibete sie — denn sie war den ganzen Tag zu Pferde und unter den Waffen. gewesen und daher müde — und setzte ihr eine treffliche Mahlzeit vor. Aber mäßig, wie sie war, rührte sie nichts davon an; sie nahm nur eine Schale, füllte sie mit Wasser und Wein und schnitt einige Stückchen Brot hinein. Mehr aß sie nicht. Im englischen Lager war Alles wie verwandelt. Die Engländer waren so fest überzeugt von ihrer himmlischen Sendung, daß sie nicht gegen sie fechten wollten und gleich die Flucht ergriffen, sobald sie sich nur mit ihrer Fahne zeigte. Daher ließen sie auch nun die Franzosen in die Stadt und aus derselben ziehen, wie sie nur woll- ten. Die Franzosen, die sich bisher furchtsam hinter die Mauern verkrochen hatten, griffen nun selbst die Engländer an und nahmen ihnen eine Schanze nach der andern weg. Bei dem einen Angriffe wurden die Franzosen zurückgeschlagen;'nur Johanna wollte nicht weichen und war schon ringsum von Feinden umgeben. Da mußte sie endlich zurück, um ihre Flüchtlinge zu sammeln. Sie ließ ihre weiße Fahne wieder hoch flattern; unter ihr sammelten sich schnell die Zerstreuten wieder; sie eilte mit ihnen zurück auf den Kampf- platz und schlug die Engländer in die Flucht. Ein anderes Mal hatte sie sich zu weit in das Schlachtgewühl gewagt und erhielt einen Pfeil in den Hals. Das störte sie aber 13*

4. Theil 2 - S. 167

1827 - Breslau : Max
\ . ---------------167 ---------------- sogleich die Belagerung aufzuheben, und Frankreich zu verlassen. „Gebt heraus/' ließ sie ihnen sagen, „die Schlüssel alle von den Städten, die ihr bezwungen wider göttliches Recht. Die Jung- frau kommt vom Könige des Himmels, euch Frieden zu bieten oder blutigen Krieg. Wählt! denn das sag' ich euch, damit ihr's wißt: das schöne Frankreich ist nicht für euch beschützen!" — Die Engländer lachten. „Nun!" sagten sie, „Karl muß doch schon sehr in Noth seyn, daß er zu Weibern seine Zuflucht nimmt." — Aber im Herzen war ihnen ganz anders zu Muthe. Abergläubisch waren sie so gut als die Franzosen, und dachten voll Angst daran, wo das Alles noch hinaus wolle. Der Zug mit den Lebensmitteln brach auf; die Jungfrau führte an mit der weißen Fahne, und sie sehen und die Waffen wegwerfen, war bei den Engländern Eins. Ohne Schwierigkeit wurden die Borräthe in die Stadt geschafft, Johanna selbst, die nun das Mädchen von Orleans genannt wurde, hielt ihren Einzug in die befreite Stadt, deren Einwohner sie als ihre Retterin em- pfingen. Man richtete ihr eine gute Wohnung ein bei dem Schatzmeister des Herzogs von Orleans, entkleidete sie — denn sie war den ganzen Tag zu Pferde und unter den Waffen gewe- sen, und daher müde — und setzte ihr eine treffliche Mahl- zeit vor. Aber, mäßig wie sie war, rührte sie nichts davon an; sie nahm nur eine silberne Schale, füllte sie mit Wasser und Wein, und schnitt einige Stückchen Brot hinein. Mehr aß sie nicht. Im englischen Lager war Alles wie verwandelt. Die Eng- länder waren so fest überzeugt von ihrer himmlischen Sendung, daß sie nicht gegen sie fechten wollten, und gleich die Flucht er- griffen, sobald sie sich nur mit ihrer Fahne zeigte. Daher ließen sie auch nun die Franzosen in die Stadt und aus derselben zie- hen, wie diese nur wollten. Die Franzosen, die sich bisher furchtsam hinter den Mauern verkrochen hatten, griffen nun selbst die Engländer an, und nahmen ihnen eine Schanze nach der andern weg. Bei dem einen Angriffe wurden die Franzosen zu- rückgeschlagen; nur Johanna wollte nicht weichen, und war schon ringsum von Feinden umgeben. Da mußte sie endlich zurück, um ihre Flüchtlinge zu sammeln. Sie ließ ihre weiße Fahne wieder hoch flattern; unter ihr sammelten sich schnell die Zer-

5. Geschichte des Mittelalters - S. 213

1878 - Mainz : Kunze
Von der Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung 2c. 213 ein Geheimnis mittheilte, welches Niemand außer dem Könige wissen konnte, faßte er Zutrauen, und um ihre göttliche Sendung außer Zweifel zu setzen, ließ er das Mädchen zuerst durch eine Versammlung von Geistlichen, dann durch das Parlament zu Poitiers prüfen. Alle thaten den Ausspruch, Johanna sei von Gott zur Rettung Frankreichs gesandt. Es ward beschlossen, dem gottbegeisterten Mädchen die Leitung des Heeres anzuvertrauen und Johanna nach Blois zu schicken, um dort die Anstalten zum Zuge nach Orleans zu treffen. Sie erhielt ihrem Verlangen gemäß ein Schwert, welches man nach ihren Angaben hinter dem Altare der Katharinenkirche zu Fier-Bois aussuchte, eine vollständige Ritterkleidung und eine weiße mit Lilien gestickte Fahne, woraus Gott mit der Weltkugel in der Hand und zwei knieende Engel ihm zur Seite dargestellt waren mit der Inschrift: „Jesus Maria!" Diese Fahne trug sie, um das Schwert nicht gebrauchen zu müssen. In Blois angelangt, führte sie unter den zügellosen Soldaten Johanna ent strenge Zucht, gute Sitten und Andachtsübungen ein, damit sie der W^eans Hülfe Gottes würdig seien. Sie befahl, daß alle beten, die Messe hören, beichten und crnnmuniciren sollten. Alles Fluchen, Spielen, Plündern wurde bei harter Strafe verboten. Auch follte eine Schar von Priestern unter einem besonderen Banner den Zug begleiten. Fast ohne Widerstand erreichte man Orleans. Während die französische Besatzung nach einer andern Seite hin einen Ausfall machte, brachte Johanna die Lebensmittel glücklich in die ausgehungerte Stadt. Man empfing sie wie einen Engel des Himmels. Ihr erster Weg war nach der Kirche, Gott zu danken. Darnach legte sie ihre Rüstung ab und ruhte aus. Sie ließ jetzt die Engländer auffordern, in ihre Heimat abzuzrehen. Anfangs spotteten diese ihrer Mahnung; als das Mädchen aber, die Fahne in der Hand, in Begleitung des Grafen von Dunois wiederholt glückliche Ausfälle machte, verwandelte sich der Spott in Furcht. Eine Schanze nach der andern ward genommen, und die siegenden Franzosen nötigten zuletzt den Feind, die Belagerung von Orleans aufzuheben. In einem dieser Gefechte ward Johanna durch einen Pfeilfchuß am Halse verwundet. „Der Jungfrau von Orleans" blieb nunmehr übrig, die schwierigere und führt den Ausgabe zu lösen, den König zur Krönung nach Rheims zu führen. Ä8ni9 »uc Obwohl die Franzosen überall siegreich auftraten und namentlich einen ^eim^ glänzenden Sieg bei dem Dorfe Patay erfochten, welcher der Blüte des englischen Heeres das Leben kostete und dem gefürchteten englischen Feldherrn Talbot Gefangenschaft brachte, so hielten die französischen Räthe den weiten Weg nach Rheims mitten durch die Posten und

6. Frauengestalten - S. 34

1898 - Wiesbaden : Behrend
— 34 — Ihrigen zurückkehren zu dürfen; sie hielt ihre Ausgabe für erfüllt; doch man beredete sie, zu bleiben, bis das Reich von den Feinden völlig gesäubert wäre. Zu ihrem Verderben gab sie nach. Wie überall, so fehlte es auch am Hofe des Königs nicht an solchen, welche Johanna um ihrenruhrn beneideten und ihreukriegsplänen entgegentraten; und an dem schwachen Könige fand sie keine wirksame Stütze. Ein Angriff auf Paris, der schon halb geglückt war, wurde durch die Mutlosigkeit des Königs, welcher den Rückzug befahl, vereitelt. Es ist daher naheliegend, daß ihr Herz nicht mehr so freudig wie sonst bei der Sache war, der sie sich geweiht hatte. Bei der Verteidigung der von den Burgundern belagerten Festuug Compiegne, woselbst sie einen kühnen Ausfall gewagt, aber von der feindlichen Übermacht geschlagen und überholt wurde, fiel sie in die Hände der Feinde. Die Burgunder aber lieferten Johanna an ihre Todfeinde, die Engländer aus. Nachdem man die Jungfrau an verschiedenen Orten in schwerer Kerkerhaft gehalten hatte, brachte man sie gefesselt nach Ronen und übergab sie einem französischen Jnqnisitionsgericht unter der Auflage der Hexerei. Sie wurde mit der schnödesten Ungerechtigkeit und mit empörender Grausamkeit behandelt. Johanna, blaß und abgezehrt von den Dualen der Gefangenschaft, stand ihren feindlich gesinnten Richtern wie eine Heilige gegenüber. Ihre Antworten auf die ihr vorgelegten Fragen, die ihr zu Fallstricken werden sollten, waren fest, klug und aufrichtig. Sie wies jeden Gedanken an ein Bündnis mit dem Teufel zurück und erklärte, daß sie einzig und allein ihre Hoffnung auf Gott gefetzt habe. Trotzdem wurde sie am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatze zu Rouen als Hexe verbrannt. Weder der leichtsinnige König, dem sie die Krone erhalten, noch die Diener der Kirche, in deren Namen sie gestritten, versuchten etwas zu ihrer Rettung, und es scheint, als ob die Männer Frankreichs aus Scham und Neid, daß eine Jungfrau das Vaterland retten mußte, ihren Untergang nicht ungern sahen. Sie starb glaubensmutig und standhaft unter frommen Gebeten, den Blick auf das Kruzifix gerichtet, das man ihr vorhielt; bis zum letzten Atemzüge blieb sie ein Wunder selbstloser Aufopferung. Und obwohl die Inbrunst ihrer Andacht selbst ihre Feinde zu Thränen rührte, war doch der Fanatismus seitens der Priester so gransaum, ihre Dualen durch ein langsames Feuer absichtlich zu verlängern. So endete die hochherzige Jungfrau, noch nicht zwanzig Jahre alt, auf diese schreckliche Weise ihr Leben. Ihre Asche wurde in die Seine geworfen. Im französischen Volke aber erzählt man sich, daß im Augenblicke ihres Todes eine weiße Taube aus dem Scheiterhaufen gen Himmel geflogen fei. Vierundzwanzig Jahre nach ihrem Hinscheiden wurde mit Einwilligung des Papstes die Sache nochmals untersucht, und nunmehr die Unschuld der Jungfrau erklärt und ihr

7. Teil 2, Oberstufe, Teil 1 - S. 207

1901 - Kiel : Lipsius & Tischer
Iv. Aus der weiten Welt. 207 konnten, ergingen sie sich gern in dem Schotten des segenbringenden Baumes und tranken aus dem heilenden Quell. Im Mai jedes Jahres zogen die jungen Bursche und Mädchen und die Kinder des Dorfes in frohen Scharen nach der heiligen Stätte. Sie schmückten die Zweige mit Blumengewinden uitd Kränzen und tanzten um den Baum. Auch Johanna besuchte den heiligen Baum oft mit den Mädchen ihres Alters, aber fciten nahm sie an dem Tanze teil; lieber sang sie auch an diesem Orte ihre frommen Lieder. — Niemals lag Frankreich so völlig danieder wie zu dieser Zeit. Das Heer, niedergeworfen in blutigen Schlachten, war nahe daran, vor den Fremden die Waffen zu strecken. Der schwachsinnige König überließ die Zügel des Staates, die er niemals in festen Händen gehalten hatte, einigen ehrgeizigen Prinzen, die sich die Herrschaft über das Land in blutigen Kriegen streitig machten. Die unnatürliche Mutter des Königs verschwor sich gegen ihr eigenes Fleisch und Blut; sie ächtete den König, den einzigen Sohn, der ihr geblieben war, und überlieferte das Reich den Engländern, die schon mehr als die Hälfte des Landes, dazu auch die Hauptstadt, in Besitz genommen hatten. Von der flandrischen Küste bis zu den Pyrenäen wurde das Land von Kriegs- scharen durchzogen, die in keines Herrn Pflicht standen und die Freund und Feind ohne Unterschied ausplünderten und erwürgten. Unterdessen belagerten die Engländer Orleans, das letzte Bollwerk der französischen Freiheit. Hier machte das sterbende Frankreich seine letzten An- strengungen; jeder Bürger war Soldat geworden, und selbst die Frauen wett- eiferten mit den unerschrockensten Kriegern an Tapferkeit. Als nun die Eng- länder noch fortwährend Verstärkungen erhielten, suchte das Heer des franzö- sischen Königs ihnen den Weg zu verlegeu. Dies gelang aber nicht. Die Franzosen wurden geschlagen, und die Nachricht von dem neuen Unglück rief in der belagerten Stadt die größte Bestürzung hervor. Der König schien unter der Last seiner Schande zu erliegen; er dachte sogar daran, Chinon, wo er seinen Hof hielt, zu verlassen und nach der Dauphine, dem äußersten Osten, zu entfliehen. Sicherlich hätten dann die Bewohner von Orleans sich nicht länger für einen König geopfert, der sie selbst im Stiche ließ. Die Engländer würden die Stadt erobert und binnen kurzer Zeit ganz Frankreich unterjocht haben. Vor dieser Schmach wurde es durch die unerwartete Ankunft der Heldeu- jungfrau im Lager des Königs bewahrt. Das war aber so zugegangen. Eines Tages um die Mittagszeit, als Johanna in ihres Vaters Garten stand, sah sie die Luft von einer überirdischen Klarheit erfüllt, und unbekannte Stimmen tönten an ihr Ohr. Ihr wurde befohlen, nach Frankreich zu gehen, Orleans zu befreien und den König Karl zur Salbung nach Reims zu führen. Zuvor aber sollte sie nach Vaucouleurs zum Hauptmann Baudrieourt gehen und ihn bitten, ihr einige tapfere Männer zur Bedeckung mitzugeben. Da sie zweifelte, daß sie von ihren Eltern die Erlaubnis dazu bekommen würde, begab sie sich zu ihrem Oheim und wußte ihn zum Glauben an ihre göttliche Sendung zu bewegen. Als nun aber der

8. Mittelalter - S. 468

1911 - Kempten : Kösel
468 Die Jungfrau von )rlean. Vorsitz im Gerichtshof, der aus Theologen und Rechtsgelehrten zusammengesetzt mar, fhrte der Bischof Cauchon, neben ihm fungierte spter Lemaitre, der Vikar des Inquisitors von Frankreich. Elend und bleich, mit den Spuren der monatelangen, leidensvollen Gefangenschaft im unterirdischen Kerker erschien Johanna. Fnfundzwanzig Sitzungen brauchte der Gerichtshof allein zu dem Verhr der Jungfrau; durch zweideutige Fragestellung und pltzliche Zwischen-fragen suchte man sie in Widersprche zu verwickeln; aber ihr natrlicher Ver-stand, ihre schlichte Geradheit und strenge Wahrheitsliebe mieden alle diese Schlingen. Johanna blieb dabei, da sie eine Gesandte Gottes sei; sie mahnte ihre Nichter und besonders Cauchon mehrfach sich wohl vorzusehen und zu bedenken, was sie tten. Natrlich machte das keinen Eindruck. Das der das Verhr gefhrte Protokoll gab nur ein tendenzis zurechtgemachtes Bild und hatte namentlich die Antworten der Jungfrau durchweg in dem fr diese ungnstigsten Sinne gefat. Am 24. Mrz wurde es der Jungfrau, die man auch durch Androhung der Folter und den Anblick der Marterinstrumente zu schrecken versucht hatte, vorgelesen und von ihr als richtig anerkannt. Aus dem in mehr als zwanzig Verhren gewonnenen Material wurde nun die Anklage formuliert. In zwlf Artikeln zog sie die Summe des angeblich Erwiesenen. Nur die gegen Johanna sprechenden Momente waren von dem niedertrchtigen Cauchon darin aufgenommen. Johanna selbst bekam diese Schrift niemals zu sehen; sie konnte also auch nicht gegen die Flschung und Verdrehung ihrer Aussagen Einsprache erheben. Lange hatte ihr zarter Krper und ihre starke Seele der planmigen Qulerei ihrer Richter Widerstand geleistet, ihr Glaube an ihren Beruf blieb unerschttert, ebenso der an ihre Rettung. Aber schlielich drohte sie doch zu unterliegen; eine schwere Krankheit warf sie aufs Lager. Johanna genas jedoch wieder um ihr Martyrium bis zu Ende durchzumachen. Die von Cauchon geschmiedeten Anklageartikel wurden dem Domkapitel zu Rouen und der Pariser Universitt zur Begutachtung ber-sandt, freilich ohne die Protokolle und Akten, deren Inhalt sie angeblich wieder-gaben. Natrlich fllten die gelehrten Krperschaften einen verdammenden Spruch: die Anklage sei erwiesen; Jeanne Darc sei entweder eine Lgnerin oder eine Hexe, schuldig des Abfalls vom wahren Glauben, der Gotteslsterung, der Anrufung bser Geister und der Verleitung ihres Volkes zu Gtzendienst und Blutvergieen; wolle sie die ihr nachgewiesenen ketzerischen Irrtmer nicht abschwren, so sei sie dem Arm der weltlichen Gerichtsbarkeit zu berantworten. Aber wiederholte Ermahnungen ein offenes Gestndnis abzulegen und den himmlischen Ursprung ihrer Visionen und Stimmen nicht weiter zu behaupten blieben erfolglos. So wurde das Verfahren geschlossen; das Urteil sollte gesprochen werden; durch die Schrecken des Todes hoffte man der Heldin doch noch den gewnschten Widerruf abzupressen.

9. Das Mittelalter - S. 255

1877 - Leipzig : Brandstetter
255 Feen umgeben war, und nicht weit davon war eine eben so merkwürdige Quelle. Dort pflegte sie öfters mit ihren Gespielinnen in schönen Nächten zu singen und zu tanzen. Aber seit ihrem 13ten Jahre vermied !ie Gesang und Tanz und lebte mehr in Uch gekehrt, auch so eifrig mit Andachtsübungen beschäftigt, daß sie dadurch das Gespötte ihrer Gespielinnen auf sich zog. Engel und Heilige waren ihr, wie sie selber nachmals erzählte, seit dieser Zeit erschienen, und wenn sie inbrünstig betete, war sie immer der himmlischen Erscheinung gewiß. Doch redete sie damals mit Niemand über die Offenbarungen, die sie empfing, sondern führte ein stilles, zurückgezogenes Leben, bis der Ruf der Gottheit und der Drang ihres Herzens sie auf den Schauplatz des öffentlichen Lebens führte. Nur 13 Monate dauerte ihr öffentliches Auftreten, aber welche große und wunderbare Veränderung der Lage Frankreichs hat sie in dieser kurzen Zeit bewirkt! 2. Tief gesunken war Frankreichs Glück! der ganze nördliche Theil bis zur Loire war in den Händen der Engländer und schon wurde Orleans, der Schlüssel zum südlichen Frankreich, von ihnen belagert (1428 im Oktober). Karl Vii., welcher König hieß, ohne es zu sein — denn nicht einmal die Krönung und Salbung zu Rheims hatte er erlangen können schien rettungslos verloren. Ohne Vertrauen auf sich und seine Sache war er auch ohne Hoffnung. Von Tag zu Tag ward er ärmer an Geld und Truppen und durch neue Unglücksboten erschreckt. Er faßte den Entschluß, das Schloß Chinon, an dem südlichen Ufer der Loire, zu verlassen und in's südliche Frankreich zu ziehen, oder gar nach Spanien zu flüchten, um dort eine Freistatt zu suchen. Diese traurige Lage des Reiches und des Königs mußte alle wohlgesinnten Franzosen mit Angst und Mitleiden erfüllen und der Gegenstand ihrer Gespräche und Sorgen sein. Auch Johanna ward von dem Unglück ihres Vaterlandes tief ergriffen und in ihrer Seele erwachte der Gedanke, König und Vaterland zu retten. 3. Nie darf man die Zeiten einer großen Noth und Aufregung mit dem Maßstabe der Zeiten der Ruhe messen. Wo außerordentliche Umstände eintreten, werden außerordentliche Kräfte wach. Nach dem Glauben der Zeit erschienen Engel und Heilige den Menschen; in der Nähe des Dorfes Domremi wurden allerlei Wundererscheinungen wahrgenommen, dort stand ein Feenbaum, dort sprudelte eine Zauberquelle, und eine alte Weissagung verkündete, daß ein Mädchen von der lothringischen Grenze kommen würde, um Frankreich zu erretten. Johanna fühlte, daß sie dieses Mädchen sei, und der feste Glaube, verbunden mit ihrem kindlichen Gottvertrauen, gab ihr Kraft. Sie wollte das bedrohte Orleans entsetzen, sie wollte den verlassenen König nach Rheims zur Krönung führen. Von dieser Zuversicht getrieben, verließ sie ihre Eltern, denen sie bis

10. Das Mittelalter - S. 224

1852 - Leipzig : Brandstetter
224 Pferde. Wie ihr früher Fleiß, so wird auch ihre Sanftmuth, thätige Menschen- liebe und Gottesfurcht gerühmt. Sie pflegte die Kranken, war hülfreich gegen Arme, ging täglich zur Kirche und genoß häufig das heilige Abendmahl. Dabei verrieth sie aber auch eine Neigung zur Schwärmerei. In der Nähe ihres Dorfes ftand ein Wunderbaum, eine schöne Buche, die nach einer alten Sage von Feen umgeben war und nicht weit davon war eine eben so merkwürdige Quelle. Dort pflegte sie öfters mit ihren Gespielinnen in schönen Nächten zu fingen und zu tanzen. Aber seit ihrem 13ten Jahre vermied sie Gesang und Tanz und lebte mehr in sich gekehrt, auch so eifrig mit Andachtsübungen be- schäftigt, daß sie dadurch das Gespötte ihrer Gespielinnen aus sich zog. Engel und Heilige waren ihr, wie sie selber nachmals erzählte, seit dieser Zeit er- schienen und wenn sie inbrünstig betete, war sie immer der himmlischen Er- scheinung gewiß. Doch redete sie damals mit Niemand über die Offenbarungen- die sie empfing, sondern führte ein stilles zurückgezogenes Leben, bis der Ruf der Gottheit und der Drang ihres Herzens sie auf den Schauplatz des öffent- lichen Lebens führte. Nur 13 Monate hat ihr öffentliches Auftreten gedauert, aber welche große und wunderbare Veränderung der Lage Frankreichs hat sie in dieser kurzen Zeit bewirkt! 2. Tief gesunken war Frankreichs Glück! Der ganze nördliche Theil bis zur Loire war in den Händen der Engländer und schon wurde Orleans, der Schlüssel zum südlichen Frankreich, von ihnen, belagert (1428 im Oktober). Karl Vii., welcherkönig hieß, ohne es zu sein — denn nicht einmal die Krönung und Salbung zu Rheims hatte er erlangen können — schien rettungslos ver- loren. Ohne Vertrauen auf sich und seine Sache war er auch ohne Hoffnung. Von Tag zu Tag ward er ärmer an Geld und Truppen und durch neue Un- glücksboten erschreckt. Er faßte den Entschluß, das Schloß Chinon, an dem südlichen Ufer der Loire, zu verlassen und in's südliche Frankreich zu ziehen oder gar nach Spanien zu flüchten, um dort eine Freistatt zu suchen. Diese traurige Lage des Reiches und des Königs mußte alle wohlgesinnten Franzosen mit Angst und Mitleiden erfüllen und der Gegenstand ihrer Gespräche und Sorgen sein. Auch Johanna ward von diesem Unglück ihres Vaterlandes tief ergriffen und in ihrer Seele erwachte der Gedanke, König und Vaterland zu retten. 3. Nie darf man die Zeiten einer großen Noth und Aufregung mit dem Maaßstabe der Zeiten der Ruhe messen. Wo außerordentliche Umstände ein- treten, werden außerordentliche Kräfte wach. Nach dem Glauben der Zeit erschienen Engel und Heilige den Menschen; in der Nähe des Dorfes Dom- remi wurden allerlei Wundererscheinungen wahrgenommen, dort stand ein Feenbaum, dort sprudelte eine Zauberquelle und eine alte Weissagung verkün- dete, daß ein Mädchen von der lothringischen Grenze kommen würde, um Frankreich zu erretten. Johanna fühlte, daß sie dieses Mädchen sei und der feste Glaube, verbunden mit ihrem kindlichen Gottvertrauen, gab ihr Kraft. Sie wollte das bedrohte Orleans entsetzen, sie wollte den verlassenen König nach Rheims zur Krönung führen.

11. Geschichts-Bilder - S. 203

1878 - Langensalza : Greßler
203 der Graf Dunois machte, die halb verhungerten Einwohner von Orleans mit Lebensmitteln zu versehen. Ein Haufen Soldaten war versammelt, den Zug nach Orleans zu beschützen. Vorher befahl die Jungfrau, daß alle Soldaten beichten müßten; dann führte sie Zucht und Ordnung wiever ein. Jetzt schrieb sie an die Anführer der Engländer, die vor Orleans standen, und befahl ihnen, sogleich die Belagerung aufzuheben und Frankreich zu verlassen. »Gebt heraus«, ließ sie ihnen sagen, »die Schlüssel alle von den Städten, die ihr bezwungen wider göttliches Recht. Die Jungfrau kommt vom Könige des Himmels, euch Frieden zu bieten oder blutigen Krieg. Wählt! denn das sage ich euch, damit ihr's wißt: das schöne Frankreich ist nicht für euch befchieden!« — Die Engländer lachten. »Nun!« sagten sie, »Karl muß doch sehr in Noth sein, daß er zu Weibern seine Zuflucht nimmt!« — Aber im Herzen war ihnen ganz anders zu Muthe. Abergläubisch waren sie so gut wie die Franzosen, und dachten voll Angst daran, wo das Alles noch hinaus wolle. Der Zug mit den Lebensmitteln brach auf; die Jungfrau führte die Soldaten an mit der weißen Fahne, und sie sehen und die Waffen wegwerfen, war bei den Engländern eins. Ohne Schwierigkeit wurden die Vorräthe in die Stadt geschafft; Johanna selbst, die nun das Mädchen von Orleans genannt wurde, hielt ihren Einzug in die befreite Stadt, deren Einwohner sie als ihre Retterin empfingen. Man richtete ihr eine gute Wohnung ein bei dem Schatzmeister des Herzogs von Orleans, entkleidete sie — denn sie war den ganzen Tag zu Pferde und unter den Waffen gewesen und daher müde — und setzte ihr eine treffliche Mahlzeit vor. Aber mäßig, wie sie war, rührte sie nichts davon an; sie nahm * nur eine Schale, füllte sie mit Wasser und Wein und schnitt einige Stückchen Brot hinein. Mehr aß sie nicht. Im englischen Lager war Alles wie verwandelt. Die Engländer waren so fest überzeugt von ihrer himmlischen Sendung, daß sie nicht gegen sie fechten wollten und gleich die Flucht ergriffen, sobald sie sich nur mit ihrer Fahne^ zeigte. Daher ließen sie auch nun die Franzosen in die Stadt und aus derselben ziehen, wie sie nur wollten. Die Franzosen, die sich bisher furchtsam hinter die Mauern verkrochen halten, griffen nun selbst die Engländer an und nahmen ihnen eine Schanze nach der andern weg. Bei dem einen Angriffe wurden die Franzosen zurückgeschlagen; nur Johanna wollte nicht weichen und war schon ringsum von Feinden umgeben. Da mußte sie endlich zurück, um ihre Flüchtlinge zu sammeln. Sie ließ ihre weiße Fahne wieder hoch flattern; unter ihr sammelten sich schnell die Zerstreuten wieder; sie eilte mit ihnen zurück auf den Kampfplatz und schlug die Engländer in die Flucht. Ein anderes Mal hatte sie sich zu weit in das Schlachtgewühl gewagt und erhielt einen Pfeil in den Hals. Das störte sie aber

12. Kaisers Bilder und Lebensbeschreibungen aus der Weltgeschichte - S. 101

1906 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
46. Die Jungfrau von Orleans (1429). 101 beschloß Karl Vii., sich nach dem äußersten Süden des Landes zurück-zuziehen. In dieser höchsten Not erstand Frankreich unerwartet ein Retter der wunderbarsten Art. 2. Auftreten der Jungfrau (1429). Es war im Frühjahr 1429, als am Hofe Karls Vii. eine Jungfrau in männlicher Kleidung erschien, die sich ^als gottgesandte Befreierin Frankreichs ankündigte. Sie hieß Johanna d'are und war die Tochter eines Landmannes in Lothringen. Diesem einfachen Mädchen war die Not des Königs und des Vaterlandes tief zu Herzen gegangen; schlaflos lag sie oft auf ihrem Lager, grübelnd und betend. Endlich — so meinte sie — hatte sie himmlische Er-scheinnngen, und die heilige Jungfrau trug ihr, dem siebenzehnjährigen Mädchen, auf, Orleans zu entsetzen und den König nach Reims zur Krönung zu führen. So begab sie sich denn ohne Furcht zum Könige und sprach: „Wohledler Dauphin, ich bin Johanna, die Magd. Mir ist vom Himmel der Auftrag geworden, Eure Feinde von Orleans zu vertreiben und Euch nach Reims zu führen. Dort werdet Ihr, nehmt Ihr meine Dienste an, die Krone von Frankreich empfangen." Obwohl der König, den sie nie gesehen, sich unter die Hofleute gemischt hatte, soll sie ihn doch auf der Stelle erkannt, ihm auch Geheimnisse entdeckt haben, die auf natürliche Weise außer ihm kein Mensch wissen konnte. So fand sie denn Glauben. Bald erschien sie öffentlich, in glänzender Rüstung und auf einem prachtvollen Streitrosse reitend, während ein weißes Banner mit dem Bilde des Heilandes vor ihr hergetragen wurde. Dem staunenden Volke erschien sie wie ein überirdisches Wesen, und begeistert griff man zu den Waffen. 3. Entsatz von Orleans. Als die Engländer von der Jungfrau hörten, spotteten sie,- daß ein Mädchen Frankreich retten solle, nachdem die besten Männer es nicht vermocht hatten. Sie mußten aber bald erfahren, daß die Franzosen jetzt ganz andere Gegner waren. Schon zog die Jungfrau an der Spitze einer Schar gegen Orleans heran, um der bedrängten Stadt Lebensmittel und Mannschaft zuzuführen. Zuvor hatte sie strenge Zucht und Ordnung unter den Soldaten wiederhergestellt und alle beichten lassen. Glücklich gelangte sie in die Stadt und wurde mit Jubel empfangen. Ihr erster Gang war in die Kirche, um Gott zu danken. Unter ihrer Anführung machten die Franzosen nun glückliche Ausfälle und eroberten eine englische Schanze nach der andern. Immer mehr hob sich der Mut der Franzosen; die Engländer aber empfanden ein Grauen vor der rätselhaften Jungfrau. Sie stehe mit dem Teufel im Bunde, meinten sie, und da war kein Halten mehr unter ihnen, wenn es hieß: „Die Jungfrau kommt!" Schon neun Tage nach Johannas Erscheinung mußte die Belagerung aufgehoben werden. Von dieser ihrer ersten Tat erhielt Johanna den Namen „Jungfrau von Orleans". 4. Krönung des Dauphins. Nachdem Johanna ihr erstes Versprechen erfüllt hatte, schickte sie sich an, das zweite zu lösen. Sie begab sich zum Könige, kniete vor ihm nieder und sprach: „Wohledler Dauphin, kommt jetzt und empfanget die heilige Salbung und Eure königliche Krone zu Reims!" Nun waren alle Städte auf dem Wege nach Reims

13. Das Mittelalter - S. 301

1884 - Mainz : Kirchheim
Die Jungfrau von Orleans. 301 richten verbreiteten sich unter das Volk. Man brannte vor Begierde, das Wundermädchen zu sehen, welches Gott sich zur Rettung Frankreichs auserkoren hatte. Da erschien Johanna auf einem prachtvollen Streitrosse; vor ihr her ward ein Banner getragen, auf welchem der Allmächtige, den Erdball haltend, von Lilien und Zwei knieenden Engeln umgeben, abgebildet war und woraus die Namen standen: „Jesus, Maria." Den Zuschauern kam sie als ein überirdisches Wesen vor, und begeistert griff man zu den Waffen. An der Spitze des Heeres eilte die Jungsrau gen Orleans, um der hartbedrängten Stadt Lebensmittel und Mannschaften Zuzuführen. Zuvor jedoch stellte sie unter den Soldaten Zucht und Ordnung her: alle mußten beten, beichten und sich dem Schutze des Himmels empfehlen. Fast ohne Widerstand kam man vor Orleans und gelangte, während die Belagerten einen Ausfall machten, samt der Zufuhr am 29. April 1429 glücklich in die Stadt. Mit lautem Jubel wurde Johanna empfangen. Ihr erster Gang war nach der Kirche, um Gott Zu danken; daun begab sie sich nach dem herzoglichen Palast, wo sie ganz einfach lebte. Unter der Anführung der Jungfrau machten die Franzosen bald gute Fortschritte: sie griffen die festesten Posten der Feinde an und nahmen eine Schanze nach der andern. Mit jedem Tage hob sich der Mut des französischen Heeres, während im englischen Lager ein Grauen, wie vor Geisterspuk, vor dem rätselhaften Mädchen einherging und alle Kräfte der Krieger lähmte. Denn daß Johanna von mehr als menschlicher Art fei, baran zweifelte niemand, und es half den Anführern der Feinde wenig, wenn sie den Glauben verbreiteten, sie sei des Teusels Werkzeug; um so furchtbarer erschien sie nur. Es war kein Halten mehr unter den englischen Soldaten, sobald es hieß: „die Jungfrau kommt!" Das ganze Belagernngsheer geriet bald so außer Fassung, daß schon nach neun Tagen (9. Mai) die Belagerung aufgehoben werben mußte. So hatte die Jungfrau ihr erstes Versprechen erfüllt und schickte sich nun an, auch ihr zweites zu lösen. Sie begab sich nach Tours zum König, kniete vor ihm nieber und sprach; „Wohlebler Dauphin, kommet und empfanget die heilige Salbung und eure königliche Krone zu Rheims!" Die Städte zwischen Tours und Rheims waren alle von den Englänbern und Burgunbern besetzt; bennoch folgte der König dem Rate der Jungfrau. Mehrere Plätze ergaben sich, andere wurden mit Sturm genommen. Johanna ging überall den Ihrigen voran und teilte jede Gefahr. Endlich führte sie den König glücklich nach Rheims,

14. Teil 2, Oberstufe, Teil 1 - S. 208

1901 - Kiel : Lipsius & Tischer
208 Iv. Aus der weiten Welt. Oheim dem Hauptmann die Wünsche der Jungfrau mitteilte, wurde er übel empfangen: Baudrieourt riet ihm, das Mädchen zu ohrfeigen und zu ihrem Vater zurückzuschicken. Da machte sich Johanna selbst auf. Sie wurde vor- gelassen und erkannte den Hauptmann, den sie nie gesehen hatte, unter einer Schar von Edelleuten, die um ihn standen. Sie sagte ihm: „Mein Herr hat mir geboten, Orleans zu befreien und den Dauphin nach Reiins zu führen." Da fragte man sie, wer ihr Herr sei. Sie antwortete: „Der König des Himmels!" Baudrieourt, obwohl über die Festigkeit ihrer Antworten erstaunt, zögerte dennoch, ihren Bitten nachzugeben. Sie aber ließ sich nicht zurück- schrecken, hatte doch die Stimme ihr gesagt, daß man sie dreimal abweisen werde. Sie verdoppelte ihre Bitten und sprach unaufhörlich von ihrer gött- lichen Sendung; jeder Tag vermehrte ihren ungeduldigen Eifer. Endlich ge- lobten ihr zwei Ritter, sie zum Könige zu führen. Da ließ Johanna ihr langes Haar abschneiden, legte Männerkleidung an und ließ einen Brief schreiben, in dem sie ihre Eltern um Verzeihung bat. Als sie diese erhalten hatte, brach sie mit ihrer Begleitung auf und langte am 24. Februar 1429 im Lager des Königs zu Chinon an. Ihre Ankunft machte wenig Aufsehen; die obersten Führer waren sogar der Meinung, man müsse sie zurückschicken, ohne sie an- zuhören. Erst nach zweitägiger Beratung wurde sie beim Könige vorgelassen. Dieser hatte sich unter seine Höflinge gemischt, von denen mehrere prächtiger gekleidet waren als er. Johanna aber erkannte ihn dennoch und kniete huldigend vor ihm nieder. „Ich bin nicht der König," sagte Karl. Die Jungfrau aber sprach: „Edler Prinz, Ihr seid's und kein anderer. Ich bin von Gott gesandt, Euch und Eurem Reiche Hülse zu bringen; durch mich verkündet Euch der Herr des Himmels, daß man Euch in Reims salben und krönen wird als Statthalter des Himmelsfürsien, der auch Frankreichs König ist." Karl war aufs höchste überrascht; er nahm sie beiseite, um sie weiter auszuforschen. Als ihm nun Johanna Geheimnisse über seine eigene Person offenbarte, die nur ihm und seinem Gotte bekannt waren, da begann der Zweifel aus seinem Herzen zu schwinden. Dennoch berief er eine Anzahl von Theologen, die prüfen sollten, ob man ihren Worten Glauben beimessen dürfe. Nach mehreren Unterredungen und nachdem man sie längere Zeit Tag und Nacht überwacht hatte, erklärten die ehrwürdigen Väter, daß ihnen nichts Böses aufgefallen sei und daß der König die Hülfe des jungen Mädchens annehmen könne. Nun war alles Schwanken zu Ende; allen, den Führern wie dem Heere, teilte die Jungfrau ihren feurigen Eifer für die Sache des Königs und des Vaterlandes mit. Der Kriegsrat beschloß, unter ihrer Führung eine Hülfstruppe mit Vorräten nach Orleans zu schicken. Man gab ihr als Leibwache einen Knappen, zwei Edelknaben und zwei Wappeuherolde mit, außerdem einen Beichtvater. Der König ließ eine vollständige Rüstung für sie anfertigen. Auf ihren Wunsch erhielt sie auch ein eigenes Banner aus weißem Leinen mit seidenen Borten; auf dem weißen, mit eingewirkten Lilien geschmückten Felde erstrahlte die Gestalt des Weltheilandes, als Weltenrichter auf den Wolken

15. Frauengestalten - S. 32

1898 - Wiesbaden : Behrend
— 32 — seine Herrschaft zu verlieren, der Augenblick schien nicht fern, wo man die französische Besatzung durch Hungersnot gezwungen, sich ergeben zu müssen. Der König war in einer ganz verzweifelten Lage; nur et» Wunder schien ihn retten zu können, und ein Wunder hat ihn gerettet. Im Augenblicke des höchsten Elends, wo alle menschliche Hilfe erschöpft schien, trat ein sonderbares Ereignis ein, welches dem bedrängten Könige, dem verzagten Heere und dem niedergebeugten französischen Volke Erlösung bringen sollte: die Jungfrau von Orleans erschien, um Frankreich von Schmach und Elend zu retten. Am oberen Laufe der Maas, an der Grenze von Lothringen und der Champagne liegt zwischen grünen Matten und waldumkräuzteu Hügeln das Dörfchen Domremi. Hier würde am Dreiköuigstage des Jahres 1412 in einem ärmlichen Bauernhause dem Bauer Thibaut b’Arc eine Tochter Johanna b’Arc geboren. Vor allen Mäbchen im Dorfe zeichnete sie sich bnrch ihren kühnen männlichen Sinn ans und nahm den wärmsten Anteil an den bamaligen kriegerischen Vorgängen Frankreichs. Zwischen dem elterlichen Hause und einer walbigen Anhöhe staub eine uralte Buche, neben welcher ein klarer Quell aus dem Bobeu hervorsprubelte. Beibe, der einsame Baum wie das silberhelle Wasser waren im Glauben des Volkes geheiligte Orte. Mart glaubte, wohlgesinnte Feen hätten bort ihren Wohnsitz; und seit mtüorbenklicheit Zeiten suchten Fieberkranke in dem reinen Quellwasser Heilung. Hier hütete die heranwachsenbe Johanna, die an allen Geschäften des elterlichen Hauses teilnahm, des öfteren die Schafe ihres Vaters. Da saß sie nun so manches mal bet ihrer Heerbe unter jener Buche in tiefes Nachdenken versunken über die kriegerischen Vorgänge in ihrem Vaterlande. Es blutete ihr das Herz, wenn sie von der Gefahr des Königs, von der Not des Vaterlandes hörte und wenn die Landlente in banger Sorge davon redeten, welch traurigem Schicksale Frankreich unter dem Joche der Fremdherrschaft entgegengehe. Und wenn sie sich so lebhaft in diesen Zustand »ersetzte — Johanna mochte damals etwa fünfzehn Jahre zählen — so war es ihr, als ob sie in den Zweigen des geweihten Baumes Seufzen und Weinen und in dem Murmelu der Quelle heilige Stimmen vernehme. In ihrer starken Einbildungskraft sah sie einst ein helles Licht von jenem Baume herabstrableti und himmlische Boten hörte sie zu sich sprechen; sie alle forderten sie zur rettenden That auf; sie glaubte den Ruf zu vernehmen: „Geh zum König, errette ihn von seinen Feinden und führe thu zur feierlichen Krönung nach Rheims, der alten Krönungsstätle der französischen Herrscher." Ihre Gedanken und Träume wurden ihr zu göttlichen Offenbarungen. Ihre Eltern ängstigten sich ihretwegen und suchten sie von der Erfüllung ihres Vorhabens abzuhalten. Manche verlachten sie auch.

16. Geschichte des Mittelalters - S. 263

1861 - Münster : Coppenrath
263 riges Gemüth auf. Nirgends fand sie Ruhe mehr, Tag und Nacht beschäftigte sie das Schicksal ihres Vaterlandes; endlich glaubte sie, noch fei das Vaterland durch eines Weibes Arm zu retten. Sie bat und flehete inbrünstig zu Gott und sah im Traume Gott selbst und die Schutzheiligen des Landes sie aufmuntern zu dem glorreichen Unternehmen. Voll Begeiste- rung ihres neuen Berufes wandte sie sich an Vaudricourt, den Befehlshaber der benachbarten Stadt Vauconlenrs, und ward von ihm nach Chinon, unweit Orleans, der Residenz Karl's, gesendet. Und ohne Furcht trat sie hier vor den König und sprach in prophetischem Tone zu ihm: „Wohledler Dau- phin, ich bin Johanna die Magd. Mir ist vom Himmel der Auftrag geworden, Eure Feinde von Orleans zu vertreiben und Euch nach Rheims zu führen. Dort werdet Ihr, nehmet Ihr meine Dienste an, die Krone von Frankreich empfangen, die Euch gebührt." Obwohl sie nie vorher den König gesehen hatte, so soll sie ihn doch auf der Stelle aus den anwesenden Hofleuten herausgefunden und ihm Geheimnisse entdeckt haben, die auf natürliche Weise kein Mensch außer ihm wissen konnte. Auch soll sie ein in der St. Katharinenkirche zu Ficrbois be- findliches Schwert, welches seit vielen Jahren ganz in Ver- gessenheit gerathen war, genau beschrieben und dasselbe begehrt haben. Solche und ähnliche Gerüchte verbreiteten sich unter das Volk. Alle brannten vor Begierde, das Wundermädchen zu sehen, welches Gott sich zur Rettung Frankreichs auserkoren habe. Da erschien Johanna auf einem prachtvollen Streitrosse, im Angesichte einer ungeheuren Volksmenge, von der sie mit lautem Zurufe begrüßt ward. Vor ihr her ward ein Banner getragen, auf dem man den Allmächtigen, von unzähligen Lilien umgeben, in Gestalt eines ehrwürdigen Greises, mit der Weltkugel in der Hand, erblickte. Sie erschien den Zuschauern al§ ein überirdisches Wesen. Alle wurden begeistert, Alle hielten sich für unbesiegbar unter der Fahne der Jungfrau, Alle griffen freudig zu den Waffen.

17. Sagen aus der Welt der Griechen und Römer, deutsche Sagen, Lebensbilder aus allen Teilen der Weltgeschichte - S. 104

1910 - Berlin : Salle
104 Iii. Lebensbilder aus allen Teilen der Weltgeschichte. und mit einer weißen Fahne in der Hand schritt sie dem Heere voran. Sie ging nach Orleans, um die fast verhungerten Einwohner dieser Stadt mit Lebensrnitteln zu versehen. Unterwegs hielt sie strenge Zucht im Heere. Orleans wurde erreicht. Sie ließ den Engländern sagen, daß sie sich entfernen sollten. Diese spotteten der „Jungfrau von Orleans" — so wurde sie jetzt genannt —, obgleich sie doch vor ihr, wie vor einem wunderbaren Wesen, Furcht hatten. Johanna begann den Angriff auf die Bollwerke und Verschanzungen der Engländer. Nach einem heftigen Kampfe, in welchem Johanna durch einen Pfeil gefährlich verwundet wurde, wichen die Engländer, und die Jungfrau zog siegreich in die Stadt ein. Die Vertreibung der Engländer durch eine Jungfrau erregte das größte Aufsehen in Frankreich. Man hielt Johanna für ein göttliches Wesen und kam, ihre Kleider und die Füße ihres Pferdes zu küssen. Sie begab sich aber nach Tours, wo Karl Vii. war, kniete vor ihm nieder und sprach: „Wohledler Dauphin, empfanget die heilige Salbung und Eure königliche Krone zu Rheims. Ich habe das größte Verlangen, Euch dahinziehen zu sehen; darum eilet." Die Städte und Schlösser, welche zwischen Tours und Rheims lagen, waren alle von den Engländern besetzt. Dennoch folgte der König dem Rate der Jungfrau. Mehrere feste Plätze ergaben sich, andere wurden im Sturm genommen. Johanna zeigte überall Mut und Unerschrockenheit. Der Helm wurde ihr einmal zerschmettert, und sie selbst stürzte in einen tiefen Graben. Trotz dieser Gefahren führte sie den König glücklich nach Rheims, woselbst die Krönungsfeier stattfand. Johanna stand am Altare neben ihm mit ihrer Fahne in der Hand, umfaßte nach der Krönung feine Knie und sprach: „Edler König! jetzt ist Gottes Wille erfüllt, der verlangte, daß ich Orleans entsetzen und Euch nach dieser Sladt Rheims zur heiligen Salbung führen sollte." Der König erhob darauf die ganze Familie der Jungfrau in den Adelstand. Man erzählt, daß nach der Krönung Johanna den König gebeten habe, sie zu entlassen, weil ihr Werk vollbracht sei. Allein der König und das Heer sollen sie durch vieles Bitten zum Bleiben bewogen haben. Merkwürdig ist es, daß Johannas fernere Taten nicht mehr vom Glücke begleitet waren, und daß sie selbst auch keinen so großen Mut mehr zeigte. Die vorgefallenen Ereignisse machten auf die Karl feindlich gesinnten Städte Frankreichs einen solchen Eindruck, daß sie sich bald ergaben. Nur Paris blieb hartnäckig. Johanna belagerte die Stadt. Da der schwache König ihr keine Hilfstruppen schickte, konnte sie trotz aller Tapferkeit nichts ausrichten. Sie wünschte von neuem, in die Einsamkeit zurückzukehren. Allein sie

18. Geschichte des Mittelalters - S. 212

1867 - Mainz : Kunze
212 Vierte Periode des Mittelalters. Sanftmuth, ihre Frömmigkeit und Gottesfurcht. Sie pflegte die Kranken, hals den Armen, ging täglich zur Kirche und nahm häufig das heilige Abendmahl. Dabei neigte sie entschieden zur religiösen Schwärmerei. In der Nähe von Domremy stand ein Wunderbaum, eine schöne Buche, welche nach einer alten Sage von Feen umgeben war; eine eben so wunderbare Quelle sprudelte unweit derselben hervor. Dort pflegte Johanna mit ihren Gespielinnen in schönen Sommernächten zu singen und zu tanzen. Aber seit ihreni 13. Jahre mied sie Gesang und Tanz, lebte still und in sich gekehrt und war so eifrig mit Andachtsübuugen beschäftigt, daß sie von ihren Freundinnen oft verspottet wurde. Engel und Heilige erschienen ihr damals zuerst, wie sie später versicherte, und wenn sie recht inbrünstig betete, war sie immer der himmlischen Er- scheinung gewiß. Mit tiefem Schmerz erfuhr Johanna, wie ihr Vater- land in immer größeres Elend versank, wie der unglückliche Dauphin Carl Vii., welcher König hieß ohne gekrönt werden zu können, rettungs- Joha»»a faßt los verloren schien; in ihrem Innern stand es fest, nur Gott könne schluß^den armen Lande helfen. In solcher Stimmung glaubte sie himmlische König und Gestalten zu schauen, die Engel Gabriel und Michael, die heilige ^"land"'" Katharina und Andere zu vernehmen, welche ihr geboten, Orleans zu rette», entsetzen und den Dauphin zur Krönung nach Rheims zu führen. Von diesem Glauben getrieben, verließ das siebzehnjährige Mädchen das elterliche Hans, ging mit ihrem Oheim Durand Lapart nach Vaucou- leurs, meldete sich bei dem dortigen Befehlshaber, dem Ritter Baudriconrt, und verlangte von ihm zum Könige geführt zu werden, weil Gott ihr befohlen habe, Frankreich zu retten. Der Ritter hielt sie anfangs für eine Schwärmerin und wies sie ab. Da sie aber bei ihrem Vorhaben beharrte, und Manche aus seiner Umgebung dem heldenmüthigen Mädchen das Wort redeten, so willigte er endlich ein, gab ihr Kleidung, Rüstung und Pferd und sandte sie in Begleitung zweier Ritter zum König, welcher auf dem Schlosse Chinon unweit Bourges weilte. Sie^ erkannte denselben trotz seiner unscheinbaren Kleidung inmitten seines glänzenden Hofstaates sogleich, theilte ' ihm den von Gott ihr gewordenen Auftrag Man erkennt mit und bat ihn, sie schleunigst nach Orleans zu senden. Carl wußte Sendung"an^ nicht, ob er ihren Offenbarungen trauen oder sie für ein teuflisches Blendwerk halten sollte. Als ihm aber Johanna ein Geheimniß uiit- theilte, welches Niemand außer dem Könige wissen konnte, faßte er Zutrauen, und um ihre göttliche Sendung mußer Zweifel zu setzen, ließ er das Mädchen zuerst durch eine Versammlung von Geistlichen, dann durch das Parlament zu Poitiers prüfen. Alle thaten den Ausspruch, Johanna sei von Gott zur Rettung Frankreichs gesandt.

19. Deutsche Geschichte bis zur Folgezeit des dreißigjährigen Krieges - S. 75

1912 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Jungfrau von Orleans. 75 Frankreich und England. — wir versetzen uns in die letzten Jahrzehnte dieses (Erbfolge» krieges. Die (Engländer siegten (1415 bei flzincourt). Seitdem geriet Frankreich in eine verzweifelte Lage. 3m eigenen Lager herrschte Zwietracht. Der König war ein unfähiger 3iingling; das ganze Land bis zur Loire mit der Hauptstadt Paris war in Feindes Hand, und was den Franzosen noch geblieben, war aufs äußerste erschöpft. Die (Engländer lagerten schon um Orleans. Da trat ein wunderbarer Umschwung ein. Johanna d’Hrc, das ,,Hirtenmädchen von Domremt)" in Lothringen, glaubte felsenfest, von Gott und der Hl. Jungfrau zur Rettung Frankreichs auserwählt zu sein. Dieser Glaube machte sie zur Heldin. Mitten durch die feindlichen Truppen gelangte sie in die bedrängte Stadt Orleans, begeisterte die Franzosen zu neuem Mute, führte sie zum Siege, rettete die Stadt und führte den jungen König zur Krönung nach Rheims. — Seitdem blieben während des langen, wechselvollen Krieges die Franzosen im ganzen siegreich. Allmählich entrissen sie dem Feinde wieder, was sie an Land verloren. Erschütternd aber war das Schicksal der Jungfrau von Orleans. Nach ihren wunderbaren Siegen verdarb die Schlaffheit des jungen Königs alles. Johanna führte den Krieg auf eigne Hand weiter. Dabei hatte sie einige Mißerfolge, und sofort schwand der Sauber ihrer Persönlichkeit. Noch tonnte sie eben eine königstreue Stadt (Compiegne) entsetzen, da geriet sie in Gefangenschaft der Feinde. Die (Engländer hatten die Jungfrau immer für eine hexe gehalten. Sie überantworteten sie jetzt einem französischen Ketzergericht. (Es verurteilte die Retterin Frankreichs auf Grund von ,,Geständnissen", die der Vorsitzende Richter schnöde gefälscht hatte, „wegen Gotteslästerung und Zauberei" zum Code, und zu Rouen endete die Unglückliche auf dem Scheiterhaufen (1430). Später wurde die Unschuld der Jungfrau bewiesen und Johanna sogar selig gesprochen. Doch erst Schillers Drama hat bewirkt, daß sich alle herzen für sie begeistern. Jetzt wird sie von den Franzosen als ihre Schutzheilige gefeiert, besonders geschieht dies seit dem deutsch-französischen Kriege. 17. Kaiser aus verschiedeuen Herrscherhäusern Die deutsche Kaifermacht war zusammengebrochen. Doch der Papst wünschte nicht, daß Deutschland völlig zu Grunde ginge; denn sonst wäre ihm Frankreich zu mächtig geworden. Deshalb befahl er endlich den deutschen Fürsten, wieder ein Oberhaupt zu wählen. Der Befehl war zwar zum Segen für Deutschland; zugleich aber bewies er, wie tief das deutsche Kaisertum jetzt gesunken war. Ruch die deutschen Fürsten wünschten sich wieder einen König. Sie selbst hatten in ihren Gebieten die erbliche Gewalt von Landesherren erlangt; sie sahen sich aber in dieser Gewalt fortwährend bedroht durch zahllose adelige „Landschädiger". Run brauchten sie jemanden, der diese kleinen Herren in Zucht und Ordnung hielt. (Er sollte aber nicht wie die früheren Könige ein mächtiges Reichsoberhaupt fein, sondern nur das von ihnen bestellte Werkzeug; sie selbst wollten unabhängige Landesherren bleiben. Fast zwei Jahrhunderte lang wählten seitdem die deutschen Fürsten absichtlich nicht etwa den Sohn des vorigen Kaisers, sondern immer Kaiser aus verschiedenen Häusern. Darum suchte jeder Kaiser fein eigenes Herrscherhaus auf Kosten des Reiches mächtig zu machen. Man nennt das: Hausmachtpolitik.

20. Für einjährigen Unterricht in höheren Mittelklassen berechnet - S. 173

1869 - Hildburghausen : Nonne
Frankreich und England. Die Jungfrau von Orleans. 173 In der höchsten Noth aber erhielt der König Karl unerwartet einen retten- den Helfer. 2. Es war den 1. März des Jahres 1429, als eine Jungfrau in männlicher Kleidung, von zwei Knappen und vier Dienern begleitet, in Karls Vh. Palast erschien und sich als die Befreierin Frankreichs ankün- digte. Sie hieß Johanna d'arc, war die Tochter ehrbarer Landleute Johanna in dem Dorfe Domremy I an der Maas, geboren 1412. Unter den Be- ^ ^rc 1 fchäftigungen ihres Standes war sie herangewachsen. Man rühmte ihre Sanftmuth, Frömmigkeit und Gottesfurcht; doch neigte sie sich zur reli- giösen Schwärmerei. Mit tiefem Schmerz erfuhr sie das Elend ihres Vater- landes, und die Sehnsucht nach Besserung des Zustandes verband sich mit den frommen Gefühlen ihres Herzens, das nur von Gott Hülfe zu hoffen sich gewöhnt hatte, so lebendig und so innig, daß ihr himmlische Gestalten erschienen, von denen sie aufgefordert wurde, Orleans zu entsetzen und den Dauphin zur Krönung nach Rheims zu führeu. Von diesem Glauben ge- trieben, wandte sich das 17jährige Mädchen an Baudricourt, den Be- fehlshaber der benachbarten Stadt Vaucouleurs, und ward von ihm an das Hoflager in Chinon, unweit Orleans, gesendet. Und ohne Furcht trat sie hier vor den König und sprach in prophetischem Tone: „Wohledler Dau- phin, ich bin Johanna die Magd. Mir ist vom Himmel der Auftrag ge- worden, Eure Feinde von Orleans zu vertreiben und Euch nach Rheims zu führen. Dort werdet Ihr, nehmt Ihr meine Dienste an, die Krone Frankreichs empfangen, die Euch gebührt." Obwohl sie nie vorher den König gesehen hatte, so soll sie ihn doch auf der Stelle aus den anwesen- den Hofleuten herausgefunden und ihm Geheimnisse entdeckt haben, die auf natürliche Weise kein Mensch außer ihm wissen konnte. Auch soll sie ein in der St. Katharinenkirche zu Fier-Bois befindliches Schwert, welches seit vielen Jahren ganz in Vergessenheit gerathen war, genau beschrieben und dasselbe begehrt haben. Solche und ähnliche Gerüchte verbreiteten sich unter das Volk. Man brannte vor Begierde, das Wundermädchen zu sehen, welches Gott sich zur Rettung Frankreichs auserkoren habe. Da erschien Johanna auf einem prachtvollen Streitrosse, im Angesicht einer ungeheuren Volksmenge, von der sie mit lautem Zuruf begrüßt ward. Vor ihr her ward ein Banner getragen, auf welchem der Allmächtige, den Erd- ball haltend, von Lilien und zwei knienden Engeln umgeben, abgebildet war und worauf der Name stand: „Jesus, Maria". Sie erschien den Zuschauern als ein überirdisches Wesen, und begeistert griff man zu den Waffen. An der Spitze des Heeres eilte die Jungfrau gen Orleans, um der hartbedrängten Stadt Lebensmittel und Mairnschaften zuzuführen. Zuvor jedoch stellte sie unter den Soldaten Zucht und Ordnung her, daß diesel- den der Hilfe Gottes würdig seien: alle mußten beten, beichten und sich dem Schutze des Himmels empfehlen. Fast ohne Widerstand kam man vor Orleans und gelangte, während die Belagerten einen Ausfall machten, sammt der Zufuhr am 29. April 1429 glücklich in die Stadt. Mit lau- Einnahme tem Jubel wurde Johanna empfangen. Ihr erster Gang war nach derv- Orleans. Kirche, um Gott zu danken; dann begab sie sich nach dem herzoglichen Pa- *) *) Domremy, Dorf in Lothringen, am linken Ufer der Maas.