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1. Deutsche Urgeschichte, Das Frankenreich, Deutschland unter eigenen Herrschern - S. 19

1894 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
19 Christentum eine ihnen gefährliche Macht erstehen, einen Staat im Staate, und suchten es daher mit allen Mitteln zu unterdrücken. Gerade die besseren unter den Kaisern, ein Marc Aurel, Trajan, Diokletian erschöpften ihre Weisheit bei der Verfolgung der Christen. Infolgedessen blieb die Verbreitung der christlichen Lehre lange auf die Kreise der untern Volksschichten beschränkt. Erst allmählich wandten sich auch einzelne der Gebildeten und Höhergestellten dem Glauben an den gekreuzigten Christus zu. Namentlich seit der Regierung des Kaisers Gallienus (260—268), der den Christen wenigstens Duldung gewährte, vermehrte sich die Zahl der Bekehrten bedeutend. Sehr viele Christen fanden sich in den Heeren, auch die Menge der hochgebildeten Männer, welche im Christentum Frieden suchten und fanden, ward immer größer; trotzdem betrug die Zahl der Getauften zu den Zeiten Diokletians erst ein Zwölftel der Gesamtbevölkerung (ca. 150 Mill.), in der Westhälste des Reiches den 15., in den östlichen Ländern etwa den 10. Teil. Endlich vereinigten sich die zu gleicher Zeit regierenden Kaiser Galerius, Licinius und Konstantin (d. Große) dahin, ein Toleranzedikt (landesherrliche Verfügung kirchlicher Duldung) zu erlassen, welches am 30. April 311 in Nikomedia in Bithymen veröffentlicht wurde. Die christliche Religion erhielt dadurch als eine erlaubte eine gesetzliche Stellung im Staate, unter der Bedingung, daß die Christen sich der Staatsordnung fügten; sie sollten fortan „zu ihrem Gott beten für das Wohl der Kaiser und des Reiches und für ihr eigenes". Die Ausbreitung der Lehre vom Kreuze vollzog sich jetzt zwar viel schneller, aber das Heidentum war noch lange nicht überwunden, ja der Kaiser Licinius, der mit seinem Mitkaiser Konstantin in heißen Kämpfen um die Alleinherrschaft rang, hat den letzten entscheidenden Kampf als einen Entfcheiduugskampf zwischen den alten Göttern und dem „neuen fremden Gotte" bezeichnet. Konstantin, in dessen Heere 323 das Kreuz (eigentlich das Monogramm Christi ^) bereits Feldzeichen geworden war, siegte, doch erhob er die christliche Religion nicht zur Staatsreligion. Er beförderte die Ausbreitung des Christentums, berief auch Christen zu hohen Ämtern, steuerte zum Bau von Kirchen bei, ober er legte seine Würde als heidnischer Pontifex maximus nicht nieder, duldete auch keine Verfolgung der Heiden durch die Christen und ließ sich erst taufen, als er sein Ende herannahen fühlte. Leider hatten die Christen ihren schönsten Ruhm, strenge Sittlichkeit, Treue 2*

2. Deutsche Urgeschichte, Das Frankenreich, Deutschland unter eigenen Herrschern - S. 57

1894 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
57 lande rückten Franken ein. sie machten den von Karl gelernten Betrieb der Landwirtschaft in ihren neuen Wohnsitzen bekannt. Hierher gehören ferner die Bestrebungen des großen Herrschers für die Erleichterung des Verkehrs. Er sorgte dafür, daß überall gangbare Wege. Dämme und Brücken gebaut wurden, deren Instandhaltung den betr. Besitzern zur Last fiel. An bestimmten Stellen konnten zur Erleichterung dieser Last Zölle erhoben werden, nur durften dieser Brücken-, Wege- u. a. Zölle nicht allzuviele werden, damit die Wohlthat sich nicht in Plage verkehre. Sehr gern benutzte man die Wasserwege. Karl versuchte es, das schwarze Meer durch einen Kanal vom Main zur Donau mit der Nordsee zu verbinden; seine Baumeister wußten indes noch nicht, wie man die Schwierigkeiten des Bodens, namentlich Sümpfe, überwindet, und so blieb es bei dem Versuche. In unfern Tagen hat König Ludwig I. von Bayern den Plan Karls wieder aufgenommen und durch den Ludwigskanal eine Verbindung beider Flüsse geschaffen. Auf diesen durch Natur oder Kunst geschaffenen Wegen fand der Handel. Handel feine Verbreitung. Fränkische Kaufleute zogen quer durch Deutschland nach den Märkten der Slaven und Avaren. Stapelplätze des Handels waren Bardewik, Celle, Magdeburg. Erfurt, Hall stadt bei Bamberg, Forchheim, Regensburg, Lorch. Von der Nordsee über die Alpenpässe führten die Wege nach Italien; über das Meer ging der Kaufmann nach England, Norwegen, Schweden und Rußland. Auch mit dem Morgenlande suchte Karl Handelsbeziehungen anzuknüpfen, wobei er sich eines landkundigen Juden bediente. der die Gesandtschaft zu dem sagenberühmten Harun al Raschid führte. Die Haupthandelsleute neben den Juden waren Friesen, Engländer und Araber von der Nordküste Afrikas; sie besuchten die fränkischen Märkte, die sich besonders bei den kaiserlichen Pfalzen entwickelt hatten. Friesland hatte bedeutende Tuchwebereien, deren Erzeugnisse im Morgenlande sehr begehrt waren; Metallguß und Glasbereitung ging meist von den Klöstern aus; die Töpferei blühte in Mainz. Von der größten Bedeutung für den Handel war es, daß diemünz-, kaiserliche Regierung strenge Redlichkeit im Handel und Wandel sor-^^Ge-derte: die Kaufleute durften nur solches Maß und Gewicht führen, das dem in der Pfalz aufbewahrten Muster genau glich. Auch die Münzverhältnisse wurden neu geordnet. Statt der in der merovingi-fchen Zeit bestehenden Goldwährung begann Karl die Silberwährung

3. Deutsche Urgeschichte, Das Frankenreich, Deutschland unter eigenen Herrschern - S. 41

1894 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
41 mit welcher sich selbst die den Franken verwandten Stämme gegen das Christentum verschlossen." (Erler.) Längst waren indes Männer bereit, die von den Franken ganz versäumte oder doch nachlässig geübte Missionspflicht zu übernehmen. Im Anfange des fünften Jahrhunderts waren die Irländer durch einen Engländer Namens Patrik bekehrt worden. Zahlreiche Kirchen und Klöster zeugten von der aufopfernden Thätigkeit des gottbegeisterten Mannes, dessen Werk der ältere Columban im Segen fortsetzte. Man nannte die irischen Bischöfe, die bald auch nach Schottland und England hinübergingen, Culdeer d. i. Männer Gottes. Von dem Kloster Bangor ging der jüngere Columban mit zwölf Genossen zu den Franken. In ihrem Lande gründete er die Klöster zu Anegray und Luxeuil. Die fränkische Geistlichkeit stand den Bestrebungen der irischen Mönche mißtrauisch gegenüber. Wenn letztere auch in der Lehre von der römisch-katholischen Kirche nicht abwichen, so entbehrten doch ihre kirchlichen Einrichtungen der straffen römischen Ordnung; in einzelnen Äußerlichkeiten, z. B. in der Bestimmung des Osterfestes, bildete sich sogar ein scharfer Gegensatz zwischen den Culdeer und der gallischen Geistlichkeit aus, der schließlich zur Vertreibung Columbans führte. Er ging nach den Ufern des Oberrheins und des Bodensees und führte durch seine gewaltige Predigt, durch sein entschiedenes Auftreten viele zum Christentum. Daraus wandte er sich nach Italien und gründete unweit der Trebbia das Kloster Bobbio, das als Pflegstätte der Wissenschaft berühmt wurde. Sein Schüler Gallus wirkte in Alemannien, von ihm ward im Steinachthale das berühmte Kloster St. Gallen gestiftet, von welchem ein mächtiger Strom wissenschaftlichen Lebens ausging. In Bayern arbeitete der Franke Rupert, er begründete in dem alten Juvavium, d. H. Salzburg, ein Bistum. Außer ihm sind noch zu nennen Emmeran v. Poitiers, der in der Nähe von Ratispona, d. i. Regensburg, Corbinian, der in der Gegend von Freising, Pirmin in der Pfalz und am obern Rhein und Kilian, der in Hessen und Thüringen das Christentum verbreitete, bis er in Würzburg den Märtyrertod starb. Alle diese Männer aber überragt der Angelsachse Winfried, später Bonifacius*), d. i. Wohlthäter, genannt. Er trat frühzeitig mit dem römischen Stuhle in Verbindung, wirkte *) Einige Geschichtschreiber halten die Schreibweise „Bonifatius" für richtiger.

4. Deutsche Urgeschichte, Das Frankenreich, Deutschland unter eigenen Herrschern - S. 43

1894 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
43 Volk wollte den beliebten und verehrten Priester nicht ziehen lassen; er mußte in Rom bleiben und wurde bald darauf zum Papste gewählt. Nun hinderte ihn nichts, das Missionswerk in Britannien zu beginnen und zu fördern. Er sandte Glaubensboten dorthin, unterstützte ihre Predigt und machte sie fruchtbar durch Ermahnung und sein Gebet." — Mehrere Könige wurden für das Christentum gewonnen, so Ethebert von Kent 597, Eadwin von Northumberland 627, Cynegils von Wessex 635 u. a. Zum Erzbischof von Canter-bury ernannte Gregor den Benediktiner-Abt Augustinus, der nun durch Gründung von neuen Bistümern dem christlichen Glauben in England eine sichere Heimstätte zu bereiten suchte. Leider verfuhr er dabei nicht in rechter Weise. Er verletzte durch seine Unduldsamkeit die Culdeer, welche ebenfalls eifrig missionierten, indem er verlangte, daß sie die Gesetze, Sitten und Gebräuche der römischen Kirche annehmen sollten. Es entstand ein erbitterter Kamps zwischen beiden Missionen, der erst 664 auf einer Synode zu Gunsten der römischen Kirche entschieden wurde. „Doch gelang es der römischen Priester-schaft nie ganz, die angelsächsischen Nationaleigentümlichkeiten aus der Kirche zu vertilgen. Die angelsächsische Sprache blieb bis zum Einfall der Normannen Kirchensprache; die Taufformel war angelsächsisch, die Bibel war in angelsächsischen Übersetzungen unter dem Volke verbreitet. Ebenso wurde die Autorität des Papstes erst unter den Normannen in ihrer ganzen Macht begründet, das kanonische (katholische Kirchen-) Recht fand keine Geltung. Die Bischöfe wurden von den Königen eingesetzt, die Beschlüsse der Kirchenversammlungen bedurften zu ihrer Geltung der königlichen Bestätigung, die Kirchengüter waren gleich den weltlichen den Lasten und Abgaben unterworfen, die bürgerliche Gerichtsbarkeit umfaßte auch die Kleriker." (Weber.) Während noch der Streit zwischen den iro-schottischen Mönchen und den römischen Bischöfen geführt wurde, erblickte Winfried, Sprößling eines vornehmen westsächsischen Geschlechtes, das Licht der Welt (um 680). Er trat früh ins Kloster ein und lernte so eifrig, daß er bald als Lehrer thätig sein konnte. Da seine ganze Umgebung römisch gesinnt war, wurde auch er in dieser Denkweise erzogen und befestigt. 716 verließ er feine Zelle, um sich in Deutschland der Mission zu widmen. Sein erstes Arbeitsfeld war Friesland. Nachdem er noch in demselben Jahre seine Heimat besucht, die Würde des Abtes in seinem Kloster ausgeschlagen hatte, begab er sich 718 597 627 635 664 Boni- facius. 680 716 718

5. Deutsche Urgeschichte, Das Frankenreich, Deutschland unter eigenen Herrschern - S. 53

1894 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
53 der Kirche und ihrer Priester bestimmt der König, daß jedem Gotteshause ein Hof und zwei Hufen überwiesen werden sollen. Je 120 Einwohner eines Kirchortes, einerlei, ob Edelinge, Frilinge oder Liten, müssen dem Priester einen Knecht oder eine Magd überlassen. Der König tritt ein Zehntel seiner sächsischen Bann- und Friedensgelder an die Kirche ab. und Adelige, Bauern und Hörige haben ihr den Zehnten ihrer Erträge abzuliefern. Jede Ausübung des heidnischen Götterdienstes wird mit dem Tode bedroht: wer Kirchen verletzt, während der Fasten Fleisch genießt, einen Geistlichen ermordet, Hexen oder Leichen verbrennt, der Taufe sich entzieht, heidnische Menschenopfer begeht, sich an einer Verschwörung gegen die Christen oder den König beteiligt, soll sterben. Hohe Strafe soll erleiden, wer die Kindertaufe im ersten Jahre versäumt, kirchlich verbotene Ehen schließt und heidnische Gelübde thut. Die Toten sollen auf den Frithöfen der Kirche und nicht in den Grabhügeln der Heiben begraben werben, Zauberer und Wahrsager sind den Priestern auszuliefern, an Sonn- und Festtagen dürfen feine Ge-richtsversammlungen abgehalten werben. (Nitzsch.) Wer die auferlegte Gelbbuße nicht bezahlen konnte, mußte für eine entsprechend Zeit Knecht werben. Einige Verbrechen zogen für den roohlhabenben Missethäter Verlust des Vermögens, für den besitzlosen die Prügelstrafe nach sich. Leute, welche sich dem Befehle des Grafen nicht fügen wollten oder sonst für den Staat gefährlich waren, würden verbannt. Gefängnisstrafe trat nur zu dem Zwecke ein, einen zur Gelbbuße verurteilten Menschen zur Erfüllung des Urteils zu zwingen. Auch sperrte man wohl Geistliche ins Kloster ober schor Laien zu Mönchen. Überall brangen die Verorbnungen des Kaisers baraus, durch ein geordnetes Gerichtsverfahren die Blutrache abzuschaffen. — Neben den Grasen- und Sendbotengerichten bestanden für die Geistlichen®”!^ und Mönche die bischöflichen Gerichte. Deren schwerste Strafe war die Exkommunikation (Ausschluß von der kirchlichen Gemeinschaft). Nachdem Karl in der oben angegebenen Weise basür gesorgt hatte,^rlais daß seine Unterthanen in Frieden und befreit von den brücfenbften roirt-Forberungen des Staates ihrer Beschäftigung nachgehen konnten, richtete er fein Augenmerk auf die Art und Weise, wie die tierschiebenen Arten der Berufsthätigkeit zum Wohle des Einzelnen wie des Ganzen verbessert werben könnten. Der weitaus größte Teil der Bewohner seines Reiches trieb Lanbwirtfchast, ihr wanbte Karl beshalb seine

6. Deutsche Urgeschichte, Das Frankenreich, Deutschland unter eigenen Herrschern - S. 42

1894 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
42 in dessen Aufträge und unterwarf ihm die Kirche Deutschlands, während seine Vorgänger ganz auf eigene Hand und völlig unabhängig von Rom Christentum und kirchliche Einrichtungen verbreiteten. Von 590—604 saß Gregor I., ein Mann von großer Frömmigkeit und regem Eifer für die Ausbreitung des christlichen Glaubens, auf dem bischöflichen Stuhle in Rom. Von ihm erzählt Beda venerabilis, ein angelsächsischer Geschichtschreiber, folgende Geschichte: „Als Gregor noch nicht Papst war. besuchte er einstmals das Forum (Marktplatz) in Rom. Dort hatten Kaufleute viele Waren zum Verkaufe ausgestellt. unter andern Dingen auch Knaben, die sich durch besondere Schönheit auszeichneten. Gregor erkundigte sich nach der Heimat der Kinder und erfuhr, daß sie aus Britannien stammten und Heiden seien. (Das Christentum hatte in Britannien, als dieses Land noch römische Provinz war, Eingang und Verbreitung gesunden, war aber, nachdem Stilicho die römischen Truppen zur Rettung Italiens vor den Angriffen der Germanen zurückgerufen hatte, durch die räuberischen Einfälle der Pisten und Skoten, denen die Angelsachsen unter Hengist und Horsa folgten, fast ganz vernichtet worden, so daß England erst durch die Bemühungen der iro-schottischen Mönche dem christlichen Glauben wieder gewonnen werden mußte; einzelne angelsächsische Reiche waren aber noch heidnisch geblieben.) Der fromme Priester seufzte tief auf und sagte: ,Ach, wie schmerzlich ist es, daß über Menschen von so leuchtendem Angesichte der Meister der Finsternis herrscht und daß die Begnadigung mit solchem Angesichte nicht mit der Begnadigung innern Lichtes verknüpft ist/ Er erfährt ferner, daß das Volk, zu dem diese Kinder gehören, Engländer heißt. ,Wahrhaftig und mit Recht/ sagt er, ,denn sie haben ein engelgleiches Angesicht und sollten der Engel Miterben in den himmlischen Reichen sein. Welchen Namen aber führt jene Landschaft, woher sie kommen Man giebt ihm die Antwort, daß sie Deira heißt. ,Wohl/ sagt er, ,mögen sie de ira d. H. vom Zorne Gottes erlöst und zur Barmherzigkeit Christi berufen sein. Wie aber nennt sich der König jenes Landes?' ,Aella‘, entgegnete man ihm. Da sprach er, an den Klang jenes Namens gedenkend: ,Allelujah, das Lob Gottes des Schöpfers soll in jenen Landen gesungen werden/ Er ging nun zum Papste und bat ihn, einige Diener Gottes nach Britannien zu senden, er selbst wolle seine Kräfte der Vollendung des Werkes widmen. Der Papst war bereit, Gregors Wunsch zu erfüllen, aber das römische

7. Vom großen Interregnum bis zur Reformation - S. 139

1893 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
139 Es ist leicht zu verstehen, daß die überall Mißhandelten und Getretenen sich an ihren Quälern zu rächen suchten. Sie ließen sich geliehene Summe» sehr hoch verzinsen, brachten, wo und wie es nur gelingen mochte, Pfandstücke in ihren dauernden Besitz, suchten sich zur Eintreibung ihrer Forderungen des Beistandes mächtiger Fürsten und Herren zu versichern, indem sie diesen z. B. die Hälfte der Schuldsumme versprachen u. s. w. — kurz, sie führten einen heimlichen Krieg gegen die christliche Gesellschaft, die bis in ihre höchsten Spitzen hinaus den Juden zinsbar war. Da geschah es denn nicht selten, daß das Volk, oft im stillschweigenden Einverständnis mit seinen weltlichen und geistlichen Herrschern, über die wucherischen Fremdlinge herfiel, sie beraubte und erbarmungslos hinschlachtete, wenn sie in ihrer Not nicht die Taufe annahmen. Jeder erdenkliche Greuel ist bei den von Zeit zu Zeit sich wiederholenden Judenverfolgungen geübt worden, und die Feder sträubt sich, die Einzelheiten des entsetzlichen Kampfes niederzuschreiben. Ein weit verbreiteter Aberglaube gab den Juden schuld, sie töteten Christenkinder, um ihr Blut beim Passahfeste zu verwenden (Knnbenmord in Tanten 1891!), sie schändeten die Hostie, vergifteten die Brunnen u. dgl. Umsonst nahmen sich die Obrigkeiten der Beschuldigten an — die Stimmen der Kaiser wie der Päpste verhallten migehört in dem Ruf nach Rache für die Verspottung und Entweihung christlicher Menschen und Gebräuche. Der Judenverfolgung von 1298 folgten 1336—1338 schwere und blutige Bedrängnisse der Juden im Elsaß, in Franken, Schwaben, Bayern und Österreich. Noch allgemeiner waren die Verfolgungen von 1348 und 1349, als der ,schwarze Tod' im Reiche wütete und man allgemein glaubte, die Juden hätten die Brunnen vergiftet. „Seit dem Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts begannen dann die Vertreibungen der Juden auf den Beschluß der Obrigkeiten; so wurden sie 1420 ans Mainz und Österreich, 1424 aus Freiburg im Breisgau und Zürich, 1426 ans Köln. 1432 ans Sachsen, 1435 ans Speyer und wieder ans Zürich, 1438 wieder ans Mainz, 1439 aus Augsburg, 1450 aus Bayern vertrieben. Seitdem hatten sie in einem großen Teile Deutschlands gar keine feste Niederlassung mehr und durfte» nur gegen ein bestimmtes Geleitgelb hindurchziehen oder ihres Handels wegen ein paar Stunben ober Tage sich aufhalten; so blieb es bis in die Zeit der Aufklärung und der französischen Revolution." (Richter u. Götzinger.)

8. Vom großen Interregnum bis zur Reformation - S. 217

1893 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
217 Amtsbrüdern hervorragte. Im Dienste des Königs Philipp hatte er es nach dem Wunsche des Herrschers stets so einzurichten verstanden, daß der rohen Gewalt stets das Mäntelchen der Gesetzlichkeit umgehängt wurde. Dies war besonders hervorgetreten, als König Philipp einen Prozeß mit dem jähzornigen Papste Bonisacins Viii., der ihn in den Bann gethan hatte, führte. Nogaret war zum Danke für die Unterstützung, welche er dem Könige gewährt hatte, zum Baron und 1307 zum Reichskanzler ernannt worden. Ihm übertrug der König auch die Führung des Prozesses gegen die Tempelherren, und der Verlauf der Untersuchung rechtfertigte die Wahl des Königs in glänzender Weise. Das Beispiel Nogarets steht leider nicht vereinzelt da. In denteufeis-argen Zeiten, als Aberglaube und Wundersucht die Seelen der Menschen ^Unbeherrschten, übten viele der Männer, welche durch geistliche oder weit-^rötliche Obrigkeit zu Wächtern und Lehrern des Volkes eingesetzt waren, eine Gewaltherrschaft der schlimmsten Art über das schutzlose Volk aus. Selbst im Banne des Aberglaubens stehend, hielten sie sich für berufen, die nach allgemeiner Ansicht verderblichen Richtungen desselben schonungslos zu verfolgen. So entstanden die Hexenverfolgungen, die besonders auch dazu dienen mußten, die Ketzer zu treffen. Standen doch beide, Hexen und Ketzer, nach der Ansicht der römischen Theologen im Solde des Teufels. Ein Wesen, das mit göttlicher Macht ausgestattet, dem Walten der.^r-segenbringenden Gottheit feindlich gegenübertritt, war in den meisten ^u-Religionen des Altertums vorhanden. Die Inder hatten neben Brama, &Teenjfe“n dem Schöpfer, und Vishnu, dem Erhalter, ihren Siva, den Zerstörer; Zoroasters Glaubenlehre spricht von dem guten Ormuzd und dem bösen Ahriman; die Ägypter bebten vor dem schlimmen Typhon. Auch in die jüdische Religion drang der Glaube an den bösen Geist zur Zeit der Propheten ein. Jesaias sagt Kap. 28, Vers 15: ,Wir haben mit dem Tode einen Bund und mit der Hölle einen Vertrag gemacht/ Von den Inden übernahm das Christentum diese Lehre, und die Missionare konnten nicht grell genug ausmalen, daß, genau genommen, alle heidnischen Götter nichts als Diener und Gesellen des leidigen Satanas gewesen und daher mit Recht zu fürchten seien. In den Kopsen der neuen Christen mischten sich nun die christlichen Religionsbegriffe mit den altheidnischen Vorstellungen, die, durchaus nicht zu beseitigen, nur eine leichte Umwandlung erfuhren. Sie traten in das Dunkel der Nacht zurück, aus der sie in höllischer Beleuchtung von Zeit zu Zeit

9. Vom großen Interregnum bis zur Reformation - S. 218

1893 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
218 besonders bnfür geeigneten Menschen sichtbar wurden. Soft, der Schlimme, war schon längst als Feind der Götter und Menschen bekannt, jetzt gesellten sich Wodan, Thor und alle andern zu ihm; sie behielten in der Vorstellung der Christen alle ihre auszeichnenden Merkmale, oder mußten sich gefallen lassen, daß man ihnen solche anhing. Insbesondere das Oberhaupt der Höllenmächte, der sogen. Teufel, ward mit allen Kennzeichen der unteren griechischen Gottheiten ausstaffiert: von Faunen, Satyrn und Kentauren entlehnte man die rauhe Behaarung, die Hörner, Ziegen- und Pferdehufe für den christlichen Teufel, der nun als Widersacher Gottes, als Fürst der Finsternis, als Verführer und Verderber der Menschen eine grauenerregende Wirksamkeit entfaltete. Zau- Wie Gott seine Heiligen, so hatte auch der Teufel seine Getreuen, Hexen kie 3au6erer und Hexen. Sie empfingen von ihm die Macht, Böses zu thun und Verderben zu bringen. Auch hier läßt sich der Anschluß an die heidnische Vergangenheit der Germanen genau verfolgen. Hexen, ahd. hagazussa, mhd. hecse, hexse, hesse, d. i. die den Hag (= Landgut, Feld, Flur) schädigenden, weisen auf die P r i e st e r i n n e n und weisen Fraueu zurück, die sich vorzugsweise der Weissagung widmeten. Bei den Herbstgastereien war die weise Frau ein gern gesehener Gast, sie bereitete in der Nacht ihren Zauber, den sie aus allerlei kräftigen Dingen in einem Kessel zusammenbraute, während sie zugleich Spruch und Lied dabei hersagte. „Aus dem Wallen des Wassers, dem Kräuseln der Zuthaten in der Hitze, vielleicht auch aus dem Bodensätze las die Frau die Zukunft, die sie sodann von einem vierbeinigen Schemel herab verkündigte. Der Sud oder Seidh gab Macht über Menschen, Tiere und Wetter. Seine Wirkung war nach der Masse, die in den Kessel kam, verschieden. Die Sinnesart der Menschen konnte verändert, Haß oder Liebe ihnen eingeflößt werden. Langsames Hinsiechen, Versetzung aus der Ferne in die Nähe, zum Teil urplötzlich, zum Teil durch unendliche Sehnsucht, welche den Fernen trieb; Verzauberung auf hohe, unzugängliche Orte, Erzeugung von Sturm, Unwetter und Mißwachs schrieb mau dem Seidh zu. Auch Heilung der Krankheiten lag in der Hand der Priesterinnen und weisen Frauen; denn die Heilung war ein Opferdienst, der je nach dem Leiden dieser oder jener Gottheit gewidmet war. Die beliebtesten Heilmittel sind Sprüche, Sagen. Stäbe mit Runen beritzt. Tränke aus Kräutern, Salben und Pflaster." Bei der Bekehrung der Germanen zum Christentum wurden alle diese und ähnliche Vorstellungen in den Gemütern mit dem neuen Samen des

10. Vom großen Interregnum bis zur Reformation - S. 227

1893 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
227 einzig rechtmäßigen Vermittlern zwischen dem zornigen Gott und der sündigen Menschheit nicht folgen wollte! Solcher Mittler gab es viele, so viele, daß wohl manche bekümmerte Seele nicht wußte, an wen sie sich zuerst und zuletzt wenden sollte. In solcher Not zeigte der Priester ihr den Weg. Er war ja vom Eintritt des Menschen in die Welt bis zu seinem Abscheiden aus derselben der einzige, der wirklich verläßlichen Rat geben konnte, da er selbst infolge seiner Weihe hoch über den gewöhnlichen Menschen, und wären sie Kaiser und Könige, im Dienste des Höchsten und unter der unfehlbaren Leitung der ,allein seligmachenden' Kirche stand. Ohne den Priester gab es keine Erlösung aus dem Sündenelende. Das Volk war sich seiner hilflosen Lage wohl bewußt und wäre den Priestern gern gefolgt, wenn diese in ihrer großen Mehrzahl nur nicht selbst gar arge, offenkundige Sünder gewesen wären, die durch ihren Wandel ihre Lehren Lügen straften. Aber auch die Lehre war nicht rein, wie die Priester sie vortrugen; sie enthielt eine Menge der schlimmsten Irrtümer, von denen einige hier folgen mögen. In der großen Schar der ersten Christen, welche bei den Ver- E®re*'g solgungen unter den ausgesuchtesten Martern standhaft ihren Glauben£e^rflen bekannt hatten und fröhlich darauf gestorben waren, befanden sich nicht un^er wenige, deren Andenken bei den überlebenden und den Christen späterer Iic>uien-Zeiten im Segen blieb. Die Gemeinde feierte die Todestage solcher Märtyrer und stellte ihr Bild in den Kirchen auf. Die Vorsteher stellten das Leben der Blutzeugen als ein durchaus reines und fleckenloses dar, und so gewöbnte sich die Gemeinde daran, sie als Heilige anzusehen, die jetzt in der steten Gemeinschaft mit Gott den Lohn ihrer Treue empfingen. Alles, was etwa von den Heiligen auf Erden erhalten geblieben war, ihre Gebeine, ihre Kleidung, Sachen, die sie benutzt hatten u. s. w. ward sorgfältig gesammelt und in meist sehr wertvollen Schreinen aufbewahrt. Solche Überreste hießen Reliquien. Es blieb nun nicht lange bei der andächtigen Betrachtung dieser Erinnerungsgegenstände, bald schrieb man ihnen wuuderthätige Wirkungen zu: Blinde sollten durch die Berührung von Reliquien sehend, Taube hörend, Bucklige gerade, Kranke gesund geworden sein. Die Betrachtung wandelte sich in Verehrung um, die allmählich zur Anbetung wurde. Dies offenbarte sich, wenn die Reliquien ausgestellt wurden (der sogen. ,heilige Rock' in Trier 1891); knieend begrüßten die Gläubigen diese kostbarsten aller Schätze. Beim Eidschwur legte der Schwörende die Finger aus ein Reliquienkästchen. Kirchen und Klöster ließen es sich große Summen 15*
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