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1. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 108

1911 - Erfurt : Keyser
— 108 — entzweifeilen oder abnehmen. Der böse Anschlag mißlang, obwohl der Edelmann über dem Essen gern seine Kunst geübt und dem Ratsmeister das Band an den Hals gebracht hätte. Dieser schöpfte Verdacht, und der Abgesandte offenbarte auf Befragen sein Vorhaben. Dieser Vorgang ist vorbildlich für den Aberglauben jener Zeit. Weiter erwähnt Stolle noch, daß man fest glaubte, Werwölfe (Menschen, in Wölfe verwandelt) gingen umher und fräßen die Menschen auf. Roheit der Jugend: Mit dem Aberglauben ging die Ro- heit der Jugend Hand in Hand. Selbst der heilige Ort der Kirche blieb nicht frei von blutigen Handlungen. Ein junger Chorknabe, welcher ungehorsam gegen Eltern und Lehrer war, stach (1476) einen älteren Genossen während des Gottesdienstes im Dom wegen geringfügiger Ursache mit seinem Messer in den Arm. Das Blut floß zur Erde, und die dadurch entweihte Kirche mußte erst von neuem durch den Weihbischof Bertold von Oberg geweiht werden. Rechtspflege: Entsprechend der Roheit der Zeit waren Rechtspflege und Bestrafung barbarisch. Stolle erzählt davon ein bezeichnendes Beispiel. Einen Vatermörder in Witterda tras folgende Strafe: Er wurde zum Tode verurteilt und dazu vom Henker zuerst am ganzen Leibe mit glühenden Zangen gezwickt, daß er vor Schmerz starb. Dann wurde dem toten Manne der Kopf abgeschlagen und dieser an eine Säule festgenagelt. Zuletzt wurde der Körper noch gevierteilt und die vier Teile an vier Säulen genagelt, die an den vier Ausgängen des Dorfes standen. Ebenso entsetzlich, als abscheulich! — Die verhängten Freiheitsstrafen mußten die Bürger auf einem der Befestigungstürme verbüßen und sich die Kost von ihren Dienern oder anderen Personen bringen lassen. Der Aufenthalt in den fettster- und herdlosen Räumen war eine sehr empfindliche Strafe. Frauen bekamen Hausarrest von mehreren Wochen, während dessen sie Besuche empfangen, aber keine erwidern durften. Rückfällige Gefetzesverächter mußten auf längere oder kürzere Zeit die Stadt räumen. — Solange das Vergehen noch nicht klar lag, kamen die Verbrecher in das Untersuchungsgefängnis, Paradies genannt, ein ehemaliges Judenhaus in der Rathausgasse. Dann wanderten sie in die Temnitz, das unterirdische Gefängnis unter dem Rathaus, wohin weder Sonne noch Mond gelangten. Dicht dabei war auch die Folterkammer, ein dunkler, unheimlicher Raum mit einer Rolle an der Decke — zum Aufziehen und Dehnen der Rechtsverletzer — und andere Geräte, mit denen der Stockmeister und seine Knechte grausam umzugehen verstanden. Lautete das Urteil aus Tod, dann vollzog es der Scharfrichter noch an demselben oder am nächsten Tage auf dem Rabensteine (Eingang v. I. E. Schmidts Gärtnerei) oder dem Galgenberge, links von dem Kerspleber Weg (östlich der Bahn). Leibesstrafen, wie Ohren- und Nafenabfchneiden, Brandmarken, Aus-

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1. Das Mittelalter und die Neuzeit - S. 84

1892 - Leipzig : Voigtländer
84 als ihre gemeinsamen katholischen Gegner. Lutherische Geistliche erklrten, die Schrecken der Bartholomusnacht seien eine gerechte Strafe fr die Hugenotten (Kalvinisten) gewesen; lutherische Fürsten leisteten den sranz-fischen Knigen Beistand in den Hugenottenkriegen. Als Friedrich von der Pfalz erst wenige Wochen in Prag war, erhob sich bereits ein maloser Streit zwischen seinen Theologen und denen des benachbarten Kurfrsten von Sachsen. Als dann Dr. Scultetus in Prag zum Frieden mahnte und in einer Predigt darauf hinwies, da die christlichen Konsessionen ja doch in den Grundlagen des Glaubens bereinstimmten, berhuften ihn die Tbinger (lutherischen) Theologen mit den grten Schmhungen, und Osiander nannte ihn einen Atheisten, einen Gottesleugner. Auch die Lutheraner selbst waren in zwei Parteien zerfallen, die sich bis auf den Tod haten und verfolgten; die einen folgten Philipp Melanchthon und predigten christliche Liebe; die anderen hingen dem Flacius Jllyricus an und schrten den Ha gegen alle, welche nicht unbedingt aus die Konkordiensormel schwuren. Mit dem lieblosen Formelglauben ging der Aberglaube Hand in Hand. Die Goldmacherkunst und die Sterndeuterei beherrschte die Kreise der Gebildeten. Selbst Melanchthon und Kepler schrieben den Sternen einen Einflu auf den Menschen zu. Aus dem Teufelsglauben entwickelte sich dann der Hexenglauben. Man bildete sich ein, einzelne Menschen stnden mit dem Teufel im Bunde, und verfolgte sie mit unmenschlicher Roheit. Die Gerichtsordnung Karls V. hatte die Folter eingefhrt, und diese forderte Opfer der Opfer. Man marterte unschuldig Angeklagte in der furchtbarsten Weise langsam zu Tode. Die Strafe blieb nicht aus; das Volk wurde roh, und die Greuel des dreiigjhrigen Krieges sind die Frucht dieser Roheit der Sitten. In diesem Kriege haben die Sldnerscharen, die Landsknechte, Kaiserliche und Schweden und Franzosen, wie Unmenschen in Deutschland gehaust. Sie selbst standen unter einem barbarischen Gesetze. Soldaten, die ihre Kameraden zu Dutzenden dein Strick und dein Rad verfallen sahen, muten roh werden. Als Herzog Max von Bayern im I. 1620 von Linz nach Bhmen ziehen wollte, verzgerte sich der Abmarsch dadurch, da sechs Soldaten, die gehenkt werden sollten, am Galgen entsprangen. Da lie Tilly neun andere aufgreifen und statt der Flchtlinge an den Galgen hngen. Konnte es da wunder nehmen, wenn sich die Heere fast nur aus der Hefe des Volkes ergnzten, und wenn dies so gewonnene Soldatengesindel im eigenen Vaterlande wie die Barbaren hauste? Deutschland war vor dem groen Kriege ein fr die damalige Zeit reichbevlkertes und wohlhabendes Land gewesen; nach dem Kriege war es verdet. Der Wohlstand der Städte war verloren. Magdeburg war vor dem

2. Geschichte des deutschen Volkes und Landes - S. 126

1869 - Hannover : Hahn
126 hatten, ist in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die außer- ordentliche Zunahme der berüchtigten Hexenprozesse, dieser Aus- geburt geistiger Roheit und fanatischen Aberglaubens. Zauberei, d. i. der Wahnglaube, daß der Mensch in un- mittelbarer Verbindung und mit Hilfe höherer Wesen, sogenannter Dämonen, über die Kräfte der Natur nach Willkür gebieten und Uebernatürliches bewirken könne, hängt tief mit der heidnischen Naturreligion, welche die in der Natur wirkenden Kräfte als per- sönliche göttliche Wesen auffaßt, zusammen, und kommt daher neben dem Götterdienst bei allen alten Völkern vor. Bei den Germanen und Kelten wurde die Zauberkunde vorzugs- weise den Frauen, insbesondere alten Weibern, zugeschrieben. 4) Dieser heidnische Glaube an eine höhere Zauberkraft der Menschen blieb auch nach Einführung des Christenthums; nur trat jetzt an die Stelle der heidnischen Götter der Teufel, wodurch die Zauberei allmählig in einem ganz andern Lichte, als etwas höchst Sündhaftes und Verbrecherisches erscheinen mußte. Gegen Zauberer und Zauberinnen oder sogen. Hexend wurden daher schon früher kirchliche und weltliche Strafen verhängt, zumal da im Mittelalter Ketzerei und Zauberei bald miteinander ver- mengt wurden. 5) Doch kamen bis in's 15. Jahrhundert noch selten eigent- liche Hexenprozesse vor. Erst als mit Einführung des römi- schen Rechts allmälig das Gerichtswesen, insbesondere der Cri- minalprozeß, umgeändert und durch Anwendung der furchtbaren Folter als Mittel beim Beweisverfahren leicht das Geständniß dessen, was man suchte, erzwungen werden konnte, mehrten sich die Hexenprozesse im 16. und 17. Jahrhundert, insbesondere in Deutschland, und zwar bei Katholiken und Prote- stanten, in wahrhaft betrübender Weise'z. Tausende von Un- glücklichen, die der Unverstand oder die Bosheit in den Ruf der Hexerei brachte, d. i. eines Bundes mit dem Teufel, durch dessen Hilfe sie aus bloßer Schadenfreude Unthaten zum Nachtheil der Menschen und Thiere verüben sollen, wurden von den Gerichten in Untersuchung gezogen, und wenn sie durch die grausamsten Martern der Folter zu Geständnissen, wie sie der allgemein herr- schende Wahn suchte, gezwungen worden waren, zur härtesten Strafe, meist zum Feuertode verurtheilt^). 6) Ein Zeitgenosse dieser Gräuel war Friedrich Spee (4 1635), ein junger Geistlicher zu Würzburg, ein edler Mensch und Wohlthäter unseres Volkes, später auch als einer der bessern Dichter jener Zeit anerkannt. Dem Jesuitenorden angehörig glaubte er anfangs wie seine Ordensbrüder an das Hexenwesen. Nach- dem er aber als Beichtvater vieler unglücklichen Verurtheilten, die er zum Tode vorbereiten mußte, .von deren Unschuld überzeugt

3. Nr. 11 - S. 63

1903 - Breslau : Hirt
Die wichtigsten Brenn- und Beleuchtungsstoffe. 63 für den Besuch der unterirdischen Gänge einen Bergmannsanzug: starke, leinene Hose, kurze Jacke und ein Schurzleder, welches die hintere Seite des Körpers schützt. In die Hand nehmen wir eine Grubenlampe, eine kleine Laterne von feinem Drahtgitter, in welcher eine Öllampe brennt, und welche so eingerichtet ist, daß sie der Bergmann nicht öffnen kann. Durch diese Sicherheitslampe ist schon mancher Bergmann dem Tode entronnen. Es bildet sich nämlich in den Steinkohlenbergwerken zuweilen eine Gasart, die, sobald sie sich entzündet, heftig explodiert und alles zertrümmert. Der Bergmann nennt sie „schlagendes Wetter". Kommt nun der Bergmann mit seiner Lampe in einen Raum, der mit solchem Gas gefüllt ist, so dringt dasselbe durch das Drahtgitter der Lampe und entzündet sich; die Flamme wird durch das Gitter aber so stark abgekühlt, daß sie nicht nach außen brennen kann. (Halte über eine Flamme ein feines Drahtgitter und beobachte!) Der Bergmann hat Zeit, sich zurückzuziehen. Während wir noch mit unserer Vorbereitung zur Einfahrt ins Berg- werk beschäftigt sind, ertönt die Glocke; auf deren Ruf füllt sich der kleine Raum im Steigerhäuschen mit dunkeln Bergmannsgestalten, die den Steiger mit einem herzlichen „Glückauf" be- grüßen. Es ist nämlich die Zeit, in welcher die eine Gruppe der Arbeiter „Schicht macht"*) und von einer andern Gruppe abgelöst wird. Wir folgen den Arbeitern, die sich an- schicken „einzufahren". In dem kleinen Häuschen befindet sich der Schacht, das ist ein senkrechter, dunkler Eingang in das Bergwerk. Die Bergleute mit ihren Lampen steigen auf Leitern hinab in die dunkle Tiefe, ein Stockwerk nach dem andern, bis auf den Grund des Schachtes. Dort befindet sich ein wagerechter Hauptgang, der aber nur schmal und niedrig ist. Die Wände und die Decke desselben bestehen aus festem Gestein. In regelmäßigen Abständen sind an der Wand hölzerne Säulen angebracht; je zwei gegen- überliegende sind durch einen Querbalken verbunden. Diese Säulen stützen die Gesteinsmassen (Fig. 54). Von dem Hauptgange oder Stollen führen nach beiden Seiten Nebengänge, aus denen uns mattes Licht entgegen schimmert. Am Ende dieser Stollen, die oft so niedrig sind, daß man kaum aufrecht darin gehen kann, brechen, hauen und sprengen die Bergleute in hockender Stellung die Steinkohlen ab. Jeder Bergmann (Knappe) hat einen Gehilfen (Schlepper); dieser fördert die losgehauenen Stücke an F'g 54. Stollen-Zimmerung. ') d. h. aufhört zu arbeiten.

4. Die neue Zeit - S. 70

1877 - Leipzig : Brandstetter
70 Nun war des Sludirens kein Ende, denn er wollte seiner neuen Würde auch Ehre machen und suchte mit emsigem Fleiße das nachzuholen, was er in seiner Jugend nicht hatte lernen können. Ein Vorfall gab indeß seinem Geiste plötzlich eine ganz neue Richtung. Ein Dominikanermönch, Namensjohanntezel, reiste damals in ganz Deutschland herum, Ablaßzettel zu verkaufen, und kam bis Jüter-bogk, vier Meilen von Wittenberg. Die Kirche hat schon seit den ältesten Zeiten das Recht geübt, den Christen für ihre Sünden eine Buße aufzulegen, auch, wenn sie sich reuig und bußfertig zeigten, ihnen die Strafe abzukürzen. Daraus entstand aber im Volke der Aberglaube, die Priester könnten die Sünden vergeben und den Sünder von der ewigen Strafe, von den Leiden im Fegefeuer lossprechen. Solches benutzten die Päpste und schickten Ablaßverkäufer in's Land, die für Geld den Leuten Ablaßzettel verkauften, die den Leuten sehr willkommen waren, da sie sich nun wegen ihrer Sünden beruhigt fühlten. Wer z. B. die Erlaubniß haben wollte, in der Fastenzeit Butter und Käse zu essen, der kaufte sich für einen Groschen solch einen Zettel. Damals war Leo X. Papst, ein vergnügungssüchtiger, prachtliebender Mann, der viel Geld brauchte. Besonders erforderte der Bau der Peters-. kirche ungeheure Geldsummen, und um diese zu erhalten, wurde ein allgemeiner Ablaß ausgeschrieben. Unter den Ablaßverkäufern, die in Deutschland umherzogen, war aber keiner unverschämter, als eben jener Tezel, ein nichtswürdiger Mensch, den das erbitterte Volk schon einmal hatte ertränken wollen. Dieser setzte jetzt eine Menge von Ablaßzetteln ab. Wenn er nach einer Stadt kam, so hielt er immer einen feierlichen Einzug, damit das Volk recht zusammenlaufen sollte. Die päpstliche Bulle, worin der Ablaß verkündigt war, wurde auf einem sammetnen Kissen vorangetragen; die Priester und Mönche, der Magistrat und die Schulen zogen ihm mit Kerzen und Fahnen entgegen und holten ihn ein; alle Glocken läuteten, man begleitete ihn in die Kirche, wo er des Papstes Panier, mit einem rothen Kreuze geziert, aufrichtete, und nun begann der Handel. Er hatte zwei Kasten bei sich; in dem einen waren die Zettel, in dem andern das Geld, und er pflegte wohl zu rufen: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegseuer in den Himmel springt!" Es waren Ablaßbriefe für alle Vergehen zu haben, für Diebstahl, Meineid, Gewaltthat, Mord. In Jüterbogk ward aber Tezel mit eigener Münze bezahlt. Ein Ritter meldete sich, der einen Ablaß begehrte, weil er Jemand aus der Landstraße zu berauben vorhabe; — denn man konnte auch für Sünden, die erst in der Zukunft begangen werden sollten, einen Ablaßzettel erhalten. „Ei," sagte Tezel, „solchen Zettel mußt du theuer bezahlen!" Der Preis wurde rhm gern gezahlt, und der Ablaßkrämer fuhr mit seinem schweren Geldkasten ab. Als Tezel in einen Wald kommt, sprengt plötzlich ein Ritter mit mehreren Knechten auf ihn ein, hält den Wagen an und nimmt den vollen Geldkasten in Besitz. Tezel verflucht den Räuber in den Abgrund der Hölle, doch dieser zeigt ihm lächelnd den Ablaßzettel mit den Worten:

5. Geschichtsbilder für evangelische Volksschulen - S. 30

1892 - Gütersloh : Bertelsmann
ihren Burgen auf den friedlich dahinziehenden Kaufmann und beraubten ihn seiner Waren, oder sie drangen in die Höfe der Bauern, plünderten sie aus und übergaben die Häuser den Flammen. Die Femgerichte. Nach altem deutschen Brauch lag die Rechtspflege in den Händen des Volkes. Die Versammlung der freien Männer aus der Malstätte sprach Recht und verhängte die Strafen über die Schuldigen. Karl der Große übertrug die Rechtspflege an seine Beamten (welche?), und allmählich ging dieselbe aus den Händen des Volkes in die Hände der Fürsten über. Als nun aber in der Zeit des Faustrechts sich kein Fürst um den Schutz der Schwachen und die Bestrafung der Schuldigen kümmerte, fing das Volk wieder an, sein alles Recht wie ehedem auszuüben. Diese Volksgerichte, welche zur Zeit des Faustrechts in der jetzigen Provinz Westfalen bestanden, führen den Namen Femgerichte. Mitglied des Femgerichts (Freigerichts, Freistuhls) zu sein, galt für jeden freien Mann, selbst für Fürsten als eine hohe Ehre. Der Vorsitzende des Freistuhls hieß Freigraf, die übrigen Mitglieder Freischöffen. Um Recht zu sprechen, versammelten sich diese an den Malstätten unter alten Bäumen. Einer der angesehnsten Freistühle befand sich in Dortmund, wo noch heute die Femlinde die Gerichtsstätte bezeichnet. Auf der Malstätte stand ein steinerner Tisch, umgeben von einer steinernen Bank. Während des Gerichts lag vor dem Freigrafen ein blankes Schwert und ein Strick ans Weiden geflochten. Auf das Schwert mußten die Schöffen den Eid leisten, mit dem Stricke wurde die Strafe vollstreckt. War jemand bei dem Freistuhl eines Verbrechens angeklagt, so wurde er durch einen Brief vorgeladen. Dem Ritter heftete man den Ladungsbrief an das Burgthor, dem Bürger an die Hausthür. War- der Aufenthalt des Angeklagten unbekannt, so wurden vier schriftliche Ladungen ausgefertigt, und an vier verschiedenen Orten des Landes angeheftet. Erschien der Angeklagte vor Gericht, so hatte zunächst der Kläger seine Klage vorzubringen. War der Angeklagte überführt, so wurde das Urteil sofort gesprochen und vollzogen. Lautete es auf Todesstrafe, so wurde er mit dem Weidenseile an den nächsten Baum gehängt. Häufig kam es vor, daß der Angeklagte der Vorladung keine Folge leistete und fernblieb. Alsdann wurde er verfemt, d. h. jeder Schöffe, der ihn auffinden konnte, durfte ihn töten. Da sich nun aber Schöffen an allen Orten Deutschlands befanden, so war ein solch Verfemter seines Lebens nirgends mehr sicher. Überall suchten sie seiner habhaft zu werden und hingen ihn, wenn sie ihn trafen, an einen Baum der Landstraße. Zum Zeichen, daß der Verfemte nicht von Räubern überfallen, sondern von den Freischöffen gerichtet worden fei, wurde ein Messer neben ihm in die Erde gesteckt.

6. Anschaulich-ausführliches Realienbuch - S. 19

1918 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
19 die bisher über das Mittelländische Meer nach Europa gekommen waren, wurden zu Schiffe über den Atlantischen Ozean nach Europa befördert. Portugal und Spanien wurden reich und mächtig. Spanien war so groß geworden, daß sein König Karl V., der zu Luthers Zeit auch deutscher Kaiser war, von seinem Reiche rühmen konnte, daß darin die Sonne nicht untergehe. 32. 'Jobarm Ijus. 1415. 1. Irrlehren der Kirche. Im Laufe der Jahrhunderte war die reine Lehre Christi durch mancherlei Irrlehren entstellt worden. So lehrte man z. B., die Seele des Menschen könne der Sünde wegen nach dem Tode nicht sofort mit Gott vereint werden. Sie müsse vielmehr erst durch das „Fegefeuer" von allen bösen Lüsten und Begierden gereinigt werden. Doch könne die Qual im Fege- feuer dadurch verkürzt werden, daß man für die Verstorbenen „Messen" (Gebete) lesen lasse. Reiche Leute setzten in ihrem Testamente oft große Summen für solche Messen aus. Diese Lehre brachte daher der Kirche viel ein. Aber noch einträglicher als die Lehre vom Fegefeuer war die Lehre vom Ablaß. Wenn nämlich ein Übeltäter vom Priester zum Fasten, zur Geißelung, zur Wall- fahrt usw. verurteilt war, so konnte er sich durch Geld von diesen Strafen los- kaufen. Er erhielt dann einen Schein, daß ihm die Strafen erlassen seien. Beim Volke bildete sich daher allmählich der Glaube aus, daß man sich durch Geld auch von den ewigen Strafen freimachen könne. An die Stelle der allgemeinen Beichte war die Ohrenbeichte (Bekenntnis jeder einzelnen Sünde vor dem Priester) getreten. Der Heiligendienst sowie die Verehrung der Reliquien hatte überhand genommen. Beim Abendmahl entzog man den Laien den Kelch. Besonders erregte das gottlose Leben vieler Geist- lichen Anstoß. Ein Papst wurde wegen Meineids, Gotteslästerung, Mordes und Ehebruchs abgesetzt, und Johann Xxiii. war sogar in seiner Jugend Seeräuber gewesen. Dieser letztere Papst hatte noch zwei Gegenpäpste, und so gab es drei Päpste auf einmal, die sich gegenseitig verfluchten und in den Bann taten. Und wie das Haupt, so die Glieder. Die Priester waren meist sehr unwissend und führten nur zu oft kein Gott wohlgefälliges Leben. Das Volk wurde in Dummheit und Aberglauben erhalten. Wer in der Bibel las, wurde sogar als Ketzer bestraft. 2. Hus. Gegen die Irrlehren der Kirche trat am Ende des 14. Jahr- hunderts zuerst Johann Hus, Prediger und Professor in Prag, öffentlich auf. Freimütig geißelte er mit scharfen Worten die Sünden der Geistlichen, den Ab- laß, den Aberglauben des Volkes usw. und mahnte zur Umkehr. Besonders eiferte er auch dagegen, daß man dem Volke den Kelch beim h. Abendmahl entziehe. (Nur der geweihte Priester durfte den Wein trinken, damit kein Tropfen des Blutes Christi verschüttet würde.) Die Priester aber waren erbost über Hus und brachten die Sache vor den Papst. Dieser verbot ihm das Pre- digen, tat ihn in den Bann und sprach über die Stadt Prag, die es mit Hus hielt und die Bannbulle unter dem Galgen verbrannt hatte, den Kirchenbann aus. (Während desselben blieben die Kirchen verschlossen, die Glocken ver- stummten, kein Geistlicher durfte den Toten zu Grabe folgen, und die Trauungen und Taufen mußten auf dem Kirchhofe vollzogen werden.)

7. 100 Geschichtsbilder aus Erfurt und Thüringen - S. 164

1911 - Erfurt : Keyser
— 164 — Das Unkraut überwucherte die Fluren, und die Wölfe wurden auch bei uns auf dem Lande so gemein, daß sie des Abends auf den Höfen und unter den Fenstern umhergingen und Speise suchten wie die Hunde. Niemand durfte dann allein ausgehen, um nicht von ihnen angefallen zu werden. Auch die wilden Schweine liefen im Felde umher, als ob sie geweidet würden. Roheit der Jugend und Aberglaube: Besonders schlimm stand es um Kirche und Schule. Die Schuljugend lies auseinander und blieb ohne Unterricht. Ein ganzes Geschlecht wuchs in dieser fried- und ruhelosen Zeit fast ohne Unterweisung auf, zumal auf den Dörfern. An die Stelle von Bildung traten Unkenntnis und Roheit, an die Stelle von Glauben Unglaube und Aberglaube. So lesen wir in der Chronik von Falckenstein: „Anno 1641 liess sich im Junio zwischen der Stadt Erffurth und der Cyriakus-Burg, in einem stehenden Quell-Wasser Blut sehen, dergleichen zur Ankunft des Königs in Schweden, und als der General Baner die Stadt occupirt, an selbigen Ort auch gesehen worden. Der damahlige Kommandant liess es biss auf den Grund ausschöpfen, und den Ort bewachen; es wurde aber nichts destoweniger andern Tages in vieler Leute Gegenwart, und noch öffters hernach Blut gesehen.“ Erfurts Niedergang: Großes Elend herrschte aus den Dörsern und bitterste Not in der Stadt. Die mehrere Millionen Taler betragenden Kriegsabgaben, welche an Freund und Feind, an die Schweden und Kaiserlichen und vor allem an den Landesherrn, den Kurfürsten von Mainz, geleistet werden mußten, hatten das Vermögen der Stadt und ihrer Bewohner verschlungen. Die Kassen füllten sich auch nicht wieder. Bei der Unsicherheit der Straßen und dem Mangel einer kaufkräftigen Bevölkerung war in den 30 langen Kriegsjahren der Erfurter Handel zugrunde gerichtet worden, und mit dem Gelde hatten die Erfurter Kaufleute auch den Mut und die Lust zu neuen Unternehmungen verloren. Aus der reichen Handelsstadt, die Erfurt noch vor dem Kriege gewesen war, war eine einfache Landstadt geworden. Selbst den einzigen Vorteil, den die Stadt beim Friedens^ schluß erhofft hatte, erlangte sie nicht. Die eifrigen Bemühungen des Rates, Erfurt zur freien Reichsstadt zu machen, blieben ohne Erfolg, trotzdem sie von den Schweden kräftig unterstützt wurden. Schuld daran hatten die beiden alten Nebenbuhler um den Besitz der thüringischen Hauptstadt, Mainz und Sachsen ls. S. 116). Dieses bekämpfte sowohl Erfurts Bestrebungen, als auch die Ansprüche des Mainzer Erzstifts, jenem aber stand der schlaue Staatsmann Johann Philipp von Schönthal vor, der allmächtig beim Kaiser war. Seinen Bemühungen gelang es, daß Erfurt mainzisch blieb. (Nach Prof. A. Kirchhoff.)

8. Deutsche Geschichte - S. 114

1901 - Stuttgart : Selbstverl. des Verf.
— 114 — tausend Wunden blutend, lag es da; von den 16—17 Millionen Menschen, die es zu Anfang des Krieges beherbergte, waren nur noch 4 Millionen übrig. 16) Vollständig mittellos, ohne Hans und Scheune, ohne Wagen und Pflug, ohne Pferd und Rind, ohne Geld-mittel und helfende Hände stand der Bauer auf seinem ihn fremd anblickenden, zur Wüste gewordenen Gehöfte. 17) Schaaren durch den Krieg der Arbeit entwöhnter Bettler und Vagabunden, verabschiedeter Soldaten und immer massenhafter einwandernder Zigeuner machten durch Diebstahl, Plünderung und Brandlegung ganze Landstriche unsicher. 18) Hand in Hand mit der Verarmung des Volks ging auch ein Rückgang in der Volksbildung. Das durch die Reformation ins Leben gerufene Schulwesen war in Auflösung geraten; Roheit, Unmäßigkeit und Unzucht nahmen zu. Besonders aber wurde der Aberglaube, namentlich der Hexen glaube, in diesen finstern Zeiten eine nicht zu überwältigende Macht. 10) Man glaubte nämlich, daß einzelne Menschen mit dein Teufel einen Bund geschlossen hätten, um dadurch eine übernatürliche Kraft zu erlangen und durch Zauberkünste Erfolge zu erreichen, die gewöhnlichen Menschen versagt blieben. Die unglücklichen Personen, die im Verdacht der Hexerei standen — meist waren es Weiber —, wurden durch die ausgesuchtesten Qualen der Folter zu Geständnissen gezwungen und dann zum Feuertode verurteilt. Eine unglaublich große Zahl von Opfern fiel diesem entsetzlichen Wahn zur Beute; in mancher Stadt wurden Hunderte unschuldiger Menschen wegen Hexerei zum Scheiterhausen geschleppt. 20) Die Verwüstungen, welche der dreißigjährige Krieg im Geistesleben der deutschen Nation anrichtete, waren nicht minder unheilvoll als die Verheerung des Landes und der gänzliche Ruin des Volkswohlstandes. Eine tausend-

9. Mittlere Geschichte - S. 50

1848 - Leipzig : Brandstetter
50 ließ ec seinen Schwager Lieinius in Thessalonich vergiften, seinen Sohn Crispus auf bloße Verleumdung hinrichten; dasselbe Schicksal hatte seine Gattin Fausta, deren verleumderische Anklage den Sohn auf das Schaffst gebracht hatte, und in gleicher Weise verfuhr er fast gegen alle seine An verwandten, die ihm verdächtig schienen. Nichts desto weniger bekümmerte er sich gleichsam als Oberpriester (denn das waren ja die römischen Kaiser ehedem) auch um die inneren Angelegenheiten und Neligionsstreitigkeiten der Christen. Eben damals führte Athanasius, der gelehrte, aber herrschsüchtige Diacon von Alexandrien, einen Streit mit dem Presbyter Arius, der nicht glauben wollte, daß Jesus eines Wesens mit Gott Vater sei. Constantin veranstaltete eine Versammlung der Clerisei zu Nicäa in Bithynien, auf welcher Arius seiner geistlichen Würde entsetzt, seine Schriften verbrannt und seine Anhänger, die man Arianer hieß, für Ketzer (Heterodoxen, Andersgläubige) erklärt wurden. Hier entstand auch nach dem Vorbilde des apostolischen Glaubensbekenntnisses das Athanastanische Symbol, jedoch mit manchen Zusätzen; es bekam von nun an als Vor- schrift für alle Rechtgläubigen (Orthodoxen) Geltung und Ansehen. Die Orthodoxen bildeten die sogenannte katholische, d. h. allgemeine oder- herrschende Kirche, welche sich das Recht anmaßte, jede abweichende Mei- nung für Ketzerei zu erklären und mit kirchlichen und weltlichen Strafen, ja mit Feuer und Schwert zu ahnden. Aenderte sich auch der Sinn Con- stantin's später, indem er den Arius wieder begnadigte und sich sogar kur; vor seinem Tode, vermuthlich in der Hoffnung, sein Leben zu fristen, von einem römischen Bischöfe taufen ließ, so gewann doch unter seinen drei nachfolgenden Söhnen: Constantin, Constantius und Constans, jene sogenannte katholische Partei wieder die Oberhand. Der Gewinn, der daraus, daß die christliche Kirche herrschend ge- worden war, für die gesammte damalige Welt erwachsen mußte, wurde aber bald gerade durch den Clerus der damaligen Zeit schwer beeinträchtigt, ja geradezu vernichtet. Denn ihm fällt es zur Last, daß jetzt Aberglaube aller Art die göttliche Religion bis zur Unkenntlichkeit zu entstellen begann, daß das Gefolge des Aberglaubens, Uneinigkeit, Unduldsamkeit, Heuchelei und Lasterhaftigkeit, freien Raum gewann, ja wir werden sehen, wie in den nächstfolgenden Jahrhunderten Priesterherrschaft und Fanatismus eben so viel Blutvergießen und Gräuel der Verwüstung herbeigeführt haben, als die Wildheit heidnischer Barbaren. Zu dem Aberglauben, den die Zeit in religiös-kirchlicher Beziehung gebar, gehört vornehmlich die Anru- fung der zu Heiligen erhobenen Märtyrer, der Apostel, der Maria, das Wallfahrtenwesen und Sammeln der Reliquien. Die Mutter Constantin's, Helena, welche am ganzen Hofe dem Christenthume am eifrigsten ergeben war, reiste, voll des Aberglaubens damaliger Zeit, nach Jerusalem, um das Grab Christi zu besuchen. Sie glaubte es wirklich gefunden zu haben und stiftete dort ein Gotteshaus. Auch das Kreuz Christi kam zum Vor-

10. Geschichte - S. 25

1908 - Breslau : Hirt
§ 15. Das Leben im Mittelalter. 25 kamen am Sonntage zusammen, um in Singschulen ihre Lieder vorzutragen (Meistersänger). Da sie oft mehr Wert auf die Form als auf den Inhalt legten, so sank ihre Poesie zu bloßer Reimerei herab. Der berühmteste Meistersänger war der Schuhmacher Hans Sachs in Nürnberg, ein Zeitgenosse Luthers. 2. Die Baukunst trat frühe in den Drenst der Kirche. Bis in die Zeit der ersten Hohenstaufen erbaute man die Gotteshäuser in dem aus Italien stammenden romanischen Baustile, kenntlich an den halbkreisrunden Bogen der Fensteröffnungen und Portale (die Dome zu Speier, Worms und Mainz). Gegen Ende der Hohenstaufenzeit bildete sich am unteren Rhein und im nördlichen Frankreich ein Baustil aus, bei dem an die Stelle des Rundbogens der Spitzbogen trat, es ist der gotische. Ein Abbild des mächtigen deutschen Waldes, steigen die schlanken Säulen wie Bäume empor. Aus ihnen wachsen, Ästen und Zweigen vergleichbar, die Rippen des Gewölbes hervor, sich vielfach verzweigend. Prächtige Steinmetzarbeit, meist Blattformen, schmücken die Säulenknäufe und das groß-artige Portal. Durch die hohen, kunstvoll gemalten Fenster fiel ein gemildertes, zu frommer Andacht stimmendes Licht. Aber die Hauptzier der gotischen Kirchen sind die schlanken Türme, die, je höher sie aufsteigen, desto leichter und zierlicher werden, bis sie mit einer gewaltigen Blume in Kreuzesform endigen. Das höchste Kleinod dieses Baustiles ist der Kölner Dom, dessen Bau, im Jahre 1248 begonnen, dann Jahrhunderte unterbrochen, in unseren Tagen durch Preußens Könige vollendet wurde. An stolzer Pracht steht ihm zunächst das Straßburger Münster. Erwin von Steinbach entwarf den Plan zu demselben; vier Jahrhunderte hat man daran gebaut. — Auch weltlichen Zwecken dienende Gebäude wurden im gotischen Süle aufgeführt, z. B. die Marienburg der Deutschritter, das Rathaus zu Breslau, das zu Braunschweig und der Artushof in Danzig. Von den heutigen Städten hat Nürnberg fein altertümliches Gepräge gewahrt. E. Die Rechtspflege. 1. Sie war von Karl dem Großen so geordnet worden, daß nicht mehr alle Freien an den Gerichtstagen teilnahmen. Nur einige gewählte Männer, Schöffen genannt, führten das Richteramt unter dem Vorsitze eines kaiserlichen Beamten. Anfänglich gab es keine geschriebenen Gesetze; man richtete nach Sitte und Herkommen. Später schrieb man die Gesetze auf. Solche Gesetzsammlungen sind der Sachsen-und der Schwabenspiegel, so genannt, „weil man darin sein rechtlich geordnetes Leben erkennen sollte, wie in einem Spiegel". Überaus gewalttätig war die Rechtspflege. Verweigerte der Verklagte das Geständnis, so wurde es durch Folterqualen ertzreßt, oder der Arme mußte durch ein Gottesurteil seine Unschuld beweisen, weil man meinte, Gott werde den Unschuldigen nicht zu Schaden kommen lassen. Darum mußten Verklagte zum Beweise ihrer Unschuld glühendes Eisen tragen, die Hand in siedendes Wasser stecken u. bergt — Aber die Rechtspflege wurde noch schlechter, als bei dem Sinken der Kaisermacht die kleineren Fürsten und Grundherren

11. Geschichte - S. 25

1918 - Breslau : Hirt
§ lb. Das Leben im Mittelalter. 25 kamen am Sonntage zusammen, um in Singschulen ihre Lieder vorzutragen (Meistersänger). Da sie oft mehr Wert auf die Form als auf den Inhalt legten, so sank ihre Poesie zu bloßer Reimerei herab. Der berühmteste Meistersänger war der Schuhmacher Hans Sachs in Nürnberg, ein Zeitgenosse Luthers. 2. Die Baukunst trat frühe in den Dienst der Kirche. Bis in die Zeit der ersten Hohenstaufen erbaute man die Gotteshäuser in dem aus Italien stammenden romanischen Baustile, kenntlich an den halbkreisrunden Bogen der Fensteröffnungen und Portale (die Dome zu Speier, Worms und Mainz). Gegen Ende der Hohenstaufenzeit bildete sich am unteren Rhein und im nördlichen Frankreich ein Baustil aus, bei dem an die Stelle des Rundbogens der Spitzbogen trat, es ist der gotische. Ein Abbild des mächtigen deutschen Waldes, steigen die schlanken Säulen wie Bäume empor. Aus ihnen wachsen, Ästen und Zweigen vergleichbar, die Nippen des Gewölbes hervor, sich vielfach verzweigend. Prächtige Stein» metzarbeit, meist Blattformen, schmücken die Säulenknäufe und das großartige Portal. Durch die hohen, kunstvoll gemalten Fenster fiel ein gemildertes, zu frommer Andacht stimmendes Licht. Aber die Hauptzier der gotischen Kirchen sind die schlanken Türme, die, je höher sie aufsteigen, desto leichter und zierlicher werden, bis sie mit einer gewaltigen Blume in Kreuzesform endigen. Das höchste Kleinod dieses Baustiles ist der Kölner Dom, dessen Bau, im Jahre 1248 begonnen, dann Jahrhunderte unterbrochen, in unseren Tagen durch Preußens Könige vollendet wurde. An stolzer Pracht steht ihm zunächst das Straßburger Münster. Erwin von Steinbach entwarf den Plan zu demselben; vier Jahrhunderte hat man daran gebaut. — Auch weltlichen Zwecken dienende Gebäude wurdeu im gotischen Stile aufgeführt, z. B. die Marieuburg der Deutschritter, da-Rathaus zu Breslau, das zu Braunschweig und der Artushof in Danzig. Von den heutigen Städten hat Nürnberg sein altertümliches Gepräge gewahrt. E. Die Rechtspflege. 1. Sie war von Karl dem Großen so geordnet worden, daß nicht mehr alle Freien an den Gerichtstagen teilnahmen. Nur einige gewählte Männer, Schöffen genannt, führten das Richteramt unter dem Vorsitze eines kaiserlichen Beamten. Anfänglich gab es keine geschriebenen Gesetze; man richtete nach Sitte und Herkommen. Später schrieb man die Gesetze auf. Solche Gesetzsammlungen sind der Sachsen-und der Schwabenspiegel, so genannt, „weil man darin sein rechtlich geordnetes Leben erkennen sollte, wie in einem Spiegel". Überaus gewalttätig war die Rechtspflege. Verweigerte der Verklagte das Geständnis, so wurde es durch Folterqualen erpreßt, oder der Arme mußte durch ein Gottesurteil seine Unschuld beweisen, weil man meinte, Gott werde den Unschuldigen nicht zu Schaden kommen lassen. Darum mußten Verklagte zum Beweise ihrer Unschuld glühendes Eisen tragen, die Hand in siedendes Wasser stecken u. bergt. — Aber die Rechtspflege wurde noch schlechter, als bei dem Sinken der Kaisermacht die kleineren Fürsten und Grundherren

12. Vaterländische Geschichte - S. 59

1909 - Nürnberg : Korn
— 59 — in einer Gegend Überfluß an Früchten war, während in der anderen der größte Mangel herrschte. Hungersnot und Seuchen entvölkerten Städte und Dörfer. Die Arzneikunst stand noch auf einer sehr niederen Stufe. Alte Weiber, Scharfrichter, Hirten und Bader gaben aus Kräutern selbst bereitete Arzneimittel; oft schrieben sie auf Zettel geheimnisvolle Worte und Zeichen. Diese Zettel mußten die Kranken am Hals tragen und das sollte helfen. Durch monatlichen Aderlaß suchte man seine Gesundheit zu erhalten. Die jetzigen Ärzte dagegen lehren uns, kein Tröpflein des kostbaren Lebenssaftes zu verschwenden. Unter dem niederen Volke herrschte Aberglaube, Roheit und Unwissenheit in schrecklichem Maße, am meisten auf dem Laude. Das Leben in den Holz- und Lehmhütten auf dem Dorfe war noch immer ein armseliges und das Los der Bauern ein trauriges. Wohl waren die Fronen und Abgaben geregelt und die sonstigen Lasten der Leibeigenschaft gemildert worden, aber es blieben noch Lasten genug, für den armen Mann. Den Zehnten, Hand- und Spanndienste (Fronen) mußte er leisten. Zur Bestellung der Felder blieb ihm kaum die nötige Zeit, weil er für seinen Herrn wöchentlich 2—3 Tage arbeiten mußte. Die eigenen Äcker wurden dabei von den zahlreichen Hirschen und Rehen abgefressen oder von Rudeln Wildschweinen zerwühlt. Wehe dem Bauern, der sich im Zorn au diesen Vernichtern seiner Ernte vergriss! Ein Herzog in Schwaben ließ denen, die mit Schußwaffen in feinem Jagdgebiete getroffen wurden, die Augen ausstechen. Wenn des Bauern Feld voll goldener Ähren stand, dann kam nicht feiten der Gras mit feinem Jagd-gefolge und Pferde, Hunde, Jäger und Treiber jagten mitten darüber und zerstampften die Früchte. Was der Landmann auf dem Feld oder im Stall hatte, davon mußte er noch den zehnten Teil des Erträgnisses (d. i. der Zehnt) an die Kirche abliefern. Starb der Bauer, so nahm fein Herr das beste Stück Vieh und die weinende Witwe hatte sogar noch den „Sterbeguldeu" zu bezahlen. Trotz all der Härte des Lebens fanden die Bauern doch noch Zeit und Lust zum Vergnügen. Musik und Tanz spielen dabei die Hauptrolle. Der Tanz fand meist im Freien statt und war ein wildes Springen und Hüpfen. Auch das Kegelspiel war sehr beliebt. Bei allen Vergnügungen wurde tüchtig Bier oder Wein getrunken. Herrenloses Gesindel, Gauner, Bettler und Zigeuner streiften im Lande umher und wo man ihnen nicht gutwillig etwas gab, da stahlen sie, was sie erwischen konnten. Wer wollte dann den Verbrechern nacheilen, um sie zur Strafe zu ziehen? Die Einkünfte, welche der Herzog von Bayern bezog, bestanden in den Erträgnissen der Münzstätten, der Zölle und Bergwerke, sowie ans Steuern, die zweimal des Jahres, im Frühjahr und Herbst von den Untertanen erhoben wurden. Die Herzoge waren bestrebt, durch Mehrung des Hausbesitzes und durch Verbesserung der Bergwerke ihre Einnahmen zu

13. Zeit der alten Deutschen bis zur Reformationszeit - S. 259

1889 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 259 — Er sagt sich: Die Schule ist schuld daran. Da giebt es nun Stadtschulen und Klosterschulen, in denen die zehn Gebote, der Glaube und das Vaterunser auswendig gelernt werden sollen. Aber ist es ein Wunder, wenn die Leute nichts tonnen? Sbird doch alles ohne jede Besprechung und Erklärung eingeprägt und überhört. Habe ich doch an mir' selbst erfahren, wie ich in Mansfeld „gemartert worden bin und doch nichts gelernt habe durch so viel Stäupen, Zittern, Angst und Jammer." Ist doch den Lehrern, Mönchen und Priestern oft das selbst unbekannt, was sie lehren sollen. Auch die Kirche ist schuld. Da sttzen die Leute im Gotteshause, sie singen, beten und beichten, sie hören und lauschen. Aber verstehen sie denn auch die lateinischen Pater noster, das lateinische Sanctus, me lateinische Messe? Es kann gar nicht anders sein, das Volk muß der solchen Zuständen in Unwissenheit, Aberglaube und Roheit verkommen. ^ Außerdem lind die Bauern noch mit Arbeit überbürdet. Sie müssen ihr eigenes Feld und das ihres Gutsherrn bestellen, das Getreide einernten, den Wald abschlagen und Gräben ausführen. Wo soll noch Zeit und Lust zum Lernen herkommen? ^ ^ie Gedanken Luthers über die Schule ergänzt ein Zeitgenosse, wie folgt: o //Wenn ich zurückdenke, wie es in meiner Jugend vor fünfzig Zähren in Schulen gestanden ist, und wie man darinnen gelehrt hat, >0 stehen mir die Haare zu Berge und schaudert mir die Haut, kann es auch unbeseuszt und unbeklagt nicht lassen, und es wäre zu wünschen, dafe die jetzige Jugend und Schüler nur den halben Teil wissen sollten, was zu derselben Zeit die armen Schülerlein für Elend, Jammer, Frost, Hunger und Kummer haben erleiden und erdulden müssen und wie sie Dagegen so gar übel und unrichtig sind gelehrt und unterwiesen worden, denn in gemeinen Schulen war eine solche Varberei und Unrichtigkeit un Lehren, daß mancher bis 20 Jahre alt wurde, ehe er ein wenig Latein verstand und reden konnte. Zudem wurden die amen Knaben mit dem Singen dermaßen beschwert und gepeinigt, daß man von einem Feste zum andern kaum Zeit genug haben konnte, die Gesänge anzurichten und zu übersingen, wenn man gleich in der Schule sonst nichts zu lernen und zu lehren bedurft hätte. Die armen Kinder, die nach Parteken herum fungen, das waren recht natürliche Märtyrer. Wenn |ie in der Schule genugsam gemartert waren und in der Kirche erfroren, mußten sie dann erst hinaus auf die Gart (auf den Bettel), und wenn ue mit großer^ Mühe im Regen, Wind und Schnee etwas etfungen, mußten ste dasselbige den alten Bacchanten, welche daheim aus der Bärenhaut lagen, wie einem Drachen in den Hals stecken und ste, die Knaben, mußten Maul ab sein und darben. Dagegen sollten die Bacchanten sie unterweisen und mit ihnen repetieren und konnten oft selber nichts. Und wie die Lehrer waren, so roar. rt gemeiniglich auch schulen die garstigsten, unflätigsten Häuser, daß Bütteleien, Schinde- 17*

14. Nr. 18 - S. 63

1899 - Breslau : Hirt
Die wichtigsten Brenn- und Beleuchtungsstoffe. 63 für den Besuch der unterirdischen Gänge einen Bergmannsanzug: starke, leinene Hose, kurze Jacke und ein Schurzleder, welches die hintere Seite des Körpers schützt. In die Hand nehmen wir eine, Grubenlampe, eine kleine Laterne von feinem Drahtgitter, in welcher eine Öllampe brennt, und welche so eingerichtet ist, daß sie der Bergmann nicht offnen kann. Durch diese Sicherheitslampe ist schon mancher Bergmann dem Tode entronnen. Es bildet sich nämlich in den Steinkohlenbergwerken zuweilen eine Gasart, die, sobald sie sich entzündet, heftig explodiert und alles zertrümmert. Der Bergmann nennt sie „schlagendes Wetter". Kommt nun der Bergmann mit seiner Lampe in einen Raum, der mit solchem Gas gefüllt ist, so dringt dasselbe durch das Drahtgitter der Lampe und entzündet sich; die Flamme wird durch das Gitter aber so stark abgekühlt, daß sie nicht nach außen brennen kann. (Halte über eine Flamme ein feines Drahtgitter und beobachte!) Der Bergmann hat Zeit, sich zurückzuziehen. Während wir noch mit unserer Vorbereitung zur Einfahrt ins Berg- werk beschäftigt sind, ertönt die Glocke; auf deren Ruf füllt sich der kleine Raum im Steigerhäuschen mit dunkeln Bergmannsgestalten, die den Steiger mit einem herzlichen „Glückauf" be- grüßen. Es ist nämlich die Zeit, in welcher die eine Gruppe der Arbeiter „Schicht macht"*) und von einer andern Gruppe abgelöst wird. Wir folgen den Arbeitern, die sich an- schicken „einzufahren". In dem kleinen Häuschen befindet sich der Schacht, das ist ein senkrechter, dunkler Eingang in das Bergwerk. Die Bergleute mit ihren Lampen steigen auf Leitern hinab in die dunkle Tiefe, ein Stockwerk nach dem andern, bis auf den Grund des Schachtes. Dort befindet sich ein wagerechter Hauptgang, der aber nur schmal und niedrig ist. Die Wände und die Decke desselben bestehen aus festem Gestein. In regelmäßigen Abständen sind an der Wand hölzerne Säulen angebracht; je zwei gegen- überliegende sind durch einen Querbalken verbunden. Diese Säulen stützen die Gesteinsmassen (Fig. 54). Von dem Hauptgange oder Stollen führen nach beiden Seiten Nebengänge, aus denen uns mattes Licht entgegen schimmert. Am Ende dieser Stollen, die oft so niedrig sind, daß man kaum aufrecht darin gehen kann, brechen, hauen und sprengen die Bergleute in hockender Stellung die Steinkohlen ab. Jeder Bergmann (Knappe) hat einen Gehilfen (Schlepper); dieser fördert die losgehauenen Stücke an ‘) i. h. aufhört zu arbeiten.

15. Zeit- und Lebensbilder aus der deutschen und preußischen Geschichte - S. 34

1911 - Dresden : Huhle
— 34 — verlas man die Anklage. Konnte er sich durch Eid und Eideshelfer rechtfertigen, so wurde er freigesprochen. Gelang ihm das nicht oder kam er gar nicht, so ward er verfemt oder verurteilt, indem man zum Zeichen feiner Verurteilung den Stab über ihm zerbrach. Die Freischöffen vollstreckten das Urteil, indem sie bei der nächsten besten Gelegenheit den Verfemten an einen Baum hingen und ein Messer daneben steckten. Fast kein einziger Verfemter konnte sich vor der Feme retten; daher fürchteten sich selbst die rohesten Menschen und Raubritter vor ihr. So wirkte sie besonders zur Zeit des Faustrechts wohltätig. 3. Verfall der Femgerichte. Infolge der Einführung besserer Gerichte im 16. Jahrhundert gingen die Femgerichte nach und nach ein. Sie hatten später auch oft willkürlich und ungerecht geurteilt, und daher war es gut, daß man sie aufhob und unterdrückte. An die Stelle der öffentlichen und mündlichen Rechtsprechung trat von der Zeit an das schriftliche und geheime Verfahren. Besondere Rechtsgelehrte waren die Urteilsfinder, so daß das Volk keinen Einfluß mehr auf die Rechtspflege hatte. 4. Strafen im Mittelalter. Im Mittelalter gab es noch sehr harte und grausame Strafen. Manchen Verbrechern stach man die Augen aus, andern schnitt man die Ohren ab oder die Hände und Füße, andre mauerte man lebendig ein oder warf sie in siedendes Wasser. Die Todesstrafe wandte man häufig an. Fast jede Stadt besaß ihr eigenes Hochgericht und ihre eigene Richtstätte, die sogenannte rote Erde oder den Rabenstein. Die gewöhnliche Todesstrafe war das Hängen, weshalb noch heute der Scharfrichter Henker heißt. Ursprünglich benutzte man Bäume als Galgen, später errichtete man ein Galgengerüst; der Galgenberg war das Sinnbild, ja der Stolz einer jeden Stadt. Mörder, Verräter und Mordbrenner wurden gerädert, Hehler geköpft, Zauberer und Ketzer verbrannt. Wer weniger wie drei Schillinge = 6 Mark stahl, wurde an den Pranger, den Schandpfahl gestellt; Frauen, die sich zankten oder schlugen, mußten den Stein tragen. Manche Verbrecher wurden geächtet, d. H. aus der bürgerlichen Gemeinschaft ausgeschlossen, aber die Geächteten vermehrten nur die Zahl der Straßenräuber. Auch die Kirche verhängte oft harte Strafen, z. B. den Bann. Um die Wahrheit zu erfahren, wandte man Foltern und Gottesurteile an. Bei der Feuerprobe mußte der Angeklagte über glühendes Eisen gehen oder ein Stück glühendes Eisen in der bloßen Hand forttragen. Verbrannte er sich dabei, so galt er für schuldig. Bei der Kesselprobe mußte er einen Ring aus kochendem Wasser heraufholen. Bei der Wasserprobe warf man ihn gebunden ins Wasser; sank er unter, so galt er für unschuldig. Bei der Abendmahlsprobe sah man daraus, ob ihm der geweihte Bissen im Halse stecken blieb; bei der Kreuzprobe darauf, wer zuerst die vor dem Kreuze ausgebreiteten Arme sinken ließ, beim Zweikampf oder Duell darauf, wer unterlag. Wer die Proben bestand, galt als gerechtfertigt; wer sie nicht bestand, galt als überführt und wurde bestraft. Der ichirarze Tod und die Gei&Ier. Um 1350 wütete in ganz Europa eine furchtbare Pest, die aus Asien hergekommen war. Der Leib der Kranken bedeckte sich mit schwarzen Eiteroder Pestbeulen, weshalb man diese im höchsten Grade ansteckende Seuche

16. Die deutsche Kultur - S. 231

1907 - Leipzig : Brandstetter
Vorschriften nicht immer oder vielmehr nur selten beachtet worden, so trägt daran nicht das Gesetzbuch, sondern der Haß der Romanisten gegen das deutsche Recht, die Roheit der Richter und die Verwilderung der Zeiten die Schuld. Der religiöse Fanatismus und Aberglaube, der damals das Volk beherrschte, die gierige Habsucht der Richter und ihrer Gehilfen, die sie dazu trieb, aus ihrem Amte soviel Vorteil als möglich herauszupressen, haben die Grausamkeit der Gerichtssäle, Folterkammern und Richtplätze des 16. und 17. Jahrhunderts verschuldet. Es entsprach dem religiösen Geist der Zeit, daß in der Carolina jedes Verbrechen unter dem Gesichtspunkt einer Versündigung wider Gott und seine heilige Ordnung aufgefaßt wurde. Darum finden wir auch an der Spitze der Strafparagraphen den von der Gotteslästerung. Die Gotteslästerer, zu denen auch die gehören, welche „die Jungfrau Maria schänden", sollen an „Leib, Leben und Gliedern" gestraft werden. Ebenso konnten nur die grausamsten Strafen die Verbrechen gegen die von Gott eingesetzte Obrigkeit sühnen. Dem Mörder drohte die Strafe des Rades, dem bloßen Totschläger die Strafe des Schwertes. Für Kindesmord war die gewöhnliche Strafe das Ertränken, das Reißen mit glühenden Zangen, das Pfählen oder das Lebendigbegraben. Einen bei nächtlicher Zeit ertappten Dieb durfte man ungestraft töten. Kleine Diebstähle verwirkten Gefängnisstrafe, Pranger, Landesverweisung oder lebenslängliche Bestrickung. Gefährliche oder wiederholte Diebstähle wurden beim Manne mit dem Strange, beim Weibe mit Ertränken gestraft; doch konnte nach Beschaffenheit des Falles auch eine geringere Strafe: Ausstechen der Augen, Abhauen der Hand oder eine andere Leibesstrafe eintreten. Ais ein hauptsächliches Beweismittel galt nach der Carolina für den Richter die peinliche Frage (Tortur, Folter, Marter), d. i. die Erregung körperlicher Schmerzen, um den Trotz leugnender Angeklagter zu brechen oder von ihnen eine bestimmte Aussage zu erpressen. Die Tortur war eine willkommne Dienerin für den Haß, die Rachgier, die Habsucht, den religiösen Fanatismus, den finsteren Aberglauben und ein mit Wollust gepflegtes Kunsthandwerk entmenschter Henkersknechte. Die gelindesten Mittel, Geständnisse zu erzwingen, waren Peitschenhiebe bei ausgespanntem Körper, nebst Daumen- und Zehenschrauben. Schlimmer wirkten die spanischen Stiefel- oder Beinschrauben, das Ausrecken des Körpers mit rückwärts ausgestreckten Armen auf einer Bank oder Leiter, die „pomnterfche Mütze", die den Kopf zusammenpreßte, der „gespickte Hase", eine Rolle mit stumpfen Spitzen, über welche der Gepeinigte auf und ab gezogen wurde, der Halskragen, die Dornenkrone, das Ansetzen stechender Insekten oder hungriger Mäuse an den bloßen Leib, das Anfüllen 231

17. Volksschulenfreund - S. 239

1819 - Leipzig : Dürr
Geschichte der Christlichen Kirche. 259 hielt, und dies vermehrte den Aberglauben. Man sing an, die Bilder der Heiligen zu verehren, und füllte alle Kirchen damit an; rief die Märtyrer um ihre Fürsprache bey Gort an / besonders die Maria, und jedes Land jeder Ort bekam seinen besondern Schutzheiligen. Anstatt durch aufrichtige Besserung und durchvertranen zu Gott und Jesu fick den Trost der Bergebung der Sünden zu verschaffen, hoffte man durch Fasten, Geißeln. Entfernung von der mensch- lichen Gesellschaft Gottes Gnade zu erlangen. In frühern Zeiten legtest die Gemeinen den abtrünnigen Mitgliedern, die wieder aufgenommen werden wollten, gewisse Strafen und Büßungen auf; aber bald hielt man dafür, daß man von einem angesehenen Biscdoff auch für Geld oder für scheinbar gute Werke von den Strafen könnte losgesprochen und in die'kirche wieder aufgenommen werden, und endlich erwartete man von ihm sogar die Erlassung von den gött- lichen Strafen in dieser und jener Welt. Dieß hieß der Ablaß. Ueber den menschlichen Gebräuchen vernachlässigte man die Christlichen Ftyerlichkeiren. Es wurden nach dem Jahr soo Gesetze nöthig, daß ein Christ mehrmals im Jahr das heilige Abendmahl genießen sollte. Dieses be- kam den Namen Messe, indem man der Versammlung, nach dem allgemeinen Gottesdienste, den Anfang dieser Hand- lung mit den Worten ankündigte: lte, miss» eit, das heißt: geht, die Versammlung ist entlassen, worauf sich dann diejenigen entfernten, die keinen Antheil daran nehmen woll- ten. Die Handlung hieß endlich selbst Misla oder Messe. Man sahe sie als ein Opfer an, das der Priester zum Nutzen der andern Christen verrichte und worin er täglich den Leib und da- Blut Christi zur Vergebung der Sünden darbringe. Nach dem Jahr 1400 wurde es zu einer Glaubenslehre, daß die Nichtgcistlichen nur das Brod im Abendmahl empfangen sollten. Die Laien wurden zum blinden Glauben verwiesen, da besonders auch die heilige Schrift nicht mehr zum Lesen empfohlen wurde, die Abschriften selten waren. Ueber- fetzungen fehlten, und die Lehrer selbst sie nicht mehr er- klärten. Da kamen immer mehr Zusätze zu der herrlichen Religion Jesu. Schon noch dem Jahre 402 lehrte man, daßdie Seelen auch der bestern Menschen nach dem Tode erst in einem Feuer so lange büßen müßten, bis sie dadurch ge-

18. Vaterländische Geschichtsbilder - S. 76

1896 - Leipzig : Brandstetter
- 76 — Auch sonst war es um das kirchliche Leben übel bestellt; denn es hatten sich im Laufe der Zeit allerlei Mißbrauche angeschlichen; die reine Lehre Christi war durch mancherlei Irrlehren entstellt worden. So lehrte man z. B., die Seele des Menschen könne nach dem Tode nicht sogleich mit Gott vereint werden. Es gebe deshalb zwischen Himmel und Hölle noch einen Ort der Vorbereitung und Reinigung für solche Seelen, die für den Himmel noch nicht reif, für die Hölle aber zu gut wären. Das sei das Fegefeuer. Dort müsse die Seele erst von allen Sünden gereinigt werden. Die Qual des Fegefeuers aber konnte dadurch verkürzt werden, daß man für die Verstorbenen Meffen (Gebete) lesen ließ. Reiche Leute setzten in ihrem Testamente oft große Summen für solche Messen aus, so daß die Kirche durch diese Lehre viel Geld verdiente. Noch einträglicher war die Lehre vom Ablaß (vergl. S. 90). An die Stelle der allgemeinen Beichte war die Ohrenbeichte getreten, bei der jede einzelne Sünde gebeichtet werden muß. Beim Abendmahle hatte man den Laien, d. h. Nichtgeistlichen, den Kelch entzogen, angeblich, damit kein Tropfen des kostbaren Blutes Christi verschüttet würde. Anstatt nach Christi Worte „Gott im Geiste und in der Wahrheit" anzubeten, wurden die Heiligen als Mittler zwischen Gott und den Menschen angerufen. Ebenso erwies man Bildern und Reliquien (d. h. Überbleibseln von Heiligen) durch Niederfallen und Gebet göttliche Verehrung. Menschensatzungen, nämlich die Aussprüche der Päpste und die Beschlüsse der Kirchenversammlungen, oft nur aufgestellt, um selbstsüchtigen Zwecken zu dienen, verdrängten das reine Gotteswort. Die Tradition, d. H. die mündliche Überlieferung von Lehren und Geschichten, stellte man der Bibel gleich. Fasten, Almosengeben, Rosenkranzbeten, Kasteiungen, Wallfahrten, Klostergelübde und Klosterleben betrachtete man als die höchste Bethätigung eines frommen, christlichen Lebens. — Besonders aber erregte das gottlose Leben vieler Päpste und Geistlichen Anstoß. So wurde z. B. ein Papst wegen Meineids, Gotteslästerung, Mordes und Ehebruchs abgesetzt. Ein anderer, Johann Xxiii., einer von den drei gleichzeitig regierenden Päpsten, war in seiner Jugend sogar Seeräuber gewesen. Und wie das Haupt, so die Glieder. Die Priester waren meist unwissend, nicht selten roh, gottlos. Das Volk wurde möglichst in Dummheit und Aberglauben erhalten. Wer in der Bibel las, wurde sogar als Ketzer bestraft. Immer mehr erklärten sich wahrhaft fromme Männer gegen die zunehmende Verderbnis der Kirche und verlangten eine Reinigung oder Verbesserung (Reformation) derselben. Dem Papste und der Geistlichkeit aber war es noch immer gelungen, durch harte Strafen diese Stimmen zum Schweigen zu bringen. Solche Strafen waren Bauu und Interdikt, Scheiterhaufen und Ketzerkreuzzüge. Während der Bann nur einem einzelnen Menschen galt, würde das Interdikt über ein ganzes Land, eine Landschaft ober Stadt ausgesprochen. Dann würden sämtliche Kirchen geschlossen, kein Gottesbienst gehalten, keine Messe, Taufe, Trauung gefeiert; kein Glockenton erklang; die Heiligenbilber und Kruzifixe würden als Zeichen der Trauer verhüllt. Alles kirchliche Leben war erstorben. Die Toten würden ohne Sang und Klang in mi-geweihter Erbe begraben; die Taufen' und Trauungen fanben nur auf ausdrückliches Verlangen statt, mußten dann aber auf dem Kirchhofe vollzogen werben, und nur den Sterbenden würde das heilige Abendmahl gereicht. Trotz dieser harten Strafen standen aber immer wieder Zeugen der

19. Die deutsche Kultur - S. 224

1907 - Leipzig : Brandstetter
Schutze des Volksgerichtes entzogen und der Hof- oder Gutgerichtsbarkeit unterstellt, die sich später zu der sog. Patrimonialgerichtsbarkeit ausgebildet hat. Wie in wirtschaftlicher Hinsicht, so vollzog sich auch im Rechtswesen eine immer stärkere Herabdrückung der Freien in Abhängigkeit. Das altgermanische Volksgericht verschwand nach und nach, das Gerichtswesen kam unter unmittelbare königliche Leitung. Auch Karl der Große, der manche Änderungen zugunsten der Ärmeren im Rechtswesen durchführte, konnte die Entwicklung nicht eindämmen. Die Richter, welchen er den Namen „Schöffen" gab, wurden zwar noch von und aus der Versammlung der Freien gewählt, allein der Einfluß, den die königlichen Beamten auf die Wahl ausübten, machten diese zu einer leeren Förmlichkeit. Die Zentgrafen, welche den Gemeindegerichten vorsahen, die Gaugrafen, welche die Gaugerichte leiteten, die Sendgrafen, die alle Vierteljahre größere Bezirke bereisten, um das Gerichtswesen zu überwachen, sie alle ernannte der König. Als oberstes Gericht galt das königliche Hofgericht unter dem Vorsitz des Pfalzgrafen. Dadurch, daß die Gerichtssitzungen nicht mehr im Freien, sondern in geschlossenen Räumen abgehalten wurden, litt die Öffentlichkeit der Rechtspflege, des Rechtsschutzes stärkste Bürgschaft. Das Strafrecht erweiterte sich außerordentlich; an die Stelle des Wergeldes trat auch bei Freien immer häufiger Bestrafung an Leib und Leben oder wenigstens an der Ehre. Der Kirche räumte Karl der Große eine ausgedehnte Mitwirkung bei der Rechtspflege ein, die meist die weltlichen Strafen noch durch kirchliche Strafen verschärfte. Eine Folge des Einflusses der Kirche war die Bevorzugung und weitere Ausbildung der sog. „Gottesurteile". So wurde z. B. der Angeklagte ins Wasser geworfen und galt für schuldig, wenn er oben schwamm; oder er mußte Über eine glühende Pflugschar schreiten und ward freigesprochen, wenn er diese Probe glücklich bestand. 3. Die mittelalterliche Rechtspflege. Mit dem Frankenreich zerfiel auch die von Karl dem Großen erstrebte einheitliche Gestaltung des Rechtswesens. Das Reich zerfiel in eine große Zahl von Herrschaften, die eine immer größere Unabhängigkeit von dem Kaiser erreichten und auch das Gerichtswesen in ihre Hand bekamen. Die geschriebenen Gesetze verloren ihre Geltung, das Gewohnheitsrecht lebte wieder auf und bildete sich in den verschiedensten Formen aus. War dadurch zwar die Volkstümlichkeit des Rechtes gesichert, so entstand doch auch eine große Rechtsunsicherheit. Erst seit dem 11. und 12. Jahrhundert wurde das geltende Recht schriftlich niedergelegt. Auf diese Weise entstanden die 224

20. Theil 2 - S. 13

1839 - Leipzig : Fleischer
13 waren sie unbändig wie wilde Thiere. Denn allen diesen Menschen fehlte eine vernünftige Religion; sie glaubten genug gethan zu haben, wenn sie die ihnen vorgeschriebenen Büßungen und zum Theil lächer- lichen Gebräuche mitgemacht hatten, aber ihr Herz hatte keine Scheu vor Gott. Bei allen Völkern ist sonst der Mittelstand der ehrwürdigste, sittlichste und geschickteste; aber einen solchen Mittelstand gab es bei ihnen noch nicht; es gab nur Herren und Knechte. Das war die „gute alte Zeit" unsrer deutschen Vorfahren! Auch die Rechtspflege war damals in schlechtem Zustande. Ge- setze gab es wohl, aber sie waren sehr unvollkommen, und besonders war die Art, wie man in solchen Fällen verfuhr, in welchen schwer war zu entscheiden, wer Recht oder Unrecht habe, sehr sonderbar. Je unwissender ein Volk ist, desto mehr ist es dem Aberglauben ergeben. So waren auch diese Völker des Mittelalters. Sie konnten nicht be- greifen, daß Gott durch natürliche Ursachen die Welt regiere, und glaubten daher bei jeder nur irgend ungewöhnlichen Begebenheit, daß Gott unmittelbar sich in die menschlichen Handlungen mische. Das ging so weit, daß sie meinten, er greife selbst bei alltäglichen Vorfällen unmittelbar ein. Besonders wandte man diesen thörichten Glauben auf die Rechtspflege an. Vor Gericht durfte sich Jeder auf Gottes Aus- spruch berufen; Gott würde, sagte man, schon die Schuld oder Un- schuld durch irgend ein Wunderwerk offenbar machen. Konnte also nicht gleich entschieden werden, wer schuldig oder unschuldig sey, so unterwarf man die Partheien einer Probe, durch welche Gott, meinte man, selbst den Ausspruch thue. Dergleichen Proben nannte man Gottesurtheile oder Ordalien, und sie bestanden vornehmlich in der Feuerprobe, der Probe mit kochendem und kaltem Wasser, der Kreuzprobe und dem gerichtlichen Zweikampfe. Wer solche Probe bestehen wollte, nahm vorher das Abendmahl, und mußte sich verschiedenen Ceremonien unterwerfen. Wer die Probe glücklich bestand, wurde feierlich für unschuldig erklärt. Die Feuer- probe bestand darin, daß man zwischen zwei nahe neben einander angezündete Feuer hindurchging; oder man mußte 4^ Schritte, mit einem glühenden Eisen auf der Hand, laufen. Dann wurde die Hand verbunden und versiegelt. Wenn nach 3 Tagen keine Wunde zu sehen war, so hielt man ihn für unschuldig. Die Probe mit kochendem Wasser erfoderte, daß man die Hand in siedendes Wasser oder Oel steckte, und einen Ring oder ein Geldstück vom Bo- den des Gefäßes heraufholte. Dann verfuhr man, wie bei der Feuer- probe. Man nannte dies auch den Kesselfang. Die kalte Mas- se rprobe unternahm man so, daß man an Händen und Füßen ge- bunden ins Wasser geworfen wurde. Sank man unter, so wurde man mit einem Stricke, der um den Leib gebunden war, geschwind