der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens. 7
Die Ältern. Ihr seid liebe gute Kinder! Ja,
wenn 'ihr uns so lieb habet, dann werdet ihr auch gewiss
recht artig werden. Der liebe Gott erhalte euch uns! —
August. D wie freu' ich,mich der Gabe,
Dass ich gute Ältern habe,
Die für mich vom Morgen
Bis zum Abend sorgen.
Lotte. Die mich kleiden und ernähren,
Mich das Böse meiden lehren,
Mich in allen Pflichten
Liebreich unterrichten.
Louise. O, ich will sie wieder lieben,
Nie mit Vorsatz sie betrüben,
Will mich stets bestreben.
Tugendhaft zu leben.
Zweites Gespräch.
Einiges über die Schute.
Vater. Heute, mein lieber Karl, erzählst du uns
wol einmal Etwas?
Karl. Ich? Wovon denn, Vater? Von meinem
Teckel?
Vater. Nein, von deinem Teckel können wir nicht
immer sprechen. Weißt du Nichts von der Schule? '
Karl. Ich gehe ja noch nicht in die Schule.
Vater. Das ist wahr, aber darum weißt du doch
vielleicht Etwas von der Schule?
Karl. Nein.
Louise. Wie der Mann in der Schule heißt, weißt
du doch gewiss schon?
Karl. Ja, das ist der Lehrer.
Vater. Siehst du, das war schon Etwas. —
Louise. Soll ich nun einmal Etwas von der Schule
sagen?
Vater. O ja.
Louise. Die Knaben, die in die Schule gehen,
heißen Schüler und die Mädchen Schülerinnen.
Vater. , Gut. Nun Lotte.
Lotte. Der Lehrer lehrt, und die Schüler und
Schülerinnen lernen. — '
Vater. Recht. Aber was lernen denn die Kinder
m der Schule?
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Extrahierte Personennamen: August Louise Karl Karl Louise Louise
der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens. 13
Louise. Und so viele Kirschen! Ach, sie schmecken
mir heute noch gut!
August. An Zwetschen, Äpfeln und Birnen hat
es aber auch nicht gefehlt.
Vater. Seht ihr, welche Menge Sachen es also
im Garten gegeben hat? — und viele habt- ihr noch nicht
einmal genannt! So dienet Alles, nach Gottes Weisheit,
zum Segen, und der Mensch sollte Nichts nützen? — Darum
suchet auch ihr, meine lieben Kinder, den fruchtbaren Bäu-
men ähnlich zu werden! Das heißt: strebet aus allen
Kräften möglichst viel Gutes zu thun! so werden
euch Gott und gute Menschen lieb haben und ihr werdet
euch glücklich fühlen!
Die gold'ne Ähre lob' ich mir,
Nichts Schön'res trägt das Feld,
Giebt es wol größ're Freuden hier,
Als wenn man nützt der Welt?
Louise. (Ängstlich.) Ach Vater, Vater! sieh mal dort, dort!
Mutter. Nun was ist denn?
Louise. Ach sieh nur, dort ist ein Erdbeben! —
(Man sahe wirklich, dass aus einem nahen Beete die Erde, wie ein
Teller groß, sich bewegte, und dass daselbst nach und nach ein kleiner
Hügel entstand.)
Mutter. Sei nur still, Kind.
Vater. Nur ganz ruhig, du sollst gleich sehen, was
das zu bedeuten hat. (Der Vater nahm geschwind einen Spaten,
schlich an das frische Hügelchen, stach rasch neben demselben hinein und
strcuete den kleinen Erdhaufen weit um sich her.)
Karl. (Laut schreiend.) Ach Mutter, nimm mich aus
den Schooß, sieh, welch ein schwarzes Thier der Vater da
ausgegraben hat; ach, das ist gewiss ein junger Bär! —
Mutter. Ei, was fällt dir ein, Karl, ein junger
Bär? — Es ist ja ein Maulwurf! — Sieh, dein
Vater hat ihn schon todt geschlagen.
Karl. So? Ja vorhin sah er auch weit größer
aus, und da dachte ich, es könnte wol ein ganz junger
Bär sein. —
Lotte. Über Karl und Louise sollte man sich heute
Abend aber krank lachen.
August. Ja, wenn das Auswerfen eines Maul-
wurfes ^fur Erdbeben gehalten, und der Herr Maulwurf
selbst für einen jungen Bären angesehen wird, da muss
man wol lachen. —
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Extrahierte Personennamen: August Louise Louise Karl Karl Karl Karl August Maulwurf
18 Erzählungen aus dem Leben zur Warnung
zu essen, welche ihm nicht gehörten. Wie gut war es,
dass ihn August warnte.
3. Die kleinen Diebe.
Clausens Kinder hatten bemerkt, dass in dem Garten
des Nachbars Ehrmann zwei Birnenbäume standen, welche
herrliche Früchte trugen. Sie kamen auf den Gedanken,
über den Zaun zu steigen und sich einige Birnen zu holen
Was für ein Gedanke war das? Der Nachbar merkte
endlich, dass er bestohlen wurde, und versteckte sich eines
Tages, als es dunkel wurde, im Garten um den Dieb zu
ertappen. Es dauerte auch nicht lange, so sah er Klausens
Kinder über den Zaun steigen. Scheu und ängstlich sahen
sie umher, und als sie keinen Menschen im Garten er-
blickten, liefen sie eilig nach den Birnenbäumen hin. Eben
wollten sie mit ihrer Beute davon gehen, als der Herr
des Gartens hervor kam und ihnen in den Weg trat.
Wie erschrocken und beschämt standen nun die kleinen Diebe
da; wie flehend baten sie Ehrmann, dass er ihnen doch
die schlechte Handlung vergeben und sie bei ihrem Vater
nicht verklagen möchte! Ehrmann ließ sich erbitten, weil
sie ihm versprachen, dass sie nie und nimmermehr wieder
Etwas stehlen wollten. Aber die bösen Kinder hielten
leider nicht Wort; denn nach einigen Wochen fand Ehrmann
eines Morgens alle seine reifen Weintrauben abgerissen.
Nun ging er zu dem Vater dieser bösen Kinder, und bat
chn, dieselben wegen ihrer wiederholten Diebereien zu
strafen. Aber diese leugneten hartnäckig, dass sie Obst ge-
stohlen hätten rmd der Vater glaubte ihnen. Ehrmann
ging seufzend fort und sagte bei dem Weggehen: Kinder,
euch wird es in der Welt schlecht gehen; denkt an mich! —
Diese Vorhersagung ging auch wirklich in Erfüllung. Die
kleinen Diebe blieben bei ihrer schändlichen Gesinnung,
wurden Betrüger, und nahmen ein trauriges Ende.
4. Das wohlthätige Kind.
Eor einigen Jahren brannte nahe bei der Stadt B. ein
ganzes Dorf ab; indem bei einem heftigen Sturme das
Feuer mit unbeschreiblicher Schnelligkeit ein Haus nach
dem andern ergriff, ehe die Nachbaren zur Rettung herbei
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Extrahierte Personennamen: August Clausens Ehrmann Ehrmann Ehrmann Ehrmann
religiöser und tugendhafter Gesinnungen. 53
Gerechtigkeit scheuen darf — Dein großer Namen werde
immerdar von mir geheiliget in Wort und That, und jeder
Missbrauch desselben sei ferne von mir! — Wahr, treu
„y.d rein, wie Jesu Wort, sei stets das meinige, damit
dein heiliger Geist stets in mir wohne! Amen.
6. Versäume nie ohne Noth den öffentlichen
Gottesdienst.
Eon dem wackern Gellert ist bekannt, dass er den öffent-
lichen Gottesdienst nicht leicht versäumte, sondern gern mit
seinen Mitchristen Gott gemeinschaftlich anbetete._ Der
große Haller that dasselbe; auch Jesus ging gern in den
Tempel. Luc. 2, 49.
Nichts führt, leichter zum Kaltsinn in der Religion,
besonders bei jungen Leuten, als die Versäumung des
öffentlichen Gottesdienstes; da die häusliche Andacht in
den meisten Familien fast ganz versäumt wird, und junge
Leute alsdann nur zu leicht auf die Bahn des Lasters ge-
rathen. — Dieses lehrt auch folgende Geschichte.
Zwei Jünglinge, Namens Randoms, Söhne von
vortrefflichen, sehr wohlhabenden Ältern, die ihnen die
Grundsätze der Religion fleißig eingeprägt, und sie zum
Besuche des öffentlichen Gottesdienstes sorgfältig angehal-
ten hatten, wurden nach Leipzig geschickt. Ein Freund des
Jüngsten erzählt davon also:
Der jüngste Randoms studirte; er war ein fleißiger,
frommer und guter Mensch, den ich wegen gleicher Gesin-
nungen bald so lieb gewann, dass wir zusammen auf eine
Stube zogen und zwei Jahre sehr einträchtig mit einander
lebten. Sein ältester Bruder kam als Diener in eine sehr
ansehnliche Handlung, sollte etliche Jahre da bleiben, und
dann mit seinem Vater die Handlung desselben gemeinschaft-
lich betreiben. Bei seiner Ankunft in Leipzig war er in
Beobachtung seiner Pflichten auch sehr ordentlich, und
kam des Sonntags gewöhnlich zu uns; wo wir zusammen
den Gottesdienst besuchten und Nachmittags uns durch einen
Spaziergang vergnügten. Nach und nach blieb er weg, und
wenn ihn sein Bruder fragte, ob er zur Kirche gewesen
sei, suchte er sich anfänglich noch durch mancherlei Ent-
fchuldigungen zu rechtfertigen; bald darauf aber glaubte
er, dies nicht mehr nöthig zu haben, und wenn ihm sein
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70 Erzählungen aus dem Leben zur Erweckung
Herzen, als er um seine Frau seufzte und sich nach seinen
beiden kranken Kindern ängstlich sehnte. — Da ich nun
diese Kinder heute so krank gefunden habe, dass sie wol
schon in einigen Tagen todt sein können; seine Frau aber,
um seinen Kummer nicht noch zu vergrößern, ihm dieses
nicht melden mag: so weiß ich dem guten Manne nicht
besser zu helfen, und mich nicht anders bei meinem Schmerze
darüber zu beruhigen, als dass ich hingehe und dort, an
die Stelle des ehrlichen Mannes, mich hinsetzen lasse; da-
mit er seine kranken Kinder noch einmal sehen, und wenn
sie sterben sollten, begraben lassen kann. Wie würde der
arme Mann jammern, wenn seine Kinder sterben sollten,
bevor er sie noch einmal gesehen hätte! — Ich will den
S'errn Amtmann so lange bitten, bis er ihn an meiner
telle losgiebt. — Haben Sie nun die Güte, lieber Herr
Pastor, und ersuchen auch Sie in dem Briefe den Herrn
Amtmann, dass er meine herzliche Bitte mir doch ja nicht
abschlagen möchte. —
Der würdige Prediger antwortete dem Landmann:
Ihr seid ein recht braver Mann, dafür habe ich euch immer
schon gehalten, und diese Geschichte macht euch bei Gott
und Menschen Ehre. Sogleich will ich den Brief fertig
machen; zuvor aber sollt ihr bei mir essen. Darauf em-
pfing der brave Mann vom Prediger den gewünschten
Brief, worüber er hoch erfreut war. Bei der Überreichung
sagte der Prediger: Ich habe in den Brief geschrieben,
dais ich für euch Bürge bin, dass ihr nicht entweichen
würdet, biö euer Freund wieder kommt und euch ablöset.
Der Landrpann: Sie sollen sehen, dass wir beide ehrlich
handeln, und ich danke Ihnen für das Vertrauen. Der
Prediger: So begleite euch Gott, und gebe euch ferner
Muth zu der christlichen Heldenthat.
Der edle Sinn dieses Landmannes, der Tausende be-
schämt, die mit großen menschlichen Würden und Titeln
prangen, bewog den Amtmann, die Loslassung des Gefan-
genen zu bewirken, und nach einigen Tagen kam derselbe
aus dem Gefängnisse, in Begleitung seines edlen Freun-
des, zu den Seinigen zurück. —
Ein treuer Freund ist ein Trost des Lebens,
und mit keinem Gelde noch Gute zu bezahlen.
Wer Gott fürchtet, der krigt solchen Freund.
Sir. 6, 15. 16.
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213
Von der Seele des Menschen.
gern haben wollte; man nennt das: sie verabscheu etc
Etwas. Unsere Seele hat mithin ein Vermögen, Etwas
zu begehren, und Etwas zu verabscheuen. Was heißt es
doch, unsere Seele begehrt Etwas?
Kinder. Sie stellt sich Etwas vor, das sie gern
haben möchte.
Lehrer. Und unsere Seele verabscheuet Etwas?
Kinder. Sie stellt sich Etwas vor, das sie nicht
gern haben will. —
So lange Fritz krank war, aß er keine Stachelbeeren,
obgleich sie ihm so gut schmeckten, und nahm hingegen die
Arznei ein, die einen so widrigen Geschmack hatte. Warum
that dies Fritz wol?
Kinder. Fritz wusste, dass ihm die Stachelbeeren
während der Krankheit schädlich sein würden; die Arznei
hingegen ihm aber nothwendig sei.
Lehrer. Hieraus geht also hervor, dass die mensch-
liche Seele, wenn sie Etwas begehrt oder verabscheuet, erst
jedes Mal überlegt, ob das Begehrte oder Verabscheuete
ihr nützlich oder schädlich sei, und thut deshalb oft Etwas,
was ihr unangenehm ist;—und deshalb können wir von
unserer Seele sagen: sie hat freien Willen; d. h. sie
kann, ehe sie Etwas thun oder nicht thun will,
erst überlegen, ob es ihr auch nützlich oder schäd-
lich sein würde.
Freuet euch, Kinder, der freie Wille ist wieder eine
schöne Eigenschaft, die der liebe Gott unserer Seele aner-
schaffen hat! Die Thiere haben ihn nicht, sonst würden sie
sich nicht so leicht fangen lassen, und so oft Etwas thun,
was ihnen schädlich ist.
Will der Mensch nun in seiner Handlungsweise nicht
dem Thiere gleichen, so muss er auch nicht, wie sie, ohne
Überlegung handeln; und nicht gleich das thun, wozu er
Lust bei sich verspürt, und das gleich unterlassen, wogegen
er eine Abneigung hat; sondern er muss jedesmal erst wohl
überlegen, ob es ihm nützlich oder schädlich sei: — sonst
würde es ihm auch eben so gehen, wie es den Thieren
sv oft zu gehen pflegt; er wurde sich selbst unglücklich
machen. — Merkt euch dies, liebe Kinder, und lasst euch
nie durch eure Begierden leiten, sondern zieht bei jeder
Sache, die ihr gern haben oder nicht haben wollt, erst eure
Vernunft und das Ürtheil erfahrner und rechtlicher Leute
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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218
Von der Seele des Menschen.
Lumpen bedeckt war. Sein Gesicht war so blass und sein
ganzer Leib so mager, dass man wol sah, es müsse viel
Hunger gelitten haben. Es streckte seine kleinen Arme nach
uns aus, und rief mit schwacher Stimme: „Ach liebe Herren,
geben Sie mir doch Etwas für meinen armen kranken Vater;
der muss sonst gewiss umkommen! Ach, geben Sie mir doch
Etwas um Gottes willen!" — Der vornehme Herr stand
still; ich auch. Der Anblick des armen Kindes, das so
unschuldig und so fromm, wie ein Engel, aussah, rührte
uns beide gleich stark. „Wer ist denn dein Vater, liebes
Kind?" fragte der vornehme Herr. „Ach, antwortete der
kleine Knabe, mein Vater ist ein guter Mann!" „Aber,
fragte jener weiter, warum musst du denn für ihn betteln?"
„Ach, antwortete das Kind, und Thränen liefen ihm über
die Backen, er möchte ja gern arbeiten, aber er kann nur
nicht, weil er einmal in das Bein geschossen ist, dicht über
dem Knie, und das ist immer noch nicht heil; da kann er
nun nicht gehen." „Ist er denn im Kriege gewesen?"
fragte der Herr. „Ja wohl, antwortete der Knabe; er war
Lieutenant unter dem Freikorps, und da wurde er abgedankt,
und er musste sehen, wo er nun bliebe."— „Wohin wollte
er denn jetzt mit dir?" fragte der Herr. „Ach, erwiederte
der Knabe, er wollte weit mit mir hin, nach Kopenhagen,
wo er einen Bruder hat, der ein vornehmer, reicher Mann
sein soll; aber da ist er nun krank geworden, und nun
werden wir wol beide vor Hunger sterben müssen. " Hier
sah ich, dass der vornehme Herr auf einmal ganz blass
wurde. „Wie heißt denn dein Vater?" rief er, und fasste
das Kind bei der Hand. „Wilhelm von Löwenthal,"
sagte der Knabe. „Gerechter Gott!" rief der Herr aus,
und schlug die Hände zusammen; „mein Bruder!" Und
damit drückte er das arme Kind, das vor Schrecken kein
Wort sprechen konnte, an seine Brust. „ Geschwind, sagte
er, geschwind führe mich zu deinem Vater!" Und da der
Knabe vor Mattigkeit kaum gehen konnte, ließ er ihn von
dem Bedienten tragen, und eilte davon. Ich wischte vor
Freuden mir eine Thräne aus dem Auge, und dankte Gott,
dass er der Noth dieses armen Kindes und seines unglück-
lichen Vaters ein Ende gemacht hatte.
Ihr freuet euch gewiss eben so, als ich, dass der
arme Knabe so unvermuthet seinen Oheim fand?
Kinder. Ach ja, das war herrlich'
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224 Von der Seele des Menschen.
Sohn Joseph nicht zu finden und wahrscheinlich von einem
bösen Thiere zerrissen sei?
Kinder. Sehr betrübt.
Lehrer. Ja, der alte Mann war darüber so betrübt,
dass alle seine übrigen Kinder ihn nicht zu trösten vermoch-
ten. Jakob befand sich daher damals auch in einer Lei-
denschaft, und zwar in einer solchen, die im Grunde auch
Liebe ist; man nennt sie die Leidenschaft der Sehn-
sucht. Sie besteht in einer Traurigkeit, über die
Abwesenheit eines Andern, und in einem hefti-
gen Verlangen nach ihm. —
Was meint ihr, wie würde euch wol zu Muthe ge-
worden sein, wenn ihr damals den alten eisgrauen Jakob
über sein Unglück, wegen Joseph, hättet so erbärmlich jam-
mern und klagen hören?
Kinder. Wir wären gewiss auch ganz traurig ge-
worden.
Lehrer. Und wäre diese Traurigkeit darüber bei euch
recht groß gewesen, so wäret ihr gleichfalls in eine Leiden-
schaft gerathen, und zwar in eine sehr edle; sie heißt die
Leidenschaft des Mitleids. Sie besteht in der
Traurigkeit über das Unglück eines Andern. —
Kinder. Nun kennen wir schon neun Arten von
Leidenschaften.
Lehrer. Ja. — Erinnert ihr euch noch wol der
Geschichte, die ich euch neulich von dem großen Könige
von Preußen Friedrich Ii. und seinem Pagen Z. erzählte?
(Sie steht Seite 55.)
Kinder. Ach ja, der junge Edelmann, der im Neben-
zimmer des Königs des Nachts die Wache hatte und ein-
geschlafen war.
Lehrer. Ganz recht. Der König klingelt mehre
Male, aber es kommt kein Page. Derselbe tritt nun in
das Zimmer des Pagen und findet ihn schlafen. — Statt
den Pagen aber dafür bestrafen zu lassen, wie man natür-
licher Weise erwarten muss, lässt der edle König denselben
nicht nur ruhig fortschlafen, sondern beschenkt ihn noch so-
gleich recht königlich und lässt ihm auch später seine große
Huld zu Theil werden. Denkt einmal so recht über diese
Begebenheit und besonders über die außerordentliche Huld
des großen Königs nach, und was wird alsdann von euch
geschehen müssen?
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Joseph Jakob Jakob Joseph Friedrich_Ii Friedrich
4 Gespräche zur Erweckung
Vater. Das glaube ich wol, mein Kind; Hannchen
Winter ist es gerade so gegangen, und da hat sie es fol-
gendermaßen gemacht: erst trank sie 8 Tage lang, wahrend
einer halben Stunde, zwei Schluck; in den folgenden
8 Tagen trank sie in derselben Zeit drei Schluck; in den
nun folgenden 8 Tagen vier Schluck, u. s. w., am Ende
konnte sie ein kleines Glas Wasser recht gut vertragen,
und sie befindet sich sehr wohl dabei. — So müsst ihr
es nun auch machen.
Louise. Warum denn, Vater?
Vater. Weil das Trinken des kalten frischen Was-
sers bewirkt, dass man nicht zu dickes Blut bekommt, und
weil es die Eingeweide und besonders den Magen stärkt
und den ganzen Körper frisch und gesund erhält. —
August.was macht Fritz dann, wenn er angezogen ist?
Vaser. Dann füttert er die Hühner, Tauben, Schafe
und seinen Spitzbub. —
Louise. (Lachend.) Spitzbub? Wer ist denn das? —
Vater. Das ist Fritzen's Rabe. Fritz nennt ihn
Jakob, aber weil er jeden, der ihm keinen Leckerbissen reicht,
„Spitzbub!" schimpft, so nenne ich ihn auch Spitzbub.
Karl. Einen solchen Jakob schenkst du mir auch,
nicht wahr, Vater?
Vater. Wir wollen einmal sehen.
Lotte. Was macht denn Hannchen während der Zeit?
Vater. Die hilft ihrer Mutter im Hause. Dann
wird das Frühstück gegessen, und nun ist es gewöhnlich
Zeit zur Schule zu gehen.
August. Was machen denn die Kinder, wenn sie
aus der Schule kommen?
Vater. Sind auf den Nachmittag Schularbeiten
zu machen, so werden die erst vorgenommen. Alsdann
geht Fritz seinem Vater zur Hand.
Lotte. Und Hannchen?
Vater. Wenn diese weiter keine Geschäfte hat, so
strickt sie. Um 12 Uhr wird gegessen. Auch bei Tische sind
die Kinder recht anständig. Für empfangenes Esten danken
sie jedes Mal, und wenn sie noch Appetit haben, bitten sie
sich Etwas aus. Auch beten sie vor und nach dem Essen.
Louise. Wir machen es auch so, nicht wahr, Vater?
Vater. Ja. Dann spielen die Kinder, bis sie
wieder zur Schule gehen.
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Extrahierte Personennamen: Louise August Fritz Jakob Jakob August Fritz Louise
10 Gespräche zur Erweckung
mit der Tinte behutsam umgehen und nur dann sprechen,
wenn der Lehrer oder ein gutes Betragen es verlangen.
Lotte. n Der Lehrer sagte neulich: Auch gegen seine
Mitschüler müsse man artig und gefällig sein.
Vater. Das versteht sich.
August. Wenn die Kinder in der Schule ordent-
lich Etwas lernen wollen, so müssen sie auch recht flei-
ßig und aufmerksam sein.
Vater. Ganz recht. Ohne gehörigen Fleiß der
Schüler können die geschicktesten und treuesten Lehrer nur
wenig nützen. Auf euch selbst, meine Kinder, kommt es
daher vorzüglich mit an, ob ihr mit einem für Tugend und
Frömmigkeit fühlenden Herzen begabt, und mit vielen nütz-
lichen Kenntnissen ausgerüstet, oder als verstand- und herz-
lose Kinder einst die Schule verlasset. Von Allem sollen
die Menschen dem lieben Gott einst Rechenschaft geben,
also auch davon, wie sie als Kinder die Schule benutzt
haben. — Präget diese Wahrheit fest in euer Herz!
Louise. Gegen den Lehrer sollen die Schulkinder
doch auch recht artig sein, nicht wahr, Vater?
Vater. Schulkinder sollen ihren Lehrer ehren und
achten, und ihm pünktlich und gern gehorsam sein.
Ein redlicher und geschickter Lehrer ist ein sehr achtungs-
werther Mann. Erschwert ihm daher nie sein mühevolles
Amt durch ungezogenes und ungehorsames Betragen; ich
würde sonst nicht umhin können, euch dafür ernstlich zu
strafen. —
Dee Kruder'. Ja: Gern woll'» wir zur Schule geh»
Gnteö lernen, lesen, höre»,
Unser» Lehrer folgsam ehren,
Und auf gutes Beispiel seh»!
Vater. Recht. Thut das, meine lieben Kinder, so
werden euch Lehrer, Mitschüler, Altern lind alle guten
Menschen lieb haben; die Schule wird euch ein Ort hei-
liger Freude sein, und ihr werdet noch in euren spätesten
Lebenstagen mit hoher Wonne an die so schön benutzte
Schulzeit zurückdenken. —
Drittes Gespräch.
Der Garten.
Vater. (Rufend.) August, Lotte, Louise, Karl und
auch du, liebe Frau, kommt und lasst uns an diesem köst-
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: August Louise August Lotte Louise Karl Karl