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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 10

1911 - Erfurt : Keyser
— 10 — Ankunft des Leichenzuges: Längst ist der Frühling ins Land gezogen. Die Erde hat sich in ihr blühendes, duftiges Gewand gekleidet, und Wald und Flur sind belebt von einem munteren Vogelvölkchen; sonst aber ist es feierlich still. Nahe am Bache stehen mehrere Männer in leise geführtem, ernstem Gespräch. Emer von ihnen blickt, um die Zeit zu messen, zur Sonne. Auf seine Bemerkung halten die andern prüfende Ausschau. Dann streckt der eine die Hand dorthin, der andere in entgegengesetzter Richtung, der dritte nach Süden, und von allen Seiten sieht man, hier vereinzelt, dort in Gruppen, Menschen dem Tale zuschreiten, Männer und Weiber, Knaben und Mädchen. Plötzlich kommt größere Bewegung in die Menge der Anwesenden. Alle Köpfe wenden sich nach Süden. In feierlichem Zuge nahen sich die Leidtragenden mit der Leiche des Häuptlings von der Höhe des Rockhäuser Berges herab. Ueber den leblosen Körper ist ein Linnentuch gebreitet. Sechs Männer tragen das Brett, das als Bahre dient. Vor dem Toten schreiten die zahlreichen Diener und Dienerinnen, Gefäße der verschiedensten Art tragend, die aus Erde gefertigt sind, bauchige Urnen, weite Schalen und flache Schüsseln. Unmittelbar vor der Leiche gehen zwei Diener, die das Bronzeschwert und den mit Bronzeplatten und feinen Nägeln aus demselben Metall prunkend beschlagenen Schild tragen. Zunächst hinter den Trägern schreitet die Witwe des Verstorbener^ ihr folgen die übrigen Versippten. Sie ist eine hohe, schlanke Frau von edler Haltung; ihr Antlitz zeigt tiefen Schmerz.' Heute trägt sie nichts von dem sonstigen reichen Bronzeschmuck; kerne wertvollen Bronzeringe zieren ihren Oberarm, keine bronzenen Zierplatten schmücken die Brust, keine der oft snßlangen Bronzenadeln dient dem langen Linnengewand als Hafte. Das Begräbnis: An einem bevorzugten Platze des Fried-Hofes setzen die Träger das Brett mit dem Leichnam nieder. Ein Greis, den die Kleidung vor den übrigen auszeichnet, tritt jetzt vor. Es ist der Richter in streitigen Sachen und zugleich der Priester für die ganze Niederlassung. Er wendet das mit langem Barte geschmückte Gesicht der östlichen Himmelsgegend zu und spricht ein Gebet; denn dieses Volk verehrt ein höheres Wesen und glaubt an ein Fortleben im Jenseits. Dann wendet er sich zu den Umstehenden und hält dem Geschiedenen eine Gedächtnisrede. In den Mienen der Zuhörer ist zu lesen, daß die Worte des Redners den Tatsachen entsprechen. Nun legen die Träger den Toten auf den sorgsam geebneten Boden einer mäßig tiefen Gruft und Diener führen das Lieb-lingspferd herbei. Ein dumpfer Schlag ertönt. Wie vom Blitze getroffen, stürzt das Roß zu Boden. Betäubt, empfindet es nicht, daß fein Blut dahinrieselt. Als das letzte Lebenszeichen erloschen, legen die Männer das Tier dem Verstorbenen zur Seite; er soll im Jenseits nicht ohne sein erprobtes Roß sein.

2. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 27

1911 - Erfurt : Keyser
— 27 — den teuren Ton nicht zerschlagen, denn was mühsam im Stroh durch Rosse und Männer herbeigeführt wurde aus dem welschen Lande, dem könnte die lange Reise durch das Mißgeschick der met-gefüllten Knaben Wohl verdorben werden." Die Herrin schritt nun zu dem Küchenhause, darin brannten mächtige Feuer auf steinernen Platten. Die Jünglinge waren vor dem Hanfe beschäftigt, die Opfertiere zu zerlegen, große Hirsche und drei Eber des Waldes, und das Fleisch an lange Spieße zu stecken. Die Mägde aber saßen in langer Reihe, vieles Geflügel rupfend, oder sie rundeten mit den Händen gewürzten Weizenleig zu ansehnlichen Ballen. Und die Knaben des Dorfes warteten mit lachendem Antlitz aus die Zeit, wo sie die Spieße drehen würden, damit auch ihnen vom Fest der Helden ein wohlschmeckender Anteil werde. Unterdes schafften die Mannen des Häuptlings um die große Halle. In der Mitte des Hofes stand der mächtige Bau, aus dichten Fichtenbalken gefügt, eine Treppe führte zu dem geöffneten Tor, im Innern trugen zwei Reihen hoher Holzfäulen die Balken des Daches, von den Säulen bis zu den Wänden liefen auf drei Seiten erhöhte Bühueu; in der Mitte, gegenüber der Tür stand darauf der Ehrensitz des Wirtes und der vornehmen Gäste, daneben ein schön geschmückter Raum, einer Laube gleich, für die Frauen des Hauses, damit sie dem Festmahl der Männer zuschauen konnten, solange sie begehrten. Und die jüngsten der Mannen schmückten die Holzlaube mit blühenden Zweigen, die sie in der Flur abgehauen. Auch fuhr man einen großen Wagen mit Binsen und Kalmus heran, um den Fußboden zu bestreuen. Empfang der Landsassen: Der Fürst stand bei Beginn des Mahles vor dem Herrenhause und empsing dort die Edlen und die freien Bauern, welche auf allen Wegen zu Fuß und zu Roß heranzogen und am geöffneten Tor vom Sprecher begrüßt wurden. Wer zu Roß nabte, stieg dort ab, und die Jungen führten fein Roß in ein wildes Gehege und banden es fest, damit die Knechte ihm den Schaum mit Stroh abrieben und alten Haser in die Krippe schütteten. Würdig war Gruß und Anrede, in weitem Ringe standen die Gäste auf dem Hofe, eine stolze Genossenschaft, ansehnliche Männer aus zwanzig Dörfern der Gegend, alle in ihrem Kriegsschmuck, den Eschenspeer in der Hand, Schwert und Dolch an der Seite, in schöner Lederkappe, die mit Zähnen und Ohren des wilden Ebers geschmückt war; mancher ragte unter dem Eisenhut, in einem Lederkoller oder Kettenpanzer über dem weißen Hemd und in hohen Lederstrümpfen, die bis zum Leibe reichten, mancher auch, der reich war und die Ware der rheinischen Krämer beachtete, trug einen Ueberwnrs von fremdem Zeug, das feine Haare von bunter Farbe hatte und wie das zarte Fell eines Raubtiers glänzte. Lange währte die Begrüßung, denn immer noch

3. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 45

1911 - Erfurt : Keyser
— 45 — und salbte den Kaiser, wenn die Krönung in seinem Gebiete geschah. Sein weltliches Gebiet umfaßte die fruchtbarsten Gaue Deutschlands und sein geistliches erstreckte sich weit über die Grenzen seines weltlichen. Aus allen diesen bedeutenden Stellungen des Kurfürsten und dem ihm gezollten hohen Ansehen ist es erklärlich, daß sein Wappen, das Rad, von jeher die Aufmerksamkeit der Geschichtsforscher und Wappenkundigen erregt und mancherlei Deutungen erfahren hat. Besonderen Beifall unter den Laien fand die nachstehende, romantische Sage: Im Jahre 975 wurde Willegis, ein frommer und gelehrter Mann, zum Erzbischof von Mainz gewählt. Er war von geringer Herkunft und eines armen Wagners Sohn aus Schöuiugeu im Braunschweigischen. Deshalb haßten ihn die adligen Domherren und Stiftsgenossen, nahmen Kreide und malten Räder an die Wände und Türen feines Schlosses. Sie gedachten, ihm damit eine Schmach anzutun. Als der fromme Bischof ihren Spott vernahm, ließ er einen Maler rufen und befahl ihm, in alle Gemächer weiße Räder in rote Felder zu malen und dazu den Reim zu setzen: „Willegis, Willegis, erinnere dich, Wer du bist und woher du gekommen bist." Seit dieser Zeit haben dann alle Erzbischöfe zu Mainz weiße Räder im roten Felder geführt. Andere Berichte fügen noch hinzu, Willegis habe seitdem aus Demut an seiner Bettstatt ein hölzernes Pflugrad hängen gehabt. Eine andere Deutung des Wappens geht dahin, daß dieses überhaupt kein Rad, sondern ein Kreuz mit einem darauf gelegten Andreaskreuz vorstelle, die durch einen Ring miteinander verbunden seien. Das Rad wäre somit ein altes Christenzeichen, wie man es öfters als ein Weihezeichen in Kirchen antrifft. Diese Meinung hat man auch beim Entwurf des großen Königlich Preußischen Wappens als die richtige ausgestellt, denn in der Verordnung wegen des Königlichen Titels und Wappens vom 9. Januar 1817 wird verfügt, daß wegen Erfurt „im roten Felde ein silberner Zirkel und in diesem ein gewöhnliches und ein Andreaskreuz geführt werden soll." Die Farben des Wappens sind Silber (Weiß) und Rot. Ueber ihren Ursprung ist folgende Meinung verbreitet: Die fränkischen Herren hatten die Gewohnheit, ihre Schilde rot und weiß anstreichen zu lassen, und da nun das Erzbistum Mainz zu Franken gehörte, ja die erzbischöfliche Residenz Mainz die alte Hauptstadt des Landes war, fo ließen auch die Erzbischöfe diese Farben anwenden. Zugleich nahmen sie das ihnen zuständig gewesene Sinnbild, das Rad, ins Wappenbild auf. (Nach K. Herrmann.)

4. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 108

1911 - Erfurt : Keyser
— 108 — entzweifeilen oder abnehmen. Der böse Anschlag mißlang, obwohl der Edelmann über dem Essen gern seine Kunst geübt und dem Ratsmeister das Band an den Hals gebracht hätte. Dieser schöpfte Verdacht, und der Abgesandte offenbarte auf Befragen sein Vorhaben. Dieser Vorgang ist vorbildlich für den Aberglauben jener Zeit. Weiter erwähnt Stolle noch, daß man fest glaubte, Werwölfe (Menschen, in Wölfe verwandelt) gingen umher und fräßen die Menschen auf. Roheit der Jugend: Mit dem Aberglauben ging die Ro- heit der Jugend Hand in Hand. Selbst der heilige Ort der Kirche blieb nicht frei von blutigen Handlungen. Ein junger Chorknabe, welcher ungehorsam gegen Eltern und Lehrer war, stach (1476) einen älteren Genossen während des Gottesdienstes im Dom wegen geringfügiger Ursache mit seinem Messer in den Arm. Das Blut floß zur Erde, und die dadurch entweihte Kirche mußte erst von neuem durch den Weihbischof Bertold von Oberg geweiht werden. Rechtspflege: Entsprechend der Roheit der Zeit waren Rechtspflege und Bestrafung barbarisch. Stolle erzählt davon ein bezeichnendes Beispiel. Einen Vatermörder in Witterda tras folgende Strafe: Er wurde zum Tode verurteilt und dazu vom Henker zuerst am ganzen Leibe mit glühenden Zangen gezwickt, daß er vor Schmerz starb. Dann wurde dem toten Manne der Kopf abgeschlagen und dieser an eine Säule festgenagelt. Zuletzt wurde der Körper noch gevierteilt und die vier Teile an vier Säulen genagelt, die an den vier Ausgängen des Dorfes standen. Ebenso entsetzlich, als abscheulich! — Die verhängten Freiheitsstrafen mußten die Bürger auf einem der Befestigungstürme verbüßen und sich die Kost von ihren Dienern oder anderen Personen bringen lassen. Der Aufenthalt in den fettster- und herdlosen Räumen war eine sehr empfindliche Strafe. Frauen bekamen Hausarrest von mehreren Wochen, während dessen sie Besuche empfangen, aber keine erwidern durften. Rückfällige Gefetzesverächter mußten auf längere oder kürzere Zeit die Stadt räumen. — Solange das Vergehen noch nicht klar lag, kamen die Verbrecher in das Untersuchungsgefängnis, Paradies genannt, ein ehemaliges Judenhaus in der Rathausgasse. Dann wanderten sie in die Temnitz, das unterirdische Gefängnis unter dem Rathaus, wohin weder Sonne noch Mond gelangten. Dicht dabei war auch die Folterkammer, ein dunkler, unheimlicher Raum mit einer Rolle an der Decke — zum Aufziehen und Dehnen der Rechtsverletzer — und andere Geräte, mit denen der Stockmeister und seine Knechte grausam umzugehen verstanden. Lautete das Urteil aus Tod, dann vollzog es der Scharfrichter noch an demselben oder am nächsten Tage auf dem Rabensteine (Eingang v. I. E. Schmidts Gärtnerei) oder dem Galgenberge, links von dem Kerspleber Weg (östlich der Bahn). Leibesstrafen, wie Ohren- und Nafenabfchneiden, Brandmarken, Aus-

5. Unsere Heimat - S. 66

1911 - Frankfurt a.M. : Auffarth
reißt es mitten durch und wirft die beiden Stücke mit solcher Ge- walt auf die Brücke, daß in der Mitte eine große Öffnung entsteht. 4. Das Loch konnte man später nie zumachen. Immer wieder riß es der Teufel auf. Darum deckte man es schließlich mit dicken Balken zu. Erst vor ungefähr 60 Jahren hat man es zugemauert. Zum Andenken an die Geschichte ließ der Baumeister den goldenen Hahn auf der Brücke anbringen. 40. Die Sage vom Schwedenschuß. Cv^rrt dreißigjährigen Kriege wollten schwedische Soldaten über die <\3 Alte Brücke in Frankfurt eindringen. Die Bürger wehrten sich aber tapfer. Mehrmals stürmten die Soldaten auf der Brücke von Sachsenhausen her vor/ doch sie kamen niemals weiter als bis zu dem Kruzifix mit dem Hahn auf der Brückeumauer. Da meinte ein Schwede, das Christusbild sei Schuld daran, daß sie nicht weiter vordringen könnten. Er fluchte, nahm sein Gewehr, zielte und schoß aus das Krnzisix. Die Kugel schlug auch klirrend an das rechte Bein des Bildes. Aber sie prallte auf den Schützen zurück und traf ihn tödlich ins Herz. Noch heute kauu man die Delle in dem Beine des Kruzifixes sehen. 41. Die Zeil. Unsre Stadt wird von vielen Straßen durchzogen. Die Haupt- straße Frankfurts ist die Zeil. Zeil bedeutet Zeile oder Reihe, weil die Straße in alten Zeiten nur eine einzige Häuserreihe hatte. Sie führt mitten durch die Stadt. Der älteste Teil der Zeil reicht von der Hauptwache bis zur Konstablerwache. Der Anfang der Zeil hat die Richtung von Sw nach No. Von der Hasengasse an läuft sie genau östlich bis zu den Anlagen. 2. Die Zeil ist die verkehrsreichste Straße Frankfurts. Ganz menschenleer ist sie selbst in der Nacht nicht. In den meisten Stunden des Tages herrscht dort ein sehr reges Leben und Treiben. Besonders lebhast ist es morgens gegen 8 Uhr, am Mittag und 66

6. Geschichte - S. 136

1913 - Berlin : Oehmigke
— 136 — tiefste Schweigen, und auf allen Gesichtern ein Ausdruck von Ehrfurcht und Vertrauen wie zu dem großen Lenker aller Schicksale. Der König ritt ganz allein vorn und grüßte, indem er fortwährend den Hut abnahm. Er beobachtete dabei eine sehr merkwürdige Stufenfolge, je nachdem die aus den Fenstern sich verneigenden Zuschauer es zu verdienen schienen. Bald lüftete erden Hut nur ein wenig, bald nahm er ihn vom Haupte und hielt ihn eine Zeitlang neben demselben, bald senkte er ihn bis zur Höhe des Ellenbogens herab. Aber diese Bewegung dauerte fortwährend, und sowie er sich bedeckt hatte, sah er schon wieder andere Leute und nahm den Hut wieder ab. Er hatte ihn vom Halleschen Tore bis zur Kochstraße gewiß zweihundertmal abgenommen. Durch dies ehrfurchtsvolle Schweigen tönte nur der Hufschlag der Pferde und das Geschrei der Berlinischen Gassenjungen, die vor ihm tanzten, jauchzten, die Mützen in die Luft warfen oder neben ihm hersprangen und ihm den Staub von den Stiefeln abwischten. Bei dem Palais der Prinzessin Amalie angekommen, war die Menge noch dichter; denn sie erwartete ihn da. Er lenkte in den Hof hinein; die Flügeltüren gingen auf, und die alte, lahme Prinzessin Amalie, auf zwei Damen gestützt, die Oberhofmeisterin hinter ihr, wankte die flachen Stiegen hinab ihm entgegen. Sowie er sie gewahr wurde, setzte er sich in Galopp, hielt, sprang rasch vom Pferde, zog den Hut, umarmte sie, bot ihr den Arm und führte sie die Treppe wieder hinauf. Die Flügeltüren gingen zu; alles war verschwunden, und noch stand die Menge entblößten Hauptes, schweigend, alle Augen auf den Fleck gerichtet, wo er verschwunden war, und es dauerte eine Weile, bis jeder sich sammelte und ruhig seines Weges ging." Theodor Fontane (Wanderungen durch die Mark Brandenburg). 44. Ein Königswort. (Im Jahre 1783 war die durch ihren Leinwandhandel bekannte Stadt Greiffenberg in Schlesien abgebrannt. Da gab Friedrich der Große bedeutende Summen her, sodaß die Stadt bald wieder aus den Trümmern erstand.) 1. Sie stiegen die Terrassen empor nach Sanssouci; sie suchten sich zu fassen und wußten doch nicht, wie! Zu eng dem vollen Herzen war eines jeden Brust; doch war es nicht vor Schmerzen, es war vor Dank und Lust.

7. Geschichte - S. 80

1913 - Berlin : Oehmigke
— 80 — Alter und liegt über, aber es fällt nicht. Noch stehen diese übergekragten, kunstvoll geschnitzten Häuser in Halberstadt, Hildesheim, Nürnberg wie umgekehrte Pyramiden; sie verloren in keinem Jahrhundert ihr Gleichgewicht. So ragte auch das Rathaus zwischen Berlin und Kölln mit seinem bunt verzierten Oberbau und den vielen zierlichen Türmchen über die anderen Häuser hinaus. Die Türmchen, nicht zur Verteidigung, es war nur Spielwerk — schauten nach allen Stadtteilen; der mächtige, vielfach ausgezackte Giebel aber war dem Spreeflusse zugewandt. Er durfte nach keiner der beiden Städte blicken, wäre das doch zuungunsten der einen oder der andern gewesen. Das litt keine. Das Holzwerk war nicht überputzt; aber, künstlich ausgeschnitzt und rötlich gefärbt, glänzte es schon von fern dir entgegen, und das Auge sah die ganze Gliederung des wunderlichen Baues. Welch' schöne Mohren und Türken und allerhand Ungeheuer zeigten die kunstvoll geschnitzten Balkenköpfe, und wie grimmig gähnten die Drachenköpfe von den Wettertraufen! Und wie waren die Stiele zierlich über Kreuz gefügt, daß es wie ein queres Schachbrett oder das Wappen der Bayernfürsten aussah, die über das Land einmal geherrscht hatten. Und überall, wo eine Mauerwand sich bloß gab, war sie mit bunten Malereien überdeckt. Die Helden und Weisen aller Zeiten, auch die Königinnen und Schönen der ritterlichen Höfe waren hier zu sehen, alle, Griechen, Römer und Hebräer in der buntesten, scheckigsten Modetracht des abgelaufenen Jahrhunderts. Da ritt der heilige Georg und tötete den Lindwurm; der heilige Florian goß Wasser über die Feuersbrunst, und der heilige Martin teilte mit dem Schwert seinen Mantel mit dem Armen, der ihn anbettelte. Aber unter den Türen und an den Ecken noch einmal stand, in Holz gehauen, der große Christophe!; denn die Schultern dessen, der das Jesuskindlein, das ist die Welt, trug, siud wohl stark genug, um ein Haus zu tragen. Aber an allen Ecken hingen die Wappen von Berlin und Kölln, ihrer Geschlechter und der verbündeten Städte. Der kaiserliche Doppeladler breitete seine Flügel über dem Haupttor aus, der hohenzollersche hatte nur ein bescheidenes Plätzchen daneben. Ant lustigsten sahen die bunten Fahnen aus, die von den Giebeln und Türmchen herab im Spiel der Winde flatterten. Die Würde der Obrigkeit verschmähte es nicht, auch durch ein heiteres Zeichen ihre Gegenwart

8. Geschichte - S. 114

1913 - Berlin : Oehmigke
— 114 - Alles war öde und still. Hin und wieder knisterte der Schritt: eines Wächters über den hartgefrorenen Boden, während sein Hund, zitternd vor Kälte und den Schwanz zwischen die Beine geklemmt, ihm nachschlich. An der kleinen eisernen Pforte des „hohen Hauses", die zu dem turmähnlichen viereckigen Mittelgebäude führt, stand ein Mann, tief in einen weißen Mantel gehüllt, und hielt zwei Pferde^ von denen das eine, prächtig aufgeschirrt, für einen vornehmen Mann bestimmt sein mußte. Mit den Füßen scharrend und in die Hände blasend, ging der Mann hin und her, während der warme Lebenshauch aus den Nüstern der Pferde sich gleich Flocken an das lange Haar des Führers setzte. Oben im höchsten Fenster des Turmes glühte ein dunkelrotes-Licht — bald erglänzte es hoch auf in zuckender Helle, bald erstarb es zu einem flimmernden Scheine. Das Licht war im Laboratorium Leonhard Thurneiffers, des Alchymisten und Leibarztes Johann Georgs, und der Kurfürst war selbst eben bei ihm, um von dem gelehrten und gefürchteten Manne Unterricht in der Kunst des Goldmachens zu empfangen. Ein kleines gewölbtes Gemach, dicht unter dem Dache des Turmes, auf dem Thnrneisser ein Observatorium angelegt hatte, schloß alles notige Gerät zu einem Laboratorium in sich. Es fehlte nicht an der in jenen Zeiten üblichen unheimlichen Ausschmückung solcher Räume: Gerippe, seltsam geformte Topfe, Gläser und Flaschen, ausgestopftes häßliches Getier und mächtige Folianten standen und lagen durcheinander. An den Wänden glühten Retorten in heißen Sandbädern, und an dem eisernen Herde in der Mitte saß Thurneisser selbst, ein schöner Mann von gebietendem und gefälligem Äußern. Ein langer, dunkler Talar umfloß seine schöngeformten Glieder. Auf dem Kopfe trug er eine Mütze von schwarzem Fuchspelz,, der trotz seiner glänzenden Schwärze doch gegen sein sorgfältig gekräuseltes Haupt- und Barthaar zurückstand. Im einfachen Hauskleide jener Zeit faß der Kurfürst aufmerksam neben Thurneisser am Herde und heftete neugierige und erwartende Blicke auf eine kleine, sorgfältig verschlossene eiserne Phiole, die auf einem lebhaften Kohlenfeuer lag und deren Inhalt wahrscheinlich den Gegenstand ihrer heutigen Zusammenkunft ausmachte. „Es dauert länger, als Ihr mir gestern versprächet, Leonhard", sprach leise der Kurfürst. „Schon glüht das Kohlenfeuer.

9. Bergische Sagen - S. 27

1911 - Elberfeld : Bacmeister
- 27 - sagte der Schwarze und berührte den Kleinen mit seinem Stabe. Da fühlte unser Männlein einen so heftigen Schmerz in allen Gliedern, als wenn sie ihm auseinander gerenkt werden sollten. Vor Schrecken wäre er beinahe auf die Erde gefallen. In großer Angst lief er davon, so schnell ihn seine Beine nur trugen, und kam wieder nach Remscheid in sein Haus. Aber was war denn das? Als er durch die Haustüre gehen wollte, stieß er mit dem Kopf gegen den oberen Balken. An seiner Stubentür ging es ihm nicht besser, und als er in sein Schlafkämmerlein eintrat, wupp? da hatte er wieder eine arge Beule weg. Ganz dumm und wirbelig war es ihm im Kopse von allen Stößen, als er sich ins Bett legte. Da wollte er sich so recht behaglich ausruhen von allen Mühseligkeiten, aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Oben stieß er mit dem Kopf gegen das Bett, und streckte er die Beine aus, so stieß er gegen das untere Bettende. Er mochte sich drehen und wenden, wie er wollte, überall bekam er blaue Flecke. Zuletzt lag er im Bett zusammengeklappt wie ein Taschenmesser und verbrachte die Nacht in unruhigen Träumen. Der nächste Tag war ein Sonntag. Da sing sein Elend von neuem an. Überall stieß er sich Beulen. Er wollte wieder ein- mal zur Küche und suchte seinen Sonntagsanzug hervor. Aber o Schreck! Der war ihm viel zu eng und zu klein, und ganz traurig und mutlos hängte er die Sachen wieder in den Schrank, nicht ohne sich noch ein paarmal zu stoßen. Zuletzt besann er sich auf den Anzug, den er gestern abend getragen hatte, und rasch zog er ihn wieder an. Glücklicherweise paßten d i e Kleider, denn die waren ja mit ihm gewachsen. Ganz behutsam und vor- sichtig ging er durch die verschiedenen Türen und gelangte endlich auf die Straße. In der freien Luft konnte er sich nun fo recht nach Herzenslust dehnen und recken; denn da waren keine Decken und Balken, an denen man sich stieß. Aber sein Vergnügen währte nicht lange. „Ein Riese! Ein Riese!" tönte es von allen Seiten. Und als er sich nach dem Riesen umgucken wollte, da merkte er, daß die Leute mit den Fingern auf ihn zeigten. So schnell ihn seine Füße trugen, ging er in die Kirche. Da konnte er wohl schön aufrecht stehen, aber er merkte bald, daß alle Leute ihn anstaunten. Sobald es nur anging, schob er sich deshalb aus der Türe und eilte nach Hause. Dort vergaß er aber seine Größe meistens, wenn er aus einer Stube in die andere ging.

10. Heimatskunde der Provinz Westfalen - S. 303

1900 - Minden i. W. : Volkening
— 303 — Da horch! Halali! das Treiben ist aus. Des Hirsches einzige Thräne vergossen, Ein Hörnerstoß durch das waldige Haus, Vereint zum Geweide die zott'gen Genossen, Und bald aus der nickenden Zweige Geleit Tie Treiber so stumm, die Ritter so breit, Zieh'n langsam daher mit den stöhnenden Rossen. Ter Spiegel spornt sein rauchendes Tier: „Verfluchte Canaille, Du hast mich bestohlen!" Ta sieht er, hoch an des Turmes Zimier, Ten armen Tüncher auf schwankenden Bohlen. „Ha!" murrt er, heute nicht Beute noch Schuß, Nie kam ich zurück noch mit solchem Verdruß, Ich möchte mir drüben den Spatzen wohl holen!" Der Tüncher sieht, wie er blinzelt empor, Und will nach dem ärmlichen Hütlein greifen, Da sieht er drunten visieren das Rohr, Da hört er den Knall und die Kugel noch pfeifen, Getroffen, getroffen! — er schaukelt, er dreht, Mit Ziegel und Bohle und Handwerksgerät Kollerl er nieder zum rasigen Streifen. Als träf' ihn selber das Todesgeschoß, So zuckt der Prälat, seine Augen blitzen, „Marschalk!" stöhnt er, die Stirne wird naß, Am schwellenden Halse zittern die Spitzen, Tann fährt auf die Wange ein glühendes Rot, Und „Marschalk!" ruft er, „das bringt Dir den Tod! Greift ihn, greift ihn, meine Treiber und Schützen!" Doch lächelnd der Spiegel vom Hengste schaut, Er lächelt umher auf die bleichen Vasallen: „Mein gnädigster Herr, nicht zu laut, nicht zu laut,
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