— 189 —
b) „Stets haben Fürst und Volk im badischen Land Freude und Leid mit inniger Gegenseitigkeit geteilt."
(Aus der Thronrede bei der Eröffnung der Ständeversammlung am 14. November 1857.)
c) „Ich konnte nicht finden, daß ein feindlicher Gegensatz sei zwischen Fürstenrecht und Volksrecht; ich wollte nicht trennen, was zusammengehört und sich wechselseitig ergänzt — Fürst und Volk, unaufhörlich vereint unter dem gemeinsamen, schützenden Banner einer in Wort und That geheiligten Verfassung. —
Die Interessen meines Landes als Teil eines großen Ganzen glaube ich nicht besser vertreten zu können, als durch Verfolgung aller Wege, welche Deutschlands Kraft und Einigung befördern und die Rechte der Nation mit den Rechten der einzelnen Stämme zur Geltung zu bringen. Mit Freude sehe ich deshalb auf die Tage von Baden und Teplitz, welche einen langersehnten Zusammenhalt und damit die erhebende Hoffnung verheißen, daß zunehmende Macht und wachsendes Ansehen unseres deutschen Vaterlandes gegen außen Hand in Hand gehen wird mit fortschreitender Befriedigung seiner wahren Bedürfnisse im Innern."
(Aus der Thronrede vom 30. August 1860 beim Schluß der Ständeversammlung.)
d) „Das Land, dem ich angehöre, betrachte ich wie eine große Familie, der ich alle meine Kraft widmen will, und das ist eine werte Pflicht."
(Aus einer Ansprache bei der Eröffnung der Wiesentalbahn am 5. Juli 1862 in Schopfheim.)
e) „Wir müssen uns alle bewähren als wahre Freunde der Freiheit, jener Freiheit, die sich selbst beherrscht, und jenes Fortschrittes, der, aus der Einsicht des Bedürfnisses hervorgehend, sich in besonnener Erwägung des Staatswohles, in treuer Liebe zum Vaterland verwirklicht."
(Aus der Thronrede beim Schluß der Ständeversammlung am 23. Juli 1863.)
f) „Heute noch bin ich der Ansicht, ja ich bin heute noch mehr denn je überzeugt davon, daß kein feindlicher Gegensatz bestehen dürfe zwischen Fürstenrecht und Volksrecht, wenn nur immer von allen Seiten verstanden wird, sich zu mäßigen, wenn
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— 156 —
124.
Aus der Osterproklamation des Großherzogs Friedrich.
(7. April 1860.)
(Karlsruher Zeitung 1860. Nr. 85.)
„Es ist mein entschiedener Wille, daß der Grundsatz der Selbständigkeit der katholischen Kirche in Ordnung ihrer Angelegenheiten zur vollen Geltung gebracht werde.
Begründeten Forderungen der katholischen Kirche wird Meine Regierung auf verfassungsmäßigem Wege gerecht werden.
Es ist Mir heute eine eben so werthe Pflicht, von Meiner eigenen Mir theueren Kirche zu reden. Den Grundsätzen getreu, welche für die katholische Kirche Geltung erhalten sollen, werde ich darnach streben, der evangelisch-protestan-tischen Landeskirche auf der Grundlage ihrer Verfassung eine möglichst freie Entwickelung zu gewähren.
An den erprobten Patriotismus und ernsten Bürgersinn Meines Volkes richte Ich nun die Mahnung, alle Trennung z u vergessen, damit unter den verschiedenen Konfessionen und ihren Angehörigen Eintracht und Duldung herrsche, wie s i e die christliche Liebe uns Alle lehrt."
Karlsruhe, 7. April 1860.
Friedrich.
125.
Die rechtliche Stellung der Kirchen und kirchlichen Vereine im Staate. 1860.
(Großh. Badisches Regierungsblatt 1860. Nr. 51.)
In Ausführung der durch Unsere Proklamation vom 7. April d. I. gegebenen Zustcherung, welche den beiden Kirchen Unseres Landes eine freie und selbständige Stellung unter der Gewähr einer auf verfassungsmäßigem Wege erlassenen Gesetzgebung verheißt, und im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 18 und 20 der Verfassungsurkunde haben Wir mit Zustimmung Unserer getreuen Stände beschlossen und verordnen, wie folgt:
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
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Iii. Die Entwicklung der Kulturnationen. 79
Kriegen, sondern vor allem auch in einem beispiellos geführten Siebenjährigen Krieg einer erdrückenden Übermacht gegenüber zu behaupten und Preußen eine Stellung zu geben, die es reif machte, die große Aufgabe zu vollbringen, die seiner noch harrte. Die große Provinz Schlesien war der materielle Gewinn dieser Kriege (Friede zu Hubertsburg 1763). Bei der ersten Teilung Polens (1772) verschaffte er seinem Gebiet einen weiteren, als Bindeglied zwischen Ostpreußen und der Mark besonders bedeutungsvollen Zuwachs: Westpreußen, außer Danzig und Thorn und das Ermland. Preußen ward als europäische Großmacht anerkannt.
Leider mußte der preußische Staat noch Zeiten schwerer Prüfung erleben, ehe er zur endgültigen Lösung seiner großen Aufgabe schreiten konnte.
Zeitlich hierher fällt der Freiheitskampf der nordamerikanischen Staaten unter Georg Washington und Benjamin Franklin gegen England (1775—83), der mit deren Befreiung von englischer Herrschaft endete und zur Gründung des unabhängigen Staatenbundes der „Vereinigten Staaten von Nordamerika" führte.
England, das Inselreich, das dank seiner Lage von den Stürmen, die über den Kontinent brausten, weniger betroffen wurde und sich ohne größere Störung von außen weiter entwickeln konnte, war unter seiner Königin Elisabeth (1558—1603) eine bedeutende Macht geworden. Unter ihrer Regierung ward in Nordamerika die erste englische Niederlassung gegründet, die nach der jungfräulichen Königin „Virginia" genannt wurde. Elisabeths Nachfolger war der König von Schottland
Jakob I. (1607—25) aus dem Hause Stuart. Er vereinte England mit Schottland; für beide kam der gemeinsame Name Großbritannien auf, doch blieben die Staatswesen getrennt, da das Parlament ihre Vereinigung ablehnte. Jakobs I. Sohn
Karl I. (1625—1649) hatte sich beim Volk durch sein feindliches Auftreten gegen die neugegründete anglikanische Kirche und durch Mißachtung der Rechte der Volksvertretung, die ihn sogar dazu geführt hatte, diese mit Krieg zu überziehen, so verächtlich gemacht, daß ihn das Parlament, dem die Schotten den König ausgeliefert hatten, am 30. Januar 1649 hinrichten ließ.
Oliver Eromwell, der Führer der Volkspartei, ward nun zum „Lordprotektor" des Reichs auf Lebenszeit ernannt. Mit Kraft und Geschick brachte dieser das Ansehen des innerlich erschütterten Landes bald wieder auf die alte Höhe. Sein unfähiger Sohn Richard, der ihm im Amt folgte (1658), mußte im nächsten Jahr schon wieder abdanken und mit
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52 Iii. Die Entwicklung der Kulturnationen.
Verhältnis zwischen Kaiser und Papst schon so, daß dieser sich neben ihm als gleichberechtigter Teilhaber der Regierung erheben konnte, üonrab Ii. (1024—1039) und Heinrich Iii. (1039—1056) brachten ihre überlegene Stellung dem Papst gegenüber wieder voll zur Geltung. Heinrich hatte freilich dabei, daß er das Papsttum benutzte, um mit ihm die deutsche Kirche zu beherrschen, in der von ihm geförderten kirchlichen Reformpartei die Idee einer Oberherrschaft, einer völligen Unabhängigkeit von der weltlichen Gewalt geweckt, deren Förderung den Papst nun aus einem Schützling zu einem Gegner des Königtums machte. Papst Gregor Vii. begann den Kampf, indem er die Einsetzung der Bischöfe in ihr Amt durch weltliche Gewalten verbot. (Sein Vorgänger Nikolaus Ii. hatte bereits durch ein neues Wahldekret die Papstwahl lediglich den Bischöfen der Diözese Rom, den Geistlichen der römischen Hauptkirchen und den Diakonen der Stadt übertragen und die Mitwirkung des römischen Adels und der deutschen Bischöfe ausgeschlossen.) Gregor Vii. behielt zunächst die Oberhand. Heinrich Iv. ging nach Canossa (1077). Zwar gelang es ihm bald darauf, Rom zu erobern und Gregor Vii. abzusetzen, aber der Kampf der Kirche um ihre Unabhängigkeit hörte damit noch lange nicht auf, die Idee einer Weltherrschaft des Papstes blieb lebendig. Die jetzt einsetzende Kreuzzugsbewegung kam dem Papst Urban Ii. gerade gelegen, sie zu fordern.
Der Investiturstreit ward erst nach dem ersten Kreuzzug unter Heinrich V. (1106—1125) im Wormser Konkordat (so heißt ein Vertrag zwischen der Kurie, d. h. der päpstlichen Regierung und einer weltlichen Macht) dadurch zum Abschluß gebracht, daß dem Kaiser die Verleihung der weltlichen Rechte, der Regalien, dem Papst die Verleihung der Rechte des Amtes, der Spiritualien an die Bischöfe verblieb.
Zu jener Kreuzzugsbewegung gaben Veranlassung Bittere Klagen über Schändung des heiligen Grabes durch die Türken, die von der heiligen Stätte in Palästina aus nach dem Abendland drangen.
Die Araber hatten, wie bereits erwähnt, unter ihren dhalifen dem Islam weite Gebiete in Asien und Afrika erobert, sich dann nach Spanien gewandt, im 8. Jahrh, vorübergehend auf Corsica und vom 9. Jahrh, ab auch auf Sicilien und Sardinien behauptet.
Nach der glänzenden Regierung des großen Chalifen Harun al Raschid (786—809), der seine Residenz nach Bagdad verlegte (die Residenz des Chalifen in Spanien war Cordoba), verlor die Chalifenwürde an Bedeutung und blieb nur noch ein kirchlicher Titel. In den einzelnen Staathalterschaften bildeten sich selbständige
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Iv- Deutsche Verfassungs- und Kulturgeschichte.
gaben künftig nur noch Land gegen die Verpflichtung der Leistung von Kriegsdiensten seitens der damit bedachten Senioren, einschließlich deren kriegerischer Mannschaft ab. Diese mußten sich dazu eidlich verpflichten und nahmen nun auch ihrerseits ihren Vasallen den Treueid ab. Damit traten sie zwischen den König und ihre Vasallen und wurden ein verfassungsmäßiges Glied in der Heeresorganisation.
Da durch solche Landvergebungen das Reichsgut allmählich erschöpft war, sah sich Karl 9j?arteli in der Not der Arabereinfälle gezwungen, auf das Kirchengut überzugreifen. Hiergegen erhob die Kirche Einspruch, zunächst erfolglos, doch ließen sich Karls Söhne auf Antrieb des Bonifatius zu einer Verständigung herbei, wonach ein Teil des Gutes der Kirche zurückgegeben, der andere, im Besitz des Geliehenen befindliche, ihm als zinspflichtiges Leihgut der Kirche, als Benefizium, gelassen wurde. Nach dem Tod des Geliehenen sollte auch dieses an die Kirche zurückfallen; das geschah aber nicht, der König verlieh vielmehr das Gut immer weiter, und so ging mit der Zeit das Anrecht der Kirche daraus ganz verloren.
liefe Art der Landvergebung nun als Lehen, als Benefizium, gegen Treueid, Kommendation, mit Verpflichtung zum Reiterdienst, ward künftig die Regel und damit der Grund gelegt zu dem Lehns- oder Feudalwesen, das dem mittelalterlichen Staat seine rechtliche Gestalt gab.
Neben dem Fußvolk bildeten die königlichen Vasallen mit ihrem Gefolge den Kern der Heeresmacht. Die Aufforderung zur Heeresfolge erging nun nicht mehr nur an die Grafen, die das Fußvolk aufboten, sondern auch an die Senioren, die nun wieder ihre Vasallen aufboten.
Auch auf einem anderen Gebiet trat der Großgrundbesitz noch in Wettbewerb mit der Staatsgewalt.
^ Wie im römischen Reich die kaiserlichen Domänen, die von steuern und öffentlichen Lasten befreit waren, so besaßen auch im fränkischen Reich die Krongüter eine Vorzugsstellung, die Immunität, nur daß hier damit auch eine eigene Gerichtsbarkeit verbunden war, zunächst für geringere Sachen und bei Streitigkeiten der Immunitätsleute unter sich.
Diese Sonderstellung wurde durch königliche Privilegien vielen kirchlichen Gütern verliehen, denen sie nun nicht nur Abgabenfreiheit, sondern auch das Recht einbrachte, Abgaben für eigene Rechnung zu erheben. Seit Ludwig I. scheint sie für die kirchlichen Güter die Regel geworden zu sein. Durch das Benefizial-wesen das Benefizium als Eigentum der Krone stand dem
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Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
Iv. Deutsche Verfassungs- und Kulturgeschichte. 143
gambien (Großfriedrichsburg 1683), und nur die spätere kurzsichtige Zeit ließ diese Erwerbungen wieder zugrunde gehen.
Das Schießpulver nimmt der schwer gerüsteten Reiterei ihre Bedeutung im Krieg und dem Rittertum seinen bisherigen Beruf. Söldnerheere mit weittragenden Flinten, Musketen, treten an ihre Stelle. Der Adel zieht sich auf das Land zurück. Die Fürsten, nun vom Adel unabhängig, werden selbständige, absolute Herrscher. Die allgemeine Wehrpflicht kommt auf — zuerst in Brandenburg. All dies wird von bedeutungsvollem Einfluß auf das Leben, namentlich der bäuerlichen Bevölkerung.
Der Buchdruckerkunst endlich ist es zu danken, daß das von Dr. Martin Luther begonnene Werk der Reformation schließlich von Erfolg gekrönt wurde. Mit ihrer Hilfe ward es möglich, Bibeln, Katechismen, Gesangbücher schnell und preiswert in großer Anzahl herzustellen und durch ihre Verbreitung dem reformatorischen Gedanken Bahn zu schaffen. Ebenso dienten Bücher weltlichen Inhalts dazu, überallhin Wissen zu verbreiten. Deutschland, das mit seinen Drucken im Lauf des 16. Jahrh, ganz Europa versorgte, gewann dadurch eine unanfechtbare Stellung im Reich der Wissenschaften.
Flugblätter, die als Vorläufer der Zeitungen gelten können, treten schon im 16. Jahrh. auf. Wirkliche Zeitungen erscheinen gegen Ende des Jahrh., erst in vierteljährlichen, dann selbst in monatlichen fortlaufenden Nummern. 1609 kam zu Straßburg eine Wochenzeitung heraus, die schnell in anderen großen Städten Nachahmung fand.
Durch Reformation und Buchdruckerkunst gewinnt das Schulwesen. Die Universitäten behielten im allgemeinen ihre alte Verfassung bei. Die Absolvierung des theologischen Studiums ward allmählich Erfordernis für die Anstellung als protestantischer Pfarrer; infolge Aufnahme fremder Rechte und Ausbildung eines rechtsgelehrten Beamtentums gewinnt das juristische Studium an Bedeutung, während das der Medizin von untergeordneter Bedeutung bleibt. Die Philosophie vermittelte die allgemeine Bildung dieser Zeit.
Die Stadtschulen entwickelten sich, indem sie den Bedürfnissen der Zeit folgten, weiter. Neu entstehen die Fürsten- oder Landesschulen, auch Klosterschulen genannt, die, von den Landesherren gegründet, die Aufgabe hatten, begabte Knaben der besseren Kreise aus dem ganzen Lande für den Landesdienst auf öffentliche Kosten auszubilden.
Durch die Reformation gewinnt das Volksschulwesen erhöhte Bedeutung. Alle Glieder der neuen Kirche sollten lesen lernen, damit sie alle den unmittelbaren Zugang zum Worte Gottes hätten.
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Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
234 V. Verfassung und Verwaltung und die Parteien.
tungen, aristokratische wie demokratische, in ihren Reihen auf Grund des gleichen religiösen Bekenntnisses vereint. Das Zentrum verlangt in erster Linie, daß dem Volk die Religion erhalten werde und daß die „christlich gläubige Gesinnung die Richtschnur im Unterricht, in der Erziehung, in Bildung und Wissenschaft" sei. Sein Wahlaufruf von 1903 sagt: „Das Zentrum war nie und darf nie sein die Partei eines einzelnen Berufsstandes oder einer einzelnen Klasse, es ist vielmehr eine wahre Volkspartei, welche alle Stände und Klassen umfaßt und gegenüber den Bestrebungen der Sozialdemokratie und dem Vordrängen des Großkapitals für Erhaltung und Kräftigung des Mittelstandes, namentlich auch in Handwerk und Gewerbe eintritt und für Fortführung christlicher Sozialreform. Das Zentrum tritt gleich entschieden ein für das Reich wie für die Einzelstaaten, für das Recht des deutschen Volkes und seiner einzelnen Stämme, für friedliches Zusammenarbeiten der Konfessionen, gegen konfessionelle Ausnahmegesetze. Die Erhaltung des Zentrums ist unbedingt notwendig für die Bewahrung der christlichen Grundlage unseres Staatslebens, wie für die ruhige Fortentwicklung unseres politischen und wirtschaftlichen Lebens, besonders aber für die Katholiken Deutschlands, deren berechtigte Interessen nirgends anders genügendes Verständnis und tatbereite Vertretung finden."
Im Gefolge des Zentrums marschieren die Polen, die neben allgemeinen Interessen den Gedanken der Wiederaufrichtung eines großpolnischen Reiches vertreten. Ebenfalls dem Zentrum angeschlossen haben sich mehrere Elsaß-Lothringer und gegenwärtig ein Vertreter der deutsch-hannoverschen Rechtspartei (Welfe).
C. Die Linke.
1. Die nationalliberale Partei wurde im Jahre 1866 als „neue Fraktion der nationalen Partei" gegründet, und zwar als nach Bismarcks nationalen Erfolgen sich die Fortschrittspartei dessen Politik weiter feindlich gegenüberstellte. Als Vertreterin des reinen Manchestertums *) war sie ein Jahrzehnt lang die ausschlaggebende Partei, schloß sich dann aber im Jahre 1884 der veränderten Wirtschaftspolitik Bismarcks an. Ihrem Programm vom
*) d. h. des Freihandels. Der Name rührt her von der Stadt Manchester in England, die Mitte des vorigen Jahrh, der räumliche Agitationsmittelpunkt für freihändlerische Bestrebungen in England war. Siehe auch Seite 174.
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Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
V. Verfassung und Verwaltung und die Parteien. 233
Sie bekämpfen gemeinsam den geistigen, wirtschaftlichen und politischen Einfluß der Juden und erstreben Aufhebung der gesetzlichen Gleichstellung der Juden.
Sie gliedern sich in die Deutsche Reform Partei und in die Deutsch-soziale Partei.
Den Antisemiten sehr nahe steht die christlich-soziale Partei (Hofprediger Stöcker). Sie erstrebt nach ihrem Wartburgprogramm von 1895 „alle von christlich-sozialem Geist durchdrungenen Volkskreise auf dem Boden des Christentums und der Vaterlandsliebe zu sammeln." Sie bekämpft „den falschen Liberalismus und die drückende Kapitalsherrschaft, das übergreifende Judentum und die Sozialdemokratie", erstrebt Sicherstellung der Arbeiter, Ausdehnung des Arbeiterschutzes auf die Heimarbeit, staatliche Regelung der Wohnungsverhältnisse, Festsetzung der Arbeit nach Fachgenossenschaften, Sicherung der Arbeiter gegen Arbeitslosigkeit,- sie befürwortet die Bildung von Berufsorganisationen für alle Stände und die Übertragung politischer Rechte auf die korporativen Genossenschaften.
®und der Landwirte bezweckt im allgemeinen die Förderung der Landwirtschaft. Er ist keine eigentliche Partei uni) unterstützt bei den Wahlen die ihm nahe stehenden Konservativen, z. T. die Antisemiten, auch Zentrum, Nationalliberale und Reformpartei und stellt nur, wo keine geeigneten Kandidaten vorhanden sind, eigene Kandidaten auf. Seine besonderen Ziele sind: Hinreichender Zollschutz für die landwirtschaftlichen Produkte, Einführung der Doppelwährung, Absperrung der Vieheinfuhr aus seucheverdächtigen Ländern. Er wünscht eine Neuregelung der Gesetzgebung über den Unterstützungswohnsitz, über die Freizügigkeit (S. 165) und über den Kontraktbruch der Arbeiter, um dadurch der herrschenden Landflucht entgegenzuwirken.
Sein partikularistischer Bruder ist der bayerische Bauern-b u n d, der nach seinem Programm vom Jahre 1897 besonders auf Aufrechterhaltung der Selbständigkeit Bayerns, auf strenge Unter-Meldung zwischen Religion und Politik, Hebung der Getreide- und Btehpreise durch irgend eine gesetzliche Einrichtung, überhaupt Forderung der Landwirtschaft hinarbeitet.
B. Das Zentrum.
-ir f ^entrumspartet trat auf den Platt, als durch Erklärung des Unfehlbarkettsdogmas der Streit um die Kirche in ihr brennend wurde, als die weltliche Macht des Papstes versank und ein protestantischer Staat die führende Rolle in Europa übernahm. Sie ist etne rein konfessionelle Partei, die Elemente aller politischen Rich-
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Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
238 V. Verfassung und Verwaltung und die Parteien.
der Warenproduktion in sozialistische, d. H. durch und für die Gesellschaft betriebene Produktion es bewirken, daß der Großbetrieb und die stets wachsende Ertragsfähigkeit der gesellschaftlichen Arbeit für die bisher ausgebeuteten Klassen aus einer Quelle des Elends und der Unterdrückung zu einer Quelle der höchsten Wohlfahrt und allseitiger harmonischer Vervollkommnung werden."
Von diesen Grundsätzen ausgehend fordert die Sozialdemokratie zunächst Einführung der vollständigen Demokratie in Staat und Gemeinde, bei den Wahlen, bei der Gesetzgebung, der Verwaltung, Rechtsprechung, im Heer, in Schule und Kirche. Sie tritt ein für Emanzipation der Frauen und der Arbeiter, insbesondere auch der landwirtschaftlichen Arbeiter und Dienstboten, für Trennung von Staat und Kirche, Weltlichkeit der Schule, Erklärung der Religion zur Privatsache, gesetzlichen Achtstundentag, progressive Einkommen-, Vermögens- und Erbschaftssteuer zur Deckung aller Ausgaben und für andere radikal-demokratische Forderungen.
Der Führer der sozialdemokratischen Partei, August Bebel, hat auf dm Dresdener Parteitag im Jahre 1905 die Stellung seiner Partei zur übrigen bürgerlichen Gesellschaft gekennzeichnet, indem er sagte: .... „Ich will der Todfeind dieser bürgerlichen Gesellschaft bleiben und, wenn ich kann, sie beseitigen."
Infolge dieser grundsätzlich oppositionellen Haltung der Partei ist sie bei ihrer parlamentarischen Tätigkeit bisher vollkommen unfruchtbar gewesen — trotz ihrer vorübergehend hohen numerischen Stärke. Sie wird es bleiben, solange sie diesen Standpunkt nicht verläßt, solange sie sich nicht auf den Boden der historischen Staatsund Gesellschaftsordnung stellt und sich nicht bereit findet, von hier aus die Interessen der Arbeiterschaft, deren Partei sie in erster Linie sein will, zu vertreten. Nur im Zusammenwirken mit den übrigen Parteien, und nur unter gerechter Berücksichtigung der gemeinsamen Interessen kann sie dem Arbeiterstand wirklich dienen, nicht aber, indem sie ihn aus der übrigen Gesellschaft herausheben und ihn allein zum Gegenstand der Fürsorge gemacht wissen will.
Die Lage des Arbeiters bringt es mit sich, daß er ganz besonders der staatlichen Fürsorge bedarf. Dieser Pflicht hat sich gerade die deutsche Reichsregierung durch ihre sozialpolitische Gesetzgebung bisher in einer Weise entledigt, wie kein anderer Staat. Die wirtschaftliche Lage des deutschen Arbeiters hat sich dauernd gehoben, sie ist heute günstiger als je. Sie auch fernerhin zu fördern, Mißstände abzustellen, wo sie sich auch zeigen, ist die dauernde Aufgabe und Sorge der deutschen Staatsregierung. Diese Ausgabe wird sie am besten lösen können, wenn sie dabei die tat-
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